Titel:
Zuschlagsbeschluß, Rechtsmißbrauch, Vollstreckbare Ausfertigung, Zwangsversteigerungsverfahren, Besitzrecht, Elektronisches Dokument, Doppelte Rechtshängigkeit, Vollstreckungsklausel, Klauselerinnerung, Einstweilige Anordnung, Elektronischer Rechtsverkehr, Rechtspfleger, Klauselerteilungsverfahren, Zwangsversteigerungsgesetz, Streitwert, Ersteher, Wirksamwerden der Entscheidung, Kostenentscheidung, Zwangsvollstreckung, Räumung eines Grundstückes
Schlagworte:
Zwangsversteigerung, Zuschlagsbeschluss, Vollstreckungsklausel, Besitzrecht, Rechtsmissbrauch, Räumungsklage, Klauselerinnerung
Rechtsmittelinstanz:
LG München I, Beschluss vom 11.09.2025 – 16 T 11498/25
Fundstelle:
BeckRS 2025, 27293
Tenor
I. Die Klauselerinnerung der Erinnerungsführer gegen die vollstreckbare Ausfertigung des Zuschlagsbeschlusses vom 27.10.2023, Az. 1514 K 133/09 hinsichtlich der betreffend die Erinnerungsführer nach § 93 ZVG am 13.08.2024 erteilten Klausel wird als unbegründet zurückgewiesen.
II. Der Beschluss vom 07.01.2025, mit dem die Vollziehung der Vollstreckung aus dem Zuschlagsbeschluss vom 27.10.2023, Az. 1514 K 133/09 gemäß der erteilten Klausel nach § 93 ZVG bis zur Rechtskraft der Vollstreckungsklausel ausgesetzt wurde, wird aufgehoben.
III. Die Kosten des Klauselerinnerungsverfahrens tragen die Erinnerungsführer.
IV. Der Streitwert für das Klauselerinnerungsverfahren wird festgesetzt auf 84.000,- EUR.
Gründe
1
Die gemäß § 732 ZPO zulässige Erinnerung der Erinnerungsführer gegen die unter dem 13.08.2024 erteilte vollstreckbare Ausfertigung des Zuschlagsbeschlusses vom 27.10.2023 zum Zwecke der Zwangsvollstreckung auf Räumung und Herausgabe gegen die Erinnerungsführer als Besitzer ist unbegründet.
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Die beitreibende Gläubigerin betreibt die Zwangsversteigerung im Wege der Wiederversteigerung gegen die Schuldnerin. Mit Zuschlagsbeschluss vom 27.10.2023 wurde das streitgegenständliche Beschlagnahmeobjekt den Erstehern zugeschlagen. Auf deren Antrag erteilte der zuständige Rechtspfleger am 13.08.2024 eine vollstreckbare Ausfertigung des Zuschlagsbeschlusses zugunsten der Ersteher zum Zwecke der Zwangsvollstreckung auf Räumung und Herausgabe gemäß §§ 93 ZVG, 724 ZPO gegen die Erinnerungsführer als Besitzer (Bl. 1457a d.A.)..
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Hiergegen wandten sich die Erinnerungsführer mit der Klauselerinnerung (Bl. 1484/1491 d.A.).
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Sie machten geltend, dass die Ersteher bereits beim LG ... auf Räumung gegen die beiden Erinnerungsführer klagen würden. Es liege demnach doppelte Rechtshängigkeit vor. Es sei nicht Aufgabe des Vollstreckungsgerichts zu klären, ob dem Vollstreckungsschuldner bzw. Dritten aus abgeleitetem Recht ein Besitzrecht zustehe. Im Übrigen leite sich ein Besitzrecht der Erinnerungsführer aus Vereinbarungen ab, die die vormalige Grundstückseigentümerin (A ... Ltd.) geschlossen habe. Zu diesbezüglichen Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 28.11.2024 (Bl. 1484/1491 d.A.) Bezug genommen. Ferner sei der Zuschlagsbeschluss aus den im Schriftsatz vom 13.08.2024 genannten Gründen nichtig. Zu diesbezüglichen Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 13.08.2024 (Bl. 1458/1460 d.A.) Bezug genommen.
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Mit Beschluss vom 07.01.2025 setzte der Rechtspfleger die Vollziehung aus der Vollstreckungsklausel bis zur Rechtskraft der Klausel aus (Bl. 1497/1498 d.A.).
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Die gemäß § 732 Abs. 1 ZPO zulässige Klauselerinnerung ist unbegründet.
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1. Der Zuschlagsbeschluss ist wirksam und – trotz vollständiger Ausschöpfung des Rechtsweges durch die vormalige Eigentümerin – in Rechtskraft erwachsen. Der von diversen Verfahrensbeteiligten und nunmehr auch von den Erinnerungsführern erhobene Einwand, dass der Zuschlagsbeschluss nicht in zulässiger Weise ergangen sei und deshalb nichtig sei, ist schon deshalb unbeachtlich. Denn der Zuschlagsbeschluss hat als rechtsgestaltender Hoheitsakt Wirkung gegenüber jedermann (vgl. BGH, Beschluss vom 05.03.2020, V ZB 20/19, Rn .26 juris). In dem hier gegenständlichen kontradiktorisch geprägten Klauselverfahren bindet der Zuschlagsbeschluss demnach auch die Erinnerungsführer und das Gericht. Einwendungen hiergegen könnten nur durch die Beteiligten des Zwangsversteigerungsverfahrens erhoben werden, was – letztlich ohne Erfolg – auch geschehen ist. Im Übrigen hat auch das nunmehr erkennende Gericht keine Zweifel an der Wirksamkeit der im Verfahren erfolgten Zustellung.
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2. Ein im Sinne des § 57 ZVG beachtliches Besitzrecht der Erinnerungsführer ist ebenfalls nicht (mehr) ersichtlich.
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Im Ausgangspunkt zutreffend gehen die Erinnerungsführer zwar davon aus, dass durch das vereinfachte Klauselerteilungsverfahren nicht in ein bestehendes Recht zum Besitz eingegriffen werden darf. Sie verkennen dabei jedoch, dass dies nur gilt, wenn es sich um ein schützenswertes Recht im Sinne des § 57 ZVG handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 27.02.2004, Ixa ZB 269/03, Rn. 9 juris). Zwar muss der Besitzer nicht den vollen materiellen Beweis für sein Besitzrecht erbringen. Gleichwohl genügt es nicht, wenn er sich lediglich auf ein solches Recht beruft. Es müssen von ihm einzeln darzulegende Anhaltspunkte vorgetragen werden, die sein Besitzrecht zumindest nahelegen. Anderenfalls bestünde die Gefahr, dass der Missbrauch der Schutzvorschriften des Zwangsversteigerungsgesetzes zum Nachteil des Gläubigers, hier der Ersteher, gefördert und das vereinfachte Klauselerteilungsverfahren hierdurch entwertet würde (BGH a.a.O.)
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Sowohl das LG München II in seinem Urteil vom 29.11.2024, Az. 11 O 4129/23, als auch das OLG München in seinen Beschlüssen vom 08.01.2025, 29.01.2025 und 18.02.2025, Az. 5 U 4183/24e, haben hierzu ausführlich und nachvollziehbar dargelegt, warum sie davon ausgehen, dass das von den Erinnerungsführern geltend gemachte Besitzrecht rechtsmissbräuchlich erlangt wurde und dass die getroffenen Vereinbarungen zwischen durch Herrn Dr. ... vertretene Gesellschaften und den Erinnerungsführern einzig zu dem Zweck konstruiert wurden, um der Erinnerungsführerin zu 1) als vormaliger Eigentümerin der gegenständlichen Immobilie ein tatsächlich nicht zustehendes Recht zum Besitz über die Zwangsversteigerung hinaus zu vermitteln, um auf diese Weise die Räumung gegen die beiden Erinnerungsführer zu verhindern. Das Gericht nimmt auf die Ausführungen des LG München II und des OLG München ausdrücklich Bezug und macht sich diese nach eigener Prüfung zu eigen. Ein rechtsmissbräuchlich erlangtes vermeintliches Besitzrecht jedoch gerade nicht schützenswert im Sinne des § 57 ZVG. Die Klausel wurde deshalb zu Recht erteilt. Die dagegen gerichtete Erinnerung ist unbegründet.
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3. Infolgedessen ist auch der Beschluss vom 07.01.2025 wieder aufzuheben. Die einstweilige Anordnung nach § 732 Abs. 2 ZPO verliert ihre Wirkung nicht erst mir Rechtskraft der Entscheidung nach § 732 Abs. 1 ZPO, sondern bereits mit ihrem Wirksamwerden.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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5. Der Streitwert des Klauselerinnerungsverfahrens bestimmt sich nach dem Wert des titulierten Anspruchs, welcher sich seinerseits nach § 41 Abs. 2 GKG bestimmt. Wird wegen Beendigung des Miet-, Pacht- oder ähnlichen Nutzungsverhältnisses die Räumung eines Grundstücks verlangt, ist demnach ohne Rücksicht darauf, ob über das Bestehen des Nutzungsrechts Streit besteht, das für die Dauer eines Jahres zu zahlende Entgelt magßebend. Das Gericht schließt sich auch insoweit den Ausführungen des LG München II an, das den Streitwert ausgehend von einem monatlichen Mietzins von 7.000 EUR auf 84.000 EUR festgesetzt hat.