Titel:
Klageerhebung per Fax durch einen Steuerberater - Nutzungspflicht von beSt
Normenketten:
FGO § 47 Abs. 1, § 52d, § 56, § 62 Abs. 2 S. 1, § 135 Abs. 1
StBerG § 86c bis 86e
Leitsatz:
Der Nichterhalt des offiziellen Registrierungsbriefs im Zeitpunkt der Klageerhebung ist im Übrigen grundsätzlich unerheblich (vgl. FG Nürnberg, Gerichtsbescheid vom 10. Juli 2023 – 6 K 129/23,BeckRS 2023, 18002) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Einkommensteuerbescheid, Betriebsaufgabeerklärung, Berufsträger, Finanzgerichtsordnung, Unzulässigkeit der Klage, Nutzung, Klageunzulässigkeit, Nutzungspflicht, Zustimmung, Versäumte Rechtshandlung, Veräußerungsgewinn, besondere elektronische Steuerberaterpostfach
Rechtsmittelinstanz:
BFH München vom -- – VI R 13/25
Fundstelle:
BeckRS 2025, 27676
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
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Streitig ist in der Hauptsache, ob ein Veräußerungsgewinn angesetzt werden kann.
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Der Kläger ist Steuerberater und erzielte im Streitjahr 2019 u.a. Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft.
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Mit Notarvertrag vom 24.04.2020 veräußerte der Kläger das Grundstück Flurstück … mit einer Gesamtgröße von 13.818 qm zu einem Kaufpreis von 414.540 €.
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Mit Einkommensteuerbescheid 2019 vom 28.04.2022 erfasste das beklagte Finanzamt bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung einen Veräußerungsgewinn in Höhe von 395.813 € und setzt die Einkommensteuer auf 176.843 € fest.
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Hiergegen wurde mit Schreiben vom 22.05.2022 fristgerecht Einspruch eingelegt, mit welchem sich der Kläger gegen die Berücksichtigung eines Veräußerungsgewinns wandte.
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Zur Begründung wurde vorgebracht, dass sich das Grundstück zunächst im Eigentum der Großeltern befunden habe. Es sei im Jahr 1979 an den Vater des Klägers übergeben worden. Nach dessen Tod im Jahr 1996 habe der Kläger und seine Mutter das Grundstück in Erbengemeinschaft geerbt. Im Jahr 2005 habe die Mutter ihren hälftigen Anteil an den Kläger übertragen.
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Der land- und forstwirtschaftliche Betrieb sei bereits infolge der Kriegsverletzungen des Großvaters im Jahr 1945 aufgegeben worden, da eine Bewirtschaftung durch ihn bzw. durch Familienangehörige nicht habe erfolgen können. Das Grundstück habe lediglich der Selbstversorgung gedient, der Verkauf der Erzeugnisse sei nicht möglich gewesen, da die Mengen nicht ausreichend gewesen seien. Eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr habe daher nicht vorgelegen und damit auch keine Gewinnerzielungsabsicht. Das Grundstück sei nicht dem Betriebsvermögen, sondern dem Privatvermögen zuzurechnen.
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Aufgrund der Verletzungen bzw. der Umstände habe der Großvater die Tätigkeit als Selbstversorgungslandwirt einstellen müssen. Eine Betriebsaufgabeerklärung habe dem Finanzamt nicht vorgelegt werden müssen, da es sich nicht um eine steuerlich relevante Tätigkeit gehandelt habe. Das landwirtschaftliche Grundstück sei verpachtetet worden, die Kopie eines schriftlichen Pachtvertrages mit Pachtbeginn zum 01.10.1977 wurde beigebracht.
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Das Einspruchsverfahren verlief zum großen Teil erfolglos. Mit Einspruchsentscheidung vom 09.03.2023, die am 10.03.2023 zur Post gegeben wurde, wurde die Einkommensteuer 2019 auf 176.403 € festgesetzt. Dabei ging das Finanzamt von einem Veräußerungsgewinn in Höhe von 394.651 € aus. Im Übrigen wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.
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Zur Begründung führte die Behörde im Wesentlichen aus, dass das streitgegenständliche Grundstück eine Fläche vom 13.818 qm habe, diese übersteige die für die Abgrenzung von einer privaten Gartenbewirtschaftung zu Eigenbedarfszwecken entwickelte Grenze von 3.000 qm deutlich. Es sei unstreitig davon auszugehen, dass vor dem Krieg eine aktive Landwirtschaft betrieben worden sei. Eine ausdrückliche Betriebsaufgabe habe nicht festgestellt werden können. Des Weiteren sei nicht von einer Verpachtung vor dem 23.06.1948, die eine Betriebsaufgabe fingieren würde, oder eine spätere parzellenweise Verpachtung auszugehen.
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Bei einer bewirtschafteten Fläche mit mehr als der vierfachen der erforderlichen Mindestgröße sei auch unter Einbeziehung des Vorbringens des Klägers davon auszugehen, dass die Landwirtschaft regelmäßig mehr Erträge abwarf, als für die Deckung des reinen Eigenverbrauchs benötigt wurden.
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Die Beendigung der aktiven Eigenbewirtschaftung durch den Großvater des Klägers sei nicht als Betriebsaufgabe durch schlüssige Handlung zu werten, sondern lediglich als (vorübergehende) Betriebsunterbrechung.
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Hiergegen wurde mit Fax vom 12.04.2023 Klage erhoben, mit welcher das Begehren aus dem Einspruchsverfahren weiter verfolgt wird.
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Mit Eingangsbestätigung vom 13.04.2023, worauf wegen der Einzelheiten verwiesen wird, wies das Gericht sinngemäß auf die aktive Nutzungspflicht des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs (beSt) hin.
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Ergänzend zum Einspruchsverfahren wird zur Begründung der Klage näher ausgeführt, dass von Anfang an kein steuerlicher Erwerbsbetrieb vorgelegen habe. Die Tätigkeit sei ausschließlich zur Selbstversorgung erfolgt und krankheitsbedingt nach dem Krieg aufgegeben worden. Das Erfordernis einer Aufgabeerklärung sei erst durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 aufgenommen worden, im Zeitpunkt der Einstellung durch den Großvater (1945) habe das Gesetz derartige Regelungen nicht enthalten.
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Zudem sei ersichtlich, dass das Finanzamt den Veräußerungsgewinn, selbst wenn ein solcher entstanden sein sollte, im falschen Veranlagungszeitraum erfasst habe. Bezüglich der Einkünfte nach § 13 Einkommensteuergesetz (EStG) habe der Kläger in den Steuererklärungen explizit das Wirtschaftsjahr jeweils vom 01.01. bis 31.12. angegeben. Dementsprechend sei in der Vergangenheit auch veranlagt worden. Der notarielle Vertrag sei im Jahr 2020 und nicht im Streitjahr 2019 geschlossen worden.
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Der Kläger beantragt sinngemäß:
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Unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 2019 vom 28.04.2022 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 09.03.2023 werden die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft ohne Berücksichtigung eines Veräußerungsgewinns festgesetzt.
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Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen und verweist im Wesentlichen auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.
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Mit der Klageeinreichung per Fax am 12.04.2023 teilte der Kläger zunächst mit, auf eine mündliche Verhandlung nicht verzichten zu wollen. Mit seiner Begründung vom 22.05.2023, die über das besondere elektronische Steuerberaterpostfach übermittelt wurde, erklärte der Kläger seinen Verzicht auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
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Das beklagte Finanzamt verzichte mit Schriftsatz vom 05.06.2023 ebenfalls auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
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Wegen der Einzelheiten wird auf die vorliegenden Akten verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die Entscheidung ergeht mit Zustimmung der Beteiligten im schriftlichen Verfahren (vgl. § 90 Abs. 2 Finanzgerichtordnung – FGO).
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Der Kläger hat seine Zustimmung hierfür wirksam erteilt, insbesondere erfolgte diese Prozesserklärung formwirksam unter Nutzung des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfaches.
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Die Klage ist bereits unzulässig, denn sie ist nicht wirksam erhoben worden.
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Die am 12.04.2023 per Fax eingegangene Klage ist nicht in der gebotenen Form eingereicht worden. Der Formverstoß führt zur Unwirksamkeit und schließt damit insbesondere eine Fristwahrung aus.
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Aufgrund der Unzulässigkeit der Klage kann das Gericht zu den aufgeworfenen Rechtsfragen keine Stellung beziehen.
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1. Vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind nach § 52d Satz 1 FGO als elektronisches Dokument zu übermitteln. Gleiches gilt nach § 52d Satz 2 FGO für die nach der FGO vertretungsberechtigten Personen und Bevollmächtigten, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 4 FGO zur Verfügung steht; ausgenommen sind nach § 62 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Halbsatz 1 oder Nr. 2 FGO vertretungsbefugte Personen.
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Für die in § 62 Abs. 2 Satz 1 FGO genannten Steuerberater steht seit dem 01.01.2023 ein sicherer Übermittlungsweg i.S. des § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO zur Verfügung; denn seit dem 01.01.2023 (§ 157e des Steuerberatungsgesetzes – StBerG –) richtet die Bundessteuerberaterkammer über die Steuerberaterplattform für jeden Steuerberater ein besonderes elektronisches Steuerberaterpostfach empfangsbereit ein (§ 86d Abs. 1 Satz 1 StBerG). Steuerberater sind mit der Einrichtung des Postfachs, spätestens aber ab diesem Zeitpunkt, nach § 52d Satz 2 FGO nutzungspflichtig (vgl. BFH, Beschluss vom 28. April 2023 – XI B 101/22 –, BFHE 279, 523, BStBl II 2023, 763, Rn. 13, m.w.N.).
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Rechtsgrundlage für die wirksame gesetzliche Errichtung des beSt als sicherem Übermittlungsweg sind (nur) die §§ 86c bis 86e StBerG. Diese Regelungen sind nach dem 31.12.2022 anwendbar. Die aktive Nutzungspflicht von Steuerberatern für das beSt ergibt sich nur aus § 52d Satz 2 FGO, sofern diesen ab dem 01.01.2023 ein sicherer Übermittlungsweg nach § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO zur Verfügung steht.
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Die wirksame gesetzliche Errichtung des sicheren Übermittlungswegs im Sinne des § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO zum 01.01.2023 setzt nicht voraus, dass auch die Steuerberaterplattform- und -postfachverordnung wirksam erlassen worden ist. (vgl. ausführlich BFH, Urteil vom 22. Oktober 2024 – VIII R 19/22 –, Rn. 25 – 27, juris).
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2. Der Kläger ist als Steuerberater verpflichtet, das besondere elektronische Steuerberaterpostfach aktiv für Prozesserklärungen zu nutzen. Im Streitfall fehlt es hieran, die Klageerhebung per Fax ist unwirksam.
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Das Finanzgericht hat über die Wirksamkeit der Klageerhebung von Amts wegen zu entscheiden, es ist hierbei weder an die Anträge der Beteiligten noch an deren Äußerungen gebunden.
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a.) Es ist hierbei unerheblich, dass der Kläger als Steuerberater in eigenen Angelegenheiten tätig geworden ist.
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Für einen Rechtsanwalt, der in eigenen Angelegenheiten tätig wird, hat die Rechtsprechung entschieden, dass die gesetzliche Regelung allein an den Status als Rechtsanwalt oder Rechtsanwältin anknüpft (BFH, Beschluss v. 23.8.2022 – VIII S 3/22, BFH/NV 2022, 1248, Rn. 3).
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Die Regelung ist daher so zu verstehen, dass es unerheblich ist, ob die jeweilige Person in seiner Eigenschaft als Berufsträger auftritt oder nicht. Weder aus dem Wortlaut noch aus sonstigen Anhaltspunkten ergibt sich, dass die Nutzungspflicht davon abhängt, ob im konkreten Fall als Rechtsanwalt aufgetreten wird oder nicht. Der Gesetzgeber hat die Nutzungspflicht an den berufsrechtlichen Status des Rechtsanwalts bzw. der Rechtsanwältin in ihrer Eigenschaft als „professionelle Einreicher“ (BT-Drucksache 17/12634, S. 20) geknüpft (vgl. FG Düsseldorf, Beschluss vom 9. Januar 2023 – 4 V 1553/22 A(Erb) –, Rn. 4, juris).
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Gleiches gilt nach Auffassung des Senats für einen Steuerberater, auch hierbei handelt es sich um einen professionellen Einreicher im Sinne der obigen Begründung. Im Streitfall kommt hinzu, dass der Kläger offenkundig auch in seiner Eigenschaft als Berufsträger aufgetreten ist, die Klageeinreichung per Fax erfolgte unter dem Briefkopf der Steuerkanzlei und auch in der Unterschriftszeile wird der Kläger als Steuerberater bezeichnet.
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b.) Im Streitfall ist dem Senat nicht bekannt, wann der Kläger seinen Registrierungsbrief erhalten hat. Das Hinweisschreiben des Gerichts vom 13.04.2023 im Zuge der Eingangsbestätigung blieb unbeantwortet.
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Der Kläger hat jedenfalls am 22.05.2023 mit dem Gericht mittels beSt kommuniziert.
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Es ist jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass dem Kläger die Registrierung bereits im Zeitpunkt der Klageerhebung vorlag, aber das Übermittlungsverfahren nicht genutzt wurde.
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Der Nichterhalt des offiziellen Registrierungsbriefs im Zeitpunkt der Klageerhebung ist im Übrigen grundsätzlich unerheblich (vgl. FG Nürnberg, Gerichtsbescheid vom 10. Juli 2023 – 6 K 129/23 –, juris).
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3. Sofern die erstmalige Kommunikation des Klägers mit dem Gericht per beSt am 22.05.2023 als wirksame Klageerhebung angesehen werden könnte, wäre diese jedenfalls verfristet (vgl. § 47 Abs. 1 FGO).
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Die Klagefrist endet regulär mit Ablauf des 13.04.2023 (Donnerstag).
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4. Eine Wiedereinsetzung in die abgelaufene Klagefrist kommt nicht in Betracht.
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Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden (vgl. § 56 Abs. 1 und 2 FGO).
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Die Tatsachen, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen können, sind innerhalb dieser Frist vollständig, substantiiert und in sich schlüssig darzulegen (vgl. BFH, Beschlüsse vom 04.08.2020 XI R 15/18, BFH/NV 2021, 29, Rz 18).
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Eine Wiedereinsetzung in die verpasste Klagefrist gemäß § 56 FGO scheitert im Streitfall bereits deshalb, weil der Kläger nicht bzw. nicht innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand geltend gemacht hat.
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Trotz des Hinweisschreibens des Gerichts hat sich der Kläger zum Komplex der wirksamen Klageerhebung überhaupt nicht geäußert. Vielmehr teilte der Kläger mit Schreiben vom 22.05.2023 mit, dass alle Argumente vorgetragen worden seien.
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Zudem würde eine Wiedereinsetzung auch am Verschulden bzw. am fahrlässigen Verhalten scheitern. Es ist Aufgabe eines Berufsträgers als Organ der Rechtspflege, sich ausreichend zu informieren und den gesetzlichen Regelungen Wirksamkeit zu verschaffen (vgl. FG Nürnberg, Gerichtsbescheid vom 10. Juli 2023 – 6 K 129/23 –, juris).
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.