Inhalt

VG München, Beschluss v. 25.08.2025 – M 9 E 25.4295
Titel:

Einstweiliger Rechtsschutz, Genehmigungsfreistellungsverfahren, Anspruch auf Verpflichtung zur Baueinstellung, Inzidente Überprüfung eines Bebauungsplans im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur auf offensichtliche Fehler

Normenketten:
VwGO § 123
BayBO Art. 58
BayBO Art. 75
Schlagworte:
Einstweiliger Rechtsschutz, Genehmigungsfreistellungsverfahren, Anspruch auf Verpflichtung zur Baueinstellung, Inzidente Überprüfung eines Bebauungsplans im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur auf offensichtliche Fehler
Fundstelle:
BeckRS 2025, 26874

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens ein-schließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Der Streitwert wird auf EUR 5.000,-- festgesetzt.

Gründe

1
I. Die Antragstellerin begehrt im einstweiligen Rechtsschutz die Verpflichtung des Antragsgegners zum bauaufsichtlichen Einschreiten in Form einer Baueinstellung der Bautätigkeiten der Beigeladenen zu 1. auf dem Grundstück FlNr. 70/4, Gemarkung R* …- …, R* …weg 10 in R* …- …
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Zur Vorgeschichte wird Bezug genommen auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts vom 3. Mai 2023, Az. M 9 SN 22.3495 und vom 6. März 2024, Az. M 9 SN 24.1028 sowie den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 11. September 2023, Az. 2 CS 23.977 (die Beschlüsse vom 3.5.2023 und vom 11.9.2023 sind veröffentlicht, die Beschlüsse vom 11.9.2023 und vom 6.3.2024 sind der Antragstellerin bekannt, vgl. S. 5 f. des Schriftsatzes vom 15.7.2025), bezogen auf die Antragstellerin außerdem auf die beigezgoenen Verfahren Az. M 9 K 24.598 und M 9 SN 24.1049.
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Mittlerweile liegt für das Baugrundstück der (vorhabenbezogene) Bebauungsplan Nr. 25a „G* … K* … – Seminarhaus“ der Beigeladenen zu 2. vor, der ein Sondergebiet „Seminarhaus“ festsetzt und für das Baugrundstück den Bebauungsplan Nr. 25 „U* …-S* …-/Nördliche und Südliche Hauptstraße, R* …- und Sc* …weg“ (hier Teilbereich 1) ersetzt. Das streitgegenständliche Vorhaben der Beigeladenen zu 1., das Bauvorhaben „Neubau eines Seminarhauses mit Tiefgarage“, wird seit dem Inkrafttreten dieses Bebauungsplans vom Antragsgegner und von der Beigeladenen zu 2. im sogenannten Freistellungsverfahren behandelt.
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Mit Schriftsatz vom 15. Juli 2025 lässt die Antragstellerin beantragen,
Der Antragsgegnerin ist im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO aufzugeben, die Bautätigkeiten am Vorhaben „G* … K* … – Seminarhaus“ auf der Flurnummer 70/4 der Gemeinde R* …- … unverzüglich durch eine für sofort vollziehbar zu erklärende Anordnung gegenüber der Beizuladenden einzustellen.
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Auf die Begründung des Antrags im Schriftsatz vom … Juli 2025 samt Anlagen wird Bezug genommen, ebenso auf den ergänzenden Schriftsatz vom … Juli 2025.
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Die Antragstellerin hat beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof Normenkontrolle gegen den Bebauungsplan Nr. 25a der Beigeladenen zu 2. erheben lassen (Az. * * …*) sowie einen Antrag gemäß § 47 Abs. 6 VwGO, gerichtet auf vorläufige Außervollzugsetzung dieses Bebauungsplans gestellt (Az. * … …*). Mit Beschluss vom 12. August 2025, auf den Bezug genommen wird, hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof den zuletzt genannten Antrag abgelehnt.
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Mittlerweile hat die Antragstellerin auch Verpflichtungsklage, gerichtet auf die Verpflichtung des Antragsegners, die Bauarbeiten zum Bauvorhaben der Beigeladenen zu 1. einzustellen, hilfsweise die Antragsgegnerin zu verpflichten, der Beiladenen zu 1. die Nutzung des Vorhabens „G* … K* …-Seminarhaus“ zu untersagen (Az. M 9 K 25.4736).
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Die Beigeladenen haben sich durch Schriftätze ihrer jeweiligen Bevollmächtigten vom 30. Juli 2025 und vom 5. August 2025 (Beigeladene zu 1.) bzw. vom 29. Juli 2025 (Beigeladene zu 2.), auf die jeweils Bezug genommen wird, geäußert und jeweils Antragsablehnung beantragt.
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Der Antragsgegner hat sich bislang noch nicht geäußert.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren und im zugehörigen Klageverfahren Az. M 9 K 25.4736, sowie auf die beigezogenen Akten der Verfahren Az. M 9 K 22.503, M 9 SN 22.3495, M 9 K 24.633, M 9 SN 24.1028 und schließlich der beigezogenen Akten der parallelen Rechtsbehelfe eines anderen Nachbarn des Baugrundstücks, Az. M 9 K 25.4734 und M 9 E 2025.4331, Bezug genommen.
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II. Der Antrag hat keinen Erfolg.
A.
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Der Antrag ist zulässig.
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I. Der Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO ist im vorliegenden Fall eines gemäß Art. 58 Abs. 1 BayBO genehmigungsfrei gestellten Vorhabens statthaft, da in diesem Fall der gemäß § 123 Abs. 5 VwGO grundsätzlich vorrangige Rechtsschutz nach §§ 80a, 80 Abs. 5 VwGO mangels Baugenehmigungsbescheid und folglich mangels Möglichkeit der Erhebung einer Anfechtungsklage in der Hauptsache ausscheidet.
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II. Die Antragstellerin ist als Eigentümerin der auf der gegenüberliegenden Straßensteite gelegenen Grundstücke FlNr. 149 und 149/10 der Gemarkung R* ……, Anwesen R* …weg 9 in R* …- …, auf dem die Antragstellerin Ferienwohnungen vermietet, in persönlicher Hinsicht und unter Berücksichtigung der gegen das Bauvorhaben der Beigeladenen zu 1. vorgebrachten Einwände auch in sachlicher Hinsicht antragsbefugt. Gleichzeitig sind auch Anordnungsanspruch und -grund ausreichend behauptet.
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III. Der Umstand, dass vor der Antragstellung bei Gericht kein Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten, hier insbesondere in Form einer Baueinstellung, bei der zuständigen Bauaufsichtsbehörde, gestellt wurde, steht der Zulässigkeit dieses Rechtsbehelfes als solchem hier nicht (grundsätzlich) entgegen.
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In der vorliegenden Konstellation eines genehmigungsfrei gestellten Vorhabens, das den Festsetzungen eines Bebauungsplans entspricht, den eine Antragstellerin für unzulässig hält, wird überwiegend davon ausgegangen, dass ein vorhergehender Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten bei der Bauaufsichtsbehörde nicht gefordert werden kann. Die Bauaufsichtsbehörde, hier das Landratsamt, hat, zumindest nach herrschender Meinung, keine Normprüfungs- und insbesondere keine Normverwerfungskompetenz und darf daher den von der Antragstellerin für unwirksam erachteten Bebauungsplan nicht unangewendet lassen. In einem derartigen Fall, wenn der Antrag also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit abgelehnt werden würde, wäre das Erfordernis einer vorherigen Antragstellung bei der Behörde eine vor dem Hintergrund des Gebots des effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG nicht zu rechtfertigende Anforderung. Allerdings vermag diese Überlegung nur soweit zu tragen, als die Antragstellerin allein im Falle der Unwirksamkeit des Bebauungsplans eine Rechtsverletzung behauptet. Für Umstände, die für eine Nachbarrechtsverletzung auch bei Gültigkeit des Bebauungsplans ins Feld geführt oder von Amts wegen zu überprüfen sein könnten, gilt dagegen, dass hinsichtlich solcher Umstände sehr wohl zu fordern ist, dass sich die Antragstellerin zuvor mit einem Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten an das Landratsamt gewandt haben muss; denn insofern steht die Besonderheit der zumindest von der herrschenden Meinung angenommenen fehlenden Normprüfungs- und -verwerfungskompetenz einem Anspruch gegen den Rechtsträger der Bauaufsichtsbehörde auf Verpflichtung zum bauaufsichtichen Einschreiten, wären drittschützende Vorschriften tatsächlich verletzt, nicht entgegen. Da es an einem entsprechenden Behördenantrag fehlt, verbleibt es dabei, dass der Antrag (nur) zulässig ist, soweit und weil die Antragstellerin allein im Falle der Unwirksamkeit des Bebauungsplans eine Rechtsverletzung behauptet.
B.
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Der Antrag ist allerdings unbegründet. Die Antragstellerin hat keinen Anordnungsanspruch auf Erlass einer Baueinstellungsverfügung gemäß Art. 75 Abs. 1 BayBO glaubhaft gemacht, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO.
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Die Verpflichtung zur Anordnung der Einstellung von Bauarbeiten nach Art. 75 Abs. 1 BayBO setzt gemäß dessen Satz 1 zum einen voraus, dass Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet, geändert oder beseitigt werden. Ein Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften kann sich, abhängig von der einschlägigen verfahrensrechtlichen Kategorie des jeweiligen Bauvorhabens, sowohl aus formellen als auch aus materiellen (Bau-)Rechtsverstößen ergeben (vgl. BayVGH, B.v. 10.4.2017 – 15 ZB 16.672 – juris Rn. 8; Manssen in Spannowsky/Manssen, BeckOK Bauordnungsrecht Bayern, 18. Ed. 1.4.2021, Art. 75 Rn. 6). Die Vorschrift eröffnet grundsätzlich einen Ermessensspielraum der Behörde („kann“). Ein Anspruch der Antragstellerin als Nachbarin auf bauaufsichtliches Einschreiten folgt aber nicht aus jedem erdenklichen Rechtsverstoß, vielmehr muss die verletzte Norm nachbarschützenden Charakter haben (Decker in Busse/Kraus, BayBO, 140. EL Februar 2021, Art. 75 Rn. 147). Dabei kann hier die umstrittene Rechtsfrage, ob ein Anspruch des Nachbarn auf bauaufsichtliches Einschreiten der Behörde gegen den Bauherrn nach Art. 75 Abs. 1 BayBO im Falle eines genehmigungsfreigestellten Verfahrens eine Ermessensreduzierung auf Null voraussetzt oder es bereits ausreicht, dass das Bauvorhaben nachbarschützende Vorschriften verletzt und die nachbarlichen Belange durch das Vorhaben mehr als geringfügig berührt werden, dahinstehen (vgl. hierzu statt vieler Robl in Spannowsky/Manssen, BeckOK Bauordnungsrecht Bayern, 33. Ed. 1.5.2025, Art. 58 Rn. 69 ff. m.w.N.). Denn unter Berücksichtigung von Prüfungsmaßstab und -umfang im Rahmen dieses Verfahrens ist unabhängig davon kein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
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Dass dieser Antrag Erfolg haben könnte, würde nämlich letztlich voraussetzen, dass der Bebauungsplan Nr. 25a der Beigeladenen zu 2. unwirksam wäre. Denn das Vorhaben der Beigeladenen zu 1. entspricht dem Bebauungsplan und verstößt insbesondere nicht gegen etwaige drittschützende Festsetzungen des Bebauungsplans – die Antragstellerin macht auch nichts Gegenteiliges geltend – bzw., noch allgemeiner formuliert, kommt hier die Verletzung drittschützender Vorschriften, die für den Erfolg des Drittrechtsbehelfs allein relevant ist, im Rahmen des neuen Bebauungsplans als Rechtsgrundlage des Vorhabens nicht in Betracht. Das erstens deswegen, weil entsprechende Drittrechtsverletzungen insofern nicht gegeben sein dürften und zweitens unabhängig davon, weil die Antragstellerin sich im Rahmen dieses Verfahrens auf solche nicht berufen könnte: Wie oben dargelegt, ist dieser Antrag ohne vorherige Antragstellung bei der zuständigen Bauaufsichtsbehörde nur zulässig, soweit die Antragstellerin allein im Falle der Unwirksamkeit des Bebauungsplans eine Rechtsverletzung behauptet. Andere Umstände, z.B. die im Schriftsatz vom … Juli 2025 geltend gemachten Verstöße gegen § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO, soweit diese (auch) im Fall der Gültigkeit des neuen Bebauungsplans gegeben sein sollen, können demzufolge auch in der Begründetheitsprüfung dieses Antrags grundsätzlich nicht berücksichtigt werden bzw. allenfalls als Umstände im Rahmen einer am Ende durchzuführenden Interessenabwägung. Gleiches gälte für die Geltendmachung von Umständen, die Drittschutz außerhalb des Bauplanungsrechts vermitteln könnten. Deswegen kommt hier eine Verpflichtung zur Baueinstellung nur dann in Betracht kommt, wenn der neue Bebauungsplan der Beigeladenen zu 2. entweder gemäß § 47 Abs. 6 VwGO außer Vollzug gesetzt worden wäre – was nicht geschehen ist – oder unwirksam wäre. Zu berücksichtigen ist hierbei außerdem noch, dass in diesem Verfahren, anders als im Parallelverfahren Az. M 9 E 25.4331, die Besonderheit besteht, dass das Grundstück der hiesigen Antragstellerin nicht im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 25 der Beigeladenen zu 2., der durch den neuen Bebuungsplan Nr. 25a für das Vorhaben grundstück ersetzt wird, liegt. Daher erscheint es zweifelhaft, ob es der hiesigen Antragstellerin in gleichem Maße wie dem Antragsteller im Parallelverfahren zugutekäme, wenn der neue Bebauungsplan unwirksam wäre. Diese Frage bleibt hier jedoch offen, da das Gericht unter Berücksichtigung des Prüfungsumfangs im Rahmen dieses Antragsverfahrens nicht von einer Unwirksamkeit des Bebauungsplans der Beigeladenen zu 2. ausgeht.
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Eine inzidente Überprüfung des Bebauungsplans im vorläufigen oder wie hier im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kann regelmäßig nur eingeschränkt erfolgen. Es müssen offensichtliche Fehler vorliegen (BayVGH, B.v. 23.6.2025 – 2 CS 25.899 – Tz. 16; BayVGH, B.v. 9.1.2024 – 1 CS 23.2032 und 1 CS 23.2034 – juris Rn. 12 m.w.N.; B.v. 16.10.2006 – 15 CS 06.2184 – juris Rn. 15). Solche sind hier nicht glaubhaft gemacht:
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Dabei ist zu berücksichtigen, dass nicht einfach die von der Antragstellerin geltend gemachten Umstände zu Grunde gelegt werden können. Vielmehr hat insbesondere die Beigeladene zu 1., indem sie ihre in den Normenkontrollverfahren beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingereichten Schriftsätze (Schriftsatz der Beigeladenen zu 1. vom …7.2025 samt Anlagen) auch hier als Anlagen vorgelegt und in Bezug genommen hat, sowie im Schriftsatz vom *. August 2025, zu allen relevanten Punkten ins Einzelne gehend und nachvollziehbar begründet gegenteilig vorgetragen. Im Rahmen dieses gerichtlichen Antragsverfahrens kann aber nicht im Stile eines Normenkontrollverfahrens (oder auch nur eines Verfahrens nach § 47 Abs. 6 VwGO, für das nicht umsonst ebenfalls ein Verwaltungsgericht nicht zuständig ist) eine Überprüfung des Bebauungsplans, weder in verfahrens- noch in materiellrechtlicher Hinsicht, erfolgen. Zwar ist auch die Inzidentüberprüfung eines Bebauungsplans im Rahmen eines verwaltungsgerichtlichen Klageverfahrens kein vollwertiger Ersatz für ein Normenkontrollverfahren. Jedoch kann, unabhängig davon, dass ein Normenkontrollverfahren hier ja anhängig ist, die Normenkontrollklage wohl nicht auch als unzulässig abgewiesen werden und deshalb eine prinzipale Entscheidung über die Wirksamkeit des Bebauungsplans von dem dafür berufenen Gericht früher oder später ergehen wird, im Klageverfahren zumindest seriös geprüft werden, was in diesem Eilverfahren schlicht nicht möglich ist: Hier stehen dem Gericht beispielsweise die Aufstellungsunterlagen der Beigeladenen zu 2. weder im Original noch vollständig zur Verfügung, sondern lediglich von den Beteiligten vorgelegte auszugsweise Kopien, unabhängig davon, dass eine Auswertung der Aufstellungsunterlagen im Rahmen dieses Antragsverfahrens ohnehin nicht geleistet werden könnte. Daher kann nicht beurteilt werden, ob an den behaupteten diesbezüglichen Fehlern (betreffend insbesondere die Bekanntmachungen) wirklich „etwas dran“ ist. Auch die materiellen Prüfungspunkte, insbesondere Festsetzungsbefugnis für das Sondergebiet (mit diversen Unterpunkten), Entwicklungsgebot, Erforderlichkeit und gerechte Abwägung, insbesondere das Gebot der Konflitbewältigung, können in diesem Verfahren nicht ins Einzelne gehend überprüft werden. Daher bleibt es unter Berücksichtigung des oben dargestellten Prüfungsmaßstabs dabei, dass hier der Bebauungsplan zu Grunde zu legen ist, da ein oder gar mehrere offensichtliche, krasse Fehler im oben dargestellten Sinn unter Berücksichtigung der gegensätzlichen Vorträge der Beteiligten nicht diagnostiziert werden können.
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Zwar liegt dadurch eine einem sogenannten non-liquet komplett vergleichbare Situation nicht vor. Denn insofern ist der rechtliche Ausgangspunkt zu beachten, dass, wie oben dargestellt, die Nichtanwendung eines Bebauungsplans bereits im einstweiligen oder vorläufigen Rechtsschutz gegen ein Einzelbauvorhaben in der Regel nicht, sondern ausnahmsweise nur dann in Frage kommt, wenn der Bebauungsplan einen oder mehrere offensichtliche Fehler enthält. Ist das wie hier nicht der Fall, hat diese rechtliche Ausgangsposition in der Regel zur Folge, dass einstweilen von der Wirksamkeit der Festsetzungen des Bebauungsplans ausgegangen wird. Gleichwohl ist in einer solchen prozessualen Situation immer noch zu überprüfen, ob eine Bewertung der gegenläufigen Interessen auf Grund besonderer Umstände nicht doch ausnahmsweise zu einer einstweiligen Anordnung zu führen hat. Diese Überprüfung ergibt hier, dass es auch danach dabei bleibt, dass der Antrag abgelehnt wird. Zu berücksichtigen ist hier insbesondere, dass die der Antragstellerin nach ihrem Vortrag drohenden Nachteile durch das Bauvorhaben ganz überwiegend durch die Nutzung des Vorhabens und nicht durch seine Errichtung bzw. genauer gesagt, da das Vorhaben schon weitgehend errichtet ist, durch dessen Fertigstellung drohen. Beantragt ist mit dem gegenständlichen Antrag aber ausdrücklich (lediglich) die Verpflichtung des Rechtsträgers der zuständigen Bauaufsichtsbehörde zur Baueinstellung, so dass bereits insofern die Interessenbewertung nicht zu Gunsten des Antrags ausfällt. Unabhängig davon sind die geltend gemachten konkreten Einschränkungen jenseits des rein abstrakten Drittschutzes, insbesondere befürchtete Lärm- und Verkehrsbeeinträchtigungen, nach überschlägiger Beurteilung, wenn überhaupt vorhanden (die Beigeladene zu 2. hat bezüglich beider Themen Gutachten vorgelegt, die aufzeigen, dass die geltend gemachten Befürchtungen nicht zutreffen; vgl. hierzu im Übrigen die Ausführungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im Normenkontrolleilverfahren), jedenfalls so marginal, dass sie eine andere Interessengewichtung nicht rechtfertigen.
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Schließlich steht diesem Ergebnis auch die mit Beschluss des Gerichts vom 6. März 2024 getroffene Zwischenverfügung im Verfahren eines anderen Nachbarn des streitgegenständlichen Vorhabens nicht entgegen. Diese Zwischenverfügung beruht auf den Rechtsbehelfen gegen die der Beigeladenen zu 1. erteilte Baugenehmigung vom … Januar 2024, die sich mittlerweile auf Grund der neuen Rechtsgrundlage des Vorhabens – Genehmigungsfreistellung gemäß Art. 58 Abs. 1 BayBO i.V.m. dem Bebauungsplan Nr. 25a der Beigeladenen zu 2. – erledigt haben dürfte und unabhängig davon nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist.
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Nach alledem wird der Antrag abgelehnt. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, der Antragstellerin die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, weil letztere selbst einen Antrag gestellt und sich damit dem Kostenrisiko des § 154 Abs. 3 Hs. 1 VwGO ausgesetzt haben. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog 2025 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, dort Nrn. 9.6.1 sowie 1.5; obwohl es sich um einen Antrag auf Verpflichtung zum bauaufsichtlichen Einschreiten in der Form einer Baueinstellung handelt und nicht um einen Nachbarantrag gegen eine Baugenehmigung, ist die Anwendung der Nr. 9.6.1 des Streitwertkatalogs 2025, dessen Wortlaut die Anwendung auf einen Fall wie den vorliegenden ohnehin nicht ausschließt, wegen der vergleichbaren Interessenlage angemessen.