Inhalt

VG München, Urteil v. 18.07.2025 – M 31 K 23.939
Titel:

Zuwendungsrecht, Neustarthilfe 2022, Nachweis der Coronabedingtheit (hier verneint), Feststellungsantrag (hier unzulässig)

Normenketten:
GG Art. 3 Abs. 1
BV Art. 118 Abs. 1
VwGO § 43
Richtlinie für die Gewährung von Überbrückungshilfe des Bundes für kleine und mittelständische Unternehmen – Phase 5 (Überbrückungshilfe IV)
Schlagworte:
Zuwendungsrecht, Neustarthilfe 2022, Nachweis der Coronabedingtheit (hier verneint), Feststellungsantrag (hier unzulässig)
Fundstelle:
BeckRS 2025, 27482

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

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Die Klägerin, die nach ihren Angaben im Zuwendungs- und Gerichtsverfahren in der Branche Unternehmensberatung tätig ist, dabei insbesondere im Bereich des Eventmanagements für und mit Hotels und Gastronomiebetrieben, begehrt unter Aufhebung eines Ablehnungsbescheids der Beklagten, den diese im Vollzug der Richtlinien für die Gewährung von Überbrückungshilfe des Bundes für kleine und mittelständische Unternehmen – Phase 5 (Überbrückungshilfe IV) erlassen hat, deren Verpflichtung zur Zuwendungsgewährung.
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Unter dem 2. Mai 2022 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Neustarthilfe 2022 i.H.v. 4.500.- EUR für den Förderzeitraum April bis Juni 2022 (zweites Quartal). Auf Nachfrage der Beklagten führte sie im Wesentlichen aus, sie habe im ersten und zweiten Quartal enorme Umsatzeinbußen erlitten, insbesondere da viele ihrer Auftraggeber aufgrund der Corona-Auflagen Veranstaltungen verschoben hätten. Hotels könnten aufgrund der ebenso coronabedingten Umsatzrückgänge keine Berater beschäftigen. Ebenso hätten sich Coachings verschoben oder seien vollständig storniert worden. Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 15. August 2022 lehnte die Beklagte den Antrag ab, maßgeblich aufgrund eines fehlenden Nachweises eines coronabedingten Umsatzrückgangs.
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Ein Antrag der Klägerin für die Gewährung einer Neustarthilfe 2022 für den Förderzeitraum Januar bis März 2022 (erstes Quartal) findet im behördlichen Verfahren zum zweiten Quartal mehrfach Erwähnung von Seiten der Klägerin, ferner verweist der im behördlichen Verfahren Bevollmächtigte der Klägerin auf eine Antragstellung am 3. Februar 2022 sowie Nachfragen der Klägerin vom 21. Februar 2022 und 5. März 2022. Eine Bearbeitung oder Verbescheidung seitens der Beklagten erfolgte nicht; mitgeteilt wurde seitens der Beklagten, dass abgesehen von dem Antrag für das zweite Quartal 2022 ein weiterer Antrag der Klägerin nicht vorliege.
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Hiergegen richtet sich die am 28. Februar 2023 erhobene Klage. Die Klägerin lässt zuletzt beantragen,
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1. die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 15. August 2022 zu verpflichten, die beantragte Neustarthilfe 2022 für das zweite Quartal antragsgemäß zu gewähren und nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit auszuzahlen,
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2. festzustellen, dass die fehlende Bearbeitung der Anfragen der Klägerin vom 21. Februar 2022 und 5. März 2022 hinsichtlich ihres Antrags auf Bewilligung der Neustarthilfe 2022 für das erste Quartal 2022 rechtswidrig war.
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Zur Begründung verweist die Klägerin im Wesentlichen auf den auch in 2022 fortgesetzten Wegfall nahezu aller Präsenzveranstaltungen und Beratungen. Gerade im Bereich der durch die Klägerin angebotenen Rückkehrberatungen für Ausländer sei auch aus technischen Gründen kein Ersatz durch virtuelle Beratungen möglich gewesen. Diese Umstände haben zu einem – im Einzelnen bezifferten – Umsatzrückgang im entsprechenden Zeitraum geführt. Mithin sei der Bezug der Umsatzeinbußen zur Corona-Pandemie eindeutig vorhanden. Hinsichtlich der Neustarthilfe für das erste Quartal verweist die Klägerin auf eine fristgemäße Antragstellung sowie mehrere Rückfragen bei der Beklagten, die danach jedenfalls verpflichtet gewesen sei, auf derartige Rückfragen zu reagieren.
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Die Beklagte beantragt
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Klageabweisung.
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Sie verteidigt den streitbefangenen Bescheid mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 18. September 2023.
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Mit Beschluss vom 23. Juni 2025 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vorgelegten Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist hinsichtlich des Antrags zu 1. unbegründet, hinsichtlich des Antrags zu 2. bereits unzulässig.
I.
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Die Klägerin hat gegen die Beklagte den von ihr mit dem Antrag zu 1 geltend gemachten Anspruch, sinngemäß gerichtet auf Verpflichtung zur Bewilligung einer Überbrückungshilfe IV in Gestalt der Neustarthilfe für das zweite Quartal 2022 i.H.v. 4.500.- EUR, nicht inne (§ 113 Abs. 5 VwGO).
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1. Nach der ständigen, allein maßgeblichen Vollzugspraxis der Beklagten zur Überbrückungshilfe IV besteht kein Anspruch auf eine Förderung. Es fehlt an dem notwendigen Nachweis der Coronabedingtheit der geltend gemachten Umsatzeinbußen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst vollinhaltlich auf die Begründung des streitbefangenen Bescheids Bezug genommen; diesen folgt das Gericht, § 117 Abs. 5 VwGO. Zusammenfassend gilt sonach Folgendes:
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a) Als objektiven Anknüpfungspunkt für die Coronabedingtheit zieht die Beklagte in ihrer ständigen, insoweit allein maßgeblichen Verwaltungspraxis (hierzu allgemein zuletzt und zusammenfassend BayVGH, B.v. 27.3.2025 – 21 ZB 24.514 – juris Rn. 13), die in der mündlichen Verhandlung vorgetragen und bestätigt wurde, grundsätzlich die normative Betroffenheit durch Infektionsschutzmaßnahmen heran. Entscheidend sind dabei im hier relevanten Förderzeitraum folglich insbesondere die Einschränkungen, die sich aus der dort im Wesentlichen einschlägigen 16. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (16. BayIfSMV) ergeben, die am 3. April 2022 in Kraft trat.
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b) Diese Zuwendungspraxis der Beklagten ist nicht zu beanstanden. Denn es ist in der ständigen Rechtsprechung anerkannt, dass dem Zuwendungsgeber bei der Bestimmung des Umfangs der Zuwendungsberechtigung für die Corona-Wirtschaftshilfen ein weiter Gestaltungsspielraum zukommt (vgl. statt vieler z.B. VG München, U.v. 24.9.2024 – M 31 K 23.3596 – juris Rn. 30). Dies gilt auch und gerade für die Frage der Coronabedingtheit. Zur Begründung der Coronabedingtheit der Umsatzrückgänge wird durch die Klägerin im Wesentlichen vorgetragen, sie erziele ihre Umsätze maßgeblich mit Beratungsleistungen und im Bereich des Eventmanagements. Entsprechende Veranstaltungen seien pandemiebedingt vielfach verschoben worden oder gänzlich entfallen. Diese Umstände erfüllen nach der geübten und allein maßgeblichen Verwaltungspraxis der Beklagten nicht die Voraussetzungen zum Nachweis der Coronabedingtheit. Während der Geltung der 16. BayIfSMV war die Erbringung von Beratungsdienstleistungen, wie sie die Klägerin anbietet, rechtlich ohne Weiteres möglich. In Bayern galten auf Grundlage der 16. BayIfSMV seit dem 3. April 2022 im Wesentlichen lediglich noch allgemeine Verhaltensempfehlungen (vgl. § 1), Beschränkungen ergaben sich allein aus §§ 2, 3 der 16. BayIfSMV (Maskenpflicht, namentlich im Bereich des Gesundheitswesens, und einrichtungsbezogene Testerfordernisse).
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Die maßgebliche Anknüpfung eines Coronabedingten Umsatzrückgangs an unmittelbare staatliche Beschränkungen der wirtschaftlichen Betätigung in Abgrenzung zu mittelbaren Auswirkungen der Pandemiesituation, wie sie sich aus den o.g. Kriterien ergibt, begegnet keinen Bedenken. Es handelt sich um einen ausreichenden sachlichen Grund, der eine willkürfreie Differenzierung ermöglicht, da mithin auf eine unterschiedliche Intensität der Betroffenheit durch Coronabedingte Einschränkungen abgestellt wird (VG München, U.v. 24.9.2024 – M 31 K 23.3596 – juris Rn. 30; vgl. zur parallelen Fragestellung im Rahmen der Antragsberechtigung zur November- bzw. Dezemberhilfe BayVGH, B.v. 14.10.2022 – 22 ZB 22.212 – juris Rn. 24; VG München, U.v. 28.10.2022 – M 31 K 21.5978 – juris Rn. 35; U.v. 21.9.2022 – M 31 K 21.5244 – juris Rn. 26; VG Würzburg, U.v. 15.11.2021 – W 8 K 21.1000 – juris Rn. 44).
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Das von der Beklagten bewusst praktizierte restriktive Verständnis der Coronabedingtheit ist schon deshalb ermessensgerecht und willkürfrei, weil die staatlichen Maßnahmen der Pandemiebekämpfung während der Förderzeiträume der Überbrückungshilfe IV – und hier ganz besonders im späten Förderzeitraum des 2. Quartals 2022 unter Geltung der 16. BayIfSMV – nicht mehr so einschneidend waren wie noch zuvor und die einzelnen Betriebe wieder fast uneingeschränkt von normativen Restriktionen wirtschaften konnten (vgl. OVG NRW, B.v. 29.12.2023 – 4 B 455/23 – juris Rn. 14). Dass die Klägerin von den Beschränkungen der §§ 2, 3 der 16. BayIfSMV erfasst gewesen sei, trägt sie weder selber vor noch ist solches ersichtlich.
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Die Klägerin legt für ihre gegenteilige Rechtsauffassung ihr eigenes Verständnis der Zuwendungsrichtlinie zugrunde, auf das es nicht ankommt. Allein maßgebend ist das Verständnis der Coronabedingtheit und die daran anknüpfende Vollzugspraxis der Beklagten, gerade nicht aber das Verständnis der Klägerin, selbst wenn die konkreten Fördervorgaben gegebenenfalls sogar unklar formuliert und daher zumindest teilweise in ihren Einzelheiten schwierig zu erfassen gewesen sein mögen (vgl. z.B. VG Würzburg, U.v. 1.12.2023 – W 8 K 23.611 – juris Rn. 68; VG München, U.v. 10.3.2023 – M 31 K 22.1123 – juris Rn. 31). Es kommt auch nicht darauf an, ob die einschlägige Richtlinienbestimmung vermeintlich widersprüchlich ist und welche Maßnahmen nach Auffassung des Verwaltungsgerichts bzw. bei – aus Sicht der Klägerseite – „richtiger Auslegung“ nach der Zuwendungsrichtlinie förderfähig wären (BayVGH, B.v. 23.10.2023 – 22 ZB 23.1426 – juris Rn. 13).
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c) Danach ist gerade auch unter Zugrundelegung der Angaben der Klägerin zu ihrer Situation im Förderzeitraum keine Förderfähigkeit gegeben, sodass die Beklagte die begehrte Förderung ermessensfehlerfrei ablehnen konnte. Der Rückgang der Kundennachfrage führt als solcher hier gerade nicht zu einer Förderfähigkeit, sondern ist vielmehr Teil des allgemeinen Geschäftsrisikos der Klägerin. Eine im Sinne des Vollzugs der Neustarthilfe 2022 notwendige und im zweiten Quartal auch nur unter sehr engen Voraussetzungen anzunehmende Coronabedingtheit ergibt sich daraus nach dem hierzu allein maßgeblichen Verständnis der Beklagten nicht. Dies ist von Rechts wegen mit Blick auf den aus Art. 3 Abs. 1 GG abzuleitende gerichtlichen Prüfungsmaßstab des Willkürverbots nicht zu beanstanden.
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2. Der geltend gemachte Zinsanspruch kommt angesichts des – wie vorstehend ausgeführt – fehlenden Anspruchs auf die begehrte Zuwendung nicht in Betracht. Offenbleiben kann daher, inwieweit in diesem Fall Rechtshängigkeitszinsen der Sache nach denkbar wären (vgl. dazu BVerwG, U.v. 26.7.2012 – 2 C 29/11 – juris Rn. 47 m.w.N.; zum Ganzen NK-VwGO/Wilfried Peters/Mathias Reinke, 5. Aufl. 2018, VwGO § 90 Rn. 41 f.; VG München, U.v. 21.4.2023 – M 31 K 22.84 – juris Rn. 54).
II.
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Die im Antrag zu 2 begehrte Feststellung, dass die fehlende Bearbeitung der Anfragen der Klägerin vom 21. Februar 2022 und 5. März 2022 hinsichtlich ihres Antrags auf Bewilligung der Neustarthilfe 2022 für das erste Quartal 2022 rechtswidrig war, ist bereits unzulässig.
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Gemäß § 43 Abs. 1 VwGO kann durch Klage die Feststellung eines Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Als besondere Sachurteilsvoraussetzung ist nach § 43 Abs. 1 Hs. 2 VwGO mithin ein hinreichendes Feststellungsinteresse der Klagepartei vorauszusetzen (vgl. zur rechtlichen Einordnung etwa Möstl, in: BeckOK VwGO, 74. Ed. 1.4.2025, VwGO § 43 Rn. 18).
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Die Klägerin begehrt wie ausgeführt die Feststellung, dass die fehlende Bearbeitung der Anfragen der Klägerin vom 21. Februar 2022 und 5. März 2022 hinsichtlich ihres Antrags auf Bewilligung der Neustarthilfe 2022 für das erste Quartal 2022 rechtswidrig war. Das Feststellungsinteresse wird hierbei von Seiten der Klägerin aus der präjudiziellen Wirkung der Feststellung mit Blick auf einen bevorstehenden Staatshaftungsprozess gefolgert.
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Die Absicht, gegen die Beklagte wegen eines ihr angeblich entstandenen Schadens eine Amtshaftungsklage (Art. 34 GG, § 839 BGB) zu erheben, begründet indes ein derartiges Interesse jedenfalls hier in der Konstellation einer (allgemeinen) Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO nicht. Anderes kann ggf. im Zusammenhang einer – hier nicht inmitten stehenden – Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO) gelten, soweit hierbei der Erhalt der Früchte des bisherigen Prozesses gegenständlich ist (BVerwG, U.v. 20.1.1989 – 8 C 30/87 – juris Rn. 9; erneut B.v. 3.5.1999 – 7 B 72/99 – juris Rn. 4; zur Differenzierung eingehend auch BayVGH, U.v. 4.2.2014 – 10 B 10.2913 – juris Rn. 50). Anders gewendet fehlt es vorliegend bei dem unabhängig von einem verwaltungsgerichtlichen Primärrechtsschutz verfolgten Schadensersatzbegehren an einer prozessökonomisch ggf. sinnvollen Fortsetzung eines Rechtsschutzbegehrens vor den Verwaltungsgerichten (vgl. eingehend BVerwG, U.v. 12.7.2000 – 7 C 3/00 – juris Rn. 14).
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Denn für den durch sie allein erstrebten Schadensersatz kann die Klägerin sogleich das hierfür zuständige Zivilgericht anzurufen, das im Amtshaftungsprozess auch für die Klärung öffentlich-rechtlicher Fragen und damit auch öffentlich-rechtlicher Vorfragen zuständig ist. Ein Anspruch auf den „sachnäheren“ Richter besteht nicht (BVerwG, U.v. 20.1.1989 – 8 C 30/87 – juris Rn. 9). Mithin fehlt es für die begehrte Feststellung bereits an ein einem hinreichenden Feststellungsinteresse, bzw. ist eine Feststellungsklage (jedenfalls) unter dem rechtswegübergreifend geltenden Gesichtspunkt der Subsidiarität (§ 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO) bereits unzulässig (so BVerwG, U.v. 12.7.2000 – 7 C 3/00 – juris Rn. 13).
28
Sonach war die Klage mit der Kostenfolge nach § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
29
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.