Inhalt

LG Ingolstadt, Endurteil v. 08.10.2025 – 31 O 2033/24 Hei
Titel:

Kein Anspruch auf Schadensersatz, Schmerzensgeld und Auskunft aus Impfung gegen das SARS-CoV-2-Virus mit dem Impfstoff Impfstoff Comirnaty (BNT 162b2)

Normenketten:
AMG § 2 Abs. 1, § 4 Abs. 4, Abs. 9, § 5, § 21, § 25 Abs. 10, § 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, Nr. 2, Abs. 2 S. 2, S. 3, § 84a Abs. 1 S. 1, § 95
BGB § 630e, § 823 Abs. 1, Abs. 2, § 826
StGB § 223, § 224, § 230
VO (EG) Nr. 1394/2007 Art. 2 Abs. 1 lit. a
ZPO § 286 Abs. 1
ProdHaftG § 15
Leitsätze:
1. Der Auskunftsanspruch nach § 84a Abs. 1 S. 1 AMG setzt eine hinreichend sichere Annahme voraus, dass die Impfung die Beschwerden verursacht hat; diese Prüfung erfordert umfangreichen Vortrag des Geschädigten zu Vorerkrankungen. (Rn. 27 – 38) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Impfstoff Comirnaty weist ein positives Nutzen-Risikoverhältnis auf. (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Erteilung der Zulassung durch die Europäische Kommission hat Bindungswirkung im Sinne einer Tatbestandswirkung (OLG München BeckRS 2024, 31623). (Rn. 48 und 49) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Impfung, Coronavirus, Comirnaty, Schmerzensgeld, Schadensersatz, Auskunft, Vorerkrankungen, Plausibilitätskontrolle, positives Nutzen-Risikoverhältnis, Zulassung, Europäische Kommission, EMA, Aufklärung, Produzentenhaftung
Fundstelle:
BeckRS 2025, 27514

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 70.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten um klägerische Ansprüche auf Auskunft, Schadensersatz und Schmerzensgeld aus einer Impfung mit dem beklagtenseits hergestellten Impfstoff Comirnaty (BNT 162b2) gegen das SARS-CoV-2-Virus (sog. „Coronavirus“).
2
Die Klägerin ließ sich am .04.2021 (Ch.- B.:), am .06.2021 (Ch.- B.: 1) sowie am .11.2021 (Ch.-B.:) mit dem Impfstoff Comirnaty impfen, dessen Zulassungsinhaber und Hersteller die Beklagte ist. Bei ihr war eine Fibromyalgie vordiagnostiziert. Im April 2022 erlitt die Klägerin dennoch eine Corona-Infektion mit einem nicht näher bekannten Verlauf.
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Der Impfstoff der Beklagten wurde gegen das genannte Virus erstmals am 21.12.2020 durch die Europäische Kommission zunächst vorläufig zugelassen. Die Beklagte wurde durch die Zulassungsbehörden zur Einreichung von Zwischenberichten, sogenannten Periodic Safety Update Reports (im Folgenden: PSUR) verpflichtet. Diese enthalten eine statistische und epidemiologische Aufbereitung der von der Beklagten erhobenen Daten in einem standardisierte und von den Behörden vorgegebenen Form. Am 10.10.2022 erfolgte die Standardzulassung durch die Europäische Kommission. Dieser ging eine Stellungnahme der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA), deren Committee for Medicinal Products for Human Use (CHMP), vom 16.09.2022 voraus.
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Aufgrund der Bewertung der CHMP vom 30.08.2023 wurde der auf die Omikron-Variante des SARS-Covid-19-Virus angepasste Impfstoff Comirnaty ebenfalls von der Europäischen Kommission europaweit am 31.08.2023 zugelassen. Weltweit wurden mit Stand vom 09.01.2025 über 3,5 Milliarden Dosen ausgeliefert und über 2,6 Milliarden Dosen des Impfstoffes verimpft. Die Zulassung für den Wirkstoff einschließlich seiner angepassten Varianten wurde bis heute nicht widerrufen. Die Europäische Kommission bestätigte die Zulassung mit Beschluss vom 26.9.24 (Anl. B 13) auf Empfehlung der EMA erneut. Die Klägerin klagt über zahlreiche Beschwerden, insbesondere ausgeprägtem Fatigue-Syndrom, schwere Konzentrationsstörungen, starke Vergesslichkeit, massive Cephalgien, erhebliche Schlafstörungen, schnelle Erschöpfung bei geringsten körperlichen Tätigkeiten, brennende Kopfschmerzen, Sehstörungen, Muskel- und Gelenkschmerzen, Ohrenschmerzen und anderes.
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Die Klägerin behauptet, ihre diagnostizierte Vorerkrankung (Fibriomyalgie) seien sehr gut therapeutisch beherrscht gewesen und sie hätte regelmäßig Sport betrieben. Nach der 2. Impfung sei es innerhalb der nachfolgenden 2 Wochen zu einem plötzlichen, nicht gekannten gesundheitlichen Einbruch mit plötzlichem, rasanten Anstieg von Schmerzen gekommen. Insbesondere hätte sich eine starke Erschöpfung eingestellt, sowie das Gefühl „einen Vorhang vor dem Gehirn“ (brain-fog) zu haben. Ein klares Denken sei kaum möglich gewesen.
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Nach der (3.) Booster-Impfung sei es dann zu zunehmend brennenden Kopfschmerzen und Druck auf den Ohren gekommen. Tieffrequente Töne seien so wahrgenommen worden, „als würde der Kopf klopfen“. Ebenso seien Nervenschmerzen, Durchschlafstörungen, Schwindel, Herzrhythmusstörungen und eine gestörte Hörwahrnehmung aufgetreten. Müdigkeit und Erschöpfung hätten sich weiter verschlimmert.
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Im weiteren Behandlungsverlauf seien bis Dezember 2021 massive Cephalgien, Empfindungsüberrreizung, erhebliche Schlafstörungen, Schwindel und Übelkeit aufgetreten und ein „Chronic fatigue syndrome“ sowie eine Migräne diagnostiziert worden. Durch diese Gesundheitsstörungen hätten sich die bekannten Rückenschmerzen deutlich verschlechtert und ein Burnout entwickelt. Es sei eine Dauermedikation mit Schlafmitteln und Antidepressiva eingeleitet worden. Im Dezember 2022 seien bei Behandlungen in verschiedenen Kliniken die Diagnosen Chronic Fatigue-Syndrom (CFS) sowie eine Mitochondryale Dysfunktion, weiterhin auch ein Post-Vac-Syndrom, sowie eine Fibromyalgie und CFS diagnostiziert und ihr krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit festgestellt worden. Auch im Februar 23 sei ihr von der Uniklinik noch bescheinigt worden, dass der v. a. PostVac/ Long-Covid bestehe, ihr aber keine Therapie angeboten werden konnte, sondern lediglich die Empfehlung zum Pacing gegeben wurde, d.h. Haushalten mit der eigenen Energie und die Belastungsgrenze nicht überschreiten sowie die Durchführung einer Rehabilitation.
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Zudem sei am .01.2023 bei einer Augenarztpraxis eine hintere Glaskörperabhebung sowie eine Netzhautanlage mit Glaskörperanheftung festgestellt worden.
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Die Klägerin ist der Meinung, dass es mithin unmittelbar nach der und durch die 2. Impfung mit Comirnaty zur Ausbildung eines schweren Post-VacSyndrom gekommen sei, welches sich durch die BoosterImpfung nochmals verschlechtert habe. Die von ihr aufgelisteten Beschwerden seien allesamt auf die Nebenwirkungen der Impfung zurückzuführen. Die Symptome deuteten auf eine durch die Impfung ausgelöste Autoimmunerkrankung bwz. einen autommunologisch-pathologischen Prozess hin.
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Sie behauptet, der Impfstoff hätte kein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis und verweist insoweit auf Veröffentlichungen auf einer Website „7argumente.de“ (Anl. K8). Danach seien die Nebenwirkungen des Medikaments weit höher als in den offiziellen Studien angegeben, ebenso der Nutzen tatsächlich deutlich geringer. Auch behauptet sie – ohne nähere Einzelheiten – Mängel in der Herstellung und Entwicklung des Impfstoffes, der im Ergebnis „toxisch“ wirke.
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Sie fordert daher Auskunft nach § 84 a AMG und Schadensersatz vor allem auf Grundlage des § 84 Abs. 1 AMG. Dabei trägt sie vor, dass das Arzneimittel generell geeignet sei, derartige Gesundheitsbeeinträchtigungen zu verursachen. Auch konkret sei die Einnahme des Impfmittels kausal gewesen für die eingetretenen gesundheitlichen Folgen bei der Klägerin. Sie sieht klare Indizien für einen Zusammenhang zwischen Impfschaden und Erkrankung. Dies führe zu einer Beweislastumkehr zu Lasten der Beklagten, die beweisen müsse, dass ihr Impfstoff nicht die Ursache gewesen sei. Die Schadenshöhe beziffert die Klägerin mit mindestens 50.000,00 € immateriellen Schadensersatz, für erwartbare Zukunftsschäden fordert sie mindestens weitere 10.000,00 €.
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Die Klägerin beantragt daher,
1.
Die Beklagte wird verurteilt, Auskunft zu erteilen über die zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens der streitgegenständlichen Comirnaty-Chargen Ch.- B.:, Ch.- B.: 1 sowie Ch.- B.: ihr bekannten Wirkungen und Nebenwirkungen, Wechselwirkungen sowie ihr seit diesem Zeitpunkt bekannt gewordene Verdachtsfälle von Nebenwirkungen sowie sämtliche weiteren Erkenntnisse, die für die Bewertung der Vertretbarkeit schädlicher Wirkungen des Impfstoffs im Zeitpunkt des Inverkehrbringens bis zur letzten mündlichen Verhandlung von Bedeutung sein können, soweit diese das Hervorrufen autoimmunologische Prozesse bzw. Autoimmunerkrankungen betreffen.
2.
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin wegen des anlässlich deren Impfungen mit dem Impfstoff Comirnaty am .04.2021 (Ch.- B.:) am .06.2021 (Ch.- B.: 1) sowie am .11.2021 (Ch.-B.:) erlittenen Gesundheitsschadens ein angemessenes Schmerzensgeld für die bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung eingetretenen und vorhersehbaren Gesundheitsschäden zu bezahlen, nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage.
3.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den der Klägerin anlässlich deren Impfungen mit dem Impfstoff Comirnaty am .04.2021 (Ch.- B.: .06.2021 (Ch.- B.: 1) sowie am
...11.2021 (Ch.-B.:) erwachsenen materiellen sowie immateriellen Schaden zu bezahlen – letzteren soweit die Gesundheitsstörungen nicht bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorhersehbar sind und soweit die Schadensersatzansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen.
4. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits
5. Die Beklagte wird verurteilt, die der Klägerin außergerichtlich erwachsene Geschäftsgebühr i.H.v. 4.388,12 € zu bezahlen, nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage.
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Die Beklagte beantragt
kostenpflichtige Klageabweisung.
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Sie wendet im Wesentlichen ein,
dass der seit Dezember 2020 zugelassene Impfstoff von der Beklagten selbst, aber auch den zuständigen Aufsichtsbehörden laufend und sehr engmasching überwacht würde. Mehr als drei Jahre nach der ersten Zulassung und der Anwendung bei Milliarden Menschen werde Comirnaty – von allen Behörden, wie dem P.-E.-Institut auch unter Berücksichtigung der Verdachtsfälle von Nebenwirkungen – weiterhin als sicher bewertet und dem Impfstoff ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis attestiert. Auch die Fach- und Gebrauchsinformationen hätten stets den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft entsprochen. Das positive Nutzen-Risiko-Verhältnis werde auch nicht durch fragwürdige Internetveröffentlichungen erschüttert. Die von der Klägerin vorgelegten Seiten seien ein Sammelbecken an impfkritischen Äußerungen, gäben Fakten verkürzt oder verzerrt wieder und interpretierten positive Studien schlicht falsch.
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Die der PEI vorliegenden bloßen Verdachtsfallmeldungen (Anl. K 23 bis K 28) seien medizinische Ereignisse, die nicht notwendigerweise mit dem Arzneimittel Comirnaty im Zusammenhang stehen und daher keine Schadensneigung nachweisen könnten, insbesondere keinen Kausalitätsnachweis darstellten. Darauf weise auch die EMA ausdrücklich in ihrer Datenbank hin (Anl. B 18).
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Ferner bestreiten sie die von der Klägerin behaupteten Erkrankungen in dem vorgetragenen Umfang, insbesondere, dass insoweit ein ursächlicher Zusammenhang mit den streitgegenständlichen Impfungen bestehe. Die seitens der Klägerin behaupteten Symptome seien auch anderweitig erklärbar und gründeten teilweise auf ihren bekannten oder nicht ausreichend mitgeteilten Vorerkrankungen wie einem bei ihr seit vielen Jahren bestehenden und vordiagnostizierten Fibromyalgie-Syndrom und Fatigue. Überhaupt habe die Klägerin nicht dargelegt und nachgewiesen, dass sie vor den Impfungen nicht an den vorgetragenen Beschwerden und Symptomen gelitten hätte. Sie seit mit Antidepressiva vorbehandelt worden, so dass Depressionen vorliegen könnten, die ebenfalls Anlass für Schlaflosigkeit und Erschöpfung führen. Fibrojmyalgie verursache häufig Spannungs- und Migränekopfschmerzen. Zudem habe die Klägerin im April 2022 eine Coronavirus-Infektion erlitten, das eine naheliegende Alternativursache für die behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen und deren Verschlechterung darstelle.
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Ferner beruft sich die Beklagte darauf, dass Comirnaty jedenfalls ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis aufweise. Sie verweist auf die zentrale arzneimittelrechtliche Zulassung und deren Verlängerungen, die auch die Zivilgerichte binde. Selbst wenn man nicht von einer strengen Bindungswirkung dieser Zulassungsentscheidung ausgehen wollte, würde diese eine gesteigerte Darlegungslast der Klägerin begründen, der sie nicht nachkomme. Die Zulassung setze ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis voraus, wie sich aus § 25 Abs. 2 Nr. 5 AMG ergebe. Das Arzneimittel Comirnaty sei zwischenzeitlich milliardenfach verimpft worden, ohne dass sich an dieser Einschätzung etwas geändert hätte. Vielmehr gingen die schädlichen Wirkungen des Impfstoffs bei bestimmungsgemäßem Gebrauch nicht über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinaus. Auch wenn es Fälle gebe, in denen sich ein Risiko verwirkliche, führe dies nicht zu einer negativen Abwägung. Der Impfstoff biete Schutz vor schweren Verläufen einer Coronavirus-Infektion; die klägerseits behaupteten Wirksamkeitsraten seien falsch. Die Wirksamkeit des Impfstoffs von 95% wurde wissenschaftlich ermittelt, ebenso die Zulassungstudie, Anl. B 20. Die Beklagte verweist hier insbesondere darauf, dass die EMA als zentrale Behörde in der Europäischen Union am 30.08.23 und auch im Jahr 2024 die Sicherheit von Comirnaty noch einmal ausdrücklich bestätigt, als sie der europäischen Kommission empfohlen haben, den auf die COVID-19-Subvariante Omikron XBB.1.5 angepassten Impfstoff zuzulassen. Dabei habe der CHMP darauf hingewiesen, dass die Behörden seit der ersten Zulassung des Impfstoffes umfangreiche Erkenntnisse über die Sicherheit des Impfstoffs gewonnen hätten, die in der aktuellen Entscheidung berücksichtigt würden. Diesen Empfehlungen habe sich die EU-Kommission angeschlossen und den auf die COVID-19Subvarianten Omnikron XBB .1.5 und weitere angepassten Impfstoff am 31.0823 und nochmals im jahr 2024 zugelassen.
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In großen epidemiologischen Studien zeigte sich ein hoher Schutz vor schweren Verläufen (Krankenhausaufenthalte, Intensivbehandlung, Tod), der durch eine Grundimmunisierung über das Jahr 2021 anhielt. Eine Auffrischimpfung (Booster-Impfung) erhöhte den Schutz vor Infektionen auch bei Omikron-Varianten und ergab einen sehr hohen Schutz gegen schwere Verläufe von COVID-19 über das Jahr 2022. Auch heute schützen Impfungen mit Comirnaty noch vor schweren COVID-19-Verläufen. Sie haben zudem durch die Vermeidung von (schweren) Infektionen eine Schutzwirkung vor Long-COVID-Verläufen.
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Damit sei ein hoher Nutzen des Medikamentes gegeben.
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Die Beklagte bestreitet auch, dass es Mängel in der Herstellung und Entwicklung des Impfstoffes gegeben hätte, wobei die Klägerin ohnehin keine konkreten Mängel benannt hätte. Alle Chargen des in den Verkehr Impfstoff würden sorgfältig von der Beklagten geprüft, das PEI kontrolliere laufend die Einhaltung der Spezifikationen. Nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft hat der Einsatz von N1-Methylpseudouridin in mRNA-Impfstoffen keine nachteiligen Folgen für die menschliche Gesundheit. Insbesondere sei die behauptete kanzerogene Schädigung der Zellen abwegig, da N1-Methylpseudouridin mit oder ohne Impfung in menschlichen Zellen vorkomme.
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Für eine Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB bzw. § 826 BGB fehle es sowohl an einem Kausalzusammenhang als auch an einem Verschulden, da der Impfstoff fortwährend und sorgfältig überwacht worden sei.
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Das Gericht hat die Klägerin und die Beklagte angehört. Insoweit wird auf das Protokoll der Sitzung des Landgerichts Ingolstadt vom 24.09.2024 Bezug genommen.
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Wegen des weiteren Parteivorbringens in allen Einzelheiten wird auf die gegenseitig gewechselten Schriftsätze und deren zum Akt gelangten Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässig erhobenen Klageansprüche waren allesamt als unbegründet abzuweisen.
25
Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von immateriellem oder materiellem Schadensersatz aus § 84 Abs. 1 AMG, § 823 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 223, 224, 230 StGB, §§ 5, 95 AMG, § 826 BGB. Deshalb ist auch der mit dem Klageantrag zu 2. verfolgte Feststellungsantrag unzulässig, jedenfalls aber ist er unbegründet. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch gegen die Beklagte auf die Erteilung der von ihr begehrten Auskünfte nach § 84 a AMG.
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Dabei zweifelt das Gericht nicht daran, dass die Klägerin einen erheblichen Leidensdruck aufweist aus ihrer gesundheitlichen Vita und dass seit den Impfungen beziehungweise im zeitlichen Zusammenhang mit diesen eine faktische Verschlechterung ihrer allseits geschilderten langjährigen Beschwerden eingetreten sei mag, wobei allerdings nicht hinsichtlich allen Beschwerden eine umfassende Plausiblität zugrundegelegt werden kann. Dies auch schon deshalb, weil die Klägerin ihre Vorerkrankungen nicht umfassend offenlegen wollte. Dies kann allerdings letztlich dahinstehen, da die begehrten Ansprüche auch aus anderen Gründen abzulehnen waren:
I.
27
Es besteht kein Auskunftsanspruch nach § 84a Abs. 1 S. 1 AMG.
28
Es fehlt vorliegend bereits an einer hinreichend sicheren Annahme, dass die streitgegenständliche Impfung die beklagten Beschwerden verursacht habe, da hierfür jedenfalls keine überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht. Bereits die von der Klägerin vorgetragenen Tatsachen ergeben im Rahmen der gebotenen Plausibilitätskontrolle die Wertung, dass für eine solche Annahme jedenfalls nicht mehr spricht, als für ihr Gegenteil.
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Soweit die Klägerin zahlreiche Symptome eine „chronischen Fatigue-Syndroms“ oder eine “Post-Vac-Sxndroms“ vorträgt, nämlich Müdigkeit, Erschöpfung, Schwäche, Kopf- und Ohrenschmerzen, Schwindel, kognitive Störungen wie „brain-fog“ oder Denkstörungen, so lassen sich diese jedenfalls auch damit erklären, dass sie bereits vor der Impfung Krankheitsdiagnosen aufwies, die ähnliche oder gleiche Symptome hervorrufen. Insbesondere litt sie unstreitig bereits vorher an einer „Fibromyalgie“, aus der von ihr selbst vorgelegten Mitteilung des Universtitäsklinikums (Anl. K06) ergibt sich darüber hinaus, dass sie dort angab, seit dem Jahr 2000 an Fibromyalgie und Fatigue zu leiden. Auch aus dem vorgelegten Bericht der -Klinik vom .12.2022 werden als Vorerkrankungen Fibromyalgie und „Chronic Fatigue Syndroms“ (CFS) angegeben, (Anl. K 05).
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Die Klägerin räumte hier in ihrer formlosen persönlichen Anhörung im Termin am 24.09.25 ein, dass sie schon vor den Impfungen längerfristig an chronischer Fatigue und Fibromyalgie gelitten hätte, aber nicht so stark wie danach. Sie hat hierbei insbesondere vorgetragen, dass sie seit der dritten Impfung keinen Elektrosmog mehr vertrage, und deshalb jede Nacht im Auto im Wald schlafen müsse, statt zuhause in ihrem Einfamilienhaus. Schon wenn ihre Nachbarn im Internet einen hohen Datenverbrauch hätten/streamten, könne sie dies spüren und leide Schmerzen. Auch habe sie vorher schon Kopfschmerzen gehabt, aber keine so cluster-ähnliche Kopfschmerzen, die in ihrem Kopf bohren und brennen. Vorher hätte sie trotz dieser Probleme ihr Leben im Griff gehabt und Sport getrieben. In einem „Biofeedback“ seien auch Herzrhythmusstörungen festgestellt worden. Sie könne seit der dritten Impfung „grundtief frequente“ Töne im Haus wahrnehmen. Sie räumte auf Nachfragen ein, dass sie schon vor dem Impfungen wegen ihrer Fibromalgie nicht gearbeitet hatte, ohne allerdings arbeitsunfähig verbeschieden zu sein. Dazu gab sie an, dass sie sich jedenfalls subjektiv aufgrund dieser Vorerkrankungen bereits vor den Impfungen nicht als arbeitsfähig betrachtete und auch keiner Beschäftigung nachging, und überdies einen Grad der Behinderung von 40% hatte, zu dessen Ursache sie aber keine weiteren Angaben machen wollte, ebenso wenig wie zu ihren sonstigen Vorerkrankungen. Sämtliche Medikamente, auch Psychopharmaka einschließlich Cannabis habe sie probiert, aber nichts hätte ihr geholfen. Die Verschlechterungen seien nach ihrer Darstellung im Termin schleichend gekommen. Auf Frage, warum sie trotz der laut Klageantrag massiven Verschlechterung nach der 2. Impfung noch die Booster-Impfung vorgenommen hätte, gab sie an, es sei vor allem nach der 3 Impfung erst richtig schlimm geworden. Die Impfungen habe sie trotz ursprünglicher Abneigung dann doch vollständig vorgenommen, weil es ohne Impfung einige Hürden gegeben habe und sie auch wegen früherer Infektionen einen vollständigen Impfschutz haben wollte.
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Auch diese – bekannt gewordenen – Vorerkrankungen der Klägerin sind Diagnosen, aus denen sich die mit der Klage behaupteten Symptome zwanglos erklären lassen, es handelt sich letztlich um genau die gleichen Beschwerden, die sie auch vorher in mehr oder weniger starker Ausprägung bereits hatte, bzw. um Folgediagnosen wie z. B. der auf den langfristigen Beschwerden resultierenden Burnout. Weitere u.a. in der Mitteilung des Universitätsklinikums (Anl. K06) genannte Vordiagnose ist zudem auch Zustand nach Myokarditis im Rahmen einer Influenza 2015, die jedenfalls in einem nicht ausschließbaren Zusammenhang mit der von ihr behaupteten per „Bio-Feedback“ festgestellten Herzrhytmusstörungen stehen könnten, somit lange vor den streitgegenständlichen Impfungen.
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Weiter ist dort nur die Rede von einem V. a. Post-Vac/Long-Covid, das abgesehen davon, dass es sich um eine reine Verdachtsdiagnose handelt, im Jahr 2023 auch auf die unstreitig erlittene Corona-Infektion aus dem Jahr 2022 zurückzuführen sein könnte oder durch diese jedenfalls eine signifikante Verschlechterung ihrer – ohnehin schon vorhandenen – Symptome ausgelöst haben könnte.
33
Ein Zusammenhang zwischen den Impfungen – die letzte im Juni 21 – und der offenbar im Januar 23 aufgetretenen Augenerkrankung einer hinteren Glaskörperabhebung u.a. (Anl. K07) ist neben dem langen zeitlichen Abstand zur Impfung auch nach den bislang vom P.-E.-Institut bekanntgemachten bekannten häufigen in Verdacht geratenen Nebenwirkungen der Impfung (insbesondere anaphylaktische Reaktionen, grippeähnliche Erkrankung, Übelkeit, Schwindelgefühl, Fieber, Schüttelfrost, Ermüdung, Kopfschmerzen, Fazialisparesen) mit diesem Wirkstoff kaum erwartbar, somit nicht pklausibel und ein plausibler Zusammenhang zu einer Augenschädigung wurde auch klägerseits nicht näher dargelegt.
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Soweit die Klägerin in ihrer persönlichen Anhörung vielmehr einräumt, dass die meisten geschilderten behaupteten Impffolgen-/Nebenwirkungen bei ihr auch schon vorher in weiten Teilen vorhanden waren, sich aber nach den Impfungen – anders als schriftsätzlich dargestellt – nicht schlagartig nach der 2. Impfung, sondern eher schleichend nach der dritten Impfung bis ins unerträgliche massiv verschlechtert hätten, kann nicht ausgeschlossen werden, dass es lediglich die teilweise über 20 Jahre alten Grunderkrankungen sind, die sich bei der inzwischen 60 Jahre alten Klägerin mit zunehmenden Alter verschlechterten, nicht ausschließbar auch beeinflusst durch die zwischenzeitliche Covid-Erkrankung. Insoweit ergibt sich etwa aus dem von ihr vorgelegten Bericht der Klinik vom .12.2022, dass sie dort angegeben hatte, dass nach der Infektion mit Covid-19 alle Symptome noch etwas schlechter geworden seien (Anl. K05). Derselbe Hinweis ergibt sich aus dem Bericht des vom .02.23 (Anl. K06). Dort ist auch die Rede davon, dass bei der Infektion Symptome von Schwäche, Kopf- und Gliederschmerzen aufgetreten seien.
35
Zudem hat das Gericht Bedenken, den Angaben der Klägerin zu der massiven Verschlechterung Ihrer Fibromyalgie und chronischen Fatigue in dem von ihr gewünschten Umfang Glauben zu schenken, ohne an eine möglicherweise auch durch psychische Befindlichkeiten begründete subjektive Überempfindlichkeit zu denken. Die Angabe, dass sie in ihrem Einfamilienhaus schmerzhaft spüren könne, wenn der Nachbar seine Internettätigkeit erhöhe und sie daher nur noch nachts im Auto im Wald Schlaf finden könne, erscheint doch medizinisch schwerlich erklärbar. Hier beschwerte sich die Klägerin in ihrer Anhörung auch immer wieder, dass ihr keiner glaube, auch die Ärzte nicht, und dass keine Medikamente ihr helfen könnten, obwohl sie alles ausprobiert hätte. Auch das Gericht kann solche Angaben im Rahmen der gebotenen Plausibilitätswürdigung nicht als uneingeschränkt glaubhaft zugrundelegen. In den vorgelegten Arztberichten, etwa dem Bericht des medizinischen Versorgungszentraums des Klinikums vom .01.2022 (Anl. K02) wird nur wiedergegeben, dass die Patientin den Elektrosmog als ursächlich für ihre mitgeteilten Cephalgien, Unruhe und Vibrationen sähe, vom neurologischen Facharzt aber eine Weiterberatung bei Elektrosmog nicht erfolgen könne. Selbst in der Gerichtsverhandlung zeigte sich für das erkennende Gericht keinerlei plausibles, fassbares Symptom einer solchen Übersensibilität oder unerträglicher Schmerzen wegen „Elektrosmog“. Obwohl mehrere Laptops des Gerichts und der Anwälte und Handys im Sitzungssaal, sowie mehrere Dutzende bis Hunderte im gesamten Gebäude eingeschaltet waren und benutzt wurden, und auch WLAN aktiv war, zeigte Klägerin keine Schmerzsymptome und registrierte die Geräte selbst und den Widerspruch zu ihren Aussagen offensichtlich erst auf Vorhalt des Gerichts, ohne sich vorher über unerträgliche Schmerzen wegen im Raum befindlichen Elektrosmog geäußert zu haben. Sie behauptete dann zwar, sich hier sehr unwohl zu fühlen und sie werde nachher sehr krank sein, war überdies aber für die Dauer der Verhandlung von 1 Stunde ohne erkennbare kognitive Defitzite in der Lage, lange Erklärungen abzugeben und Fragen konzentriert und zielgerichtet zu beantworten, wobei weder Schwindel, noch Kopfschmerzattacken oder erkennbare Ermüdungserscheinungen auch nur im Ansatz ersichtlich wurden.
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In der Gesamtschau überwiegen daher jedenfalls nicht die Anhaltspunkte dafür, dass die von der Klägerin geschilderten schweren Symptome dieser Überempfindlichkeit gegen „Elektrosmog“ mit den Folgen schwerster Schmerzen, Schlafstörungen u. a. in objektiv medizinisch feststellbarer Weise nach den Impfungen eingetreten sind und letztlich überwiegend wahrscheinlich ursächlich auf die Impfungen zurückzuführen seien.
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Insoweit war zudem auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin keine weiteren Angaben zu ihren Vorerkrankungen machen wollte. Damit kam sie allerdings ihrer erweiterten Darlegungslast nicht vollständig nach. Wie beim Schadensersatzanspruch nach § 84 AMG gilt auch entsprechend § 84 Abs. 2 S. 2 AMG für den Auskunftsanspruch nach § 84 a AMG, dass der Kläger den gesamten Lebenssachverhalt vortragen müsste, der zur Beurteilung der Verbindung zwischen der Arzneimittelverwendung und dem eingetretenen Schaden von Bedeutung sein kann, da die Beklagte davon nichts wissen kann und insoweit auch keinen eigenen Auskunftsanspruch hat. Insbesondere im Hinblick auf etwaige psychische Vorerkrankungen, mögliche Depressionen und die Einnahme etwaiger Psychopharmaka mit eigenen möglichen Nebenwirkungen, oder die von der Klägerin im Termin angesprochene „Eigenbehandlung“ mit Cannabisprodukuten, da ihr diese kein Arzt in I. verschreiben wollen hätte, geben neben weiteren Hinweisen auf nicht unerhebliche Vorerkrankungen, wie Z. n. Hysterektromie und Cholezystemktomie (vgl. wiederum Diagnosen im Bericht des vom .02.2023, Anl. K06) jedenfalls begründeten Anlass zur Annahme, dass die Klägerin eine umfangreichere Krankengeschichte aufweist, als sie bereit war anzugeben. Alle Erkrankungen der Klägerin, die in den Zeitraum vor der streitgegenständlichen Impfung fallen, sind jedoch nicht ausschließbar von Beurteilungstendenz, ebenso wie die bereits bekannten oder aus den vorgelegten Unterlagen indirekt entnehmbaren Vorerkrankungen. Nämlich zur Frage, ob darin eine Aussagekraft liegt für die Gesundheitsschädigungen, die die Klägerin vorbringt. In weiten Teilen konnte dies bereits als äußerst naheliegend erkannt werden, wie oben bereits ausgeführt.
38
Unabhängig von einem genauen Nachweis ihrer Krankheitsvorgeschichte scheidet der Auskunftsanspruch auch schon deshalb aus, weil seine Erforderlichkeit zu verneinen ist. Bereits die plausible Geltendmachung anderer schadensgeeigneter Umstände gem. § 84 Abs. 2 S. 3 AMG durch die Beklagte genügt, insbesondere wenn mehrere Vordiagnosen unstreitig sind oder jedenfalls nachgewiesen werden können, die die klägerseits geltend gemachten Symptome vorliegend nicht nur theroretisch hervorrufen konnten, sondern nach eigener Darstellung der Klägerin auch bereits hervorgerufen hatten. Im Wesentlichen ist nämlich unstreitig, dass die Klägerin auch vorher bereits an denselben Symptomen litt, nur nicht in der nunmehr behaupteten Ausprägung. Soweit sie neu nunmehr eine übersensible Wahrnehmung von Elektrosmog und andere ihr gesamtes Leben ständig beeinträchtigende Schmerzen angab, ist auf die oben gemachten Ausführungen zu verweisen, dass diese Erscheinungen schon dem Grunde nach nicht ausreichend zur Überzeugung des Gerichts dargelegt wurden.
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Ferner scheidet der Auskunftsanspruch mangels Erforderlichkeit auch schon deshalb aus, weil die Klägerin nach § 84a Abs. 1 S. 1 AMG von dem pharmazeutischen Unternehmer Auskunft nur verlangen kann, sofern Tatsachen vorliegen, die die Annahme begründen, dass ein Arzneimittel den Schaden verursacht hat, es sei denn, dies ist zur Feststellung, ob ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 84 AMG besteht, nicht erforderlich ist. Als Voraussetzung des Auskunftsanspruches sind daher weitere Tatsachen darzulegen, die den Schadensersatzanspruch nach § 84 AMG begründen würden. Vorliegend mangelt es aber auch unabhängig von der Frage, ob das Arzneimittel kausal die bei der Klägerin behaupteten gesundheitlichen Schäden verursacht hat, auch an weiteren Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs nach § 84 AMG. Es fehlen insbesondere andere Tatbestandsmerkmale, wie nachfolgend nachfolgend unter Ziffer II.1. bis 3 dargelegt wird. Wenn die Klägerin aber keinen Anspruch auf Schadensersatz aus § 84 AMG in allen Varianten aus anderen Gründen haben kann, steht ihr auch ein Auskunftsanspruch nach § 84a AMG nicht zu., wie sich aus § 84a Abs. 1 S. 1 letzter HS AMG ergibt (vgl. OLG München, Hinweisbeschluss vom 05.110.2024 – 14 U2313/24e, BeckRS 2024,31623, Rz. 227.
II.
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Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld nach § 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AMG oder nach Deliktsrecht gem. § 826 BGB bzw. § 823 II BGB i.V.m. §§ 223, 224 und § 226 StGB.
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1. Das Arzneimittelgesetz ist grundsätzlich anwendbar. Bei dem Impfstoff Comirnaty handelt es sich um ein Arzneimittel nach § 2 Abs. 1 AMG, denn nach § 4 Abs. 4 AMG sind auch solche Impfstoffe erfasst, die Antigene oder rekombinante Nukleinsäuren enthalten und die dazu bestimmt sind, beim Menschen zur Erzeugung von spezifischen Abwehr- und Schutzstoffen angewendet zu werden und, soweit sie rekombinante Nukleinsäuren enthalten, ausschließlich zur Vorbeugung oder Behandlung von Infektionskrankheiten bestimmt sind. Dabei ist auch nicht § 4 Abs. 9 AMG vorrangig anwendbar. Dieser bezieht sich auf Arzneimittel für neuartige Therapien, Gentherapeutika, somatische Zelltherapeutika oder biotechnologisch bearbeitete Gewebeprodukte nach Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EG) Nr. 1394/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über Arzneimittel für neuartige Therapien und zur Änderung der RL 2001/83/EG und der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 (ABl. L 324 vom 10.12.2007, S. 121; L 87 vom 31.3.2009, S. 174), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/1243 (ABl. L 198 vom 25.07.2019, S. 241) geändert worden ist. In der RL 2009/120/EG der Kommission vom 14.09.2009 steht zudem unter Punkt 2.1, welcher Gentherapeutika legaldefiniert, explizit, dass Impfstoffe gegen Infektionskrankheiten keine Gentherapeutika sind. Der Impfstoff Comirnaty unterfällt mithin unabhängig von seiner genaueren Zusammensetzung nicht dem § 4 Abs. 9 AMG und ist damit über den Verweis des § 4 Abs. 4 AMG Arzneimittel nach § 2 Abs. 1 AMG, sodass der Anwendungsbereich des AMG zunächst eröffnet ist.
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2. Comirnaty ist weiter unstreitig zulassungspflichtig nach § 21 AMG und wurde von der Beklagten im Geltungsbereich des AMG in Verkehr gebracht. Die Klägerin wurde weiter auch unstreitig mit dem Impfstoff der Beklagten geimpft.
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3. Die weiteren Voraussetzungen des § 84 Abs. 1 AMG liegen indes nicht vor:
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a. Der Anspruchssteller muss zunächst dartun, dass eine kausal auf die Impfung zurückzuführende nicht unerhebliche Verletzung des Körpers oder der Gesundheit vorliegt. Die Kammer schließt dabei nicht grundsätzlich aus, dass die Impfung mit Comirnaty zu Nebenwirkungen führen kann, wie sie die Klägerin auch hauptsächlich ausführt, sowie dass sie zu einer Verschlechterung vorhandener Symptome führen kann. Es kann dabei aber dahinstehen, ob die Klägerin hinreichend dargelegt hat, dass ein kausal durch den Impfstoff verursachter Gesundheitsschaden vorliegt, woran erhebliche Zweifel bestehen, wie oben ausgeführt.
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b. Jedenfalls besteht aber bereits deswegen kein Anspruch, weil der Impfstoff kein negatives, sondern ein positives Nutzen-Risikoverhältnis aufweist, § 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AMG.
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Nach § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG haftet der pharmazeutische Unternehmer, wenn das Arzneimittel schädliche Wirkung hat, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen. Damit besteht die Haftung lediglich für Arzneimittel, die ein negatives Nutzen-Risikoverhältnis aufweisen. Die Nutzen-Risiko-Abwägung findet jeweils für die gesamte durch die Indikationsangabe vom pharmazeutischen Unternehmer anvisierte Patientenpopulation statt (LG Mainz, aaO., Rn. 32; LG Mainz, Urt. v. 14.11.2023, Az.: 9 O 37/23, Anlage B12, Bl. 168 ff. Anlagenband BV; LG Kleve Urt. v. 25.1.2023 – 2 O 83/22, BeckRS 2023, 828, Rn. 28 ff.; Brock, a.a.O., Rn. 82)
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Die Vertretbarkeit des Risikos hängt wiederum davon ab, wie wirksam das Arzneimittel ist, je nach Schwere der zu behandelnden Krankheit, differiert insofern auch die der Nebenwirkungen.
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Bei Comirnaty besteht ein positives Verhältnis. Dies wurde bereits durch die Erteilung der Zulassung durch die Europäische Kommission nach umfangreicher Prüfung durch die EMA festgestellt. Die Zulassungsentscheidung stellt einen hoheitlichen Akt der Europäischen Kommission dar, für welchen der unionsrechtliche Grundsatz der Vermutung der Rechtsmäßigkeit gilt, solange der Rechtsakt selbst nicht zurückgenommen, im Rahmen einer Nichtigkeitsklage für nichtig erklärt oder infolge eines Vorabentscheidungsersuchens oder einer Rechtswidrigkeitseinrede für ungültig erklärt worden ist. Die Zulassung entfaltet mithin Tatbestandswirkung wie ein nationaler Verwaltungsakt im Zivilprozess. Auch überzeugt der Vortrag der Klägerin bezüglich des Impfstoffes nicht. Es ist weitestgehend anerkannt, dass Comirnaty vor schweren Verläufen der Corona-Infektion schützt, die von der Klägerin vorgetragenen Einzelmeinungen reichen nicht um dendiesbezüglich bestehenden wissenschaftlichen Konsens in Frage zu stellen.
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aa) Die Zulassungsentscheidung hat, wie jeder Verwaltungsakt, grundsätzlich Bindungswirkung im Sinne einer Tatbestandswirkung (vgl. OLG München, Hinweisbeschluss vom 05.110.2024 – 14 U2313/24e, BeckRS 2024,31623, Rz. 236ff). Wenn die zuständige Verwaltungsbehörde einen wirksamen Verwaltungsakt ausdrücklich erlaubt – hier in Form einer Zulassung – so sei die Zulässigkeit des betreffenden Verhaltens einer Nachprüfung durch die Zivilgerichte entzogen, solange und soweit der Verwaltungsakt nicht durch die zuständige Behörde oder ein Verwaltungsgericht aufgehoben oder nichtig sei.
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Die Überprüfung bleibt möglich, kann aber nur dadurch ausgelöst werden, dass die Klägerin entweder substantiiert darlegen würde, welche der Beklagten damals bereits bekannten Umstände bei der Zulassungsentscheidung nicht berücksichtigt worden sein sollen, bei deren Berücksichtigung eine andere Zulassungsentscheidung gerechtfertigt gewesen wäre, oder darlegen würde, dass nach der Zulassung Nebenwirkungen des Impfstoffs bekannt geworden sind, deren Kenntnis im Zeitpunkt der Zulassung einer Zulassung entgegen gestanden hätten oder aber, dass die Klägerin im einzelnen begründen würde, worin ein etwaiger Ermessensfehler bei der Nutzen-Risiko Abwägung liege, d.h. das Ermessen nicht ausgeübt oder überschritten wäre, gesetzlichen Bestimmungen widerspräche oder gegen Denkgesetze und anerkannte Erfahrungssätze verstieße (vgl. OLG München, Hinweisbeschluss vom 05.110.2024 – 14 U2313/24e, BeckRS 2024,31623, Rz. 241, mit Hinweis auf Urteil des OLG Koblenz vom 10.07.2024, 5 U 1375/23, BeckRs 2014, 16169.
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Soweit die Klägerin darauf hinauswill, dass die Zulassung hätte versagt werden müssen, kann dem nicht gefolgt werden, weil ihr Sachvortrag diesen Voraussetzungen bei weitem nicht genügt. Es gibt keine belastbaren Anhaltspunkte dafür, dass der EMA nicht alle notwendigen und erfassbaren Informationen übermittelt wurden, um das Nutzen-Risiko-Verhältnis von Comrinaty zutreffend zu bewerten. Vielmehr hat die EMA etwa am 30.08.2023 ausgeführt, dass bei der Entscheidung der Europäischen Kommission, die Zulassung zu empfehlen, das CHMP alle verfügbaren Daten zu Comirnaty und seinen anderen adaptierten Impfstoffen, einschließlich Daten zur Sicherheit, Wirksamkeit und Immunogenität berücksichtigt habe (beispielhaft Anl. B10). 'Dabei ist auch unschädlich, dass die Standardzulassung im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Impfung noch nicht erteilt war (OLG München wie vor Rz. 244).
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Daher sind die Beschlüsse der Kommission als grundsätzlich verbindlich zu beachten, hier die Zulassungsentscheidungen vom 10.10.2022 (Anl. B9) auf Empfehlung der EMA vom 16.09.2022, vom 3.7.24 (Anl. B 12) und vom 26.09.2024 (Anl. B 13).
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Die Klägerin, die sich im Wesentlichen auf das Eintreten von bereits bekannten Nebenwirkungen der Impfung beruft bzw. auf die Verschlechterung derartiger Symptome hat insoweit auch keine hinreichenden Tatsachen vorgetragen, die tragfähige Anhaltspunkte bieten könnten, dass nach der letzten Zulassungsentscheidung vom 26.09.24 neue Erkenntnisse aufgetreten wären, die eine andere Zulassungsentscheidung veranlasst haben könnten. Soweit sich die Klägerin auf abweichende Ansichten oder Studien nicht näher bekannter Herkunft und wissenschaftlicher Basis im Internet oder sonstigen Presseorgangen beruft, sind diese nicht geeignet, die Erkenntnisse der Kommission auf Grundlage der Empfehlung der zuständigen Gremien unter Auswertung diverser großangelegter und international anerkannter Studien zu erschüttern. So hat die Beklagte in gleicher Weise z. B. auf eine am 7.8.2024 veröffentlichte, 34 Länder umfassende Überwachungsstudie hingewiesen, wonach der Einsatz von COVID-19-Impfstoffen im Zeitraum von Dezember 2020 bis März 2023 durch das Virus verursachte Todesfälle um insgesamt 59% reduziert habe, was einer Rettung von 1,6 Millionen Menschenleben entsprochen hätte (Anl. B 23). Auch das P.-E.Institut als Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hat als zuständiges Institut die Qualität, Wirksamkeit und Arzneimittel über den gesamten Zeitraum beobachtet und überprüft, einschließlich Berücksichtigung der gemeldeten Verdachtsfälle von Nebenwirkungen und Impfkomplikationen und ist nicht zu einer abweichenden Bewertung gekommen (vgl. etwa Anl. B 19). Vielmehr sind deren vierteljährlich erscheinende Bulletin öffentlich jederzeit einsehbar. Maßgeblich für die Nutzen-Risiko Abwägung ist dabei der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Hier konnte die Klägerin keine abweichenden Bewertungen dieser Behörden und Institute darlegen. Auf ihre subjektive Meinung kommt es dabei ebenso wenig an, wie auf etwaige einzelne bei ihr oder anderen Beispielsfällen realisierten und bereits bekannten möglichen typischen Nebenwirkungen der Impfung. Entscheidend ist vielmehr der therapeutische Nutzen des Präparates, insbesondere der Grade der Wirksamkeit. Je wirksamer das Präparat ist, je gravierender die Indikation und je geringer die Möglichkeiten einer anderen Therapie seien, desto mehr potentielle – auch schwere – unerwünschte Nebenwirkungen sind hinzunehmen. Dabei hat die Kammer keinen Zweifel, dass es sich bei der im Jahr 2020 ausbreitenden Pandemie mit einem Corona-SarsII-Virus, der schwere Verläufe und Todesfälle auslöste, und für den zunächst weder eine Impfung, noch eine wirksame Medikamentation vorhanden waren, und in Anbetracht der Vielzahl der Infektionen mit der zeitweise so starken Überforderung der Intensivstationen, dass bereits Triade-Entscheidungen öffentlich diskutiert wurden, ein nahezu höchstmöglicher Grad der Schwere der Indikation vorlag und – damals – faktisch keine andere therapeutische Alternative als die neu entwickelten Impfstoffe vorhanden waren. Dabei hat die Klägerin zwar Recht mit ihrer Darlegung, dass die Schutzimpfung nicht vor einer Ansteckung schützt, jedoch ist offenkundig und wissenschaftlich nicht ernstlich bestreitbar, dass der Impfstoff Comirnaty der Beklagten vor einem schweren Krankheitsverlauf bei der Covid-Infektion schützen konnte, worauf die Beklagte zutreffend hinwies. Auch unter Berücksichtigung, dass der Impfstoff in seiner Wirkung nach etwa 4 Monaten abnimmt, kann dem bis dato im Rahmen einer pandemischen Lage wirksamen Impfstoff ein Nutzen nicht abgesprochen werden, zumal eine Rest-Impfeffektivität auch dann verbleibt und zudem auch Auffrischimpfungen möglich und vorgesehen waren.
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Selbst wenn man nicht von einer strengen Bindungswirkung des Zulassungsakts ausgehen wollte, so hätte es jedenfalls einer gesteigerten Darlegungslast der Klägerin bedurft, um tragfähige Anhaltspunkte dafür zu liefern, dass neue Risiken aufgetreten seien, die bei den Zulassungsentscheidungen nicht nur noch nicht bekannt und berücksichtigt worden seine, sondern die darüber hinaus auch geeignet wären, den übergeordneten Nutzen der Impfung insgesamt bei der neuerlichen Abwägung in Frage zu stellen. Ein solcher Vortrag ist seitens der Klägerin nicht erfolgt. Diese hat sich vielmehr darauf beschränkt, auf allgemeine im Internet vertretene Therorien einzelner Wissenschaftler und vereinzelte veröffentlichte Studien zu verweisen, die der Impfung generell einen geringeren Nutzen bescheinigen, auf die Verdachtsfälle gemeldeter möglicher Nebenwirkungen und Impfreaktionen zu verweisen, wobei mehr oder weniger pauschal unterstellt wird, dass diese Zahlen sämtlich erwiesene Folgen der jeweiligen behaupteten zugrundeliegenden Impfungen seien, was wissenschaftlich nicht haltbar ist, da keine wissenschaftliche fundierten und umfassenden Untersuchungen dieser Verdachtsfälle erfolgt sind und dies auch klägerseits nicht behauptet wurden. Die Klägerin selbst verwies im Übrigen im Wesentlichen auf ihre eigenen empfundenen Nachwirkungen der Impfung und begründet damit ihren Forderungsanspruch. All dies ist nicht geeignet, die erfolgten Zulassung und die damit verbundene positive Nutzen-Risiko-Abwägung der zuständigen Behörden zu erschüttern. Insoweit wäre allerdings die Klägerin darlegungs- und beweispflichtig gewesen für die Anspruchsvoraussetzung des negativen Nutzen-Risiko-Verhältnisses.
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bb) Auch die Haftungsfreistellung der Beklagten in den Verträgen mit der Europäischen Union bzeogen auf den Verzicht von vorausgehenden Langzeitstudien im Zuge des Interesses der Länder, dass schnellstmöglich Impfstoffe auf den Markt kommen sollen, um die Corona-Pandemie einzudämmen, bietet keinen Beleg für ein wie auch immer geartetes „vorsätzliches“ oder „leichtfertiges“ Handeln der Beklagten oder einen Nachweis ihres Wissens, dass das Medikament mehr schade als nutze. Vielmehr haben die Beklagte als Impfhersteller und die beteiligten Gremien damals bereits erkannt und problematisiert, dass Langzeitfolgen möglich aber ohne Langzeitstudien nicht feststellbar seien, und deshalb hat die Beklagte letztlich im Interesse des wirtschaftlichen Überlebens des Konzerns nachvollziehbar und berechtigt über die Begrenzung seines daraus folgenden Haftungsrisikos verhandelt. Dass mit der Haftungsfreistellung letztlich das Risiko nicht bekannter Langzeitfolgen auf die Gesamtgesellschaft übergewälzt wurde, war eine politische Entscheidung der Regierungen gewesen, die dieses Risiko wiederum mit dem Risiko abzuwägen hatten, dass anderenfalls eben nicht innerhalb des gewünschten Zeitraums ein schneller und effektiver Impfstoff zur Verfügung gestanden hätte. Insoweit folgt das erkennende Gericht den Ausführungen des OLG München im Hinweisbeschluss vom 5.11.2024 – 14 U 2313/24e, BeckRS 2024, 31623, Rz. 282 ff. Auch wenn die Kommission unter Zeitdruck gestanden haben mag, ist dies durch die pandemische Lage und den teilweise drohenden oder bereits eingetretenen Kollaps der Gesundheitssyssteme verursacht worden, nicht notwendig durch einen unzulässigen Druck seitens der Beklagten, der sich jedenfalls nicht feststellten lässt. Auch kann aus der Notlager rückwirkend nicht geschlossen werden, dass die damalige Entscheidung falsch gewesen sein müsse.
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Die Kammer folgt auch den Ausführungen des OLG München im gleichen Hinweisbeschluss vom 5.11.2024 – 14 U 2313/24e, BeckRS 2024, 31623, auf den die Parteien im Termin hingewiesen wurden, in seinen Ausführungen, dass das Berufen auf im Internet abrufbare abweichende Studien mit geringerer Impfeffektivität, auf die sich auch hier die Klägerin berufen hat, unabhängig von der jeweils zu klärenden Frage, ob diese überhaupt auf einer aussagekräftigen Datenbasis gründen jedenfalls immer noch einen eminenten Beleg für und nicht gegen die Wirksamkeit der Impfung lieferten, selbst wenn der Nutzen für den einzelnen Geimpften nur „minimal“ wäre, wobei das OLG ausführt, dass das Nutzen-Risiko-Verhältnis ohnehin nicht nur bezogen auf den Einzelnen zu definieren sei (OLG München wie vor, Rz.251 ff).
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Ferner führt das OLG München aus, dass der Nutzen der streitgegenständlichen Impfung auch unabhängig von der Frage einer Tatbestandswirkung der Zulassungsentscheidungen zu bejahen sei. Es verweist darauf, dass die Impfung – jedenfalls bezogen auf die Allgemeinheit – vor einem besonders schweren Verlauf der Krankheit schützt, was allgemeiner Auffassung entspreche. Der Nutzen wurde und werde nicht nur in der Verhinderung einer Reaktion auf das Virus gesehen, sondern in der nachhaltigen Abmilderung dieser Reaktion (wie vor Rz. 267 ff). Dem schließt sich das erkennende Gericht vollumfänglich an.
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Zur Frage des positiven Nutzen-Risiko-Verhältnisses muss nach den Ausführungen des OLG München auch vom erkennenden Gericht kein eigenes Sachverständigengutachten erholt werden, insbesondere auch nicht im Hinblick darauf, dass Behauptungen erhoben werden, dass der Impfstoff – wie auch hier behauptet irgendwie verunreinigt gewesen wäre wegen nicht näher behaupteter Produktionsfehler –, da auch dies kein Argument gegen die positive Nutzen-Risiko-Bilanz des Impfstoffs sei. Vielmehr sei das CHMP trotz der bekannten unterschiedlichen Herstellungsprozesse und der potentiellen Verunreinigungen zu dem Ergebnis gekommen, die bedingte Zulassung wegen seines positiven Nutzen-Risiko-Verhältnisses zu empfehlen (wie vor Rz. 287 ff). Auch bestätigt das OLG, dass bloße gemeldete Verdachtsfälle nicht mit tatsächlichen Nebenwirkungen gleichzusetzen sind und man auch nicht weitere „übliche Dunkelziffern“ hinzurechnen müsse. Vielmehr verbieten sich Spekulationen, sonst würde einer manipulativen Bewertung Tür und Tor geöffnet (wie vor Rz. 305 ff).
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Es genügt auch nicht, wenn noch nicht sämtliche Nebenwirkungen erforscht sind, oder die von der Klägerin geltend gemachten gesundheitlichen Beschwerden im Zeitpunkt der Zulassung noch nicht bekannt gewesen seien. Daraus könne auch nicht postuliert werden, dass die Zulassung zu versagen gewesen wäre, wenn die Behörde diese Beschwerden der Klägerin gekannt hätten, oder sonstige Beschwerden, die unter dem vorläufigen Sammelbegriff „PostVac-Syndrom“ benannt werden. Selbst wenn diese für den Betroffenen schwerwiegend sein sollten, verfehlen sie den kollektiven Fokus des Nutzen-Risiko-Verhältnisses (wie vor Rz. 309 ff).
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Der Behauptung, das Spike-Protein des Impfstoffs wirke toxisch, braucht nach den überzeugenden Ausführungen des OlG (wie vor Rz. 321 ff) ebenfalls nicht nachgegangen zu werden. Hier genügt nicht der Verweis auf irgendwelche Aufsätze oder Veröffentlichungen im Internet, die eine mögliche Toxizität vermuten und zwischenzeitlich (in 2023) entwickelte andere Impfstoffe mit erprobten rekombinanten Proteinabgeschwächten oder inaktivierten Virus-Technologien propagieren. Diese standen jedenfalls zum Zeitpunkt der Impfung der Klägerin in 2021 nicht zur Verfügung und können daher das damalige positive Nutzen-Risiko-Verhältnis nicht in Frage stellen.
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Auch im übrigen muss kein Gutachten erholt werden. Die Einschätzungen zur Arzneimittelsicherheit des ''CHMP, des PRAC und des PEI stehen einer sachverständigen Begutachtung gleich, da bereits die gesetzlichen 'Vorgaben für deren Besetzung sie als sachverständige Stellen qualifizieren: Die Institutionen vereinen die widerstreitenden wissenschaftlichen Erfahrungen, Erkenntnisse, Sichtweise und Hypothesen in sich und lassen diese in eine umfassende Nutzen-Risiko-Bewertung einfließen. Deren Bewertung bildet das größtmögliche Fachwissen für die hier zu entscheidende Frage des Nutzen-Risiko-Verhältnisses ab, und sie vermögen auch dem erkennenden Gericht die notwendige Fachkenntnis zu vermitteln, um diese Frage beurteilen zu können, und zwar auf Grundlage des § 286 Abs. 1 ZPO, der die Beweiswürdigung des Gerichts nicht an das Strengbeweisverfahren bindet. Wie das OLG zu Recht ausführt, ist es fernliegend anzunehmen, ein einzelner Sachverständiger könnte über weitere Quellen, eine größere Datengrundlage und umfangreicheres Wissen verfügen als die aus jeweils mindestens 27 Personen bestehenden genannten Expertengremien (Wie vor Rz. 361 ff mit Verweis auf Entscheidung des BVerwG 1 WB 2/22 BeckRS 2022, 15743 Rn. 138 ff). Woher das überlegene Wissen eines einzelnen Sachverständigen kommen sollte, wird seitens der Klägerin auch hier nicht vorgetragen.
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Die durchgängig gleichlautenden Entscheidungen der genannten Expertengremien stellen zudem ein gewichtiges Indiz im Rahmen der gerichtlichen Entscheidung (§ 25 Abs. 10 AMG) dar, ob eine ermessensfehlerhafte Bewertung auf europäischer Ebene bei der Zulassungsentscheidung vorlag, selbst wenn man nicht von einer Tatbestandswirkung ausginge (wie vor Rz. 371).
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c. § 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AMG ist ebenfalls nicht erfüllt.
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aa) Die Haftung nach § 84 Abs. 1 S. 1 AMG besteht nur dann, wenn der Schaden infolge einer nicht den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft entsprechenden Kennzeichnung, Fachinformation oder Gebrauchsinformation eingetreten ist. Auf Grundlage des von der Klägerin Vorgebrachten ist schon nicht ersichtlich, dass die entsprechende Kennzeichnung, Fachinformation oder Gebrauchsinformation unzureichend gewesen sei. Insbesondere bedarf es zur Aufnahme einer Information einen zumindest ernst zu nehmenden Verdacht, dass zwischen der Arzneimittelanwendung und einer unerwünschten schädlichen Wirkung ein Zusammenhang besteht. Dass dies bezüglich einer der von der Klägerseite vorgebrachten Krankheitsbilder zum damaligen Zeitpunkt zu bejahen ist, ein solcher aber gleichwohl nicht aufgenommen wurde, hat diese nicht hinreichend dargelegt. Die Klägerin hat überhaupt keinen ihr vorgelegten Aufklärungsbogen vorgelegt, aus dem sich der Inhalt erschließen ließe. Die Klägerin stellt zudem allenfalls Mutmaßungen über einen möglichen Wissensstand der Beklagten an. Hinzu kommt, dass im Zuge der Pandemie ein schnellstmöglicher Einsatz des Vakzins geboten war. Die weitere Forschung hat allerdings keinerlei Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die frühe Zulassung mit dem heutigen Stand der Wissenschaft unvereinbar gewesen wäre.
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Schließlich obliegt die Aufklärung selbst iSd. § 630e BGB dem Behandler und nicht dem Hersteller. Insoweit fehlt es auch an einem substaniierten Vortrag der Klägerseite, welche konkreten Aufklärungsinhalte des Herstellers bei welcher Impfung nach seinerzeitigen Erkenntnisstand fehlerhaft oder lückenhaft gewesen wären.
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bb) Ferner müsste ein Ursachenzusammenhang zwischen einer fehlerhaften Information und der Gesundheitsverletzung feststellbar sein, was voraussetzt, dass die Gesundheitsverletzung bei ordnungsgemäßer Information mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vermieden worden wäre.
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Dabei ist festzustellen, dass die Klägerin in ihrer informatorischen Anhörung vortrug, sie habe bereits auf die zweite Impfung nachteilige Reaktionen bemerkt, die nach der Klageschrift sogar ganz massiv aufgetreten sein sollen, nach der persönlichen Anhörung der Klägerin zumindest eher schleichend. Dennoch habe sie sich für die 3. Impfung entschieden, um einen vollständigen Impfschutz zu erreichen. Daher ist aus Sicht des Gerichts in hohem Maße zweifelhaft, ob Hinweise im Aufklärungsblatt zu den ohnehin bereits von der Klägerin beobachteten Nebenwirkungen im Nachgang zur 2. Impfung – unterstellt, diese hätten überhaupt gefehlt – zu einem veränderten Verhalten und einer näheren Befassung mit diesen Hinweisen überhaupt geführt hätten, nachdem nicht einmal die selbst wahrgenommenen nachteiligen gesundheitlichen Folgen sie von der nochmaligen Auffrischungsimpfung abhielten. Damit lag aber unabhängig von der ohnehin nicht dargelegten Aufklärung über den konkreten Inhalt der angeblich fehlerhaften Aufklärung auch kein Anhaltspunkt für einen Entscheidungskonflikt der Klägerin vor. Offensichtlich nämlich war ihr der Wunsch, einen vollständigen Impfschutz zu erlangen, den sie wegen der damit verbundenen gesellschaftlichen Vorteile und wegen ihrer Besorgnis vor einer Erkrankung wegen früherer aufgetretener anderweitig schwerer Infektionen nach eigener Aussage erreichen wollte, größer als ihre Sorge vor einer weiteren Verschlechterung der schon beobachteten Symptome einer „schleichenden Verschlechterung“.
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2. Ein Anspruch folgt auch nicht aus § 823 Abs. 1 BGB. Die Klägerin kann der Beklagten nicht nachweisen, eine schuldhafte Pflichtverletzung begangen zu haben. Insbesondere hat sie auch keine der Produzentenhaftung innewohnende Verkehrssicherungspflicht durch fehlerhafte Kennzeichnungen im Sinne eines Instruktionsfehlers zu vertreten. Andere Anknüpfungspunkte für eine Pflichtverletzung sind schon nicht erkennbar.
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Anhaltspunkte für eine Haftung aus § 826 BGB bzw. § 823 II BGB i.V.m. § 5 AMG oder i.v. m. §§ 223, 224 und § 226 StGB liegen nicht vor. Wie bereits ausgeführt, kann der Beklagten unter keinem Gesichtspunkt ein auch nur bedingt vorsätzliches, geschweige denn vorsätzlich und sittenwidriges Handeln zur Last gelegt werden, auch nicht im Hinblick auf unterlassene Langzeitstudien und den vereinbarten Haftungsausschluss. § 5 AMG mangelt es an einer Bedenklichkeit des Impfstoffs aus denselben Gründen wie bei der Haftung nach § 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AMG, da die schädlichen Wirkungen des Arzneimittels im Sinne einer Nutzen-Risiko-Abwägung mit der jeweiligen Indikation abzuwägen sind, wobei auch hier aus den vorgenannten Gründen die Abwägung zugunsten des Impfstoffs ausfallen würde, so dass der Impfstoff als unbedenklich einzustufen ist (wie vor Rz. 419 ff). Eine Anwendung des Produkthaftungsgesetzes scheitert bereits an der Subsidiarität gegenüber dem vorrangigen AMG (§ 15 ProdHaftG). Weitere Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich.
II.
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Der mit dem Klageantrag zu 3. verfolgte Feststellungsantrag sowie der mit Antrag zu 5. auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren sowie die mit dem Klageantrag zu 2. und 5. geltend gemachten Zinsansprüche teilen das rechtliche Schicksal des jeweiligen Hauptanspruchs und waren gleichermaßen abzuweisen.
III.
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Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits, § 91 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1, 2 ZPO.
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Bei der Festsetzung des Streitwerts hat die Kammer der klägerischen Einschätzung ihrer Forderungen entsprechend für den Klageantrag 1) 10.000,00 €, für den Antrag 2) 50.000,00 € und für den Antrag 3) 10.000,00 €, insgesamt 70.000 € angesetzt.