Titel:
Bagatellschwelle beim Ausweisungsinteresse
Normenketten:
AufenthG § 54 Abs. 2 Nr. 10
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, § 124a Abs. 5 S. 4, § 152 Abs. 1
Leitsätze:
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils iSd § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestünden dann, wenn der Rechtsmittelführer im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es entspricht gefestigter obergerichtlichen Rechtsprechung (auch des Senats), dass § 54 Abs. 2 Nr. 10 AufenthG nF auch auf Straftaten unterhalb der in § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG nF geregelten Bagatellschwelle von 90 Tagessätzen anwendbar ist. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Antrag auf Zulassung der Berufung, Ausweisung, Strafmaß, Unanfechtbarkeit, unerlaubter Aufenthalt, tragender Rechtssatz, Tatsachenfeststellungen, Bagatellschwelle, Tagessatz, ernstliche Zweifel, Ausweisungsinteresse, Zulassungsverfahren
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 30.04.2025 – M 12 K 24.5075
Fundstelle:
BeckRS 2025, 27756
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,-- Euro festgesetzt.
Gründe
1
Mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt die Klägerin ihre in erster Instanz erfolglose Klage gegen ihre Ausweisung aus dem Bundesgebiet weiter.
2
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag ergeben sich die allein (und auch nur der Sache nach) geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht.
3
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestünden dann, wenn der Rechtsmittelführer im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – juris Rn. 11; B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – juris Rn. 16). Dies ist jedoch nicht der Fall.
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Der Klägerin, die wegen unerlaubten Aufenthalts ohne Pass zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt wurde, wendet sich ausschließlich gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, sie habe ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Abs. 2 Nr. 10 AufenthG verwirklicht und rügt insofern – soweit nachvollziehbar –, dieser Regelung komme nicht die vom Verwaltungsgericht angenommene Auffangfunktion zu, die Privilegierungen in anderen Tatbeständen des § 54 AufenthG müssten insofern Berücksichtigung finden.
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Dieses Vorbringen begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung. Es entspricht gefestigter obergerichtlichen Rechtsprechung (auch des Senats), dass § 54 Abs. 2 Nr. 10 AufenthG n.F. auch auf Straftaten unterhalb der in § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG n.F. geregelten Bagatellschwelle von 90 Tagessätzen anwendbar ist (BayVGH, B.v. 12.5.2025 – 10 ZB 24.1810 – juris Rn. 4 ff.; U.v 6.8.2024 – 19 B 23.924 – juris Rn. 12 ff.; OVG Nds, B.v. 6.3.2024 – 13 LC 116/23 – juris Rn. 64; SächsOVG, B.v. 6.1.2025 – 3 B 207/24 – juris Rn. 26 f.; ebenso Hailbronner, AufenthG, Stand: April 2024, § 54 Rn. 185 ff.). Umso mehr ist der Anwendungsbereich der Vorschrift eröffnet, wenn das Strafmaß – wie hier – die Bagatellschwelle erreicht bzw. überschreitet.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3, § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).