Inhalt

LSG München, Beschluss v. 06.10.2025 – L 5 KR 265/25 B ER
Titel:

Ruhen des Leistungsanspruchs nur nach vorangegangenem Hinweis auf den Umfang der Einschränkung des Leistungsanspruchs

Normenketten:
KSVG § 16 Abs. 2
SGB V § 15 Abs. 6
SGB V § 16 Abs. 3a
SGB V § 291 Abs. 1
SGB V § 291a
SGB V § 291a Abs. 3 Nr. 3
SGB V § 291c Abs. 1
Leitsätze:
1. Erforderlich, aber auch ausreichend ist der konkrete Hinweis auf das vollständige Ruhen des Leistungsanspruchs bei ausbleibender Beitragszahlung mit Ausnahme des Anspruchs auf Untersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten nach den §§ 25 und 26 SGB V und des Anspruchs auf Leistungen, die zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände sowie bei Schwangerschaft und Mutterschaft erforderlich sind.
2. Das Erfordernis, bereits in der Mahnung auf den Umfang des eingeschränkten Leistungsanspruchs im Falle des Beitragsverzuges hinzuweisen, ergibt sich für die nach dem KSVG versicherten Personen unmittelbar aus den § 16 Abs. 3a Satz 2 SGB V i.V.m. mit § 16 Abs. 2 Satz 3 KSVG. Für Mitglieder der GKV folgt dieses Erfordernis aus der von § 16 Abs. 3a Satz 3 SGB V angeordneten entsprechenden Anwendung der vorgenannten Vorschriften, also auch unmittelbar aus dem Gesetz, wenn auch im Wege einer doppelten Verweisung.
3. Jede/r Versicherte hat gemäß §§ 15 Abs. 6 Satz 1, 291 Abs. 1 SGB V einen Anspruch auf Ausstellung einer (elektronischen) Gesundheitskarte. Das Ruhen des Leistungsanspruchs berührt diesen grundsätzlich bestehenden Rechtsanspruch der/s Versicherten nicht. Um einen etwaigen Missbrauch der Gesundheitskarte vorzubeugen, kann die Kasse Angaben zum Ruhen des Leistungsanspruchs nach § 16 Abs. 3a SGB V gemäß § 291a Abs. 3 Nr. 3 auf der Karte eintragen (lassen).
Schlagworte:
Anspruch auf Ausstellung einer eGK, Gesundheitskarte, Hinweis auf Umfang des eingeschränkten Leistungsanspruchs, Ruhen des Leistungsanspruches wegen Beitragsrückstand
Vorinstanz:
SG Augsburg, Beschluss vom 24.07.2025 – S 10 KR 161/25 ER
Fundstelle:
BeckRS 2025, 27261

Tenor

I. Die Beschwerde der Antragsgegnerin vom 07.08.2025 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 24.07.2025 wird zurückgewiesen.
II. Die Antraggegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin auch im Beschwerdeverfahren.

Gründe

I.
1
Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (im Folgenden: Ast.) und Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin (im Folgenden: Ag.) streiten um das Ruhen von Leistungsansprüchen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bei Nichtzahlung von Beiträgen.
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Die 1983 geborene Ast. ist bei der Ag. gesetzlich krankenversichert.
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1. Mit Bescheid vom 08.08.2024 stellte die Ag. für die Zeit von 01.01.2022 bis 25.04.2022 ausgehend von einem monatlichen Einkommen in Höhe von 4.837,50 Euro monatliche Beiträge zur (freiwilligen) Kranken- und Pflegeversicherung einschließlich eines Zusatzbeitrages in Höhe von 882,84 Euro bzw. 735,71 Euro während der Elternzeit der Ast. fest und forderte von dieser einen Betrag in Höhe von 3.384,23 Euro.
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Mit Bescheid vom 20.08.2024 passte die Ag. die Beitragslast im vorgenannten Zeitraum dem Einkommen der Ast. unter Berücksichtigung des Einkommens ihres Ehepartners an und forderte nunmehr monatliche Mindestbeiträge in Höhe von 200,14 Euro (Januar bis März) bzw. 166,79 Euro (April), also insgesamt 767,21 Euro.
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Am 21.08.2024 bot die Ast. monatliche Ratenzahlungen in Höhe von 100,00 Euro zur Begleichung der Beitragsrückstände an. Dieses Angebot nahm die Ag. mit Schreiben vom 22.08.2024 an.
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Mit Bescheid vom 15.01.2025 bezifferte die Ag. die Beitragslast für das Jahr 2023 auf 4.436,71 Euro. Da der Ehepartner der Ast. nicht gesetzlich krankenversichert gewesen sei, müsse die Ag. während der Elternzeit auch sein Einkommen bei der Berechnung der Beiträge berücksichtigen. Das beitragspflichtige Einkommen habe die Ag. anhand der Gehalts- und Bezügeabrechnung für das Jahr 2024 und des Einkommenssteuerbescheids für das Jahr 2022 ermittelt. Das halbe Familieneinkommen übersteige die halbe Beitragsbemessungsgrenze von 2.493,75 Euro. Daher berechne die Ag. die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit
* vom 13.03.2023 bis 31.03.2023 auf 288,25 Euro (Beitrag Krankenversicherung: 221,12 Euro, Zusatzbeitrag: 18,96 Euro, Beitrag Pflegeversicherung: 48,17 Euro);
* vom 01.04.2023 bis 30.06.2023 auf 455,12 Euro (Beitrag Krankenversicherung: 349,13 Euro, Zusatzbeitrag: 29,93 Euro, Beitrag Pflegeversicherung: 76,06 Euro) und
* vom 01.06.2023 bis 31.12.2023 auf 463,85 Euro (Beitrag Krankenversicherung: 349,13 Euro, Zusatzbeitrag: 29,93 Euro, Beitrag Pflegeversicherung: 84,79 Euro).
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Dagegen legte die Ast. mit Schreiben vom 15.01.2025 und 21.01.2025 Widerspruch ein. Nach der Einkommenssteuererklärung habe ihr Ehemann Einkommen von 104.797 Euro. Sie selbst habe einen Verlust in Höhe von 83.891 Euro. Das gemeinsame Einkommen belaufe sich auf 11.650 Euro.
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Mit Schreiben vom 21.02.2025 forderte die Ag. die Ast. auf, die rückständigen Beiträge in Höhe von 4.502,71 Euro (Beitrag: 4.436,71 Euro, Säumniszuschlag: 43,00 Euro, Mahnkosten: 24,00 Euro) zu zahlen.
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Auf das Schreiben der Ag. vom 14.03.2025 reagierte die Ast. mit Schreiben vom 18.03.2025.
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Mit weiterem Schreiben vom 23.04.2025 forderte die Ag. die Ast. auf, die rückständigen Beiträge in Höhe von 4.626,17 Euro (Beitrag: 4.436,71 Euro, Säumniszuschlag: 43,00 Euro, 8. Rate: 79,46 Euro, weiterer Säumniszuschlag: 43,00 Euro, Mahnkosten: 24,00 Euro) zu zahlen. Das Aufforderungsschreiben vom 23.04.2025 enthielt folgenden Passus:
„Bitte begleichen Sie die offenen Beiträge bis zum 12. Mai 2025. Sonst sind wir gesetzlich verpflichtet, Ihren Leistungsanspruch einzuschränken. Unter folgenden Voraussetzungen haben Sie wieder vollen Anspruch auf unsere Leistungen:
* Alle Beitragsrückstände sind beglichen oder
* Sie erfüllen die Voraussetzungen des Bürgergelds oder der Sozialhilfe und
* Sie bekommen Bürgergeld oder Sozialhilfe.“
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Auch hiergegen legte die Ast. Widerspruch ein.
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Mit Schreiben vom 08.05.2025 hob die Ag. die Ratenzahlungsvereinbarung auf, da keine Zahlungen eingegangen seien. Dadurch werde der offene Gesamtbetrag von 4.626,92 Euro – bestehend aus Beitragsrückständen, Säumniszuschlägen und Mahnkosten – in einer Summe fällig. Das Schreiben vom 08.05.2025 enthielt folgenden Hinweis:
„Wir sind gesetzlich verpflichtet, Ihren Leistungsanspruch einzuschränken, wenn Sie die offenen Beiträge nicht umgehend zahlen. In diesem Fall können Sie erst ab dem Tag wieder alle Leistungen in Anspruch nehmen, an dem Sie sämtliche Beitragsrückstände beglichen haben. Ausnahme: Sobald Sie die Voraussetzungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende oder Sozialhilfe erfüllen, stehen Ihnen ebenfalls wieder alle Leistungen zur Verfügung.“
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Mit Schreiben vom 21.05.2025 forderte die Ag. die Ast. nochmals auf, den Gesamtbetrag in Höhe von 4.694,42 Euro bis zum 03.06.2025 zu zahlen. Auch hier drohte sie „Einschränkungen“ der Leistungen an, wenn die offenen Beiträge nicht bis zum 10.06.2025 beglichen würden.
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Mit Bescheid vom 21.05.2025 ordnete die Ag. das Ruhen des Leistungsanspruchs ab 30.05.2025 an. Die Ast. könne ihre TK-Gesundheitskarte ab dem 30.05.2025 nicht mehr nutzen. Dies gelte auch im Ausland und für bereits bewilligte Leistungen. Nur diese Behandlungen seien dann noch möglich:
* Untersuchungen und Tests zur Früherkennung von Krankheiten, wie z.B. Diabetes, Herz-Kreislauf- oder Krebserkrankungen. Die Zahnvorsorge sei keine Früherkennungs-Untersuchung und gehöre daher nicht dazu.
* Untersuchungen aufgrund von Schwangerschaft oder Mutterschaft
* Behandlungen, die die Antragstellerin wegen akuter Erkrankungen oder Schmerzen brauche.
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Ärztliche Leistungen würden dabei über den „Nachweis der Anspruchs-Berechtigung“ und zahnärztliche Leistungen über den „Erfassungsschein“ abgerechnet. Diese seien nur im eingetragenen Quartal und für Behandlungen bei derselben Ärztin/demselben Arzt gültig.
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Gegen den Ruhensbescheid legte die Ast. am 21.05.2025 Widerspruch ein. Auf die ausführliche Begründung im Einzelnen wird Bezug genommen.
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2. Am 21.05.2025 hat die Ast. beim Sozialgericht Augsburg (SG) den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Das Ruhen des Leistungsanspruchs nach § 16 Abs. 3a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sei im Falle eines streitigen Anspruchs nicht rechtmäßig. Die Beitragsforderung sei nachweislich falsch berechnet, da Verluste aus ihrem Einzelunternehmen bei der Beitragsbemessung entgegen der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 27.09.2011 – B 12 KR 15/10 R) nicht berücksichtigt worden seien. Darüber hinaus stelle die Sperrung der Gesundheitskarte einen schwerwiegenden Eingriff in ihr Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit dar.
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Die Ag. ist dem mit Schriftsatz vom 02.06.2025 entgegengetreten.
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Mit Schriftsatz vom 30.06.2025 hat die Ast. ihren Vortrag nochmals vertieft.
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Am 09.07.2025 hat der Kammervorsitzende einen richterlichen Hinweis gegeben.
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Mit Schriftsatz vom 21.07.2025 hat die Ag. ihren Standpunkt nochmals bekräftigt.
22
Mit Beschluss vom 24.07.2025 hat das SG die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Ast. vom 21.05.2025 gegen den Bescheid der Ag. vom 21.05.2025 angeordnet. Der mit dem Widerspruch angefochtene Bescheid vom 21.05.2025 erweise sich nach derzeitigem Sachstand als rechtswidrig. Denn die dem Bescheid vorangegangenen Folgenbelehrungen nach §§ 16 Abs. 3a Satz 1 und 3 SGB V, 16 Abs. 2 Satz 3 Künstlersozialversicherungsgesetz – KSVG – entsprächen nicht den gesetzlichen Vorgaben. Außerdem habe die Ag. aufgrund ihres erneuten Aufforderungsschreibens vom 21.05.2025 nicht bereits zum 30.05.2025 das Ruhen des Leistungsanspruchs anordnen dürfen:
* Nach den Maßstäben in § 16 Abs. 2 KVSG und § 16 Abs. 3a SGB V seien die Hinweise in den Schreiben vom 23.04.2025 und 08.05.2025 nicht klar und eindeutig und nach den gesetzlichen Maßstäben unwirksam. Der bloße Hinweis auf „Einschränkungen“ genüge nicht. Aus diesem Hinweis gehe nicht eindeutig hervor, welche Art von Einschränkungen die Ast. zu erwarten hatte. Insbesondere sei nicht klar gewesen, dass der gesamte Leistungsanspruch mit Ausnahme des Anspruchs auf Leistungen, die zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände sowie bei Schwangerschaft und Mutterschaft erforderlich seien, zum Ruhen komme. Es fehle somit an einem wirksamen Hinweis auf die Folgen der unterbliebenen Beitragszahlung. Infolgedessen habe die Ag. das Ruhen des Leistungsanspruchs der Ast. zum 30.05.2025 nicht feststellen dürfen. Der Bescheid vom 21.05.2025 sei offensichtlich rechtswidrig.
* Unabhängig davon sei der Bescheid vom 21.05.2025 auch deshalb rechtswidrig, weil er im Widerspruch zum Schreiben der Ag. vom 21.05.2025 stehe. In diesem habe die Ag. Konsequenzen aus der unterlassenen Beitragszahlung in Form von „Einschränkungen“ der Ast. erst dann angekündigt, wenn sie nicht bis zum 10.06.2025 die Beitragsforderung begleiche. Letztlich sei auch zu vermuten, dass sich der geforderte Betrag in Höhe von 4.694,42 Euro nicht nur auf eine Forderung aus der GKV, sondern auch auf eine Forderung der sozialen Pflegeversicherung beziehe; eine eindeutige Zuordnung finde in den Mahnungen nicht statt. Auch insoweit wäre der Ruhensbescheid rechtswidrig, sofern in den Mahnungen die „Einschränkungen“ der Leistungen der GKV an die Zahlung der Beiträge der sozialen Pflegeversicherung geknüpft würden.
* Bei sachgerechter Interessenabwägung hält es das Gericht für die Ast. auch nicht für zumutbar, eine Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Bei der abschließenden Folgenabwägung berücksichtige das Gericht insbesondere, dass der Bescheid vom 21.05.2025 offensichtlich rechtswidrig sei. Die Ast. sei damit nicht auf einen eingeschränkten Leistungsanspruch zu verweisen.
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3. Mit Schriftsatz vom 07.08.2025 hat die Ag. Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht erhoben. Die Auffassung des SG, dass in der Mahnung vom 23.04.2025 sowie dem Schreiben vom 08.05.2025 nicht hinreichend auf das Ruhen des Leistungsanspruchs hingewiesen worden sei, gehe fehl. Den genannten Schreiben sei die Rechtsfolge deutlich zu entnehmen. Unter Berücksichtigung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen, objektiven Erklärungsempfängers sei somit klar zu erkennen gewesen, dass bei Nichtzahlung der offenen Beiträge bis zum 12.05.2025 (Sachverhalt) der Leistungsanspruch eingeschränkt werde (Rechtsfolge).
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Mit Schriftsatz vom 01.09.2025 hat die Ast. auf ihr bisheriges Vorbringen verwiesen.
25
Den zugleich gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung nach § 199 Abs. 2 SGG (Vorsitzendenentscheidung) hat die Ag. mit Schriftsatz vom 10.09.2025 auf den Hinweis des stellvertretenden Senatsvorsitzenden vom 08.09.2025 zurückgenommen (L 5 KR 291/25 ER).
26
Die Ag. beantragt,
den Beschluss des SG vom 24.07.2025 aufzuheben und den Antrag vom 21.05.2025 zurückzuweisen.
27
Die Ast. beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
28
Im Übrigen nimmt der Senat ergänzend auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie auf die vorgelegten Verwaltungsakten der Ag. Bezug.
II.
29
Die Beschwerde gegen den Beschluss des SG vom 24.07.2025 ist zulässig (§§ 172, 173 SGG), bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.
30
Der Senat weist die Beschwerde aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses des SG nach eingehender eigener Würdigung zurück und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG auf die Gründe Bezug, zumal sich das Beschwerdevorbringen der Ag. in einer Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrags erschöpft, mit dem sich das SG ausführlich auseinandergesetzt hat. Es sind daher nur folgende ergänzende Bemerkungen veranlasst:
31
Kommen Mitglieder der GKV trotz Mahnung mit mehr als zwei Monaten in Beitragsrückstand, bestimmt § 16 Abs. 3a SGB V das Ruhen des Anspruches auf Leistungen. Diese mit Wirkung zum 01.04.2007 in § 16 SGB V eingefügte Vorschrift verweist für die nach dem KSVG versicherte Personen in Satz 1 auf die Verfahrensregelungen in § 16 Abs. 2 KSVG. Für Mitglieder „nach den Vorschriften dieses Buches“, also nach dem SGB V, bestimmt Satz 3, dass die Sätze 1 und 2 des Absatzes 3a „entsprechend gelten“.
32
Der Senat teilt ausdrücklich die vom SG an den Vorschriften der § 16 Abs. 2 KVSG und § 16 Abs. 3a SGB V hergeleitete und sorgfältig begründete Feststellung, dass die Hinweise in den Schreiben der Ag. vom 23.04.2025 und 08.05.2025 nicht klar und eindeutig sind und daher der Ruhensbescheid der Ag. vom 21.05.2025 – jedenfalls nach den im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nach § 86b Abs. 1 SGG geltenden Maßstäben – rechtswidrig ist. Erforderlich, aber auch ausreichend ist der konkrete Hinweis auf das vollständige Ruhen des Leistungsanspruchs bei ausbleibender Beitragszahlung mit Ausnahme des Anspruchs auf Untersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten nach den §§ 25 und 26 SGB V und des Anspruchs auf Leistungen, die zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände sowie bei Schwangerschaft und Mutterschaft erforderlich sind. Zwar ergibt sich das Erfordernis, bereits in der Mahnung auf den Umfang des eingeschränkten Leistungsanspruchs im Falle des Beitragsverzuges hinzuweisen, für die nach dem KSVG versicherten Personen unmittelbar aus den § 16 Abs. 3a Satz 2 SGB V i.V.m. mit § 16 Abs. 2 Satz 3 KSVG. Für Mitglieder der GKV folgt dieses Erfordernis aus der von § 16 Abs. 3a Satz 3 SGB V angeordneten entsprechenden Anwendung der vorgenannten Vorschriften, also auch unmittelbar aus dem Gesetz, wenn auch im Wege einer doppelten Verweisung (vgl. Noftz, in: Hauck/​Noftz, Kommentar zum SGB V, Stand: 10. EGL 2025, § 16 SGB V Rn. 65c). Es ist zudem allgemein anerkannt, dass die in Absatz 3a enthaltenen Regelungen einen weitgehenden Gleichlauf der geregelten Versichertenkreise bezwecken, ohne dass in der Sache wesentliche Unterschiede bestehen (siehe nur Kingreen, in: Becker/Kingreen, Kommentar zum SGB V, 9. Aufl. 2024, § 16 SGB V Rn. 15; vgl. auch Heinz, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 5. Aufl., § 16 SGB V [Stand: 01.04.2025], Rn. 22 und 60; Noftz, a.a.O., Rn. 64b und 65b). Auch wäre ein rechtfertigender Grund, warum nach dem KSVG versicherte Personen einen Hinweis nach § 16 Abs. 3a Satz 2 SGB V i.V.m. § 16 Abs. 2 Satz 3 KSVG erhalten und Mitglieder der GKV nicht, nicht erkennbar.
33
Anders als vom SG angenommen, ist der Senat jedoch der Auffassung, dass an den Hinweis auf den Umfang der Einschränkung des Leistungsanspruchs keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden dürfen. Der Informations-, Appell- und Warnfunktion des der Ruhensanordnung notwendigerweise zeitlich vorangehenden Hinweises ist schon damit genüge getan, dass er eine bloße (wörtliche oder sinngemäße) Wiedergabe des (notwendigerweise abstrakt-generellen) Gesetzestexts enthält. Damit weiß der objektiv-verständige gesetzlich Versicherte, dass er im Falle des Ruhens seines Leistungsanspruchs zwar nicht das gesamte Leistungsspektrum, wohl aber Leistungen, die zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände sowie bei Schwangerschaft und Mutterschaft erforderlich sind sowie die Gesundheitsvorsorgeuntersuchungen nach den §§ 25 und 26 SGB V trotz Beitragsrückstands in Anspruch nehmen kann. Dass der Hinweis auf den Umfang der Einschränkung des Leistungsanspruchs – wie hier mit Bescheid vom 21.05.2025 – erst im Ruhensbescheid erfolgt (zu diesen Anforderungen siehe Senatsbeschluss vom 18.05.2011 – L 5 KR 164/11 B ER, juris), genügt genauso wenig wie der – zuletzt von der Ag. wiederholte – bloße Hinweis auf „Einschränkungen“ des Leistungsanspruchs, ohne dem Versicherten zu erläutern, in welchem Umfang der Leistungsanspruch eingeschränkt ist.
34
Unabhängig davon sieht der Senat für die im Bescheid vom 21.05.2025 ausgesprochene Sperrung der Gesundheitskarte („Sie können Ihre TK-Gesundheitskarte ab dem 30. Mai 2025 nicht mehr nutzen.“) keinerlei Rechtsgrundlage. § 291c Abs. 1 SGB V setzt dafür die Beendigung des Versicherungsschutzes, d.h. jeglichen Verlust der bisherigen Versicherteneigenschaft, oder einen Krankenkassenwechsel voraus, was hier offensichtlich nicht vorliegt. Zudem hat jede/r Versicherte gemäß §§ 15 Abs. 6 Satz 1, 291 Abs. 1 SGB V einen Anspruch auf Ausstellung einer (elektronischen) Gesundheitskarte (Freudenberg, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 5. Aufl., § 15 SGB V [Stand: 08.08.2025], Rn. 62; § 291 SGB V, Rn. 32). Das Ruhen des Leistungsanspruchs berührt diesen grundsätzlich bestehenden Rechtsanspruch der/s Versicherten nicht (Freudenberg, a.a.O., § 291 SGB V, Rn. 36 f.). Um einen etwaigen Missbrauch der Gesundheitskarte vorzubeugen, kann die Kasse Angaben zum Ruhen des Leistungsanspruchs nach § 16 Abs. 3a SGB V gemäß § 291a Abs. 3 Nr. 3 auf der Karte eintragen (lassen).
35
Keine Rechtsgrundlage besteht schließlich für den im Bescheid der Ag. vom 21.05.2025 ausgespochenen Verweis der Ast. auf den „Nachweis der Anspruchs-Berechtigung“ bei ärtzlichen Leistungen und den „Erfassungsschein“ bei zahnärztlichen Leistungen. Denn die Ausstellung sog. Berechtigungsscheine ist der Kasse nach pflichtgemäßen Ermessen nach § 15 Abs. 3 SGB V nur für die Inanspruchnahme anderer als ärztlicher oder zahnärztlicher Leistungen möglich, für welche die Vorlage der elektronischen Gesundheitskarte nicht geeignet ist. In Betracht kommt die Verwendung von Berechtigungsscheinen insbesondere bei Heilmitteln, Hilfsmitteln, häuslicher Krankenpflege, Krankenhausbehandlungen, Soziotherapien, Haushaltshilfen, Krankentransporten, sozialpädiatrischen Leistungen, Früherkennungsuntersuchungen und ergänzenden Leistungen zur Rehabilitation (Freudenberg, a.a.O., § 15 SGB V Rn. 60). Für die Inanspruchnahme „normaler“ ärztlicher bzw. zahnärztlicher Behandlungen im Sinne des § 15 Abs. 1 und 2 SGB V ist dagegen die elektronische Gesundheitskarte einzusetzen.
36
Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung des § 193 SGG.
37
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar und beendet das vorläufige Rechtsschutzverfahren.