Titel:
Sofortige Beschwerde, Wert des Beschwerdeverfahrens, Elektronisches Dokument, Abwendung der Zwangsvollstreckung, Schuldner, Elektronischer Rechtsverkehr, Durchführung der Zwangsvollstreckung, Zwangsvollstreckungseinstellung, Vollstreckungserinnerung, Umkehr der Beweislast, Zahlung unter Vorbehalt, Kosten des Beschwerdeverfahrens, Kostenentscheidung, Anderweitige Erledigung, Rückforderungsvorbehalt, Rückforderungsstreit, Anerkenntnis, Streitwert, Formvorschriften, Forderungshöhe
Schlagworte:
Zwangsvollstreckung, Vollstreckungserinnerung, Zahlung unter Vorbehalt, Schuldbefreiung, Rückforderung, Beweislast, Beschwerdeverfahren
Vorinstanz:
AG München, Beschluss vom 05.08.2025 – 1542 M 7560/25
Fundstelle:
BeckRS 2025, 27110
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Schuldners gegen den Beschluss des Amtsgerichts München vom 05.08.2025, Az. 1542 M 7560/25, wird zurückgewiesen.
2. Der Schuldner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 647,57 € festgesetzt.
Gründe
1
Der Schuldner wendete sich mit seiner Vollstreckungserinnerung vom 08.07.2025 gegen die Durchführung der Zwangsvollstreckung mit der Begründung, er habe am 03.07.2025 schuldbefreiend den Forderungsbetrag überwiesen und die Zurückweisung dieser Zahlung durch die Gerichtsvollzieher sei unberechtigt gewesen. Der angegebene Verwendungszweck habe gelautet „Zahlung unter Vorbehalt, keine Anerkennung der Forderungshöhe, Rückforderung vorbehalten.“
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Mit Beschluss des Amtsgerichts München vom 05.08.2025 wurde die Erinnerung zurückgewiesen, der Beschluss wurde dem Schuldner am 08.08.2025 zugestellt.
3
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Schuldner mit einer sofortigen Beschwerde vom 08.08.2025, eingegangen am selben Tag. Der Beschluss sei formell unwirksam, da er weder den Namen noch die Unterschrift eine Richterin oder eines Richters trage und ignoriere die entscheidungserhebliche Zahlung vom 03.07.2025. Das Amtsgericht half der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 22.09.2025 nicht ab und legte sie dem Landgericht zur Entscheidung vor.
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Die sofortige Beschwerde erweist sich als zulässig, aber unbegründet.
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1. Die Formvorschrift des § 315 ZPO, welche für den Beschluss entsprechend anwendbar ist, wurde vorliegend eingehalten, da die noch in Papier geführte Akte des Amtsgerichts München den unterschriebenen Beschluss des erlassenden Richters enthält.
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2. Die Beschwerde geht weiterhin davon aus, dass die Überweisung vom 03.07.2025 schuldbefreiend gewirkt hätte und daher nach § 775 Nr. 5 ZPO die Zwangsvollstreckung einzustellen gewesen wäre. Die Rechtsauffassung der Erinnerung, wonach die Zahlung unter Rückforderungsvorbehalt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zulässig und schuldbefreiend wäre, ist allerdings bereits im Grundsatz nicht zutreffend. Vielmehr ist nach ständiger Rechtsprechung des BGH bei einer Leistung unter Vorbehalt zu unterscheiden: Will der Schuldner lediglich dem Verständnis seiner Leistung als Anerkenntnis (§ 212 I Nr. 1 BGB) entgegentreten und die Wirkung des § 814 BGB ausschließen, sich also die Möglichkeit offenhalten, das Geleistete nach § 812 BGB zurückzufordern, so stellt dies die Ordnungsmäßigkeit der Erfüllung nicht in Frage. Anders ist es, wenn der Schuldner in der Weise unter Vorbehalt leistet, dass den Leistungsempfänger in einem späteren Rückforderungsstreit auch die Beweislast für das Bestehen des Anspruchs treffen soll. Ein Vorbehalt dieser Art lässt die Schuldtilgung in der Schwebe und schließt darum die Erfüllung nach § 362 BGB aus (BGH Urteil vom 24.11.2006 – LwZR 6/05, NJW 2007, 1269 Rn. 19, beck-online). Ein erfüllungshindernder Vorbehalt kann auch bei einer vorgerichtlichen Leistung anzunehmen sein. Dies ist insbesondere für die Fälle anerkannt, in denen der Schuldner nur zur Abwendung eines empfindlichen Übels oder unter der Voraussetzung leistet, dass die Forderung zu Recht besteht. Denn auch hier muss der Gläubiger davon ausgehen, dass der Schuldner die mit der Erfüllung verbundene Umkehr der Beweislast nicht hinnehmen will (BGH a.a.O., Rn. 19 mit umfangreichen Nachweisen; BGH, Urteil vom 24.10.2002 – I ZR 3/00, NJW 2003, 2014; BGH, Beschluss vom 18.01.2018 – IX ZB 31/17, BeckRS 2018, 470; siehe zusammenfassend auch MüKoBGB/Fetzer, 9. Aufl. 2022, BGB § 362 Rn. 42, m.w.N.).
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Der Schuldner hat mit dem von ihm angegebenen Verwendungszweck der Überweisung vom 03.07.2025 zum Ausdruck gebracht, dass aus seiner Sicht weiterhin zumindest die Forderungshöhe streitig bleibt. Über die Verweigerung des Anerkenntnisses hinaus wäre damit die Beweislast in einem späteren Rückforderungsprozess beim Gläubiger verblieben. Er leistete ersichtlich nur zur Abwendung der Zwangsvollstreckung. Dies muss aber ein Gläubiger nicht dulden und noch weniger muss dies eine Gerichtsvollzieherin, welche die Forderung im Auftrag des Gläubigers im Wege der Zwangsvollstreckung beitreibt. Der Vorbehalt des Bestehens der Schuld kann nicht nur als Hinweis auf die gesetzlichen Voraussetzungen des § 362 BGB, sondern dahin verstanden werden, dass den Leistungsempfänger weiterhin die Beweislast für deren Vorliegen treffen soll. Eine solche Auslegung liegt insbesondere dann nahe, wenn der Schuldner vor der Leistung bereits entsprechende Nachweise verlangt, aber nicht erhalten hatte (BGH a.a.O. Rn. 20).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde bestanden nicht. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wurde in Anwendung von § 47 GKG bestimmt.