Inhalt

OLG München, Beschluss v. 09.10.2025 – 33 Wx 44/25 e
Titel:

Unterschrift des Erblassers, Beschwerdeführer, Nachlaßgericht, Testierwillen, Erklärungsinhalt, Formunwirksamkeit, Gesetzliche Erbfolge, Handschriftliches Testament, Erteilung eines Erbscheins, Formunwirksames Testament, Eigenhändiges Testament, Erbschaftsteuer, Kostenentscheidung, Außergerichtliche Kosten, Erbscheinsantrag, Beschlüsse des Amtsgerichts, Darlehen, Steuerbelastung, Erbeinsetzung, Formwirksamkeit

Normenkette:
BGB§§ 133, 2247
Leitsätze:
Der Auslegung einer Individualerklärung als Verfügung von Todes steht nicht entgegen, dass in der Erklärung über die letztwillige Verfügung hinaus weitere Erklärungsinhalte (hier: Quittung) enthalten sind, soweit sich der Testierwille aus der Erklärung selbst oder den außerhalb der Urkunde liegenden Umständen sicher feststellen lässt (Fortsetzung von: BayObLG, Beschluss vom 18.05.2004 - 1Z BR 7/04, 8/04, FamRZ 2005, 308).
1.  Die Erklärung des Erblassers, dass er etwas „bestätigt“, deutet zwar auf eine Art Quittung hin, kann jedoch auch letztwillige Verfügungen enthalten, soweit sich der Testierwille aus der Erklärung selbst oder den außerhalb der Urkunde liegenden Umständen sicher feststellen lässt (Fortsetzung von BayObLG BeckRS 2004, 06285). (redaktioneller Leitsatz)
2.  Durch die „Bestätigung“ eines von der Beschwerdeführerin an ihn ausgereichten Darlehens wollte der Erblasser erreichen, dass dieses vom Nachlass abzuziehen ist, um die Steuerbelastung der nicht mit ihm verheirateten Beschwerdeführerin im Rahmen der Erbschaftssteuer herabzusetzen. Diese Verringerung der Steuerlast kommt aber überhaupt nur dann in Betracht, wenn die Beschwerdeführerin vom Erblasser als Erbin berufen ist. In der Folge ordnet der Erblasser in dem Schreiben auch ausdrücklich an, dass die Summe der Beschwerdeführerin „als Erbin zugute kommt“. (Leitsätze der Redaktion) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Erbschein, Nachlassgericht, Testament, Formwirksamkeit, Testierwille, Erbeinsetzung, Beschwerde
Vorinstanz:
AG Sonthofen, Beschluss vom 18.10.2024 – VI 1129/22
Fundstellen:
FDErbR 2025, 027476
BeckRS 2025, 27476

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Sonthofen – Nachlassgericht – vom 18.10.2024, Az. VI 1129/22, aufgehoben.
2. Der Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 2 vom 30.07.2024 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen den Beschluss des Nachlassgerichts vom 18.10.2024, mit dem dieses die Erteilung eines Erbscheins aufgrund gesetzlicher Erbfolge zugunsten der Beteiligten zu 2 angekündigt hat.
2
Der ledige und kinderlose Erblasser ist am xx.xx.2022 verstorben. Die Beschwerdeführerin war die Lebensgefährtin des Erblassers, die Beteiligte zu 2 ist die nächste Angehörige.
3
Der Erblasser setzte die Beschwerdeführerin in einem handschriftlichen Testament vom xx.xx.1999 als Alleinerbin ein, unterschrieb dieses Testament aber nicht. In einem weiteren Schreiben vom xx.xx.2002 erklärte der Erblasser u. a.:
„Hiermit bestätige ich meiner Lebenspartnerin „[Vorname]“ [Nachname] was folgt:
1. Ich erhielt von [Vorname]´ zum Umbau und der Renovierung des Hauses mind. 360.00,- …
2. Dieses geschah darlehensweise, …
3. Diese Summe ist auf mein beiliegendes, unverändert gültiges Testament anzurechnen und derart zu berücksichtigen, daß
a) im Falle meines Todes die vorgenannte Summe vorweg auf den Nachlaß mit dem Haus abgezogen und steuerlich ihr als Erbin zugute kommt, …“
4
Das Schreiben trägt die Unterschrift des Erblassers.
5
Nach dem Tod des Erblassers lieferte die Beschwerdeführer zunächst das Schreiben vom xx.xx.1999 beim Nachlassgericht ab. Nachdem sie vom Nachlassgericht auf die Formunwirksamkeit hingewiesen worden war, reichte sie auch das Schreiben vom xx.xx.2002 beim Nachlassgericht ein, verbunden mit der Erklärung, dass sie diesem Schreiben, das der Erblasser gemeinsam mit dem Testament vom xx.xx.1999 in einer Klarsichthülle in seinem Schreibtisch verwahrt hat, zunächst keine Bedeutung beigemessen habe.
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Die Beteiligte zu 2 beantragte am 30.07.2024 einen Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge, der sie als Alleinerbin ausweist. Mit Beschluss vom 18.10.2024 kündigte das Nachlassgericht die Erteilung eines entsprechenden Erbscheins an. Dagegen richtet sich die Beschwerde vom 22.11.2024, der das Nachlassgericht mit Beschluss vom 11.02.2025 nicht abgeholfen und die Akten dem Senat zur Entscheidung vorgelegt hat.
II.
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Die Beschwerde ist zulässig und hat auch im Ergebnis Erfolg. Das Nachlassgericht ist zu Unrecht zu dem Ergebnis gelangt, dass eine formwirksame Verfügung von Todes wegen zugunsten der Beschwerdeführerin nicht vorliegt.
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1. Allerdings ist das Testament vom xx.xx.1999 formunwirksam, da es nicht unterschrieben ist, § 2247 Abs. 1 BGB. Die Selbstbezeichnung am Anfang des Testaments genügt nicht als Unterschrift. Ob weitere Blätter oder ein Kuvert vorhanden sind, auf denen sich eine Unterschrift befinden könnte, bleibt letztlich im Dunkeln.
9
2. Es kann dahinstehen, ob der Erblasser mit der Unterzeichnung des Schreibens vom xx.xx.2002 und der – hier unterstellt – Zusammenfügung beider Schreiben nachträglich ein formwirksames Testament in dem Sinne errichtet hat, dass er – nunmehr – eine einheitliche Urkunde errichtet und diese unterschrieben hat. Denn selbst wenn dies nicht der Fall wäre, würde sich die Einsetzung der Beschwerdeführerin als Alleinerbin allein aus dem Schreiben vom xx.xx.2002 ergeben.
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3. Bei dem Schriftstück vom xx.xx.2002 handelt es sich um eine Verfügung von Todes wegen, die formgerecht und mit Testierwillen errichtet worden ist.
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a) Das Schriftstück erfüllt seiner äußeren Form nach die Anforderungen des § 2247 Abs. 1 BGB.
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b) Der Senat ist auch davon überzeugt, dass es vom Erblasser mit Testierwillen errichtet worden ist.
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aa) Testierwille liegt vor, wenn der Erblasser den ernstlich erklärten Willen hat, ein rechtsverbindliches Testament zu errichten. Dieser Wille folgt beim eigenhändigen Testament nicht schon aus der Erfüllung aller Formerfordernisse nach § 2247 BGB. Auch in diesem Fall darf die Urkunde nicht als bloßer Entwurf gefertigt sein oder sonst nur eine vorbereitende oder ähnlich unverbindliche Bedeutung haben (BayObLG, Beschluss vom 18.05.2004, 1Z BR 7/04, 8/04, FamRZ 2005, 308). Deshalb erfordert die Feststellung des Testierwillens eine Prüfung des Gesamtverhaltens des Erklärenden einschließlich aller Nebenumstände (§ 133 BGB); dabei können auch Umstände außerhalb der Urkunde sowie die allgemeine Lebenserfahrung von Bedeutung sein; der Erblasser muss sich bewusst sein, dass er eine rechtsverbindliche Erklärung abgibt, die als solche angesehen werden kann (BayObLG, Beschluss vom 04.08. 2004, 1Z BR 44/04, ZEV 2005, 528; MüKoBGB/Sticherling, 9. Aufl. 2022, § 2247 Rn. 8). Die Annahme des Testierwillens muss dabei nicht in dem Sinne zwingend sein, dass eine andere Auslegung von vorneherein nicht in Betracht kommt (BayObLG, Beschluss vom 19.10.2000, 1Z BR 87/00, BayObLGZ 2000, 276).
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bb) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat der Erblasser die Erklärung vom 10.08.2002 mit Testierwillen errichtet.
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(1) Zwar deutet die Einleitung der Erklärung, in der der Erblasser darauf hinweist, dass er etwas „bestätigt“, darauf hin, dass das Schriftstück grundsätzlich im Sinne einer Quittung gedacht ist. Auch der nächste Absatz, in dem der Erblasser den Erhalt von mindestens 360.000 (wohl €) anerkennt, weist in diese Richtung.
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(2) Allerdings ordnet der Erblasser weiter an, dass „im Falle [seines] Todes die vorgenannte Summe vorweg aus dem [Nachlass] abgezogen und steuerlich [der Beschwerdeführerin] als Erbin zugute kommt“. Durch die „Bestätigung“ eines von der Beschwerdeführerin an ihn ausgereichten Darlehens wollte der Erblasser der Beschwerdeführerin mithin bei seinem Versterben einen Betrag in Höhe von 360.000,- zuweisen, der vom Nachlass abzuziehen ist, und damit die Steuerbelastung der Beschwerdeführerin im Rahmen der Erbschaftssteuer herabsetzen.
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Diese Verringerung der Steuerlast kommt aber überhaupt nur dann in Betracht, wenn die Beschwerdeführerin vom Erblasser als Erbin berufen ist. In der Folge ordnet der Erblasser in dem Schreiben auch ausdrücklich an, dass die Summe der Beschwerdeführerin als Erbin zugutekommt. Damit bringt er zweifelsfrei zum Ausdruck, dass er die Beschwerdeführerin als seine Rechtsnachfolgerin in wirtschaftlicher Hinsicht ansieht. Da er dies in einer formwirksamen Erklärung angeordnet hat, liegt eine wirksame Erbeinsetzung der Beschwerdeführerin vor.
18
Insoweit teilt der Senat die Ansicht, dass bei der Erfüllung aller Formanforderungen, wie es hier der Fall ist, mangels anderweitiger Anhaltspunkte von einem verbindlichen Testament auszugehen ist, wenn und soweit Anordnungen von Todes wegen getroffen werden (vgl. BeckOGK/Grziwotz, 1.7.2025, BGB § 2247 Rn. 16), auch wenn die Regelung der Rechtsnachfolge von Todes wegen nicht der einzige Anlass der Erklärung vom xx.xx.2002 ist.
III.
19
Eine Kostenentscheidung ist bei der erfolgreichen Beschwerde nicht veranlasst. Für die Anordnung der Erstattung der außergerichtlichen Kosten sieht der Senat keine Veranlassung.
20
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.

Erlass des Beschlusses (§ 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG):

Übergabe an die Geschäftsstelle am 13.10.2025.

21
Der Auslegung einer Individualerklärung als Verfügung von Todes steht nicht entgegen, dass in der Erklärung über die letztwillige Verfügung hinaus weitere Erklärungsinhalte (hier: Quittung) enthalten sind, soweit sich der Testierwille aus der Erklärung selbst oder den außerhalb der Urkunde liegenden Umständen sicher feststellen lässt (Fortsetzung von: BayObLG, Beschluss vom 18.05.2004 – 1Z BR 7(04, 8/04, FamRZ 2005, 308).