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LG Augsburg, Urteil v. 03.06.2025 – 4 NBs 604 Js 100271/24
Titel:

Berufung, Geldstrafe, Fahrerlaubnisentzug, Überholvorgang, Geschwindigkeitsüberschreitung, Beinaheunfall, Fahrsicherheitstraining

Schlagworte:
Berufung, Geldstrafe, Fahrerlaubnisentzug, Überholvorgang, Geschwindigkeitsüberschreitung, Beinaheunfall, Fahrsicherheitstraining
Vorinstanz:
AG Nördlingen, Urteil vom 19.11.2024 – 6 Cs 604 Js 100271/24
Rechtsmittelinstanz:
BayObLG, Beschluss vom 07.10.2025 – 206 StRR 318/25
Fundstelle:
BeckRS 2025, 27028

Tenor

I. Die Berufung des Angeklagten K… R… H… gegen das Urteil des Amtsgerichts Nördlingen vom 19.11.2024 wird verworfen.
II. Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts Nördlingen im Rechtsfolgenausspruch dahingehend abgeändert, dass die Verwaltungsbehörde dem Angeklagten vor Ablauf von 12 Monaten keine neue Fahrerlaubnis erteilen darf.
III. Der Angeklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens und seine notwendigen Auslagen. Die Berufungsgebühr wird um 1/5 ermäßigt.

Entscheidungsgründe

I. (Verfahrensgang)
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Der Angeklagte wurde mit Urteil des Amtsgerichts Nördlingen vom 19.11.2024 wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs zu einer Geldstrafe von 140 Tagessätzen zu je 65 Euro verurteilt. Weiter wurde die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperrfrist von 10 Monaten für die Wiedererteilung festgelegt.
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Der Angeklagte hatte hiergegen mit Verteidigerschriftsatz vom 26.11.2024, eingegangen am gleichen Tag unbeschränkt Berufung eingelegt.
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Die Staatsanwaltschaft A. hat gegen das Urteil mit Schriftsatz vom 21.11.2024, eingegangen am 25.11.2024 Berufung eingelegt und diese auf die Rechtsfolgen beschränkt.
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Die Berufung des Angeklagten hat keinen Erfolg. Die Berufung der Staatsanwaltschaft hatte nur hinsichtlich der Dauer der Sperre für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis Erfolg und wurde im Übrigen verworfen.
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Eine Verständigung hat nicht stattgefunden.
II. (persönliche Verhältnisse)
… …
III. (Festgestellter Sachverhalt)
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Der Angeklagte fuhr am 18.10.2023 gegen 17:27 Uhr mit dem Pkw Audi, amtliches Kennzeichen, … auf der B 2 in ... in Fahrtrichtung Norden. Auf dem Abschnitt im Bereich … gilt eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 70 km/h. Vor dem Angeklagten fuhr eine Kolonne von mindestens 4 Fahrzeugen mit einer Geschwindigkeit von mindestens 60 km/h. Die genaue Zahl der Fahrzeuge und deren Abstände kannte der Angeklagte nicht.
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Trotzdem begann er im Abschnitt 2040 unter grober Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt die Fahrzeuge dieser Kolonne zu überholen, und beschleunigte hierzu auf mindestens 120 km/h. Die übersehbare Strecke betrug nur 530 Meter, selbst bei Einhaltung der zulässigen Geschwindigkeit des Gegenverkehrs legte ein in den Sichtbereich einfahrender Gegenverkehr 212 km zurück, so dass tatsächlich für den Überholvorgang nur 318 Meter zur Verfügung standen. Nachdem der Angeklagte 3 Fahrzeuge überholt hatte, nahm er wahr, dass sich im Gegenverkehr die Zeugin S… mit ihrem PKW Toyota näherte. Das dritte überholte Fahrzeug fuhr nahe auf das davor fahrende Fahrzeug auf, so dass diese Lücke für das Einscheren zu knapp war. Der Angeklagte entschied sich trotzdem gegen ein Bremsen und Einscheren in die Lücke hinter dem dritten überholten Fahrzeug, sondern beschleunigte und überholte noch das vierte Fahrzeug. Der Angeklagte ließ aus Gleichgültigkeit gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern und um seines schnelleren Fortkommens willen von vornherein keine Bedenken gegen seine Fahrweise aufkommen. Das Überholen mehrerer Fahrzeuge, die in einer Kolonne knapp unter der zulässigen Höchstgeschwindigkeit unterwegs waren und deren Abstand er nicht kannte auf einem Streckenabschnitt mit Einfahrten unter Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 50 km/h und obwohl er nur 530 Meter des Streckenverlaufs überblicken konnte war extrem riskant und verantwortungslos.
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Dies hatte für den Angeklagten vorhersehbar und vermeidbar zur Folge, dass es auf km 1.100 beinahe zu einem frontalen Zusammenstoß mit dem PKW Toyota, amtliches Kennzeichen … aus dem Gegenverkehr kam. Die Fahrzeugführerin dieses PKW Toyota, P… S… musste deswegen stark abbremsen und nach rechts ausweichen. Die Zeugin S… bremste von 70 km/h auf höchstens 35 km/h herunter und passierte nach einer Ausweichbewegung nach rechts den noch im Einschervorgang befindlichen Angeklagten. Auch das überholte Fahrzeug verringerte die Geschwindigkeit, um das Einscheren noch zu ermöglichen. Der Abstand zwischen dem mit 120 km/h auf der Gegenspur fahrenden PKW Audi des Angeklagten und dem Toyota war vor den Lenkbewegungen unter 5 Metern. Nur durch Zufall und durch die schnelle Reaktion der Fahrzeugführerin des PKW Toyota ist es knapp zu keinem Zusammenstoß gekommen. Bei einer Kollision des PKW Toyota mit dem Audi Q 7 mit einer Geschwindigkeit von 120 km/h wäre mit schwersten Verletzungen der beiden Insassen des PKW Toyota zu rechnen gewesen, möglicherweise sogar mit deren Tod. Auch wäre die Folge für beide Fahrzeuge Totalschaden gewesen. Dies hatte der Angeklagte billigend in Kauf genommen, um schneller voranzukommen.
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Der Angeklagte setzte seine Fahrt in nördlicher Richtung fort und überschritt während der weiteren Fahrt die nachfolgende Geschwindigkeitsbeschränkung von 100 km/h mindestens 2-mal um mindestens 35 km/h.
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Durch die Tat hat sich der Angeklagte als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen.
IV. (Beweiswürdigung)
A. Einlassung des Angeklagten
1) Zu den persönlichen Verhältnissen und Vorstrafen
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Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen beruhen auf den Angaben des Angeklagten. Die Auskünfte aus dem Bundeszentralregister und dem Fahreignungsregister wurden verlesen. Ebenfalls zur Verlesung kam die Bestätigung des Steuerberaters J… vom 05.11.2024.
2) Zum Sachverhalt
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Der Angeklagte räumte seine Fahrereigenschaft ein. Er gab an, auf dem Rückweg von einem Zivilprozess beim Amtsgericht Kaufbeuren gewesen zu sein. Bei Donauwörth sei die Geschwindigkeit auf 70 km/h beschränkt gewesen. Vor ihm seien mehrere Fahrzeuge zu langsam gefahren. Den Grund wisse er nicht, es sei schönes Wetter gewesen. Diese seien jedoch keine 70 km/h gefahren, sondern langsamer. Am Ende des Überholverbotes habe der dann die Kolonne überholen wollen. Er hatte schon 3 Fahrzeuge überholt, dann habe er den Gegenverkehr gesehen. Das dritte überholte Fahrzeug sei ein dunkler Golf gewesen. Dieser habe die Lücke zugefahren, also zum vorherigen Fahrzeug aufgeschlossen. Er hätte entweder dahinter einscheren können, habe sich aber entschieden, Gas zu geben und diesen sowie das nächste Fahrzeug zu überholen. Es sei ihm ungefährlicher erschienen, diese Fahrzeuge zu überholen. Er habe eine Audi Q 7, der auf die Firma laufe. Beim Überholen habe seine Geschwindigkeit mindestens 100 km/h betragen. Von einer Beschränkung auf 70 km/h habe er nichts mitbekommen. Er habe dann noch vor dem Gegenverkehr einscheren können. Zum Schluss habe er es schon als knapp empfunden, aber das sei nicht der Plan gewesen. Beim Einscheren sei nichts passiert. Er habe nicht damit gerechnet, dass der Gegenverkehr ausweichen musste. Beim Einscheren habe er mehr das überholte Fahrzeug im Spiegel beobachtet. Vor dem Überholen habe er die Abstände zwischen den PKWs der Kolonne nicht sehen können, erst beim Vorbeifahren.
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Er sei dann normal weitergefahren. An dem Tag habe er es nicht eilig gehabt.
B. Ergebnis der Beweisaufnahme
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Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme ist die Kammer davon überzeugt, dass sich der unter III. festgestellte Sachverhalt tatsächlich so zugetragen hat, wie er festgestellt worden ist. Diese Überzeugung gründet sich im Wesentlichen auf die Angaben der Zeugen S… P…, S… T…, die Angaben der Polizeibeamten T… und Z… sowie die gutachterlichen Äußerunge Sachverständigen Dipl.-Ing. S… und die in Augenscheinnahme von Bildern uns Skizzen.
1) Aussage der Zeugin S… P…
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Die uneidlich vernommene Zeugin gab an, als Fahrerin mit ihrem PKW Toyota von Blossenau nach Donauwörth gefahren zu sein. Diese Strecke sei sie damals täglich zwei Mal wegen ihrer Arbeit gefahren. Beim … sei auf 70 km/h beschränkt. Daher sei sie schon vorher vom Gas gegangen und langsamer geworden. Bei der Beschränkung habe sie noch etwas gebremst. Eigentlich fahre sie bei zulässigen 100 km/h eher 90 km/h, bei Eintritt in die 70er-Zone wäre sie bei 70 km/h gewesen. Es seien noch weitere Autos in gleicher Richtung unterwegs gewesen. Es sei eine lockere Kolonne gewesen. Es könne schon sein, dass im Hinblick auf ihre Verringerung der Geschwindigkeit die anderen Fahrzeuge ein Stück weiter waren. Hinter ihr seien jedenfalls Fahrzeuge gewesen.
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Plötzlich sei ihr ein Auto entgegengekommen. Sie sei mittig gefahren und nach rechts ausgewichen. Sie sei dann ganz rechts gewesen, aber nicht im Bankett. Außerdem habe sie abrupt gebremst. Von 70 km/h auf höchsten 30-40 km/h. Das Fahrzeug sei plötzlich vor ihr gewesen, ein Ausscheren habe sie nicht beobachtet. Es sei haarscharf gewesen, er hätte sie beinahe gerammt. Er sei dann wahnsinnig knapp an ihr vorbei und habe sie fast gestreift. Ohne das Bremsen und Ausweichen wäre es zum Zusammenstoß gekommen. Beides sei in Kombination nötig gewesen, ausweichen und bremsen. Sie sei schockiert und aufgeregt gewesen. Ihr Ehemann sei Beifahrer gewesen. Dieser sei stark nach vorne bewegt worden, so dass der Gurt eingehakt sei.
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Der Angeklagte habe sich beim Amtsgericht Nördlingen bei ihr entschuldigt und ihr Blumen gegeben. Sie habe aber immer noch ein Angstgefühl, wenn sie an der Stelle vorbeifahre.
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Der Zeugin wurde vorgehalten, dass sie bei der Polizei berichtet habe, in einer Kolonne gefahren zu sein und beim Amtsgericht angegeben habe, dass ein Fahrzeug nur 3 PKW-Längen vor ihr gefahren sei. Hierzu gab sie an, dass sie dies nicht mehr erinnere. Dort sei meist Kolonnenverkehr, es könne sein, dass die vorausfahrenden Fahrzeuge deutlicher vor ihr waren, weil sie die 70 km/h einhalte und schon vorher vom Gas gegangen sei.
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Anhand der Lichtbilder 13-19 aus dem Privatgutachten A…, Fotoanhang schilderte sie ihre Anfahrt und identifizierte auf Bild 19 die Stelle, wo es ohne ihre Lenkbewegungen zur Kollision gekommen wäre. Diese Lichtbilder wurden in Augenschein genommen.
2) Aussage des Zeugen S… T…
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Der Zeuge wurde uneidlich vernommen. Er schilderte, Beifahrer im PKW Toyota seiner Ehefrau P… S… gewesen zu sein. Sie seien auf dem Weg nach Donauwörth gewesen. Im Bereich … sei eine 70-er Zone. Er habe den Verkehr nicht beobachtet, sondern auf der Seite geschaut, was alles abgeholzt wurde. Seine Frau habe dann sinngemäß gerufen, „was macht der da“. Er habe nach vorne geschaut und habe die Front eines SUV auf sie zukommen gesehen. Seine Frau habe beherzt gebremst. Er sei in den Gurt gefallen, dieser habe arretiert. Der SUV sei dann eingeschert, es sei extrem knapp gewesen. Das Einscheren sei fast auf Höhe des letzten überholten Fahrzeugs gewesen, dieses habe nach seiner Erinnerung auch bremsen müssen. Sonst hätte das Einscheren nicht funktioniert. Er könne Entfernungen schlecht schätzen, aber ohne die Bremsung wäre es zur Kollision gekommen. Er habe dann Herzrasen gehabt, seine Frau sei sehr aufgeregt gewesen. Das Abbremsen sei nicht bis zum Stillstand gewesen, aber danach sei die Geschwindigkeit … mehr als halbiert worden.
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Mit dem Zeugen wurden die Bilder 13-19 aus dem Privatgutachten A…, Fotoanhang, in Augenschein genommen. Er konnte darauf den möglichen Punkt einer Kollision nicht genau eingrenzen, da er erst auf Zuruf seiner Frau auf das Fahrzeug des Angeklagten aufmerksam wurde und zuvor die Strecke nicht genau beobachtete.
3. Aussage des Polizeibeamten T…
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Der Polizeibeamte schilderte glaubhaft, mit dem Kollegen Z… mit dem zivilen Einsatzfahrzeug auf Streife gewesen zu sein. Auf Höhe des … hätten sie eine Verkehrskontrolle durchgeführt, diese sei gerade abgeschlossen gewesen. Er wisse nicht, ob er schon im Fahrzeug gewesen sei oder noch daneben gestanden habe. Sie hätten beobachtet, dass ein schwarzer Audi zügig mehrere PKWs überholte, die in Richtung Kaisheim unterwegs gewesen seien. Beim … sei auf 70 km/h beschränkt. Es sei reger Verkehr in Richtung Kaisheim gewesen, dort seien Kolonnen normal.
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Der PKW sei mindestens 100 km/h gefahren, wohl sogar mehr. Ein Fahrzeug im Gegenverkehr habe bremsen und nach rechts ausweichen müssen. Es sei knapp gewesen, ohne die Bremsung wäre definitiv ein frontaler Zusammenstoß erfolgt. Zwar sei das Fahrzeug nicht bis zum Stand abgebremst worden, aber die Geschwindigkeit mindestens halbiert.
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Ihr Dienstfahrzeug sei am Fahrbahnrand in Richtung Kaisheim gestanden. Sie hätten die Verfolgung aufgenommen, er meinte Beifahrer gewesen zu sein. Er habe noch das Kennzeichen von dem PKW im Gegenverkehr gemerkt und dann notiert. Nach etwa 1,5 km hätten sie auf den Angeklagten aufgeschlossen. Ihr Fahrzeug sei mit dem Messsystem Provida ausgerüstet gewesen und der Angeklagte sei mehrfach gemessen worden. Im Bereich von einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h sei der Angeklagte auf zwei Strecken von jeweils über 500 Metern mit über 140 km/h gemessen worden. Es sei noch eine Toleranz von 5 % abzuziehen.
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Das Video von der Nachfahrt wurde in Augenschein genommen und durch den Zeugen erläutert. Dieser schilderte auch die Messungen und teilten deren Ergebnisse mit. Dies stimmte mit den Aufzeichnungen des Videos überein. Insgesamt zeigt das Video, dass der Angeklagte auch im weiteren Streckenverlauf Richtung Norden äußerst rasant fuhr, den Abstand zu anderen Fahrzeugen unterschritt und die zulässige Geschwindigkeit über mehrere Kilometer durchgehend nicht beachtete.
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Der Zeuge T… gab weiter an, dass er nicht wisse, ob auf der Nachfahrt bis zur Messung der Gegenverkehr stark war und ob mehrfach Fahrzeuge überholt werden mussten. Er meinte aber eher nicht. Um den Angeklagten einzuholen seien sie mit dem Dienstfahrzeug bis zu 160 km/h gefahren, aber ohne Gefährdung anderer Teilnehmer. Blaulicht hätten sie nicht verwendet, um den Angeklagten nicht zu warnen. Der Angeklagte sei dann angehalten und belehrt worden. Ein Reifen des Q 7 sei in schlechtem Zustand gewesen. Der Angeklagte sei genervt und wenig einsichtig gewesen.
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Der Polizeibeamte zeichnete den Standort des Dienstfahrzeuges bei der Kontrolle und den von ihm beobachteten Punkt der möglichen Kollision auf einer vom Sachverständigen S… erstellten Unfallskizze ein. Diese wurde in Augenschein genommen und in Anlage zu Protokoll.
4. Aussage des Polizeibeamten Z…
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Der Polizeibeamte schilderte glaubhaft, mit dem zivilen Dienstfahrzeug auf Streife gewesen zu sein. Er habe zusammen mit dem Kollegen T… eine Verkehrskontrolle beim … durchgeführt. Diese sei gerade beendet und er zurück am Streifenwagen gewesen. Er sei aber noch gestanden. In Richtung Kaisheim sei eine Autoschlange gefahren. Er sei gerade beim Einsteigen gewesen, als er beobachtete, wie ein Audi SUV die Schlange flott überholte. Aus der Gegenrichtung sei eine Fahrzeugschlange entgegengekommen. Der Audi habe aber weiter überholt Das vorderste Fahrzeug aus dem Gegenverkehr habe stark gebremst und sei nach rechts ausgewichen. Es sei knapp gewesen, er habe den Aufprall schon fast gesehen.
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Die Schlange der überholten Fahrzeuge sei nicht langsam gefahren. Dort sei 70 und es werde mit 70 km/h gefahren. Es sei auch kein langsames Fahrzeug vorweg gewesen. Die Schlange sei sicher nicht mit den 50 km/h aus der Ortschaft unterwegs gewesen. Mindestens mit 60-70 km/h. Die Schlange sei mit den üblichen Abständen im Kolonnenverkehr gefahren. Auch auf mehrfache Nachfrage des Verteidigers blieb der Zeuge dabei, dass die Kolonne mit 70 km/h gefahren sei und er noch neben dem Dienstfahrzeug gestanden sei.
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Sie hätten dann mit dem zivilen Dienstfahrzeug die Verfolgung aufgenommen. Dabei hätten sie schon überholen müssen, seien aber ohne Sondersignal gefahren. Nach vielleicht 3 km hätten sie den Angeklagten eingeholt und mit dem System Provida gemessen. Er habe bei einer Messung die Geschwindigkeit um 36 km/h überschritten, zulässig seien 100 km/h gewesen. Er meinte, Beifahrer gewesen zu sein. Der Angeklagte sei dann kontrolliert worden. Dabei habe er gesichert und dann die Abfragen gemacht. Der Kollege habe das Gespräch mit dem Angeklagten geführt und gemeint, dieser sie uneinsichtig gewesen.
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Der Polizeibeamte zeichnete den Standort des Dienstfahrzeuges bei der Kontrolle und den von ihm beobachteten Punkt der möglichen Kollision auf einer vom Sachverständigen S… erstellten Unfallskizze ein. Diese wurde in Augenschein genommen und in Anlage zu Protokoll.
5. Urkunden/weitere Beweismittel
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Zur Verlesung kamen die Auskünfte aus dem Bundeszentralregister und dem Fahreignungsregister.
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Weiter wurden im allseitigen Einverständnis verlesen:
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Bestätigung der Fahrschule F… vom 04.07.2024, Bl. 73
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Bestätigung Steuerberater J… vom 05.11.2024, Bl. 75
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Bescheinigung über verkehrspsychologisches Beratungsgespräch am 05.03.2025, Anlage zu Protokoll
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Die Lichtbilder sowie die Unfallskizzen aus dem Gutachten Dipl-Ing S… wurden in Augenschein genommen. Aus dem Gutachten A… wurden die Bilder aus dem Fotoanhang 13-19 in Augenschein genommen, dazu auch die Bilder Anlage IX bis XII.
5. Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. S…
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Die Kammer hat sich durch den Sachverständigen für die Rekonstruktion von Unfällen Dipl.-Ing … beraten lassen, der beim Landgericht Augsburg aus mehreren Verfahren als äußert erfahrener und kompetenter Sachverständiger bekannt ist.
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In Vorbereitung des Sachverständigengutachtens erhob der Gutachter alle relevanten Faktoren der Örtlichkeit, insbesondere den Bereich und das Ende des Überholverbotes, den Straßenverlauf und die Geschwindigkeitsbeschränkung. Weiter ermittelte er die Straßenbreite von 4,2 Meter je Fahrbahn und die Breite des Fahrzeugs des Angeklagten mit 2,2 Metern und die Breite des Fahrzeugs Toyota mit 2,01 Metern. Er erläuterte, dass aus Fahrtrichtung des Angeklagten bei Ende des Überholverbotes die einsehbare Strecke 530 Meter beträgt. Dies erläuterte er anhand der Bilder uns Skizzen seines schriftlichen Gutachtens, die alle in Augenschein genommen wurden. Für einen Überholvorgang stünden aber tatsächlich nur 318 Meter zur Verfügung, da der Gegenverkehr ab Einfahrt in das Sichtfeld bei Einhaltung der Geschwindigkeitsbeschränkung 212 Meter zurücklegen würde.
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Ausgehend von den übereinstimmenden Angaben der Zeugen im Termin ging der Sachverständige von einem Beinaheunfall aus, hinsichtlich der Stelle der möglichen Kollision grenzte er den Bereich auf Grundlage der Aussagen auf den Bereich bei Bild 19 Gutachten … Fotoanhang, ein.
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Hinsichtlich der Kolonne erstellte der Sachverständige zunächst eine Simulation mit der an dieser Stelle zulässigen Geschwindigkeit von 70 km/h. Er ging zugunsten des Angeklagten davon aus, dass die überholten Fahrzeuge untereinander den Sicherheitsabstand nicht einhielten und nur der Sekundenabstand bestand, der bei 19,50 m liege. Unter diesen Annahmen hätte der Angeklagte zügig auf 140 km/h beschleunigen und mit dieser Geschwindigkeit überholen müssen, um noch knapp vor dem bremsenden und ausweichenden PKW Toyota einscheren zu können, ohne dass es zum Unfall komme.
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Die gleiche Berechnung führte der dann ausgehend von der vom Zeugen Z… als Untergrenze genannten Geschwindigkeit der Kolonne mit 60 km/h durch. Hierbei müsste die Überholgeschwindigkeit des Angeklagten mindestens 120 km/h betragen haben.
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Sobald der Abstand zwischen der Geschwindigkeit der Kolonne und der Geschwindigkeit des Angeklagten minimal kleiner wäre, komme es zu einem Unfall. Dieser wäre auch erfolgt, wenn die Zeugin S… schneller als 70 km/h gefahren wäre oder nicht gebremst hätte.
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Auch wenn innerhalb der Kolonne die PKWs einen größeren Abstand gehabt hätten, hätte der Angeklagten den Überholvorgang nicht beenden können. Die Angaben der Zeugin S… zum knappen Einscheren seien aus Sicht des Sachverständigen nachvollziehbar. Letztlich sei die Stelle zum Überholen einer Kolonne, die eine Geschwindigkeit von 60 km/h oder 70 km/h fahre, nicht geeignet. Die Chance zu unfallfreiem Überholen hänge von zahlreichen Faktoren ab, u.a. dem Abstand der überholten Fahrzeuge. Der Angeklagte habe geäußert, dass er diesen nicht gekannt habe. Dies sei bei der Nachfahrt nachvollziehbar. Selbst aus der vorherigen Kurve sei dem Angeklagten keine genaue Einschätzung möglich gewesen.
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Im weiteren Verlauf variierte der Verteidiger die Variablen und wählte Anknüpfungspunkte, die der Beweisaufnahme nicht entsprachen. Hierzu erklärte der Sachverständige unter anderem, dass die Berechnungen des Privatgutachters A… nachvollziehbar seien, dass bei einer Kolonnengeschwindigkeit von 50 km/h die Überholgeschwindigkeit des Angeklagten 100 km/h betragen müsse. Dafür habe er aber keine Anknüpfungspunkte.
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Ebenfalls erläuterte er auf Fragen des Verteidigers, dass theoretisch der Angeklagte zwischen dem überholten Fahrzeug und dem PKW Toyota hätte durchfahren können und dabei einen Mindestabstand von 0,5 Meter einhalten können. Dies hänge aber davon ab, wo der Überholte auf seiner Fahrspur fahre. Technisch möglich sei es, aber ob es gefahrlos sei, sei schwer einzuschätzen.
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Weiter gab der Sachverständige an, dass es nicht nachvollziehbar sei, dass 3 Fahrzeuglängen vor dem PKW Toyota ein weiteres Fahrzeug in gleicher Richtung fahre. Dies müsse mindestens der Abstand der Überholstrecke gehabt haben. Insoweit könne die Aussage der Zeugin S… beim Amtsgericht nicht nachvollzogen werden, vielmehr sei die Aussage des Zeugen Z… plausibel, dass sie die erste in der Kolonne in Richtung Donauwörth war.
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Letztlich führte der Sachverständige aus, dass ein Zusammenstoß nur nicht erfolgt ist, weil der Angeklagte mit mindestens 50 km/h über der Höchstgeschwindigkeit überholte, die Zeugin S… die zulässige Geschwindigkeit einhielt und zudem bremst und auch die Abstände in der Kolonne eng waren und unter dem Mindestabstand lagen. Bei Wahrnehmung der Zeugin S… im Gegenverkehr hätte der Angeklagte nach dem PKW Golf in die Kolonne einscheren können, auch wenn dieser Einschervorgang mit einer gleichzeitigen deutlichen Bremsung verbunden gewesen wäre.
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Diesen glaubhaften Ausführungen schließt sich die Kammer aufgrund eigener Würdigung ausgehend von den sich aus der Beweisaufnahme ergebenden Anknüpfungstatsachen an.
6. Gesamtwürdigung
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Nach Abwägung sämtlicher vorgenannter Umstände ist die Kammer davon überzeugt, dass sich der Sachverhalt sowie unter Zif. III festgestellt, zugetragen hat. Dies ergibt sich durch die Angaben der Zeugen P… und T… S…
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Zwar dürfte die Aussage der Zeugin S… zu dem vorausfahrenden Fahrzeug beim Amtsgericht und zum Kolonnenverkehr unzutreffend sein. Dies steht im Widerspruch zu den Angaben des Zeugen Z… dass sie erste in der Kolonne war und auch im Widerspruch zur Einschätzung des Sachverständigen. Hierbei handelt es sich jedoch um eine Einschätzung zu einer Verkehrslage vor dem Tatzeitpunkt, in dem die Aufmerksamkeit noch nicht geschärft war. Auch ist zu berücksichtigen, dass die Zeugin diese Strecke damals mehrfach täglich zurücklegte und nicht ausschließbar ist, dass sie von dem sonst üblichen Kolonnenverkehr einen Rückschluss tätigte.
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Im Kerngeschehen stimmen die Angaben der Zeugen S… P… und S… T… aber überein, ohne abgesprochen zu wirken. Beide schildern den Audi SUV auf ihrer Fahrspur entgegenkommen, das abrupte Bremsen und die Ausweichbewegung. Auch schildern beide, dass der Audi sehr knapp an ihnen vorbeifuhr, dabei erst einscherte und ohne die Reaktion der Zeugin S… ein Aufprall erfolgt wäre.
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Dies wird bestätigt durch die beiden Polizeibeamten, die von ihrer Kontrollstelle am … aus auf den rasanten Überholvorgang aufmerksam wurden, den Angeklagten beobachteten und dann auch das starke Bremsen und die Ausweichbewegung des Gegenverkehrs wahrnahmen. Beide gaben an, dass ein Unfall nur sehr knapp ausblieb. Weiter machten beide übereinstimmende Angaben zu der Fahrzeugkolonne, der Geschwindigkeitsbeschränkung und zu den weiteren Messungen, die auch durch das in Augenschein genommene Video bestätigt wurden.
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Zwar zeichneten die Polizeibeamten in die Skizzen den Standort ihres PKWs und den möglichen Ort der Kollision leicht abweichend ein. Auch sind ihre Angaben hinsichtlich des Fahrers des Dienstfahrzeuges abweichend, beide wollen Beifahrer gewesen sein. Zudem weisen die Angaben zur Fahrt und Länge bis zur Einholung des Angeklagten leichte Abweichungen auf. Dies spricht jedoch nicht gegen die Richtigkeit der Angaben im Kerngeschehen, sondern vielmehr dafür, dass sie sich nicht abgesprochen haben und aus ihrer Erinnerung berichten. Dass zum Randgeschehen die Erinnerung von Polizeibeamten nach 1,5 Jahren Unschärfen aufweist, spricht nicht gegen die Richtigkeit der Angaben zum Kerngeschehen.
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Insgesamt sind die Angaben der Zeugen glaubhaft, schlüssig und nachvollziehbar. Die Schilderungen passen in der Würdigung zu den Ausführungen des Sachverständigen, dass ein gefahrloses Überholen der Kolonne nicht möglich war und selbst bei deutlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit der Angeklagte gerade noch einscheren konnte.
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Das Fahrmanöver des Angeklagten ist als grob verkehrswidrig und rücksichtslos einzustufen. Die grobe Verkehrswidrigkeit setzt einen besonders schwerwiegend erscheinenden Verkehrsverstoß voraus. Wie das Gutachten ergab, musste der Angeklagte selbst bei einer Geschwindigkeit der Kolonne von nur 60 km/h auf mindestens 120 km/h beschleunigen, um überhaupt den Überholvorgang noch knapp abschließen zu können. Die Geschwindigkeit ist an der Stelle S… wegen mehrerer Ausfahrten auf 70 km/h beschränkt, um Gefahrensituationen zu minimieren. An dieser gefährlichen Stelle überschritt der Angeklagte die zulässige Höchstgeschwindigkeit um mindestens 50 km/h. Er überholte eine Kolonne, obwohl er die dafür erforderliche Strecke unter Berücksichtigung der Strecke, die der Gegenverkehr zurücklegen würde, nicht ausreichend überblicken konnte. Auch war für ihn die Verkehrslage vollkommen unklar, da er weder die Abstände der PKWs kannte, die er überholen wollte, noch wusste, ob und mit welcher Geschwindigkeit der Gegenverkehr kommt. Der gesamte Überholvorgang stellte sich somit als grob verkehrswidrig dar, gleiches gilt für die Fortsetzung dieses Vorganges, als er schon den Gegenverkehr erkannt hat. Auch hier hielt er weiter die hohe Geschwindigkeit oder erhöhte diese noch, statt abzubremsen und hinter dem PKW-Golf einzuscheren.
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Der Angeklagte hat sich über seine Pflichten im Straßenverkehr aus eigensüchtigen Beweggründen hinweggesetzt. Die Kolonne fuhr in die gleiche Richtung und beachtete die Regelungen zur zulässigen Höchstgeschwindigkeit. Der Angeklagte hatte keinen Überblick, welche Abstände zwischen den einzelnen Fahrzeugen der Kolonne waren und ob ein Einscheren bei Gegenverkehr gefahrlos möglich sein würde. Dies war ihm egal. Er wollte schneller vorankommen und fuhr einfach drauf los. Dabei lies er bewusst die im Verkehr erforderliche Vorsicht außer Acht und vertraute darauf, dass ihm die anderen schon Platz machen würden und er sich bei Gegenverkehr in die Kolonne zwängen kann. Als dann tatsächlich der Gegenverkehr kam, musste er feststellen, dass auch der Fahrer des PKW-Golfes wenig Rücksicht auf ihn nahm und die Lücke zum Vordermann sogar verkleinerte und ein Einscheren verweigerte. Danach hätte er noch die Option gehabt, zu bremsen und in der Lücke hinter dem PKW-Golf einzuscheren, die durch dessen Fahrverhalten ja noch vergrößert war. Doch hier zeigte sich wieder die eigensüchtige Einstellung des Angeklagten, er setzte den Überholvorgang mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit fort und erwartete, dass ihm der Gegenverkehr schon Platz macht. Dies erfolgte durch Abbremsen und Ausweichen.
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Die Kammer hat sich ausgehend von der Einlassung des Angeklagten auch überlegt, ob nicht ein Augenblicksversagen des Angeklagten vorlag, das durch den Lückenschluss des PKW-Golfes verstärkt wurde. Dies konnte die Kammer aber ausschließen. Den Überholvorgang begann er auf gut Glück und unter massivem Verstoß gegen die Verkehrsregeln. Bei Erblicken des Gegenverkehrs setzte er dieses eigensüchtige Streben nach schneller Fahrt auch zu Lasten der anderen Verkehrsteilnehmer fort und überholte bewusst weiter. Auch dass er andere Fahrzeuge zu deutlichen Fahrmanövern zwang, um einen Unfall zu vermeiden, löste in ihm keinerlei Reflexion aus. Vielmehr zeigt die rasante Fahrweise, mit der er seine Fahrt danach fortsetzte, dass es kein einmaliger Ausrutscher war, sondern Teil seines rücksichtslosen Fahrstils. Dieses Bild wird durch den Eintrag im Fahreignungsregister abgerundet.
V. (Rechtliche Würdigung)
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Der Angeklagte hat sich somit wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs gem. § 315 c Abs. 1 Nr. 2 b, Abs. 3 Nr. 2 StGB strafbar gemacht.
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Wie ausgeführt, handelte der Angeklagte bei dem Überholvorgang grob verkehrswidrige und rücksichtslos. Er überholte mindestens 4 in einer Kolonne fahrende Personenkraftwagen, deren Abstand er nicht kannte. Diese fuhren im Bereich der Beschränkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit mindestens mit 60 km/h. Er konnte nur eine Strecke von 530 Meter überblicken. Dabei war klar, dass ein Teil dieser Strecke durch ein entgegenkommendes Fahrzeug verbraucht wurde. Somit verblieben ihm nur 318 Meter für den Überholvorgang. Schon bei Beginn des Überholvorgangs war es klar, dass er deutlich schneller als die zulässige Höchstgeschwindigkeit fahren musste und er schon damit andere Verkehrsteilnehmer gefährdete. Er musste damit rechnen, dass es bei Gegenverkehr zu äußerst gefährlichen Situationen kommen würde, entweder durch das Drängen in die Kolonne oder das sehr knappe Einscheren. Dies nahm er aber in Kauf, um schnell voranzukommen.
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Die konkrete Gefahr des Beinaheunfalls war gegeben. Die Fahrzeuge bewegten sich nur dank der Brems- und Ausweichbewegung der Zeugin S… mit dem PKW Toyota knapp aneinander vorbei, wobei der Angeklagte mit mindestens 120 km/h fuhr und gerade im Einscheren war, die Zeugin S… mit 70 km/h. Hinsichtlich des minimalen Abstandes und den zu erwartenden Folgen beim Zusammenstoß mit den genannten Geschwindigkeiten wird auf obige Ausführungen Bezug genommen.
VI. (Strafzumessung)
1. Strafrahmenwahl
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Für die fahrlässige Gefährdung des Straßenverkehrs sieht die gesetzliche Regelung eine Freiheitsstrafe von einem Monat bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe von fünf bis 360 Tagessätzen vor.
2. Strafzumessung
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Im Rahmen der Strafzumessung hat die Kammer zugunsten des Angeklagten insbesondere berücksichtigt, dass er seine Fahrereigenschaft und den Überholvorgang grundsätzlich bereits in der Hauptverhandlung in erster Instanz und auch in der Berufungsverhandlung eingeräumt und insoweit ein Teilgeständnis abgelegt hat. Weiter ist zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, dass er keine Einträge im Bundeszentralregister aufweist und sich bei der Geschädigten S… sowohl beim Amtsgericht Nördlingen als auch in der Hauptverhandlung beim Landgericht entschuldigt hat. Beim Amtsgericht hat er die Entschuldigung mit der Übergabe von Blumen und Wein begleitet. Weiter wertet die Kammer zugunsten des Angeklagten, dass er am 04.07.2024 an einem Fahrsicherheitstraining teilgenommen hat und am 05.03.2025 ein einstündiges verkehrspsychologisches Beratungsgespräch absolviert hat, in dem auch die Aufarbeitung der Ursachen des Deliktes ein Thema war.
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Zu Lasten des Angeklagten hat die Kammer insbesondere berücksichtigt, dass der Angeklagte auch nach dem Beinaheunfall seine risikoreiche Fahrweise fortgesetzt hat und auch im weiteren Verlauf der Fahrt bis zur polizeilichen Kontrolle die zulässige Höchstgeschwindigkeit deutlich überschritt. Weiter ist zu sehen, dass der Angeklagte selbst nach der Anhaltung durch die Polizei und in Kenntnis des Verfahrens gegen die Regelungen zur Höchstgeschwindigkeit verstieß und am 24.01.2024 die zulässige Geschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 29 km/h überschritt. Zu sehen ist auch, dass die Geschädigte S… immer noch Nachwirkungen des Vorfalls zeigt und insbesondere bei Passieren dieses Streckenabschnitts Angstgefühle entwickelt.
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Sodann hat die Kammer eine umfassende Gesamtabwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechender Umstände, die im Rahmen der Strafzumessung zu gewichten sind, vorgenommen. Nach Abwägung aller tat- und täterbezogenen Strafzumessungsgesichtspunkte, insbesondere der oben genannten, war eine Geldstrafe noch ausreichend, die vom Amtsgericht ausgesprochene Höhe von 140 Tagessätzen auch tat- und schuldangemessen.
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Die Tagessatzhöhe von 65 € entspricht den wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten. Dieser lebt im Eigenheim, das vollständig bezahlt ist. Er hat keine Unterhaltspflichten und keine privaten Schulden. Sowohl seine Ehefrau als auch die beiden erwachsenen Kinder, die im Haus des Angeklagten leben, verfügen über ausreichend eigene Einkünfte. Dem Angeklagten ist das mietfreie Wohnen im Eigenheim als Vorteil anzurechnen. Zudem bezieht er Einkünfte aus seiner Firma. Zu diesen Einkünften hat der Angeklagten keine aktualisierte Gewinnbestätigung vorgelegt. Die Gewinnbestätigung vom 05.11.2024 enthält nur den Gewinn bis August 2024 und könnte auf einen Einbruch dieses Gewinns hindeuten. Im Jahr 2024 hat die GbR aber auch nach Ablauf der Leasingzeit den Audi Q 7 für 35.000 € abgelöst, was diese „Delle“ durchaus erklären kann. Die Kammer geht daher davon aus, dass der Gewinnanteil des Angeklagten weiter bei durchschnittlich mindestens 27.000 € im Jahr liegt. Davon verbleiben nach Steuer und Versicherung mindestens 1.400 € monatlich, so das unter Berücksichtigung des mietfreien Wohnens die Tagessatzhöhe von 65 € zutreffend ist. Dabei wurde nicht berücksichtigt, ob der Angeklagte für seine Fahrertätigkeit im Betrieb noch ein zusätzliches Einkommen erzielt oder Spesenzahlungen erhält.
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Das Gericht hat geprüft, ob eine Zahlungserleichterung nach § 42 StGB anzuordnen ist. Im Hinblick auf die gefestigten wirtschaftlichen Verhältnisse war die Kammer der Überzeugung, dass Rücklagen in ausreichendem Umfang vorhanden sind.
VII. (Führerscheinmaßnahme)
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Durch die verfahrensgegenständliche Tat hat sich der Angeklagte charakterlich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen, wobei davon auszugehen ist, dass sich die in der verfahrensgegenständlichen Tat zutage getretenen charakterlichen Mängel auch künftig in derartigen Verletzungen von Kraftfahrerpflichten manifestieren werden, aus denen sich Gefahren für die Allgemeinheit ergeben.
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Gemäß § 69 Abs. 2 Nr. 1 StGB liegt ein Regelfall für die Entziehung der Fahrerlaubnis vor. Besondere Umstände, die diese Regelvermutung widerlegen könnten, liegen weder in der Tat noch in der Person des Angeklagten vor.
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Die Tat selbst weist keine Besonderheiten gegenüber der Masse der vorkommenden Fälle auf, die sie gegenüber den sonstigen Fällen in einem milderen Licht erscheinen lassen würden. Vielmehr hat der Angeklagte bewusst die Geschwindigkeitsbeschränkung in einem Streckenabschnitt mit gefährlichen Ausfahrten massiv überschritten und hat mit dieser überhöhten Geschwindigkeit eine Kolonne überholt, wobei er weder den Abstand der überholten Fahrzeuge kannte noch die für den Überholvorgang erforderliche Strecke übersehen konnte. Hierbei wäre es fast auf der Bundesstraße zu einem Frontalzusammenstoß bei hoher Geschwindigkeit gekommen, die indizielle Bedeutung des Regelbeispiels wird hier keinesfalls kompensiert.
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Wie ausgeführt, beruhte der Beinaheunfall auf einem massiven Fehlverhalten des Angeklagten im Straßenverkehr. Dieses basiert in einer Gesamtschau auf der rasanten und rücksichtslosen Fahrweise des Angeklagten. Dies zeigt sich verstärkt auch in der Fortsetzung des Überholvorgangs trotz Gegenverkehrs und in der Fortsetzung der Fahrt mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit.
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Die Kammer ist davon überzeugt, dass weder das Fahrsicherheitstraining noch das verkehrspsychologische Gespräch im vorliegenden Fall eine Ausnahme von der Regelvermutung begründen. Bei rasanten Fahrern führt ein Fahrsicherheitstraining zur Überzeugung der Kammer in seltenen Fällen zu einer Abkehr von dem bisher gepflegten Fahrstil, vielmehr oft zu der Annahme, dank des Trainings schnelles Fahren noch besser zu beherrschen. Der einstündige Gesprächstermin hat zwar eine Bestätigung für das Gericht zur Folge, Dauer und Zeitpunkt sprechen jedoch nicht dafür, dass eine Umkehr im Fahrverhalten zu erwarten sind. Die Dauer eines einstündigen Gesprächs lässt nicht erwarten, dass ein eingeübtes und auch ausgeprägt praktiziertes Verhalten hinterfragt und abgeändert wird. So hat der Beinahe-Unfall im weiteren Fahrverlauf nicht zu einer Anpassung der Geschwindigkeit an die Verkehrsregeln geführt und die polizeiliche Anhaltung und Ansprache hat die neue Verkehrsordnungswidrigkeit nicht verhindert. Wenn so einschneidende Momente kein Umdenken erzeugen, dann sicher kein Gesprächstermin von 60 Minuten. Auch war es nicht geboten, durch medizinisch-psychologisches Gutachten den „Therapieerfolg“ zu überprüfen. Das einstündige Gespräch ist mit einer Therapie nicht vergleichbar und kratzt allenfalls leicht an der Oberfläche.
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Die Tatsache, dass der Angeklagte nach Kenntnis des Verfahrens erneut am 24.01.2024 einen erheblichen Geschwindigkeitsverstoß beging, spricht dafür, dass sein rasanter Fahrstil nach der Tat und trotz des Verfahrens fortgesetzt wurde.
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Auch unter Berücksichtigung des Zeitablaufs ergibt sich keine andere Einschätzung, zumal der Angeklagte zwischen Tat und Verhandlung, dem Zeitraum, in dem sich Angeklagte regelmäßig um besondere Vorsicht bemühen, erneut in Erscheinung getreten ist.
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Eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis, die dem Mangel entgegenwirken hätte können, bestand nicht.
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Eine Sperre von 12 Monaten ist zur Überzeugung des Gerichtes notwendig, um unter Berücksichtigung der gesamten Persönlichkeit des Angeklagten, seines Vorlebens, seines Verhaltens bei und nach der Tat sowie der gesamten Tatumstände und der oben im Einzelnen geschilderten Strafzumessungserwägungen, auf die Bezug genommen wird, um beim Angeklagten das erkennbare Verhaltensdefizit zu beseitigen. Dabei wurde bedacht, dass er eine hohe Fahrpraxis hat und zugleich als Fahrer für das von ihm geführte Transportunternehmen tätig ist und sich der Entzug bei ihm wirtschaftlich härter auswirkt.
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Die Länge der Sperrzeit überfordert den Angeklagten nicht. Zwar betreibt der Angeklagte ein Transportunternehmen und fährt auch selbst LKW. Außerdem berichtet der Angeklagte, dass es schwer sei, Fahrer zu finden. Letztlich hängt die Einstellung von Mitarbeitenden auf dem freien Arbeitsmarkt vom angebotenen Lohn ab. Sobald das Transportunternehmen bessere Konditionen als Konkurrenzunternehmen bietet, kann ein geeigneter Ersatzfahrer eingestellt werden. Dies wird zwar den Gewinn mindern, aber letztlich nicht im direkten Verhältnis, da die höhere Belastung des Unternehmens auch dessen Steuerlast verringern wird. Die Länge der Sperrzeit ist verhältnismäßig und zumutbar.
VIII. (Kosten)
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 StPO.