Titel:
Teilwertabschreibungen auf die Beteiligungen - Abzug der Gewinnminderung
Normenketten:
KStG § 8b Abs. 2, Abs. 3 S. 3
GewStG § 7 S. 1
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 3 u. Nr. 1 S. 4, § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 u. 10 Buchstabe a
GewO § 34 c
KWG § 32
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 2
FGO § 52d, § 90 a, § 105 Abs. 3 S. 2
GG Art. 3 Abs. 1
Leitsatz:
Als besondere sachliche Gründe für Ausnahmen von einer folgerichtigen Umsetzung und Konkretisierung steuergesetzlicher Belastungsentscheidungen sind außerfiskalische Förderungs- und Lenkungszwecken sowie Typisierungs- und Vereinfachungserfordernisse anerkannt (vgl. BFH, Urteil vom 18.12.2017 – I R 29/17, BStBl II 2020, 690, BeckRS 2019, 47163). (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Abzugsverbot nach § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG für eine ausschüttungsbedingte Teilwertabschreibung auf Streubesitzdividenden, Beteiligung, Auslegung, Anerkennung, Abgrenzung, Gesellschaft, Gesellschafter, Einkommen, Belastungsgleichheit, Gewinnminderung, Gewerbeertrag, Herstellung, Sinn und Zweck, Steuerfreistellung, Teilwertabschreibung, Gleichheitssatz, Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht
Rechtsmittelinstanz:
BFH München vom -- – I R 24/25
Weiterführende Hinweise:
Revision zugelassen
Fundstelle:
BeckRS 2025, 27543
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1
Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Gegenstand des Unternehmens ist die Verwaltung von eigenem und fremdem direktem und indirektem Immobilienvermögen ausgenommen Geschäfte, die einem Genehmigungserfordernis gemäß § 34 c GewO und/oder § 32 KWG unterliegen. Die Geschäfte der auf Gesellschaftsvertrag vom … beruhenden Gesellschaft, zuletzt geändert am … mit Nachtrag vom …, wurden zuletzt geführt von … und … Die Klägerin erwarb im Jahr … jeweils eine Beteiligung von 5,2% an der … GmbH mit Anschaffungskosten in Höhe von … € und an der … GmbH mit Anschaffungskosten in Höhe von … €. Der Unternehmensgegenstand sowohl der … GmbH als auch der … GmbH bestand jeweils in der Verwaltung eines Hotelgrundstückes.
2
Hierfür hatte die … GmbH im Jahr … ein mit einem Hotel bebautes Grundstück erworben, dieses zunächst verpachtet und schließlich die Immobilie mit Grundstückskaufvertrag vom … veräußert. Der Veräußerungsgewinn betrug ca. … €. Bei der … GmbH war das Geschäftsmodell vergleichbar. Die GmbH erwarb im Jahr … ein mit einem Hotel bebautes Grundstück, das zunächst verpachtet und mit Grundstückskaufvertrag vom … veräußert wurde. Der Veräußerungsgewinn betrug ca. … €.
3
Im Jahr … schütteten die … GmbH und die … GmbH die jeweils bis dahin – im Wesentlichen aus den jeweiligen Veräußerungen der Immobilien resultierenden – Gewinne an ihre Gesellschafter aus. Die Klägerin erhielt Ausschüttungen aus der … GmbH in Höhe von … € und aus der … GmbH in Höhe von … €.
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Im Rahmen des Jahresabschlusses … der Klägerin setzte diese auf die Beteiligungen von jeweils 5,2% an der … GmbH und … GmbH aufgrund erheblicher Wertminderungen – resultierend aus den oben erwähnten Ausschüttungen und der sich daraus ergebenden voraussichtlich dauerhaften Wertminderung gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 Körperschaftsteuergesetz (KStG) i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG) Wertberichtigungen an. Bei der … GmbH belief sich der Beteiligungsbuchwert auf … €. Der Wert der Beteiligung wurde mit … € geschätzt (5,2% des Reinvermögens zum … in Höhe von … €), so dass eine Teilwertabschreibung in Höhe von … € erfolgte. Der Buchwert der Beteiligung bei der … GmbH betrug … €, während sich der geschätzte Wert ebenso auf … € belief (5,2% des Reinvermögens zum … in Höhe von … €). Es wurde demzufolge eine Teilwertabschreibung in Höhe von … € vorgenommen. Die Teilwertabschreibungen betrugen folglich insgesamt … €.
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Der Beklagte rechnete diese Teilwertabschreibung in den Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermessbetragsbescheiden vom … nach § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG außerbilanziell wieder hinzu.
6
Gegen die entsprechenden Bescheide vom … wurde mit Schreiben vom … Einspruch eingelegt. Der Einspruch richtete sich gegen die Versagung der steuerlichen Anerkennung der Teilwertabschreibungen, soweit die Teilwertabschreibungen durch die voll steuerpflichtigen Ausschüttungen bedingt gewesen seien. Erforderlich sei eine verfassungskonforme Auslegung des § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG. Die von der Klägerin angesetzten Werte seien unstreitig.
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Mit Einspruchsentscheidungen vom … wies das Finanzamt die Einsprüche als unbegründet zurück. Bei den genannten Beteiligungen handle es sich um Streubesitzbeteiligungen im Sinne des § 8b Abs. 4 KStG. Die Dividenden seien körperschaftsteuerpflichtig. Eine Teilwertabschreibung auf den Wert der Beteiligung setze eine voraussichtlich dauernde Wertminderung voraus. Den von der Klägerin geltend gemachten Teilwertabschreibungen sei jedoch zu folgen. Die Hinzurechnung der Teilwertabschreibung nach § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG sei auch im Fall von Teilwertabschreibungen aufgrund von voll steuerpflichtigen Ausschüttungen anzuwenden. Nach § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG seien Gewinnminderungen, die im Zusammenhang mit dem in § 8b Abs. 2 KStG genannten Anteil stehen, bei der Gewinnermittlung nicht zu berücksichtigen. Da § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG dem Wortlaut nach als korrespondierende Vorschrift zu § 8b Abs. 2 KStG angelegt ist, finde sich in § 8b KStG eine klare Differenzierung zwischen Vorgängen, die die Ertragsbesteuerung beträfen und substanzrelevanten Vorgängen wie Veräußerungen bzw. Teilwertabschreibungen. § 8b Abs. 2 KStG beziehe sich nicht nur auf Veräußerungsgewinne, sondern erfasse auch die sonstigen mit einer Beteiligung in Zusammenhang stehenden Vermögensänderungen; eine Beschränkung auf Veräußerungsvorgänge und die daraus erzielten Gewinne lasse sich nicht ableiten. Demnach erfolgten Wertaufholungen vergangener Teilwertabschreibungen steuerfrei, sofern die vorausgehende Teilwertabschreibung das Einkommen nicht gemindert habe, wenn sie bereits unter das Abzugsverbot des § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG gefallen sei.
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Mit der Klage verfolgt die Klägerin die steuerliche Berücksichtigung der Teilwertabschreibung. Zur Begründung trägt sie vor, nach der Systematik des Gesetzes seien gemäß § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG ausgeschüttete Gewinnanteile aus Anteilen an einer Kapitalgesellschaft bei der Ermittlung des Einkommens der beteiligten Gesellschaft grundsätzlich nicht anzusetzen, außer es handle sich um Streubesitzbeteiligungen. Bei den im Streitfall relevanten Beteiligungen handle es sich aufgrund der Beteiligungsquote von jeweils 5,2% um Streubesitzbeteiligungen. Die Ausschüttungen, die die Klägerin aus den Beteiligungen erhalten habe, seien somit voll steuerpflichtig. Dies gelte nach dem uneingeschränkten Wortlaut der Norm selbst dann, wenn die Ausschüttungen wegen ihres Umfangs den verbleibenden Wert der Beteiligungen weit unter den Wert der Anschaffungskosten senken. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG in Verbindung mit § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG könne anstelle der Anschaffungskosten der Teilwert angesetzt werden, wenn dieser aufgrund einer voraussichtlich dauernden Wertminderung niedriger sei. Da im Streitfall erhebliche Ausschüttungen vorlägen, die den inneren Wert der Beteiligungen durch den mit der Ausschüttung verbundenen Vermögensabfluss unter den Buchwert abgesenkt hätten, sei zu vermuten, dass der Teilwert der Beteiligungen dauerhaft die Anschaffungskosten unterschreite und daher eine Teilwertabschreibung zulässig sei. Eine Teilwertabschreibung dürfe jedoch nach § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG als Gewinnminderung im Zusammenhang mit der Beteiligung steuerlich keine Berücksichtigung finden. Vorliegend würde die Versagung der Teilwertabschreibung im Ergebnis deshalb dazu führen, dass die substanzrelevanten Ausschüttungen zwar steuerpflichtige Einkünfte begründeten, die Anschaffungskosten sowie dauerhafte Wertminderungen aber endgültig unberücksichtigt bleiben. Schließlich wäre auch ein Veräußerungsverlust nach § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG nicht zu berücksichtigen. Die Besonderheit des Streitfalles bestehe darin, dass die Ausschüttungen – entgegen dem gesetzlichen Leitbild des § 8b Abs. 1 KStG – nicht nur die laufenden Erträge erfasse, sondern die Substanz der Beteiligung betreffe und deshalb auf die Anschaffungskosten durchschlage. Der Substanzverlust aufgrund der Ausschüttung dürfe nicht endgültig unberücksichtigt bleiben, wenn zugleich die Ausschüttung steuerpflichtig sei. § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG sei daher verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass ausschüttungsbedingte Teilwertabschreibungen steuerlich zu berücksichtigen sind, soweit sie auf einer voll steuerpflichtigen Gewinnausschüttung beruhen. Ansonsten wäre das Leistungsfähigkeitsprinzip und das Folgerichtigkeitsgebot sowie der Gleichheitssatz verletzt. Vorrangig sei die Norm nach den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen nach dem Wortlaut, der Entstehungsgeschichte, dem Gesamtzusammenhang und dem Sinn und Zweck so auszulegen, dass das Ergebnis der Verfassung entspreche. Der Wortlaut des § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG lasse mehrere Auslegungen zu. Es sei nicht eindeutig, ob der Begriff „Gewinnminderung“ an einen Lebenssachverhalt anknüpfe und diesen als Einheit betrachte oder sich auf eine einzelne Rechtsfolge beschränke. Lege man den Begriff als Lebenssachverhalt als Gesamtheit aus, wären einerseits die Erhöhung des steuerpflichtigen Einkommens und die Teilwertabschreibung zusammen zu erfassen. Im Ergebnis liege nach dieser Auslegung dann eine „Gewinnminderung“ insoweit nicht vor, als sich die Teilwertabschreibung und die steuerpflichtige Ausschüttung betragsmäßig entsprechen. Nach dem Willen des historischen Gesetzgebers sollte der Begriff „Gewinnminderung“ auch Teilwertabschreibungen erfassen, die in einer früheren Version des Gesetzestextes ausdrücklich benannt worden waren. Die vorliegende Problematik stellte sich dem Gesetzgeber indes erst mit der Änderung des § 8b Abs. 4 KStG im Jahr … Aus systematischer und teleologischer Sicht bezweckt § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG eine Reglungssymmetrie: für steuerfreie Gewinne seien auch Gewinnminderungen nicht zu berücksichtigen. Im umgekehrten Fall müssten bei steuerpflichtigen Gewinnen damit zusammenhängende Wertminderungen anerkannt werden. Auch der systematische Verweis auf Gewinnminderungen, die „im Zusammenhang mit dem in Absatz 2 genannten Anteil“ stehen, könne im Sinne einer solchen Auslegung verstanden werden. Die vorliegende Problematik habe sich erst aus der Änderung des § 8b Abs. 4 KStG ergeben. Vor der Gesetzesänderung vom … waren alle laufenden Bezüge steuerfrei, unabhängig davon, ob es sich um Streubesitzbeteiligung handelte. Da die Bezüge steuerfrei waren, waren auch Teilwertabschreibungen entsprechend dem Korrespondenzprinzip nicht zu berücksichtigen. Erst seitdem die Erträge aus Streubesitz steuerpflichtig sind, stellt sich die Frage der Berücksichtigung von Teilwertabschreibungen. Eine Nichtberücksichtigung von Teilwertabschreibungen sei jedenfalls bei der vorliegenden Konstellation verfassungswidrig, weil eine gleichheitswidrige Belastung besteht und damit gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip verstoßen werde. Der verfassungsrechtliche allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) gebiete es, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Für das Steuerrecht folge aus diesem Grundsatz, dass der Gesetzgeber zwar einen weitreichenden Entscheidungsspielraum bei der Auswahl des Steuergegenstandes und der Bestimmung des Steuersatzes hat, der jedoch durch das Prinzip der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und das Gebot der Folgerichtigkeit begrenzt wird. Aus dem Prinzip der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit folge für die vorliegende Problematik, dass Teilwertabschreibungen jedenfalls dann zu berücksichtigen seien, wenn die Ausschüttung steuerpflichtig ist, denn durch diese wird dieselbe Leistungsfähigkeit begründet. Diese Ungleichbehandlung eines wesentlich gleichen Sachverhalts lasse sich nicht in verfassungsrechtlich gebotener Weise begründen. Fiskalische Gründe allein würden als Rechtfertigung nicht genügen. Zudem sei es freiheitsrechtlich problematisch Steuerpflichtige dazu zu drängen, mindestens 10% des Nennkapitals zu erwerben, um die vom Steuerpflichtigen angestrebte Rechtsfolge zu erzielen. Eine europarechtskonforme Rechtslage als Rechtfertigung des § 8b Abs. 4 KStG sei auf die streitige Problematik nicht übertragbar. Schließlich sei auch das Folgerichtigkeitsgebot verletzt. Habe der Gesetzgeber eine Entscheidung über die Ausgestaltung eines steuerrechtlichen Tatbestands getroffen, sei diese Belastungsentscheidung folgerichtig umzusetzen. Im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht gelte das objektive Nettoprinzip. Zur Bestimmung der Bemessungsgrundlage seien Erwerbseinnahmen und der Abzug betrieblicher Aufwendungen zu erfassen. Konsequenterweise seien Teilwertabschreibungen steuerlich zu berücksichtigen, wenn sie mit steuerpflichtigen Einnahmen zusammenhingen. Dem würde auch die gesetzgeberische Grundsatzentscheidung des § 8b Abs. 1, Abs. 2 KStG entsprechen, wonach erwirtschaftete Gewinne nur einmal bei der erwirtschaftenden Körperschaft mit Körperschaftsteuer und erst bei der Ausschüttung an natürliche Personen mit Einkommensteuer belastet werden sollen. Zur Vermeidung von Kumulations- oder Kaskadeneffekten in Beteiligungsketten würden deshalb die Bezüge und Veräußerungsgewinne innerhalb gesellschaftlicher Beteiligungen bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz gelassen. § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG spiegele diesen Grundsatz für Verluste, die – entsprechend zu den steuerfreien Gewinnen – steuerlich unberücksichtigt bleiben. Dieses Korrespondenzprinzip werde in der streitigen Konstellation verletzt. Für diesen Systembruch lasse sich keine vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sachlicher Grund finden. Selbst eine dem Gesetzgeber grundsätzlich zustehende Typisierung steuerlich relevanter Sachverhalte rechtfertigten den Systembruch nicht. Die Nichtberücksichtigung von Teilwertabschreibungen bei gleichzeitig steuerpflichtigen Einnahmen würden nicht nur über das Korrespondenzprinzip hinausschießen, sondern sich zu der gesetzgeberischen Grundsatzentscheidung in Widerspruch setzen.
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Die Klägerin beantragt,
die Bescheide vom … für … über Körperschaftsteuer und über den Gewerbesteuermessbetrag jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom … dahingehend abzuändern, dass die Teilwertabschreibung in Höhe von … € berücksichtigt wird,
hilfsweise die Revision zuzulassen bzw. das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der Norm vorzulegen.
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Der Beklagte beantragt,
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Das Finanzamt verweist auf die Einspruchsentscheidung. Zudem sei anzumerken, dass das Finanzamt die Teilwertabschreibung anerkannt habe. Die Teilwertabschreibung sei vielmehr außerbilanziell wieder zugerechnet worden. Dies entspreche der Regelung des § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG. Die Regelung des § 8b KStG differenziere zwischen der Steuerpflicht laufender Bezüge und substanzrelevanter Vorgänge. Die Regelung des § 8b Abs. 3 S. 3 KStG sei Ausfluss der systemischen Entscheidung, über § 8b Abs. 1 und Abs. 2 sowohl die laufenden Bezüge, als auch Veräußerungsgewinne bzw. Vollausschüttungen steuerfrei zu belassen. Die streitige Belastung ergebe sich aus § 8b Abs. 4 KStG, wonach Bezüge aus Streubesitzbeteiligungen abweichend von der systemischen Regelung als Rückausnahme bei der Ermittlung des Einkommens zu berücksichtigen sind. Es werde nicht differenziert, ob etwaige Ausschüttungen aus den laufenden Gewinnen oder ggf. auch aus der Substanz heraus vollzogen werden. Insoweit dürfte vor dem Hintergrund etwaiger thesaurierter Gewinne eine Aufteilung in der praktischen Umsetzung auch kaum möglich sein. Der Gesetzgeber dürfe sowohl bei der Ausgestaltung einer Belastungsentscheidung als auch eines Steuerbegünstigungstatbestands pauschalierende Regelungen treffen, ohne gegen den verfassungsrechtlich geschützten Gleichheitssatz zu verstoßen, da Steuergesetze in der Regel Massenvorgänge des Wirtschaftslebens betreffen und schon aus Gründen der Praktikabilität Typisierungen erforderlich sind. Gemessen hieran habe der Gesetzgeber mit § 8b Abs. 3 S. 3 KStG eine zulässige Typisierung getroffen. Die Regelung des § 8 b Abs. 4 KStG sei nach der Entscheidung des EuGHs vom 20.10.2011 (Az.: C – 284-09), eine europarechtskonforme Rechtslage herzustellen, ergangen. Der Gesetzgeber habe durch die Einführung des § 8b Abs. 4 KStG zwar keinen Prinzipien- bzw. Systemwechsel vorgenommen, der als solcher eine Ausnahme vom Folgerichtigkeitsgebot rechtfertigen würde. Die Herstellung einer europarechtskonformen Rechtslage zur Abgrenzung der Besteuerungshoheiten der betroffenen Fisci sei aber als hinreichender Rechtfertigungsgrund im Sinne eines qualifizierten Fiskalzwecks anzusehen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird gemäß § 105 Abs. 3 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) auf die ausgetauschten Schriftsätze der Beteiligten und die vorgelegten Akten des Finanzamtes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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1. Die Teilwertabschreibung auf die Beteiligungen an der … GmbH und der … GmbH sind bei der Ermittlung des Einkommens nach § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG nicht zu berücksichtigen.
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a) Nach § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG sind Gewinnminderungen, die im Zusammenhang mit dem in § 8b Abs. 2 KStG genannten Anteil entstehen, bei der Gewinnermittlung nicht zu berücksichtigen. Gemäß § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG bleiben bei der Ermittlung des Einkommens Gewinne aus der Veräußerung eines Anteils an einer Körperschaft oder Personenvereinigung, deren Leistungen beim Empfänger zu Einnahmen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchstabe a EStG gehören, außer Ansatz. Dies gilt nach § 8b Abs. 2 Satz 3 KStG auch für Gewinne aus dem Ansatz des in § 6 Absatz 1 Nr. 2 Satz 3 EStG bezeichneten Werts.
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Die Beteiligten sind sich einig, dass die Teilwertabschreibung der Beteiligungen an der der … GmbH und der … GmbH zu Recht nach §§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 und Nr. 1 Satz 4 EStG erfolgt sind.
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b) Die Gewinnminderung aufgrund der Teilwertabschreibung der … GmbH und der … GmbH ist jedoch nach § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG bei der Ermittlung des Einkommens nicht zu berücksichtigen. Die Voraussetzungen des § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG sind im Streitfall erfüllt.
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c) Der Einwand der Klägerin, die Regelung des § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG sei verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass ausschüttungsbedingte Teilwertabschreibungen nicht erfasst werden und daher in vollem Umfang steuerlich zu berücksichtigen seien, soweit sie auf eine steuerpflichtige Gewinnausschüttung zurückzuführen sind, hat keinen Erfolg.
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aa) Nach dem eindeutigen Wortlaut der Regelung des § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG ist der Abzug der Gewinnminderung ausgeschlossen. Das Gesetz differenziert nicht nach dem Grund der Teilwertabschreibung. Steuerlich sind alle Gewinnminderungen auszuschließen, die mit den in § 8b Abs. 2 KStG genannten Anteilen im Zusammenhang stehen. Deshalb werden vom Abzugsverbot des § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG auch ausschüttungsbedingte Teilwertabschreibungen auf Streubesitzanteile erfasst. Für derartige Beteiligungen von weniger als 10% ist nur die Steuerfreistellung der Dividenden durch § 8b Abs. 4 KStG außer Kraft gesetzt worden, nicht die Steuerfreistellung nach § 8b Abs. 2 KStG für Veräußerungsgewinne oder Gewinne aufgrund einer Teilwertabschreibung nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 EStG (Hauser/Lindtner, KStG – eKommentar, § 8b Rz. 88, Frotscher in Frotscher/Drüen, KStG, § 8b Rz. 348, Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, KStG, § 8b Rz. 231).
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bb) Die von der Klägerin gegen die Anwendung des § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken, führen zu keiner anderen Beurteilung. Im Streitfall sieht der Senat die Grenze zur Verfassungsmäßigkeit nicht als überschritten an.
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(1) Der Regelung des § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG liegt der Gedanke zugrunde, Gewinne und Verluste im Rahmen der Gewinnermittlung symmetrisch zu behandeln und beruht auf dem Prinzip der Einmalbesteuerung des § 8b KStG. Das Prinzip der Einmalbesteuerung wird jedoch weder im Gewinn- noch im Verlustfall strikt umgesetzt. Es ist im Gesetz lediglich regelungstypisierend angelegt. Die durchgängige und folgerichtige Korrespondenz zwischen steuerbefreiten Einnahmen einerseits und vom Abzugsverbot betroffenen Ausgaben andererseits ist deshalb hinzunehmen, auch wenn es in Einzelfällen zu „überschießenden“ Wirkungen kommen kann. Das objektive Nettoprinzip als Ausdruck des Leistungsfähigkeitsprinzips wird dadurch nicht in unverhältnismäßiger Weise verletzt (BFH, Urteile vom 13.10.2010 – I R 79/09, BStBl II 2014, 943, und vom 17.5.2023 – I R 29/20, BFH/NV 2023, 1195 mit Hinweis auf Dötsch/Pung in Dötsch/Jost/Pung/Witt, KStG, § 8b Rz 108).
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(2) Der Gesetzgeber hat im Bereich des Steuerrechts bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum. Die grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte zu bestimmen, an die das Gesetz dieselben Rechtsfolgen knüpft und die es so als rechtlich gleich qualifiziert, wird vor allem durch zwei eng miteinander verbundene Leitlinien begrenzt: durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit. Bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands muss die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umgesetzt werden. Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes. Als besondere sachliche Gründe für Ausnahmen von einer folgerichtigen Umsetzung und Konkretisierung steuergesetzlicher Belastungsentscheidungen sind außerfiskalische Förderungs- und Lenkungszwecken sowie Typisierungs- und Vereinfachungserfordernisse anerkannt (vgl. BFH, Urteil vom 18.12.2017 – I R 29/17, BStBl II 2020, 690).
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So durchbricht die Regelung des § 8b Abs. 4 KStG im Sinne einer nicht folgerichtigen Ausgestaltung die in § 8b Abs. 1 KStG zum Ausdruck kommende Grundentscheidung des Gesetzgebers, im System des Halb- bzw. Teileinkünfteverfahrens erwirtschaftete Gewinne nur einmal bei der erwirtschaftenden Körperschaft mit Körperschaftsteuer und erst bei der Ausschüttung an natürliche Personen als Anteilseigner mit Einkommensteuer zu besteuern und deswegen zur Vermeidung von Kumulations- oder Kaskadeneffekten in Beteiligungsketten Bezüge innerhalb gesellschaftlicher Beteiligungsstrukturen bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz zu lassen. Diese Durchbrechung ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Die Herstellung einer europarechtskonformen Rechtslage (vgl. EuGH, Urteil vom 20.10.2011 – C – 284-09, DStR 2011, 2038) ist zur Abgrenzung der Besteuerungshoheiten der betroffenen Fisci als hinreichender Rechtfertigungsgrund im Sinne eines qualifizierten Fiskalzwecks anzusehen (BFH, Urteil vom 18.12.2017 – I R 29/17, a.a.O.).
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(3) Im Übrigen bleibt es aber bei dem Prinzip des § 8b KStG und hier des § 8b Abs. 2 und Abs. 3 Satz 3 KStG Gewinne und Verluste im Rahmen der Gewinnermittlung symmetrisch zu behandeln. Eine systemkongruente Lösung erfordert nicht auch die Einbeziehung von Veräußerungsgewinnen aus Streubesitzbeteiligungen in die Steuerpflicht. Dass der Gesetzgeber darauf verzichtet hat, auch Veräußerungsgewinne i.S. von § 8b Abs. 2 KStG einem vergleichbaren „Streubesitzvorbehalt“ zu unterwerfen, erscheint inkonsequent, doch muss es auch insoweit genügen, wenn der Gesetzgeber nur nach Maßgabe der unionsrechtlichen Anforderungen in das Regelungsgefüge des § 8b KStG eingreift (BFH, Urteil vom 18.12.2017 – I R 29/17, a.a.O.; Gosch, a.a.O., § 8b Rz. 287b).
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2. Die steuerliche Hinzurechnung der ausschüttungsbedingten Teilwertabschreibungen gemäß § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG zum Gewinn der Klägerin ist auch für den Gewerbeertrag nach § 7 Satz 1 GewStG maßgebend.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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4. Die Revision wird zugelassen (§ 115 Abs. 1 und 2 FGO).
28
Es erscheint als sachgerecht, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden (§ 90 a FGO).