Titel:
Rückabwicklung einer den Erben beeinträchtigenden Schenkung
Normenketten:
BGB§ 818, § 2287 Abs. 1
ZPO § 173, § 175, § 287, § 517
Leitsätze:
1. Die Beweiskraft eines elektronisch abgegebenen Empfangsbekenntnisses wird nicht allein durch die Tatsache erschüttert, dass zwischen der Zusendung des Urteils an den Rechtsanwalt und dem im Empfangsbekenntnis angegebenen Zustellzeitpunkt zwölf Tage liegen und die Partei von dem Urteilstenor bereits Kenntnis erlangt hatte. (Rn. 31 – 34)
2. Im Fall der gemischten Schenkung eines Grundstücks, bei welcher der Schenkungsanteil überwiegt, besteht der Anspruch auf Herausgabe nach § 2287 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 818 ff. BGB nur Zug um Zug gegen Zahlung des Betrags, der wertmäßig der vereinbarten Gegenleistung entspricht. Dabei ist nicht auf tatsächlich erbrachte Leistungen des Beschenkten an den Erblasser abzustellen, vielmehr können sämtliche Leistungen, die der Beschenkte nach den vertraglichen Vereinbarungen als Gegenleistungen schuldete, dem Herausgabeanspruch des Erben im Wege des Zurückbehaltungsrechts entgegengehalten werden. (Rn. 42 – 43)
1. Die Vorschrift des § 2287 BGB ist wegen der gleichen Interessenlage auf bindend gewordene wechselbezügliche Verfügungen in gemeinschaftlichen Testamenten entsprechend anzuwenden. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
2. § 2287 BGB enthält keine Regelung im Hinblick auf die Erstattung von Gegenleistungen. Soweit sich dieser Anspruch nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage aus § 313 Abs. 1, Abs. 3 S. 1, §§ 346, 349 BGB herleiten lässt, ist für die Frage des Umfangs der „empfangenen Leistungen“ zu berücksichtigen, dass der Beschenkte im Gegenzug für die (Teil-)Schenkung eine Gegenleistungsverpflichtung übernommen hat. (Rn. 47) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Wert einer für eine Grundstücksübertragung zugesagten Wart und Pflege des Erblassers bis zu dessen Lebensende ist durch Kapitalisierung der Pflegedienste vom Zeitpunkt des Vertragsschlusses an ebenfalls nach der statistischen Lebenserwartung des Erblassers zu ermitteln. (Rn. 61) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Empfangsbekenntnis, Gegenbeweis, Herausgabe, Gemischte Schenkung, wechselbezügliche Verfügungen, gemeinschaftliches Testament, Zug um Zug, Nießbrauch, Pflegeleistungen, kapitalisierter Wert
Vorinstanz:
LG Regensburg, Endurteil vom 04.09.2024 – 71 O 2625/21 Erb
Rechtsmittelinstanz:
BGH vom -- – IV ZR 210/25
Fundstellen:
ZEV 2025, 803
LSK 2025, 27268
FDZVR 2025, 027268
BeckRS 2025, 27268
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Landgerichts Regensburg vom 04.09.2024 abgeändert:
1. Der Beklagte wird verurteilt, Zug um Zug gegen Bezahlung von 9.897,73 Euro vom Kläger an den Beklagten folgende Willenserklärung abzugeben:
„Ich, …, geboren am …, biete Herrn …, geboren am …, die Übertragung folgenden, im Grundbuch des Amtsgerichts Regensburg von … eingetragenen Grundbesitzes zu Alleineigentum im Wege der Auflassung an:
- Fl.-Nr. … – Miteigentumsanteil zu ein Halb – Ich bewillige und beantrage gegenüber dem Amtsgericht Regensburg – Grundbuchamt – diese Auflassung im Grundbuch einzutragen.“
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Verfahrens in erster Instanz tragen der Kläger 13% und der Beklagte 87%.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 58% und der Beklagte 42%.
IV. Das Urteil ist in Ziffer I 1 des Tenors gegen Sicherheitsleistung von 400.000,00 € vorläufig vollstreckbar. Im Übrigen ist das Urteil gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
V. Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 111.646,14 € festgesetzt.
Entscheidungsgründe
1
Die Parteien streiten um erbrechtliche Ansprüche nach dem Tod ihres Vaters.
2
Mit dem Hauptantrag machte der Kläger gemäß § 2287 BGB Herausgabeansprüche geltend, mit dem Hilfsantrag verfolgte er in der ersten Instanz einen Herausgabeanspruch als Pflichtteilsberechtigter gegenüber dem Beklagten gemäß § 2329 BGB.
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Am ... 2018 verstarb der Erblasser … Er hinterließ seine beiden Söhne, den Kläger und den Beklagten, sowie seine Tochter … Die Ehefrau des Erblassers und Mutter der Parteien war bereits im Jahr 2013 verstorben. Am 02.03.2009 hatten der Erblasser und seine Ehefrau ein gemeinsames Ehegattentestament verfasst. In diesem Testament setzten sie sich zur Regelung der Erbfolge nach dem ersten Erbgang jeweils gegenseitig zu Alleinerben ein. Für den zweiten Erbgang setzten sie den Kläger zum (Vor-) Erben des Letztversterbenden ein. Zu ihren Nacherben setzten die Eheleute die Kinder des Beklagten (…) ein. Sie bestimmten in dem Testament zudem, dass alle früheren Verfügungen von Todes wegen ungültig sein sollten (Anlage K1).
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Der Kläger nahm das Erbe an. Der Nachlass war wertlos.
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Der Erblasser war Eigentümer des Grundbesitzes bestehend aus dem Grundstück … Blatt … Gemarkung …, dem Grundstück … (landwirtschaftliche Waldfläche) FI.Nr. … sowie einem hälftigen Miteigentumsanteil am Grundstück Gemarkung … Diesen Grundbesitz überließ der zu diesem Zeitpunkt 91 Jahre alte Erblasser dem Beklagten mit Urkunde des Notars …, vom 23.10.2018, Urk.R.Nr. … zu Alleineigentum (Anlage K2). In dieser Urkunde ist als Rechtsgrund unter XI ausgeführt:
„Die Überlassung erfolgt gegen die nachfolgend vereinbarten Auflagen bzw. Gegenleistungen (Nießbrauch, Wartung, Pflege, Leibrente), also insoweit entgeltlich, im Übrigen – soweit der Wert des Objekts höher sein sollte als der kapitalisierte Wert des Nießbrauchs bzw. der Wart- und Pflegeverpflichtung bzw. der Leibrente – ohne weitere Gegenleistung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge und mit der Maßgabe, dass eine Ausgleichungspflicht abbedungen wird (der Erwerber hat nach Angabe bereits auf sein Pflichtteilsrecht gegenüber dem Veräußerer verzichtet). Herr … erklärt, dass er aufgrund gemeinschaftlichen Testaments vom 02.03.2009 nach dem Vorversterben seiner Frau … erbrechtlich gebunden ist. Die Überlassung in dieser Urkunde erfolgt jedoch zur Verbesserung der wirtschaftlichen Stellung von Herrn … Aufgrund der vereinbarten Gegenleistung wird die wirtschaftliche Situation von Herrn … durch die Übertragung verbessert. Derzeit könnte Herr … das Grundstück … nicht veräußern, da er auf dieses Grundstück und das darauf errichtete Einfamilienhaus zu eigenen Wohnzwecken angewiesen ist. Durch die Übertragung kann er dieses Grundstück aufgrund des Nießbrauchs wie bisher weiternutzen, erhält jedoch zusätzlich in Form der Wart und Pflege geldwerte Wart- und Pflegeleistungen, sowie in Form der Leibrente finanzielle Mittel, die zur Verbesserung seiner finanziellen Situation dienen. Ein lebzeitiges Eigeninteresse liegt daher vor. Weitere Gegenleistungen (z. B. Rückforderungsrechte für bestimmte Fälle) wurden erörtert, jedoch nicht gewünscht.“
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Unter Ziffer XII wurde dem Erblasser ein Nießbrauchsrecht auf Lebensdauer an dem Wohngrundstück … eingeräumt.
7
In Ziffer XIII wurde vereinbart:
„Bei Krankheit und Gebrechlichkeit hat der Erwerber die erforderliche Wart und Pflege auf dem Anwesen … zu erbringen, so lange sich der Veräußerer auf vorgenanntem Anwesen aufhält und soweit die Wart- und Pflegeverpflichtung für den Erwerber zumutbar ist. Als zumutbar wird es dabei angesehen, wenn der gesundheitliche Zustand des Veräußerers Wart- und Pflegeleistungen bis einschließlich zur Pflegestufe 1 gem. SGB XI in der bis Ende 2016 gültigen gesetzlichen Fassung erfordert. […]" .
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In Ziffer XIV wurde eine Leibrente wie folgt vereinbart:
„Der Erwerber verpflichtet sich, an den Veräußerer ab Beginn des auf die Beurkundung folgenden Monats auf dessen Lebensdauer eine monatliche Rente in Höhe von 1.000,00 € zu zahlen. Die Rente dient der Versorgung des Berechtigten…“.
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Das Eigentum an den Grundstücken wurde im Grundbuch am 12.11.2018 auf den Beklagten umgeschrieben. Das Grundstück mit Wohnhaus hatte zu diesem Zeitpunkt einen Verkehrswert von 392.000,00 €, die des Weiteren überlassenen landwirtschaftlichen Flächen hatten folgende Werte im Zeitpunkt der Überlassung: Fl.-Nr. …: 8.760,00 € und Fl.-Nr. …: 7.140,00 €. Das zuletzt aufgeführte Flurstück stand im hälftigen Miteigentum des Erblassers, dieser Anteil ist mit 3.570,00 € zu bewerten.
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Mit anwaltlichem Schreiben vom 28.02.2019 forderte der Kläger den Beklagten auf, einer Übereignung der genannten Grundstücke an ihn zuzustimmen (Anlage K6), was der Beklagte ablehnte.
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Ab dem Jahr 2015 bis zu seinem Tod überwies der Erblasser regelmäßig Geldbeträge an den Beklagten. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Beträge: Ab dem 03.05.2015 wurden monatlich 1.000,00 € an den Beklagten überwiesen. Dieses wurde durch Einrichtung eines Dauerauftrags vom Konto des Erblassers auf das Konto des Beklagten mit der IBAN DE… erreicht, der insgesamt 45 mal ausgeführt worden ist. Die letzte Überweisung über 1.000,00 € erfolgte am 03.01.2019 (Anlage K4). Insgesamt sind auf diese Weise 45.000,00 € an den Beklagten geflossen. Zudem erfolgte am 07.04.2015 seitens des Erblassers eine Einzelüberweisung auf das Konto des Beklagten in Höhe von 10.000,00 € mit dem angegebenen Verwendungszweck „Schenkung“ (Überweisungsauftrag, Anlage K5). Insgesamt erfolgten somit Geldzuwendungen in Höhe von 55.000,00 € an den Beklagten.
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Der Kläger meint, er habe einen Anspruch aus Herausgabe der Grundstücke aus § 2287 BGB. Soweit eine gemischte Schenkung in Betracht komme, sei der Wert der Gegenleistungen mit Null oder allenfalls mit einem geringen Betrag anzusetzen, da der Übergeber etwa sieben Wochen nach der Beurkundung verstarb. Die in den Vertrag aufgenommenen „Gegenleistungen“ seien nur zum Schein und allein zu dem Zweck vereinbart worden, ein tatsächlich nicht gegebenes lebzeitiges Eigeninteresse vorzutäuschen. Falls dennoch Gegenleistungen anzuerkennen seien, seien dem Beklagten diese nur in der tatsächlich erbrachten Höhe zu ersetzen, die der Kläger wegen der nur noch kurzen Lebenszeit des Erblassers nach der Grundstücksüberlassung auf höchstens 1.606,00 € bezifferte. Im Übrigen stünden dem Kläger erhebliche Ansprüche aus Nutzungsentschädigung aufgrund des Verzugs des Beklagten zu, mit denen der Kläger gegen eventuelle Zug-um-Zug-Ansprüche des Beklagten auf Herausgabe der gewährten Gegenleistungen aufrechnet. Diese Ansprüche bestünden daraus, dass der Kläger mit anwaltlichem Schreiben vom 28.02.2019 seine Ansprüche gegenüber dem Beklagten geltend gemacht und Herausgabe des Grundbesitzes sowie bis spätestens 11.03.2019 die Erklärung der Bereitschaft zur Mitwirkung bezüglich der Übertragung des Grundbesitzes verlangt hatte. Seither befinde sich der Beklagte mit der Übereignung des Grundbesitzes in Verzug. Für 54 Monate bis September 2023 betrage die dem Kläger zustehende Nutzungsausfallentschädigung bei Annahme einer monatlichen Kaltmiete von 500,00 € bereits 27.000,00 €. Auch bei der Zuwendung der Geldbeträge über 45 x 1.000,00 € und 10.000,00 € handele es sich um Schenkungen des Erblassers an den Beklagten. Soweit die angeblichen Gegenansprüche des Beklagten nicht bereits durch die vorrangigen Aufrechnungen mit Ansprüchen wegen einer Nutzungsausfallentschädigung untergegangen sein sollten, werde auch dieser Zahlungsanspruch gegen (angebliche) Gegenansprüche aufgerechnet. Hilfsweise machte der Kläger in der ersten Instanz einen Herausgabeanspruch nach § 2329 BGB geltend.
in erster Instanz – soweit für das Berufungsverfahren relevant –, den Beklagten zu verurteilen, die erforderliche Willenserklärung zur Auflassung der oben genannten, ehemals im Eigentum des Erblassers stehenden Grundstücke abzugeben und die Eintragung der Auflassung im Grundbuch zu bewilligen und zu beantragen. Weiter beantragte der Kläger, den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 55.000,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Der Beklagte beantragte
erstinstanzlich Klageabweisung.
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Der Beklagte hat erstinstanzlich geltend gemacht, zum Zeitpunkt der Überlassung sei abzusehen gewesen, dass der 91 Jahre alte Erblasser das Anwesen allein nicht mehr werde bewirtschaften können und der Pflege bedürfe. Der Erblasser habe mit der Regelung im Überlassungsvertrag seine wirtschaftliche Position verbessern wollen. Die Gegenleistungen seien mit einem Betrag von 122.760,00 € zu bewerten. Diesen Betrag habe der Kläger im Falle der Verpflichtung zur Rückübertragung Zug-um-Zug zu erstatten.
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Das Landgericht hat den Beklagten zur Abgabe der für die Auflassung und deren Vollzug erforderlichen Willenserklärungen Zug um Zug gegen Zahlung eines Betrags von 56.646,14 € an den Kläger verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen.
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Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Voraussetzungen für beeinträchtigende Schenkungen seien sowohl für die Grundstücksübertragungen als auch für die geleisteten Zahlungen des Erblassers an den Beklagten in Höhe von insgesamt 55.000,00 € erfüllt. Hinsichtlich der Übertragung des Grundbesitzes handle es sich um eine gemischte Schenkung, da die werthaltigen Gegenleistungen den Wert der Grundstücke nicht erreichten. Die vom Beklagten gegenüber dem Erblasser zu erbringenden Gegenleistungen bewertete das Erstgericht nach einer „Gesamtabwägung“ wie folgt auf insgesamt 111.646,14 € wie folgt:
„- Leibrente: 37.212,00 € (12.000,00 € pro Jahr x Kapitalwertfaktor 3,101)
- Wart und Pflege: 9.079,73 € (Pflegesatz 2016 für Stufe 1: 244,00 € x 12 x Kapitalwertfaktor 3,101)
- Nießbrauch: 65.354,51 €: Wert des Grundstücks in Höhe von 392.000,00 € geteilt durch 18,6 (§ 16 BewG), entspricht einem maximalen Jahreswert von 21.075,27 € x Kapitalwertfaktor 3,101.“
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Der Beklagte könne die Zahlung des Betrags verlangen, bis zu dem der Kläger die Schenkung hinnehmen muss, hier in Höhe von 111.646,14 €. Diesen Gegenanspruch könne der Beklagte den Ansprüchen des Klägers auf Herausgabe der Schenkungen einredeweise entgegenhalten. Auf die tatsächlich erbrachten Gegenleistungen komme es nicht an. Ein Anspruch des Klägers auf Nutzungsentschädigung bestehe nicht; die an erster Stelle erklärte Aufrechnung gehe daher ins Leere. Der Rückzahlungsanspruch des Klägers in Höhe von 55.000,00 € sei durch die erfolgreiche Aufrechnung mit dem Gegenanspruch des Beklagten erloschen.
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Das Empfangsbekenntnis der Klägervertreter über den Erhalt des Ersturteils trägt das Datum 16.09.2024 (Blatt zu 136).
20
Gegen das Urteil des Landgerichts hat der Kläger Berufung eingelegt, die am15.10.2024 beim Oberlandesgericht eingegangen ist. Der Kläger verfolgt mit der Berufung sein erstinstanzliches Ziel auf Verurteilung des Beklagten zur Herausgabe des Grundstücks ohne Zug-um-Zug-Leistung und auf Zahlung des Betrags von 55.000,00 € weiter. Den Hilfsantrag macht der Kläger in der Berufung nicht mehr geltend.
21
Zur Begründung führt der Kläger aus:
22
Das Landgericht habe zu Unrecht die Pflicht zur Zahlung des Werts von Gegenleistungen, die tatsächlich nicht erbracht worden sind, als Zug-um-Zug-Leistung ausgesprochen und teilweise mit den Ansprüchen des Klägers aufgerechnet. Das Erstgericht missinterpretiere die zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Tatsächlich spiele die Frage der Gegenleistungen und deren Wert nur eine Rolle für die Frage, ob es sich aus Sicht der Vertragsschließenden um eine Schenkung oder einen Vertrag mit gegenseitigen Leistungen handelt. Die zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs sage nicht aus, dass fiktive, tatsächlich nicht erbrachte Leistungen zu erstatten seien. Überdies habe das Gericht die Höhe der Gegenleistungen nicht richtig ermittelt. Das Erstgericht hätte zum Wert der Gegenleistungen ein Sachverständigengutachten einholen müssen, insbesondere zur Frage der Bewertung des Nießbrauchs. Die Grundstückswerte seien nicht unstreitig.
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Der Kläger beantragt in der Berufung:
I. Das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 04.09.2024 -71 O 2625/21 Erb – wird teilweise aufgehoben.
II. Unter teilweise Abänderung des erstinstanzlichen Urteils wird der Beklagte verurteilt, folgende Willenserklärung abzugeben:
„Ich, …, geboren am 10.07.1962, biete Herrn …, geboren am …, die Übertragung folgenden, im Grundbuch des Amtsgerichts Regensburg von Pettendorf eingetragenen Grundbesitzes zu Alleineigentum im Wege der Auflassung an:
- Fl.-Nr. … – Miteigentumsanteil zu ein Halb -.
Ich bewilligte und beantrage gegenüber dem Amtsgericht Regensburg -Grundbuchamt – diese Auflassung im Grundbuch einzutragen.“
III. Unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils wird der Beklagte verurteilt, an den Kläger 55.000,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt
die Zurückweisung der Berufung.
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Der Beklagte rügt die nicht fristgemäße Einlegung der Berufung. Es werde bestritten, dass das Endurteil der Klagepartei erst am 16.09.2024 zugestellt worden sei. Der Berufungskläger habe sich persönlich mit Schreiben vom 10.09.2024, eingegangen am 12.09.2024 in der Kanzlei der Beklagtenpartei, an den Prozessbevollmächtigten des Beklagten gewandt und in diesem Schreiben das Endurteil vom 04.09.2024 zitiert.
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Soweit das Erstgericht von einer gemischten Schenkung ausgegangen sei, lägen die Voraussetzungen des § 2287 BGB nicht vor. Der Beklagte habe keinerlei wirtschaftliche Vorteile vom Erblasser erhalten. Eine Kürzung der Gegenleistungen sei nicht gerechtfertigt. Vielmehr seien die Leistungen für Wart und Pflege höher zu bewerten, da der Erblasser sich vor seinem Tod bereits in der Pflegestufe 4 befunden habe. Im Berufungsverfahren macht der Beklagte in dem Schriftsatz vom 20.08.2025 geltend, das Erstgericht habe irrtümlich angenommen, der Beklagte habe vom Erblasser einen Betrag von 25.000,00 € erhalten.
27
Der Senat hat keinen Beweis erhoben.
28
Im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil des Landgerichts vom 04.09.2024 Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
29
1. Die Berufung ist zulässig.
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Insbesondere ist die Berufung fristgerecht binnen der Notfrist von einem Monat (§ 517 ZPO) eingelegt worden. Das Urteil des Landgerichts Regensburg ist dem Kläger am 16.09.2024 zugestellt worden, was durch das Empfangsbekenntnis des Klägervertreters nachgewiesen wird.
31
a) Das von einem Rechtsanwalt elektronisch abgegebene Empfangsbekenntnis erbringt – wie das herkömmliche papiergebundene (analoge) Empfangsbekenntnis – gegenüber dem Gericht den vollen Beweis nicht nur für die Entgegennahme des Dokuments als zugestellt, sondern auch für den angegebenen Zeitpunkt der Entgegennahme und damit der Zustellung (BVerwG, Beschluss vom 19.09.2022 – 9B 2/22, NJW 2023, 703 Rn. 12; OVG Saarlouis, Beschluss vom 27.09.2019, NJW 2019, 3664; Anders/Gehle/Vogt-Beheim ZPO, 83. Aufl., ZPO § 173 Rn. 7). Der Gegenbeweis der Unrichtigkeit des Empfangsbekenntnisses ist zwar grundsätzlich zulässig, setzt aber voraus, dass dessen Beweiswirkung vollständig entkräftet und jede Möglichkeit ausgeschlossen ist, dass die Angaben des Empfangsbekenntnisses richtig sein können; die bloße Möglichkeit der Unrichtigkeit genügt nicht (BGH, NJW-RR 2021, 1584 Rn. 19; Wagner/Ernst, NJW 2021, 1564 Rn. 12). Selbst eine erhebliche zeitliche Diskrepanz zwischen dem Zeitpunkt der Übersendung des Dokuments und dem im Empfangsbekenntnis angegebenen Zustelldatum erbringt den Gegenbeweis der Unrichtigkeit des Datums für sich genommen noch nicht (BGH, Beschluss vom 19.04.2012, NJW 2012, 2117 Rn. 8; BGH, Beschluss vom 07.10.2021, NJW-RR 2021, 1584 Rn. 11; MüKoZPO/Häublein/ Müller ZPO, 7. Aufl. 2025, ZPO § 175 Rn. 15).
32
Weiter kommt es nicht auf den Eingang der elektronischen Nachricht beim Rechtsanwalt an. Vielmehr bedarf es darüber hinaus der Kenntniserlangung und empfangsbereiten Entgegennahme seitens des Rechtsanwalts (BGH NJW 2024, 1120 Rn. 10; OLG München, Beschluss vom 19.06.2024 – 23 U 8369/21, NJW 2024, 2333 Rn. 19, beck-online; Zöller/Schultzky, ZPO, 35. Aufl. 2024, ZPO, § 173 Rn. 15).
33
b) Nach diesen Maßstäben hat der Beklagte den mit dem Empfangsbekenntnis geführten Beweis nicht entkräftet. Insbesondere beweist das Schreiben des Klägers vom 10.09.2024 (Anlage der Beklagtenseite „Schreiben …“ in der Berufungsakte) an den Prozessbevollmächtigten des Beklagten einen früheren Zustellungszeitpunkt als den 16.09.2024 nicht. Zutreffend ist zwar, dass der Kläger in dem Schreiben das Urteil vom 04.09.2024 zitiert und sich daraus schließen lässt, dass der Kläger bei Abfassung des Schreibens vom Inhalt des Urteilstenors Kenntnis hatte. Allerdings kommt es nicht auf eine Kenntniserlangung einer Prozesspartei, sondern auf die förmliche Zustellung des Urteils, hier an den Klägervertreter, an. Dass der Kläger von dem Inhalt des Urteils bereits am 10.09.2024 Kenntnis hatte, erklärt sich durch den Umstand, dass der Kläger beim Verkündungstermin persönlich anwesend war.
34
Eine erhebliche zeitliche Diskrepanz (12 Tage) zwischen dem Urteilserlass und der Zeichnung des Empfangsbekenntnisses, die Zweifel an der Richtigkeit des angegebenen Zustelldatums begründen würde, liegt nicht vor, zumal der Klägervertreter angegeben hat, bis einschließlich 15.09.2024 im Urlaub gewesen zu sein. Auf die Frage, ob der Klägervertreter standesrechtlich verpflichtet gewesen wäre, in der Urlaubszeit für eine Vertretung zu sorgen, kommt es in Bezug auf den Beweis des Zustellzeitpunkts nicht an.
35
2. Die Berufung ist teilweise begründet.
36
Der Kläger hat einen Anspruch auf Übereignung der vom Erblasser dem Beklagten überlassenen Grundstücke gemäß § 2287 Abs. 1, § 818 BGB Zug um Zug gegen Zahlung eines Betrages von 9.897,93 € an den Beklagten. Den Ansprüchen des Klägers kann der Beklagte Gegenansprüche in Höhe von insgesamt 64.897,73 € entgegenhalten, die in Höhe von 55.000,00 € durch Aufrechnung erloschen sind, § 389 BGB.
37
Der Anspruch besteht nach § 2287 Abs. 1 BGB i.V. mit §§ 818 ff BGB analog auf Herausgabe der mit Vertrag vom 23.10.2018 überlassenen Grundstücke. Die Vorschrift des § 2287 BGB ist wegen der gleichen Interessenlage auf bindend gewordene wechselbezügliche Verfügungen in gemeinschaftlichen Testamenten entsprechend anzuwenden (MüKoBGB/Musielak, 9. Aufl. 2022, BGB § 2287 Rn. 2, beck-online).
38
a) Ein einredefreier Anspruch nach § 117 i. V. mit § 812 Abs. 1 BGB auf Herausgabe des Grundstücks liegt nicht vor. Zu Recht hat das Landgericht festgestellt, dass hinsichtlich der Vereinbarung von Gegenleistungen ein Scheingeschäft weder substantiiert dargelegt noch nachgewiesen wurde. Insoweit hat der Kläger lediglich vorgebracht, die Vereinbarung der Gegenleistungen habe allein dazu gedient, ein lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers vorzutäuschen. Nach dem Vortrag des Klägers seien die Gegenleistungen nicht werthaltig, was sich darin zeige, dass der Erblasser dem Beklagten durch einen Dauerauftrag monatlich einen Betrag von 1.000,00 € habe zukommen lassen und diesen Dauerauftrag nach Abschluss des Vertrags nicht gekündigt habe. Die Behauptung des Klägers, die Vertragsparteien seien bei Vertragsschluss davon ausgegangen, die vereinbarten Gegenleistungen seien in Wahrheit zu keinem Zeitpunkt geschuldet gewesen, hat der Kläger jedoch nicht unter Beweis gestellt. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Erblasser nach dem Beklagtenvortrag, dem der Kläger nicht entgegengetreten ist und was angesichts des hohen Alters des Erblassers nachvollziehbar ist, bei Vertragsschluss der Pflege bedurfte. Überdies hat der Kläger selbst einen Betrag für Leistungen in Höhe von maximal 1.606,00 € (Schriftsatz vom 16.01.2023) ermittelt.
39
Insgesamt sieht der Senat eine zum Schein getroffene Gegenleistungsvereinbarung als nicht erwiesen an.
40
b) Der Anspruch des Klägers nach § 2287 Abs. 1 BGB i.V. mit §§ 818 ff BGB besteht nur gegen Erstattung der Gegenleistung, die der Beklagte dem Kläger im Wege eines Zurückbehaltungsrechts nach § 274 BGB entgegenhalten kann. Der Anspruch auf Erstattung der Gegenleistungen bestand zunächst in Höhe von insgesamt 64.897,73 € und ist in Höhe von 55.000,00 € durch Aufrechnung nach § 389 BGB erloschen.
41
i) Zu Recht ist das Landgericht von einer gemischten Schenkung ausgegangen, bei der die Voraussetzungen des § 2287 BGB erfüllt sind.
42
Für die Rückabwicklung einer gemischten Schenkung bei einer Grundstücksüberlassung hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass die Schenkung nur bei entsprechender Zug-um-Zug-Leistung herausverlangt werden könne, wenn die Schenkung überwiegend nicht anzuerkennen ist, wenn also derjenige Wertanteil der Schenkung, der hinzunehmen ist, geringer wiegt als der nach § 2287 BGB auszugleichende überschießende Anteil. Hierbei sei allerdings keine rein rechnerische Gegenüberstellung des Wertes der erbrachten Leistungen mit dem Wert des Grundstücks vorzunehmen. Vielmehr habe auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass Leistungen noch in Zukunft erfolgen sollten und der Erblasser sich ihm erbrachte oder zu erbringende Leistungen „etwas kosten lassen darf“, eine umfassende Gesamtabwägung zu erfolgen (BGH, Beschluss vom 26.10.2011 – IV ZR 72/11 – Rn. 14 mit weiteren Nachweisen; BGH, Urteil vom 12.06.1980 – IV a ZR 5/80).
43
Ohne Rechtsfehler hat das Erstgericht festgestellt, dass der Schenkungsanteil des Überlassungsvertrags den entgeltlichen Vertragsteil überwiegt. Nach den Grundsätzen der Rückabwicklung einer gemischten Schenkung (vgl. dazu BGH, Urteil vom 12.06.1980 – IV a ZR 5/80 mit zahlreichen weiteren Nachweisen) ist in diesem Fall das Grundstück an den Erben zu übereignen. Der Anspruch besteht aber nur gegen Zug-um-Zug-Leistung des Betrags, der wertmäßig dem gegenseitigen Vertragsanteil entspricht, da die Pflicht zur Erstattung der Gegenleistung den Betrag umfasst, bis zu dem der Kläger die Schenkung hinnehmen muss (vgl. BGH, Beschluss vom 26.10.2011 – IV ZR 72/11 – Rn. 14; BGH, Urteil vom 12.06.1980 – IV a ZR 5/80; BGH, Beschluss vom 26.10.2011 – IV ZR 72/11; OLG Oldenburg, Urteil vom 18-02-1992 – 5 U 102/9, beck-online) und damit nicht nur in Höhe tatsächlich erbrachter Leistungen in Form von Wart und Pflege, Zahlung der Leibrente und Einräumung eines Nießbrauchs an dem Wohnanwesen. Die Vertragsparteien haben die genannten Positionen ausdrücklich als Gegenleistungen und insoweit als entgeltlichen Vertragsteil bezeichnet. Dem Anspruch auf Herausgabe der Schenkung können demnach sämtliche Leistungen, die der Beschenkte nach den vertraglichen Vereinbarungen als Gegenleistungen schuldete, im Wege des Zurückbehaltungsrechts entgegengehalten werden. Darauf, in welchem Umfang die Gegenleistungen in der Folgezeit nach Vertragsschluss tatsächlich erbracht worden sind, kommt es demgegenüber nicht an.
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ii) Die vom Bundesgerichtshof in der zitierten Entscheidung vom 26.10.2011 (Az.: IV ZR 72/11) genannten Grundsätze sind nach Auffassung des Senats nicht nur relevant für die Frage, ob es sich um eine Schenkung handelt und ob der Beschenkte das Grundstück selbst oder nur den geschenkten Wertanteil herausgeben muss. Der Bundesgerichtshof definiert die Zug-um-Zug-Leistung als den Betrag, „bis zu dem er (Anm: der Erbe) die Schenkung hinnehmen muss“ und präzisiert weiter, dass nicht allein auf die rechnerische Gegenüberstellung der erbrachten Leistungen abzustellen sei. Vielmehr seien sowohl erbrachte als auch zu erbringende Leistungen in die Gesamtabwägung einzubeziehen.
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Zutreffend ist zwar, dass diese Ausführungen auch die Frage betreffen, wie eine gemischte Schenkung nach § 2287 BGB grundsätzlich rückabzuwickeln ist. Es würde allerdings einen Wertungswiderspruch darstellen, wenn der Umfang der Gegenleistung nur für die Frage, was vom Beschenkten herauszugeben ist – Grundstück oder Wertanteil – und nicht auch für die Frage, was im Gegenzug vom Erben an den Beschenkten zu erstatten ist, von Bedeutung wäre. Nach Ansicht des Senats können diese Fragen nur einheitlich beantwortet werden. Abzustellen ist bei beiden Beurteilungen auf die Leistungen, die aus der Sicht der Vertragsschließenden bei einer exante-Betrachtung geschuldet waren. Diese Sichtweise ist rechtsdogmatisch zutreffend, da der Beschenkte nur den Schenkungsanteil nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen herausgeben muss; die Herausgabepflicht bezieht sich nach § 2287 BGB nicht auf den zu billigenden Vertragsteil und somit nicht auf den Wertanteil des Grundstücks, den der Beschenkte aufgrund des gegenseitigen Vertragsteils erhalten hat.
46
iii) Der Senat verkennt nicht, dass in der Kommentarliteratur auch die Meinung vertreten wird, der Gegenanspruch beziehe sich auf „erbrachte“ Gegenleistungen (vgl. BeckOGK/Müller-Engels BGB § 2287 Rn. 101, BeckOK BGB/Litzenburger BGB § 2287 Rn. 29, Keim ZEV 2002, 93, 94). Die in diesem Zusammenhang zitierten Gerichtsentscheidungen befassen sich allerdings nicht mit der hier konkret aufgeworfenen Frage, ob hinsichtlich eines Gegenanspruchs nur tatsächliche Leistungen zu erstatten sind (BGH, Urteil vom 28.09.2016, IV ZR 513/15; BGH, Urteil vom 27.11.1952, IV ZR 146/52; BGH, Urteil vom 12.08.1980, IVa ZR 5/80; BGHZ 88, 269, 272), vielmehr überwiegend mit der Frage, ob eine gemischte Schenkung vorliegt und was, etwa der Schenkungsgegenstand selbst oder Wertersatz, herauszugeben ist.
47
iv) Der Kläger führt in zutreffender Weise aus, dass die Vorschrift des § 2287 BGB keine Regelung im Hinblick auf die Erstattung von Gegenleistungen enthält. Soweit sich dieser Anspruch nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage aus § 313 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1, §§ 346, 349 BGB herleiten lässt, ist für die Frage des Umfangs der „empfangenen Leistungen“ zu berücksichtigen, dass der Beschenkte im Gegenzug für die (Teil-) Schenkung eine Gegenleistungsverpflichtung übernommen hat. Da – wie der Bundesgerichtshof ausgeführt hat – der Erbe „Übereignung des Grundstücks Zug um Zug gegen Zahlung des Betrags verlangen kann, bis zu dem er die Schenkung hinnehmen muss“ (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 14), bezieht sich die Herausgabepflicht auf den Wert der Gegenleistungsverpflichtung und nicht nur auf tatsächlich erbrachte Leistungen. Entsprechendes würde für eine Rückabwicklung nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen gelten.
48
v) Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus den vom Kläger angeführten Billigkeitserwägungen und der möglichen Gefahr der Umgehung der bindend gewordenen Verfügungen von Todes wegen in einem gemeinschaftlichen Ehegattentestament.
49
Der Senat verkennt nicht, dass die hier vertretene Ansicht in Einzelfällen zu unbillig wirkenden Ergebnissen führen kann. Diese können grundsätzlich sowohl – wie im vorliegenden Fall – zu Gunsten des Beschenkten als auch zu Gunsten des Erben ausfallen, je nachdem in welchem Umfang Gegenleistungen nach dem Vertragsschluss (noch) erbracht werden.
50
Soweit – wie im vorliegenden Fall – Gegenleistungen in Form von Wart, Pflege und Gewährung des Wohnrechts gar nicht mehr oder in nur sehr geringem Umfang erbracht wurden, weil der Erblasser vor dem Erreichen seiner statistischen Lebenserwartung verstarb, muss das dadurch entstandene Ungleichgewicht zwischen zu erstattenden Gegenleistungen und tatsächlich erbrachten Leistungen hingenommen werden. Umgekehrt besteht die Möglichkeit, dass der Beschenkte entgegen den Vorstellungen der Vertragsparteien in einem höheren Maße Leistungen erbringen muss als nach der Lebenszeitstatistik zu erwarten war.
51
c) Der Senat beziffert den Umfang der vom Beklagten geschuldeten Gegenleistungen auf einen Betrag von insgesamt 64.897,73 €.
52
Der Einwand des Klägers, das Erstgericht hätte hinsichtlich der Höhe der zu erbringenden Gegenleistungen, insbesondere zum Nießbrauch, Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens erheben müssen, trifft nicht zu. Die vom Erstgericht vorgenommene Bewertung der Gegenleistungen begegnet im Grundsatz keinen Bedenken. Der Senat ist ebenso in der Lage, die Werte der geschuldeten Leistungen zu ermitteln und – soweit erforderlich – die erforderlichen Grundlagen nach § 287 ZPO zu schätzen. Hinsichtlich der Wart- und Pflegeleistungen und der Leibrente ist die Wertberechnung anhand der bekannten Werte für den Senat ohne weiteres möglich.
53
Mit Schreiben IV C 7 – S 3104/09/10001, 2016/1012678 vom 04.11.2016 gab das Bundesfinanzministerium gemäß § 14 Absatz 1 Satz 4 BewG die Vervielfältiger zur Berechnung des Kapitalwerts lebenslänglicher Nutzungen oder Leistungen bekannt. Diese wurden nach der am 20.10.2016 veröffentlichten Sterbetafel 2013 / 2015 des Statistischen Bundesamtes ermittelt und sind für Bewertungsstichtage ab dem 01.01.2017 anzuwenden.
54
Danach waren die jährlich zu erbringenden Leistungen entsprechend der statistischen Lebenserwartung des Erblassers im Zeitpunkt des Vertragsschlusses von 3,39 Jahren mit dem Kapitalwertfaktor von 3,101 (Anlage zu § 14 Abs. 1 S. 4 BewG) zu multiplizieren. Maßgebend ist insoweit die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses abstrakt ermittelte Lebenserwartung des Erblassers auf der Grundlage einer ex-ante-Betrachtung. Demgegenüber kommt es – wie ausgeführt – nicht darauf an, wie lange der Erblasser tatsächlich noch gelebt hat.
55
Im Einzelnen ermitteln sich die Gegenansprüche des Beklagten danach wie folgt:
56
i) Der Senat beurteilt den kapitalisierten Wert des Nießbrauchs als eine vom Beklagten geschuldete Gegenleistung. Zwar handelt es sich bei einem Nießbrauch im Grundsatz nicht um eine typische Verpflichtung des Empfängers im Austausch für die Leistung, sondern um einen um den Nießbrauch geminderten Zuwendungsgegenstand (MAH ErbR/Ridder, 6. Aufl. 2024, § 32 Rn. 131, beck-online; vgl. auch BGH, Urteil vom 28.9.2016 – IV ZR 513/15; BGH, Urteil vom 07.04.1989 – V ZR 252/87996, 754). In der Regel stellt der Nießbrauch daher keine Gegenleistung dar (BGH, Urteil vom 07.04.1989 – V ZR 252/87, juris). Im vorliegenden Fall aber ist der Vorbehalt des Nießbrauchs nach dem Willen der Vertragsparteien als eine vom Beklagten geschuldete Gegenleistung anzusehen. Nach Ziffer XI des Vertrags erfolgt die Überlassung des Grundbesitzes gegen die Auflagen und Gegenleistungen von Nießbrauch, Wart und Pflege und der Leibrente und ausdrücklich „insoweit entgeltlich“. Nach dieser vertraglichen Vereinbarung sollte der Nießbrauch nicht allein den Wert des Grundstücks mindern. Dieser wurde von den Vertragsschließenden konkret als Leistung des Beklagten bezeichnet, die in einem Gegenseitigkeitsverhältnis zur Zuwendung steht. Daraus kann der ausdrückliche Wille der Vertragsparteien entnommen werden, dem Nießbrauch die Bedeutung einer Gegenleistung beizumessen (vgl. BGH, Urteil vom 07.04.1989 – V ZR 252/87, juris, Rn. 17).
57
Die Höhe des Wertes des Nießbrauchs konnte der Senat anhand des durch Schätzung (§ 287 ZPO) ermittelten monatlichen Nutzwerts des Wohnanwesens selbst berechnen. Dabei ist der Nießbrauch mit dem kapitalisierten Wert der hieraus zu ziehenden Nutzungen anzusetzen (BGH a.a.O., BGH NJW 1992, 2888). Zur Kapitalisierung ist – wie dargestellt – der jährliche Nettoertrag des Nutzwerts mit der Lebenserwartung des Nießbrauchers auf der Grundlage des Vervielfältigungsfaktors gem. Anlage zu § 14 BewG in der zum Zeitpunkt der Grundstücksübertragung gültigen Fassung zu multiplizieren.
58
Der Senat setzt als Wert der monatlichen Nutzung einen Betrag von 500,00 € an. Dies entspricht dem vom Kläger (Schriftsatz vom 29.09.2023, Blatt 108 ff) angegebenen Nutzwert, dem der Beklagte nicht entgegengetreten ist. Ausgehend von einem Jahresnutzwert von 6.000,00 € errechnet sich für den Nießbrauch ein Wert von 18.606,00 €.
59
Der Ansicht des Erstgerichts, dass hier der maximal denkbare Jahresnutzungswert nach § 16 BewG von 21.075,27 € anzusetzen sei, woraus sich ein Betrag für den Nießbrauch von 65.354,41 € ergäbe, folgt der Senat nicht. Anhaltspunkte für ein erhöhtes lebzeitiges Interesse des Erblassers an der Einräumung des Nießbrauchs sind nicht erkennbar und wurden von den Parteien nicht vorgetragen. Dem Umstand, dass die Leistungen aus Sicht der Vertragsschließenden auch noch in der Zukunft erfolgen sollten, wird durch die Multiplikation mit dem Kapitalwertfaktor Rechnung getragen. Insgesamt erscheint auch nach der umfassenden Gesamtabwägung, die nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 26.10.2011 vorzunehmen ist, der angesetzte Wert für eine Monatskaltmiete von 500,00 € sachgerecht und ausreichend.
60
ii) Das Erstgericht hat den Wert der übernommenen Verpflichtung für Wart und Pflege zu Recht mit einem Betrag von 9.079,73 € ermittelt. Dies entspricht auch der Bewertung durch den Senat.
61
Der Wert einer für die Grundstücksübertragung zugesagten Wart und Pflege des Erblassers bis zu dessen Lebensende ist durch Kapitalisierung der Pflegedienste vom Zeitpunkt des Vertragsschlusses an ebenfalls nach der statistischen Lebenserwartung des Erblassers zu ermitteln (OLG Oldenburg, NJW-RR 1997, 263; Grüneberg/Weidlich, BGB, 84. Aufl., § 2325 Rn. 9).
62
Der Beklagte schuldete dem Erblasser nach Ziffer XIII des Überlassungsvertrags Wart- und Pflegeleistungen, soweit diese zumutbar waren. Als zumutbar wurde die Erbringung dieser Leistungen angesehen, wenn der gesundheitliche Zustand des Veräußerers Wart- und Pflegeleistungen bis einschließlich der Pflegestufe I gemäß SGB XI in der bis Ende 2016 gültigen gesetzlichen Fassung erforderte.
63
Als obere Grenze ist somit der Pflegesatz der Pflegestufe I gemäß SGB XI in der bis Ende 2016 gültigen gesetzlichen Fassung, hier der Betrag von 244,00 € monatlich, anzusetzen. Nur insoweit schuldete der Beklagte dem Erblasser Wart- und Pflegeleistungen. Darauf, dass der Erblasser – wie vom Beklagten behauptet – vor seinem Tod in einem weit höheren Maße (entsprechend der Pflegestufe IV) pflegebedürftig war, kommt es nicht an. Wart- und Pflegeleistungen über den Umfang der Pflegestufe I hinaus waren nicht geschuldet und sind damit nicht zu berücksichtigen.
64
Die Berechnung des Erstgerichts auf einen Betrag von 9.079,73 € (244,00 € x 12 x 3,101) ist sachlich richtig und rechnerisch korrekt.
65
iii) Die Berechnung des Werts der zu erbringenden Leibrente ist ebenfalls zutreffend. Dieser beträgt wie vom Erstgericht richtig ermittelt 37.212,00 € (12 x 1.000,00 € x 3,101). Auch insoweit kommt es nicht darauf an, ob die Raten tatsächlich gezahlt wurden, vielmehr ist der vertraglich geschuldete Betrag anzusetzen.
66
iv) Insgesamt beläuft sich der Wert der Gegenleistungen auf einen Betrag von 64.897,73 €.
67
Soweit der Kläger in der ersten Instanz eine Aufrechnung mit einer Ersatzforderung wegen verspäteter Übereignung der Grundstücke geltend gemacht hat, war ein Abzug nicht vorzunehmen. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts, denen sich der Senat anschließt, verwiesen. Der Kläger greift das erstinstanzliche Urteil in der Berufung diesbezüglich auch nicht an.
68
d) Durch die Aufrechnung mit einem Teil des Gegenanspruchs des Beklagten ist der Zahlungsanspruch des Klägers in Höhe von 55.000,00 € erloschen, § 389 BGB. Soweit der Beklagte nach Schluss der Berufungsverhandlung in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 20.08.2025 bestreitet, einen Betrag von 25.000,00 € vom Erblasser erhalten zu haben, ist dieses Vorbringen im Hinblick auf die Höhe des Betrags schon nicht nachvollziehbar und zudem nicht zu berücksichtigen, da der Erhalt des Betrags von 55.000,00 € als unstreitig im Ersturteil festgestellt worden ist und ein Berichtigungsantrag nicht gestellt worden ist, § 314 ZPO. Zu Recht hat das Erstgericht das Vorbringen des Beklagten über einen Rückfluss von Geldbeträgen an den Erblasser als unsubstantiiert und als nicht bewiesen angesehen.
69
Dem Anspruch auf Herausgabe der Schenkung nach § 2287 Abs. 1 BGB kann der Beklagte einen Gegenanspruch in Höhe von noch 9.897,73 € nach § 274 BGB entgegenhalten.
70
Im Übrigen blieb die Berufung erfolglos und war daher zurückzuweisen.
71
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
72
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist nach § 709 Sätze 1, 2 ZPO.
73
3. Die Entscheidung über die Zulassung der Revision beruht auf § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO.
74
Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BGH, Hinweisbeschluss vom 23.02.2022 – IV ZR 150/20, NJW-RR 2022, 684 Rn. 14 m. w. N.).
75
Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt. Die Frage, ob dem Anspruch auf Herausgabe des Schenkungsgegenstands bei einer gemischten Schenkung, bei dem der Schenkungsanteil überwiegt, nur tatsächlich erbrachte oder sämtliche zu erbringende Gegenleistungen entgegengehalten werden können, wird – wie dargestellt – in der Rechtsprechung und der Literatur nicht einheitlich betrachtet. Teilweise wird in der Literatur die Ansicht vertreten, dass nur tatsächlich erbrachte Gegenleistungen in Abzug zu bringen oder nach § 274 BGB entgegengehalten werden können. Diese klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage kann sich in einer Vielzahl von Fällen stellen, woraus sich deren grundsätzliche Bedeutung ableitet.