Titel:
Pfändbarkeit der Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung - Zusammenrechnung unterschiedlicher laufender Geldleistungen nach dem Sozialgesetzbuch
Normenketten:
InsO § 36 Abs. 1
ZPO § 765a, § 850c, § 850e
SGB I § 54
SGB VII § 56
Leitsätze:
1. Im Falle der Insolvenz kann die Verletztenrente wie Arbeitseinkommen gepfändet werden. (redaktioneller Leitsatz)
2. Mehrere pfändbare Sozialleistungen sind nach § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO i.V.m. § 850e Nr. 2a ZPO zusammenzurechnen. (redaktioneller Leitsatz)
3. Besondere Bedürfnisse des Schuldners wie höhere Gesundheitskosten müssen konkret und außergewöhnlich sein, um eine Anpassung des unpfändbaren Betrages nach § 850f Abs. 1 Nr. 2 ZPO zu rechtfertigen. (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Berücksichtigung des Sozialhilfestandards schließt eine unzumutbare Härte gemäß § 765a ZPO bei der Zusammenrechnung von pfändbaren Sozialleistungen aus. (redaktioneller Leitsatz)
5. Die Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 56 SGB VII fällt nicht unter § 54 Abs. 3 Nr. 3 SGB I, sondern ist in voller Höhe nach § 54 Abs. 4 SGB I wie Arbeitseinkommen pfändbar. Sie stellt eine gesetzlich geregelte Entschädigung dafür dar, dass der Verletzte in Folge des Unfalls in seiner Fähigkeit beeinträchtigt ist, sich einen Erwerb zu verschaffen, und ist somit eine laufende pauschale Entschädigung für Erwerbseinbußen. (Rn. 25 – 26) (redaktioneller Leitsatz)
6. Eine Schuldnerbegünstigung gem. § 850f Abs. 1 Nr. 2 ZPO durch Änderung des unpfändbaren Betrages ist dann erforderlich, wenn dem Schuldner unter Berücksichtigung seiner nach Nr. 1 bis 3 zu berücksichtigenden Verpflichtungen Sozialhilfebedürftigkeit droht oder wenn ihm aus seinen besonderen Belastungen, die nicht schon nach §§ 850c, 850d oder 850i ZPO berücksichtigt wurden, ein überdurchschnittlicher Nachteil erwächst. Ein besonderes Bedürfnis des Schuldners im Sinne dieser Vorschrift setzt voraus, dass dieses konkret und aktuell vorliegt und außergewöhnlich in dem Sinne ist, dass es bei den meisten Personen in vergleichbarer Lage nicht auftritt. (Rn. 30 – 31) (redaktioneller Leitsatz)
7. Die Einschränkung der Pfändbarkeit von Ansprüchen eines Schuldners gegen den Träger der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 765a ZPO muss auch aus verfassungsrechtlichen Gründen zu rechtfertigen sein. Der durch Art. 14 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gewährleistete Schutz erstreckt sich insbesondere auf das Befriedigungsrecht des Gläubigers aus schuldrechtlichen Forderungen. Der Staat, der selbst das Zwangsvollstreckungsmonopol ausübt, darf den davon betroffenen Gläubigern das Einkommen bestimmter Schuldnerkreise nicht generell als Haftungsgrundlage entziehen. Pfändungsverbote sind nur aus Gründen des Sozialstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 GG) gerechtfertigt, um die eigene Lebensgrundlage des Schuldners durch Pfändungsfreibeträge (§§ 850 ff. ZPO) zu sichern. (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Pfändbarkeit der Ansprüche, Sozialleistungen, Zusammenrechnung laufender Geldleistungen nach dem Sozialgesetzbuch, pfändbares Einkommen, Pfändbarkeit der Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung, Pfändbarkeit von Sozialleistungen, überdurchschnittlicher Nachteil, besonderes Bedürfnis des Schuldners, Einschränkung der Pfändbarkeit von Ansprüchen
Vorinstanzen:
AG München, Beschluss vom 19.08.2025 – 1542 IK 83/24
AG München, Beschluss vom 13.03.2025 – 1542 IK 83/24
AG München, Beschluss vom 10.03.2025 – 1542 IK 83/24
Fundstellen:
ZInsO 2025, 2398
FDInsR 2025, 027646
BeckRS 2025, 27646
LSK 2025, 27646
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Schuldners gegen den Beschluss des Amtsgerichts München vom 13.03.2025, Az. 1542 IK 83/24, wird zurückgewiesen.
2. Der Schuldner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
1
Der Schuldner wendet sich mit seiner sofortigen Beschwerde vom 24.03.2025 gegen den Beschluss des AG München – Insolvenzgericht – vom 10.03.2025.
2
Mit Beschluss vom 16.01.2024 wurde durch das AG München – Insolvenzgericht – das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners wegen Zahlungsunfähigkeit eröffnet.
3
Der Schuldner verfügt über einen GbB von 80 und nimmt nicht mehr am Erwerbsleben teil.
4
Der Schuldner bezog im Zeitpunkt der Entscheidung folgende monatliche Leistungen:
- Rente als vorläufige Entschädigung 1.980,94 € (Drittschuldnerin 2: Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft)
- Rente wegen voller Erwerbsminderung 1.731,54 € (Drittschuldnerin 1: Deutsche Rentenversicherung Bund)
- private Unfallrente 190,00 €
- Entschädigung für Kleider- und Wäscheverschleiß 97,00 €
- Rentenbeihilfeleistung 72,40 €
5
Die Insolvenzverwalterin ... hat mit Antrag vom 02.12.2024 die Zusammenrechnung der Einkünfte des Schuldners nach § 36 Abs. 4, 1 InsO i.V.m. § 850e Nr. 2a ZPO beantragt (dies betrifft die Rente als vorläufige Entschädigung in Höhe von 1.980,94 € und die Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von 1.731,54 € = 3.712,48 € = 1.552,78 € pfändbarer Betrag).
6
Der Schuldner wurde zu dem Antrag der Insolvenzverwalterin gehört und beantragte mit Schriftsatz vom 20.12.2024 die Zurückweisung, da eine Pfändbarkeit der Verletztenrente nach §§ 62 Abs. 2 SGB VII, 54 Abs. 1 SGB I ausscheide. Auch sei der Schuldner aufgrund eines Arbeitsunfalls erheblich eingeschränkt. Dies führe zu einem erhöhten Finanzbedarf für
- medizinische Behandlungen und Therapien
- Anschaffung von Hilfsmitteln
- eingeschränkte Mobilität und Mehraufwand, insbesondere angepasste Wohnverhältnisse und zusätzliche Mobilitätskosten
7
Letztlich würde eine höhere Pfändungsquote dazu führen, dass der Schuldner unter das gesetzlich garantierte Existenzminimus gedrückt werden würde, so dass eine unzumutbare Härte im Sinne des § 765a ZPO anzunehmen sei.
8
Die Insolvenzverwalterin nahm mit Schreiben vom 27.01.2025 hierzu Stellung.
9
Mit Beschluss vom 10.03.2025 ordnete das AG München – Insolvenzgericht – auf Antrag der Insolvenzverwalterin ... an, dass die dem Schuldner zufließenden laufenden Sozialleistungen nach dem Sozialgesetzbuch zusammenzurechnen sind. Der unpfändbare Grundbetrag ist zunächst den Leistungen zu entnehmen, die der Schuldner vom Rententräger Deutsche Rentenversicherung Bund in Form von Rente bezieht. Kann der unpfändbare Grundbetrag nicht gedeckt werden, ist die Sozialleistung, die der Schuldner von dem Rententräger Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft Region Süd in Form von Rente bezieht, solange einzusetzen, bis der unpfändbare Grundbetrag gedeckt ist. Der Pfändungsmehrbetrag steht der Insolvenzmasse zu. Dies gilt auch für die Zeit der Wohlverhaltensphase.
10
Mit Schriftsatz vom 24.03.2025 erhob der Schuldner sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 10.03.2025. Diese wurde mit Schriftsatz vom 31.03.2025 begründet. Der Schuldner beantragte,
- 1.
-
den Beschluss des Insolvenzgerichts München vom 13. März 2025 aufzuheben und den Antrag der Insolvenzverwalterin auf unbeschränkte Zusammenrechnung aller Sozialleistungen abzulehnen, soweit dadurch eine Pfändung der BG-Verletztenrente ohne Berücksichtigung der besonderen Umstände des Schuldners angeordnet wird,
- 2.
-
hilfsweise, den angefochtenen Beschluss dahingehend abzuändern, dass bei der Ermittlung des pfändbaren Betrags der BG-Verletztenrente der 50%-ige Minderfaktor / Minderung der Erwerbsfähigkeit analog zur Praxis des Deutschen Rentenversicherers angewandt wird und zusätzlich eine Anhebung des unpfändbaren Teils nach § 850f Absatz 1 ZPO unter Berücksichtigung der Mehrkosten aus Schwerbehinderung, erhöhten Krankenkassenbeiträgen und steigender Miete erfolgt.
11
Mit Beschluss vom 19.08.2025 half das AG München – Insolvenzgericht – der sofortigen Beschwerde nicht ab und legte die Akte dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vor.
12
Die sofortige Beschwerde des Schuldners ist gemäß den §§ 4, 36 Abs. 1 S. 2 InsO i.V.m. den § 567 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 11 Abs. 1 RPflG statthaft.
13
Die sofortige Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist sie gemäß § 569 ZPO form- und fristgerecht eingelegt worden.
14
Sie bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.
15
Die vom Amtsgericht getroffene Entscheidung ist nicht zu beanstanden:
16
Das AG München – Insolvenzgericht – hat dem Antrag gemäß § 36 Abs. 4 und 1 InsO i.V.m. § 54 Abs. 4 SGB I i.V.m. § 850e Ziffer 2a ZPO zu Recht entsprochen, da die Insolvenzverwalterin glaubhaft gemacht hat, dass der Schuldner über mehrere laufende Sozialleistungen nach dem Sozialgesetzbuch verfügt und diese auch pfändbar sind, sowie, dass hiermit der Sozialhilfestandard gewahrt bleibt.
17
Der Schuldner bezieht von dem Rententräger Deutsche Rentenversicherung Bund Rente in Höhe von monatlich 1.731,54 € und von dem Rententräger Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft Region Süd Rente in Höhe von monatlich 1.980,94 €.
18
Daneben erhält er Pflegegeld in Höhe von 435,60 €, eine private Unfallrente in Höhe von 190,00 €, eine Entschädigung für Kleider- und Wäscheverschleiß in Höhe von 97,00 € und eine Rentenbeihilfeleistung in Höhe von 72,40 €, gesamt 4.507,48 €.
19
Die hier streitgegenständlichen, zusammenzurechnenden Positionen des Schuldners betragen zusammen 3.712,48 € monatlich und übersteigen das pfändbare Einkommen um 1.552,78 €. Die Pfändung ist zulässig.
21
1. Die Verletztenrente ist pfändbar.
22
Nach § 35 Abs. 1 InsO erfasst das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse). Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, gehören nach § 36 Abs. 1 S. 1 InsO nicht zur Insolvenzmasse. § 850e ZPO gilt entsprechend (§ 36 Abs. 1 S. 2 In5 sO). Nach § 36 Abs. 1 S. 2 InsO, § 850e Nr. 2 S. 1 ZPO sind mehrere Arbeitseinkommen auf Antrag des Insolvenzverwalters (§ 36 Abs. 4. S. 2 InsO) vom Insolvenzgericht als dem besonderen Vollstreckungsgericht bei der Pfändung zusammenzurechnen.
23
Nach § 36 Abs. 1 S. 2 InsO, § 850e Nr. 2 a S. 1 ZPO sind mit dem Arbeitseinkommen ebenfalls auf Antrag des Insolvenzverwalters auch Ansprüche auf laufende Geldleistungen nach dem Sozialgesetzbuch zusammenzurechnen, soweit diese der Pfändung unterworfen sind. Analog § 850e Nrn. 2 und 2a ZPO werden auch unterschiedliche laufende Geldleistungen nach dem Sozialgesetzbuch zusammengerechnet, soweit sie pfändbar sind (BGH, Beschluss vom 20.10.2016 – IX ZB 66/15 Rn. 6).
24
Die Pfändbarkeit von Sozialleistungen ergibt sich aus § 54 SGB I. Danach sind laufende Geldleistungen unter den Voraussetzungen des § 54 Abs. 3 SGB I unpfändbar. Im Übrigen können sie nach § 54 Abs. 4 SGB I wie Arbeitseinkommen gepfändet werden.
25
Die Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung wäre somit nur dann unpfändbar, wenn sie nach § 54 Abs. 3 Nr. 3 SGB I dafür bestimmt ist, den durch einen Körper- oder Gesundheitsschaden bedingten Mehraufwand auszugleichen. Die Verletztenrente nach § 56 SGB VII fällt jedoch nicht unter § 54 Abs. 3 Nr. 3 SGB I. Denn diese Schutzvorschrift erfasst nicht Leistungen, die den durch Körper- oder Gesundheitsschäden bedingten Einkommensverlust ausgleichen (Lohnersatzfunktion), weil dadurch kein Mehraufwand ausgeglichen wird (BGH, Beschluss vom 20.10.2016 – IX ZB 66/15 Rn. 8). Sie stellt eine gesetzlich geregelte Entschädigung dafür dar, dass der Verletzte in Folge des Unfalls in seiner Fähigkeit beeinträchtigt ist, sich einen Erwerb zu verschaffen. Dabei wird nicht auf den tatsächlich eingetretenen Verdienstentgang abgestellt, sondern nach Bruchteilen der vollen Erwerbsfähigkeit ermittelt, inwieweit der Verletzte mit den ihm verbliebenen Kräften auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zumutbar noch in Wettbewerb treten kann. Die Verletztenrente stellt daher eine laufende pauschale Entschädigung für Erwerbseinbußen dar (BGH, Beschluss vom 20.10.2016 – IX ZB 66/15 Rn. 13; BeckOGK/Ricke, 15.5.2025, SGB VII § 56 Rn. 3).
26
Somit ist die Verletztenrente in voller Höhe nach § 54 Abs. 4 SGB I wie Arbeitseinkommen pfändbar, da sie ebenso wie der Arbeitslohn selbst der Sicherung des Lebensunterhalts dient und nicht als zweckgebundene Kompensationsleistung gezahlt wird. Diese wird auch seit dem 08.12.2019 als Rente auf unbestimmte Zeit nach § 62 Abs. 2 SGB VII bezahlt.
27
Ebenso ist die gesetzliche Altersrente nach § 54 Abs. 4 SGB I pfändbar.
28
2. Die Verletztenrente ist vorliegend auch unter Einhaltung der Pfändungsgrenzen nach § 850c BGB in voller Höhe pfändbar.
29
a) Nach § 850f Abs. 1 Nr. 2 ZPO kann das Vollstreckungsgericht dem Schuldner auf Antrag von dem nach den Bestimmungen der §§ 850c, 850d und 850i pfändbaren Teil seines Arbeitseinkommens einen Teil belassen, wenn besondere Bedürfnisse des Schuldners aus persönlichen oder beruflichen Gründen dies erfordern und überwiegende Belange des Gläubigers nicht entgegenstehen (vgl. auch BGH, Beschluss vom 20.10.2016 – IX ZB 66/15). Dies gilt aufgrund der Verweisung in § 54 Abs. 4 SGB I auch bei der Pfändung laufender Sozialleistungen (Musielak/Voit/Flockenhaus, 22. Aufl. 2025, ZPO § 850f Rn. 2).
30
Schuldnerbegünstigung durch Änderung des unpfändbaren Betrages ist dann erforderlich, wenn ihm unter Berücksichtigung seiner nach Nr. 1 bis 3 zu berücksichtigenden Verpflichtungen Sozialhilfebedürftigkeit droht oder wenn ihm aus seinen besonderen Belastungen, die nicht schon nach §§ 850c, 850d oder 850i berücksichtigt wurden, ein überdurchschnittlicher Nachteil erwächst (Musielak/Voit/Flockenhaus, 22. Aufl. 2025, ZPO § 850f Rn. 7).
31
Ein besonderes Bedürfnis des Schuldners im Sinne dieser Vorschrift setzt voraus, dass dieses konkret und aktuell vorliegt und außergewöhnlich in dem Sinne ist, dass es bei den meisten Personen in vergleichbarer Lage nicht auftritt. Denn die Vorschrift dient dazu, einen Ausgleich zu schaffen, wenn der individuelle Bedarf durch die pauschal unpfändbaren Einkommensteile auf Grund besonderer Umstände nicht gedeckt werden kann (BGH, Beschluss vom 23.04.2009 – IX ZB 35/08). Die Vorschrift schützt den Schuldner davor, bei besonderen Bedürfnissen oder Beanspruchungen unter den Sozialhilfestandard abzusinken (Musielak/Voit/Flockenhaus, 22. Aufl. 2025, ZPO § 850f Rn. 1).
32
Der vom AG München – Insolvenzgericht – angelegte Maßstab ist nicht zu beanstanden.
33
Im Einzelnen hat der Schuldner folgende Belastungen vorgetragen:
34
Der Schuldner hat vorgetragen, dass ihm höhere Gesundheitskosten drohen. Soweit höhere Gesundheitskosten anfallen, stellt sich jedoch die Frage, inwieweit diese nicht von der jeweiligen gesetzlichen Krankenkasse übernommen werden. Nachweise, dass der Schuldner erhebliche Beträge verauslagen muss, sind nicht erkennbar. Soweit einen monatlichen Eigenanteil vom 50,00 € (Zuzahlung Medikamente) aufgeführt wird, ist darin kein überdurchschnittlicher Nachteil erkennbar.
35
Der Umstand, dass sich die Zusatzbeiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung erhöht haben, 7 führt allgemein zu einer Mehrbelastung von Versicherten und ist keine Besonderheit des Schuldners.
36
Auch der Umstand, dass sich im Laufe der Mietzeit die Miete erhöht, stellt keinen besonderen, nur den Schuldner treffenden Umstand dar. Die Erhöhung der Miete steht auch in keinem Zusammenhang mit der besonderen Situation des Schuldners.
37
Soweit aus der Akte Kosten für Essenslieferungen hervorgehen, belaufen sich diese auf monatlich höchstens 160,93 €, wobei lediglich Rechnungen für Dezember 2024 bis Februar 2025 vorgelegt wurden. Zu berücksichtigten ist hierbei jedoch auch, dass Kosten für Lebensmittel gleichfalls auch bei anderen Schuldnern anfallen, so dass der Mehraufwand bereits nicht in voller Höhe angesetzt werden kann. Soweit der Schuldner sich das Essen liefern lässt, ist bereits nicht deutlich erkennbar, ob der Schuldner ausschließlich aufgrund einer Mobilitätseinschränkung auf die Lieferung angewiesen ist. Aus der Liste ergibt sich, dass auch Kosten für „Essen normal einkaufen“ in Höhe von 200,00 € anfallen.
38
Wie bereits vom AG München – Insolvenzgericht – ausgeführt, fehlen für die Kosten für eine Haushaltshilfe in Höhe von 160,00 € monatlich Nachweise, die solche Ausgaben belegen.
39
Selbst wenn der Schuldner geringfügige Mehraufwendungen zu tragen hat, würden diese durch die nicht der Zusammenrechnung unterliegenden weiteren Zahlungen der Allianz Versicherung (190,00 €) und der SOKA-Bau (72,40 €) aufgefangen werden können, so dass eine Gefahr unter den Sozialhilfestandard abzusinken aus Sicht des Beschwerdegerichts nicht besteht.
40
Die Annahme des Erstgerichts, dass ein bestehender Mehrbedarf durch diese unpfändbaren Rentenzahlungen gedeckt werden kann, ist unter Hinweis auf die bestehenden Gläubigerinteressen nicht zu beanstanden. Die Vorlage eines Schwerbehindertenausweises ist allein kein Nachweis erhöhter Aufwendungen.
41
Dem Sachstandsbericht der Insolvenzverwalterin vom 03.06.2025 ist zudem zu entnehmen, dass die Rente als vorläufige Entschädigung in Höhe von nunmehr 2.071,47 € und die Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von nunmehr 1.797,99 € bezahlt werden und die Gesamteinkünfte nunmehr 4.678,34 € betragen würden.
42
Unter Berücksichtigung der Gläubigerinteressen besteht durch die Zusammenrechnung kein überdurchschnittlicher Nachteil auf Seiten des Schuldners, sodass eine Änderung des unpfändbaren Betrag nach § 850f Abs. 1 ZPO nicht erforderlich ist.
43
b) Die Voraussetzungen des § 765a ZPO liegen gleichfalls nicht vor.
44
Die Einschränkung der Pfändbarkeit der Ansprüche der Schuldnerin gegen den Träger der gesetzlichen Unfallversicherung muss auch aus verfassungsrechtlichen Gründen zu rechtfertigen sein. Zu den Eigentumsrechten iSv Art. 14 Abs. 1 GG gehören auch schuldrechtliche Forderungen. Der verfassungsrechtlich gewährleistete Schutz erstreckt sich insbesondere auf das Befriedigungsrecht des Gläubigers. Der Staat, der selbst das Zwangsvollstreckungsmonopol ausübt, darf den davon betroffenen Gläubigern das Einkommen bestimmter Schuldnerkreise nicht generell als Haftungsgrundlage entziehen. Pfändungsverbote sind nur aus Gründen des Sozialstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 GG) gerechtfertigt, um die eigene Lebensgrundlage des Schuldners durch Pfändungsfreibeträge (§§ 850 ff. ZPO) zu sichern (BGH, Beschluss vom 20.10.2016 – IX ZB 66/15).
45
Die zu § 850f ZPO genannten Gründe sich auch hier zu berücksichtigen. Aufgrund der Wahrung des Sozialhilfestandards kann die Zusammenrechnung keine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar wäre.
46
c) Für eine Berücksichtigung des Minderfaktors (50%-ige Minderung der Erwerbsfähigkeit) wie bei der Deutschen Rentenversicherung gibt es keine Rechtsgrundlage und aufgrund der §§ 850f, 765a ZPO auch kein Bedürfnis.
47
Die sofortige Beschwerde war daher zurückzuweisen.
48
Die Kostenentscheidung beruht auf § 4 InsO, § 97 ZPO.
49
Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht gegeben, § 574 Abs. 2 ZPO.