Inhalt

AG München, Endurteil v. 31.08.2025 – 158 C 14594/23
Titel:

Reisemangel, Minderungsanspruch, An- und Abreise, Deutschsprachige Reiseleitung, Zusatzbuchungen, Verzug, Schadensersatz

Schlagworte:
Reisemangel, Minderungsanspruch, An- und Abreise, Deutschsprachige Reiseleitung, Zusatzbuchungen, Verzug, Schadensersatz
Fundstellen:
ReiseRFD 2025, 360
BeckRS 2025, 27194

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4,84 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 28.02.2023 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 400,00 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe

1
Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
I.
2
Die zulässige Klage ist in nur geringem Umfang begründet.
3
1. Der Kläger hat gegen die Beklagte gemäß § 651m Abs. 2 BGB einen Anspruch auf Rückzahlung eines Minderungsbetrages in Höhe von 4,84 €. Geschuldete Reiseleistung war nach der Buchungsbestätigung (Anlage K2) auf Grundlage der Werbeausschreibung (Anlage K1-3) ein Besuch des „AI Fahidi Forts, welches heute das Dubai Museum (Eintritt inkl.) beherbergt“. Dieser Besuch hat unstreitig nicht stattgefunden. Soweit sich die Beklagte diesbezüglich auf ihre AGB beruft, greift dieser Einwand – unabhängig von der Frage der Einbeziehung der AGB – nicht durch, denn in Anbetracht der gerichtsbekannt langfristigen Schließung aufgrund von Renovierungsarbeiten handelt es sich nicht um eine kurzfristig erforderlich werdende Programmänderung. Die Beklagte kann sich insoweit auch nicht auf eine fehlende Mängelanzeige und einen daraus resultierenden Anspruchsausschluss nach § 651o Abs. 2 BGB zurückziehen, denn in Anbetracht der Schließung des Museums wäre eine Abhilfe ohnehin nicht möglich gewesen. Der Tagesreisepreis für den betroffenen Tag ist daher um 5 % gemindert. Ausgehend von einem auf den Kläger entfallenden Tagesreisepreis von 96,75 € ergibt sich ein Minderungsanspruch in Höhe von 4,84 €.
4
2. Weitere Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte bestehen unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt, insbesondere bestehen keine weiteren Ansprüche nach §§ 651m, 651n BGB. Sonstige Reisemängel sind weder schlüssig dargelegt noch sonst ersichtlich.
5
Die Dauer der An- und Abreise und der (durch Schlaf) „verlorene“ 2. Tag begründen bereits nach Klagevortrag keinen Mangel. Ausweislich der vorgelegten Unterlagen war eine Flugreise mit Türkisch Airways in die Vereinigten Arabischen Emirate – nicht nach Dubai (!) mit Umstieg in Istanbul, und die Unterbringung für insgesamt 6 Nächte in Hotels in Dubai geschuldet. Die von der Beklagten erbrachte Transportleistung entspricht der gebuchten Leistung. Non-Stopp-Flüge waren unstreitig nicht geschuldet. Da bereits aus der Werbeausschreibung ersichtlich ist, dass der Umsteige-Flug gerade nicht nach Dubai selbst, sondern in die Vereinigten Arabischen Emirate erfolgen sollte, bestand für den Kläger keine Veranlassung, von einer Reisedauer von 6 Stunden auszugehen. Aus der oben rechts auf Anlage K1-1 befindlichen geografischen Lageskizze wird ebenfalls deutlich, dass der Zielflughafen (Abu Dhabi) nicht mit dem Reiseziel Dubai identisch ist, sodass ein weiterer Transfer vom Zielflughafen zum Reiseziel zu erwarten war. Damit war mit einer – gegebenenfalls auch erheblichen – Verlängerung der Reisezeit durch die Zwischenlandung und den erforderlichen weiteren Transfer zu rechnen. Dies stellt im Zeitalter des Massentourismus ohne entgegenstehende vertragliche Zusicherung des Reiseveranstalters eine bloße Unannehmlichkeit und keinen zur Minderung berechtigenden Reisemangel dar (vgl. auch AG Düsseldorf, Urteil vom 15.02.2006, Az. 56 C 13943/05, Rn. 7, juris). Dies gilt auch für die durch den langen Transfer begründete Erstreckung der Reise- bzw. Ankunftszeiten in die Nacht. Ein bestimmter Abflug- oder Ankunftszeitpunkt war vertraglich nicht vereinbart, sodass der Beklagten insoweit ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gemäß § 315 BGB zustand. Dessen Ausübung war vorliegend nicht unbillig, denn nur durch eine entsprechende Gestaltung der Reisemodalitäten ist es den Reiseveranstaltern möglich, dem steigenden Interesse der Reisenden an preisgünstigen Flugreisen zu touristisch begehrten Zielen Rechnung zu tragen. Es hätte dem Kläger insofern frei gestanden, die Reise zu einem entsprechend höheren Reisepreis bei einem Veranstalter zu buchen, der bestimmte Flugzeiten bzw. Flugreisedauern als Fixgeschäft zusichert, wodurch ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Reiseveranstalters ausgeschlossen gewesen wäre (vgl. auch AG München, Urteil vom 23.10.2018, Az. 191 C 14304/18). Dem Kläger hätte sich zudem bereits aufgrund der gebuchten Reisedauer von 7 Nächten und insgesamt lediglich 6 Hotelübernachtungen aufdrängen müssen, dass er eine Nacht auf dem Transfer verbringen würde. Eine Verpflichtung der Beklagten, auf die Dauer der An- und Abreise gesondert hinzuweisen, bestand nach Auffassung des Gerichts nicht.
6
Hinsichtlich des vom Kläger vorgetragenen Vorfalls mit dem Ehepaar ist kein Mangel der Reiseleistung erkennbar, insbesondere ist nicht ersichtlich, inwieweit der geschilderte Disput – selbst bei Wahrunterstellung – die von der Beklagten gegenüber dem Kläger vertragsgemäß zu erbringenden Leistungen beeinträchtigt haben soll.
7
Auch hinsichtlich des Vortrags zur „fehlenden“ deutschsprachigen Reiseleitung ist eine Abweichung der erbrachten von der geschuldeten Reiseleistung nicht ersichtlich. Geschuldet war laut Leistungsbeschreibung eine „Qualifizierte Deutsch sprechende Reiseleitung“. Dies bedeutet, dass ein Deutsch sprechender Reiseleiter während der gesamten Reise als Ansprechpartner für die Reisenden zu Verfügung steht. Dies war offenbar gewährleistet, denn der Reiseleiter war nach eigenem Vortrag des Klägers – wenn auch nicht durchgehend – per WhatsApp erreichbar. Nicht geschuldet war hingegen, dass der Reiseleiter sämtliche Aktivitäten der Reisenden persönlich begleitete. Entgegen der Auffassung der Klagepartei ist es bei Pauschalreisen auch nicht branchenüblich, dass der Reiseleiter während des angebotenen Programms immer dabei ist. Es handelt sich gerade nicht um einen Stadtführer, welcher während des gesamten Reiseverlaufs Erläuterungen abgibt. Geschuldet ist hingegen lediglich ein Deutsch sprechender Ansprechpartner, der den Reiseveranstalter vor Ort vertritt und dem Reisenden bei etwaigen Beanstandungen oder Problemen hinsichtlich der Reiseleistung in der Sprache seines Heimatlandes zur Seite steht. Dies war nach Klagevortrag seitens der Beklagten gewährleistet.
8
Bezüglich des beim Reiseleiter unstreitig gesondert gebuchten zusätzlichen Bootsausfluges für den letzten Reisetag ist festzustellen, dass es sich hierbei schon nach Klagevortrag nicht um einen Bestandteil der streitgegenständlichen Pauschalreise handelte. Es ist gerichtsbekannt üblich, dass die Reiseleiter der Reiseveranstalter vor Ort Ausflugspakete von Drittanbietern vermitteln. Diese Buchungen erfolgen auf freiwilliger Basis und zu den Konditionen der Drittanbieter. Der Reiseleiter ist insoweit entgegen der Auffassung des Klägers nicht Erfüllungsgehilfe des Reiseveranstalters, da er gerade diesbezüglich nicht für diesen tätig wird. Ein Vertragsschluss mit der Beklagten ist bereits nach Klagevortrag nicht ersichtlich. Die Darlegungs- und Beweislast für einen Vertragsabschluss mit der Beklagten liegt als anspruchsbegründende Tatsache beim Kläger. Der Kläger ist insoweit darlegungsfällig geblieben. Es fehlt an einer hinreichenden Darlegung der für einen Vertragsschluss mit der Beklagten sprechenden Umstände. Es bestand zudem nach Klagevortrag keine zwingende Notwendigkeit, den zusätzlichen Ausflug zu buchen. Ein Zwang zur Buchung bestand für die Gäste unstreitig nicht. Der Kläger hätte die Zeit zwischen dem – branchenüblich spätestens bis zur Mittagszeit vorzunehmenden – Check-Out aus dem Hotel und der Abholung für den Rücktransfer ohne weiteres selbständig verplanen können. Ein Rückzahlungsanspruch gegen die Beklagte besteht nach alledem nicht.
9
3. Der tenorierte Zinsanspruch beruht auf §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB. Hinsichtlich der darüber hinaus für einen früheren Zeitraum begehrten Zinsen war die Klage hingegen abzuweisen. Die Beklagte befand sich erst mit Ablauf der im Rechtsanwaltsschreiben vom 20.02.2023 gesetzten Frist in Verzug. Für einen früheren Verzugseintritt ist nichts vorgetragen.
10
Soweit der Kläger den Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten begehrt, ist ein Anspruch nicht schlüssig dargelegt, insbesondere ist zu einem Verzug der Beklagten bei Mandatierung des Klägervertreters nichts vorgetragen. Die Anspruchsanmeldung durch den anwaltlichen Vertreter vor Verzugseintritt führt gerade nicht zu einem entsprechenden Schadensersatzanspruch des Reisenden. Dem Reisenden ist es zuzumuten ist, eine Anspruchsanmeldung gegenüber dem Reiseveranstalter zunächst selbst vorzunehmen. Die Erforderlichkeit der Einschaltung eines Rechtsanwaltes besteht erst bei Zurückweisung der Ansprüche. Vorliegend wurden Ansprüche gegenüber der Beklagten mit Schreiben des anwaltlichen Vertreters vom 20.02.2023 geltend gemacht, sodass ein diesbezüglicher Schadensersatzanspruch des Klägers ausscheidet.
II.
11
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
12
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.