Inhalt

VG München, Urteil v. 18.09.2025 – M 27 K 24.837
Titel:

Glücksspielrechtliche Erlaubnis zum Betrieb einer Wettvermittlungsstelle, Abstandsgebot, Gleichbehandlungsgrundsatz, Unionsrechtliches Kohärenzgebot, Unionsrechtliches Diskriminierungsverbot

Normenketten:
AEUV Art. 56
GG Art. 3 Abs. 1
GRCh Art. 21
GlüStV § 21a
AGGlüStV Art. 7 Abs. 2 Nr. 4
Schlagworte:
Glücksspielrechtliche Erlaubnis zum Betrieb einer Wettvermittlungsstelle, Abstandsgebot, Gleichbehandlungsgrundsatz, Unionsrechtliches Kohärenzgebot, Unionsrechtliches Diskriminierungsverbot
Fundstelle:
BeckRS 2025, 26872

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

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Die Klägerin ist Veranstalterin von Sportwetten und verfügt über eine ihr am 9. Oktober 2020 erteilte Konzession. Sie wendet sich mit ihrer Klage gegen die Ablehnung der Erteilung einer Erlaubnis der … … (Vermittlerin) zum Betrieb einer Wettvermittlungsstelle für Sportwetten durch den Beklagten.
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Die Klägerin hatte für die Vermittlerin am 23. März 2021 auf Grundlage des Staatsvertrages zur Neuregulierung des Glücksspielwesens in Deutschland vom 29. Oktober 2020 (GlüStV 2021) sowie des Bayerischen Gesetzes zur Ausführung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland (AGGlüStV) die Erlaubnis zum Betrieb einer Wettvermittlungsstelle an der Betriebsstätte „F.-Str. 32“ in … (Wettvermittlungsstelle) beantragt.
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Mit Schreiben der Regierung von Oberbayern (Regierung) vom 15. Dezember 2022, der Klägerin am 12. Januar 2023 zur Kenntnis übersandt, wurde die Vermittlerin zur beabsichtigten Ablehnung des Antrags angehört. Hierbei wurde der Klägerin u.a. mitgeteilt, dass der durch Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV vorgeschriebene Mindestabstand von 250 m zwischen dem beantragten Standort der Wettvermittlungsstelle und den Adressen F.-Str. 19 und W.-Str. 20, wo sich jeweils eine städtische … befinde, nicht eingehalten sei. Der Bevollmächtigte der Vermittlerin antwortete hierauf mit Schreiben vom 27. Februar 2023 und trug u.a. vor, Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV sei offensichtlich unionsrechtswidrig. Es sei kein Grund erkennbar, Spielhallen zu begünstigen und Wettvermittlungsstellen zu begrenzen.
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Mit Beschluss vom 21. März 2023 (23 CS 22.2677) hatte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren eines vergleichbaren glücksspielrechtlichen Sachverhalts das Mindestabstandsgebot zwischen einer Wettvermittlungsstelle und einer Schule zwar grundsätzlich als zur Gewährleistung des Jugend- und Spielerschutzes geeignet angesehen, jedoch eine Verletzung der Dienstleistungsfreiheit in Verbindung mit dem unionsrechtlichen Kohärenzgebot als voraussichtlich gegeben gesehen.
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Mit Bescheid vom 18. Januar 2024 lehnte die Regierung von Oberbayern (Regierung) den Antrag ab. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, nach Art. 2 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 2 AGGlüStV dürfe die Erlaubnis nur erteilt werden, wenn Versagungsgründe nicht ersichtlich seien und durch den Vertrieb des Glücksspielangebots den Zielen des § 1 GlüStV 2021 Rechnung getragen werde. Im vorliegenden Fall stehe der Erlaubniserteilung der Versagungsgrund des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV entgegen. Danach sei der Betrieb einer Wettvermittlungsstelle im Hauptgeschäft unzulässig und die Erlaubnis hierfür unbeschadet des Art. 2 Abs. 1 AGGlüStV zu versagen, wenn Sportwetten vermittelt werden, ohne dabei einen Mindestabstand von 250 m Luftlinie gemessen von Eingangstür zu Eingangstür zu bestehenden Schulen für Kinder und Jugendliche, Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, die sich an Kinder im Alter von mindestens sechs Jahren richten, sowie zu Suchtberatungs- und Suchtbehandlungsstellen einzuhalten, wobei die Erlaubnisbehörde unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Umfeld des jeweiligen Standorts und der Lage des Einzelfalls Ausnahmen von dem Mindestabstand zulassen könne. Innerhalb des 250 m-Radius um die Wettvermittlungsstelle befänden sich im vorliegenden Fall jedoch zwei städtische Wirtschaftsschulen (F.-Str. 19 sowie W.-Str. 20), weshalb der Mindestabstand nicht eingehalten werde. Auch bei pflichtgemäßer Ermessensausübung könne vorliegend keine Ausnahme von der Abstandsregelung erteilt werden, da es sich um keinen atypischen Einzelfall handele und sich zwischen Wettvermittlungsstelle und den Schulen keine natürlichen Geländehindernisse oder andere örtliche Gegebenheiten befänden, die eine andere Sichtweise erfordern würden. Vielmehr sei die Wettvermittlungsstelle im unmittelbaren Wahrnehmungsbereich der Kinder und Jugendlichen gelegen und für diese aufgrund der örtlichen Gegebenheiten gut zu erreichen. Aus diesem Grund müsse das Interesse des Wettvermittlers hinter dem allgemeinen Interesse am Schutz der Kinder und Jugendlichen vor den Gefahren des Glücksspiels zurückstehen. Durch ihren starken Bezug zum Sport und dessen Akteuren böten Sportwetten die Gefahr, dass sportbegeisterte Jugendliche schon früh an Sportwetten und die Markennamen verschiedener Wettveranstalter herangeführt würden und darüber die Sportwette als Gut des täglichen Lebens wahrgenommen werde. Aus diesem Grund seien Abstände zu Schulen notwendig und erforderlich, um den Werbe- und Gewöhnungseffekt auf vulnerable Bevölkerungsteile zu verhindern. Im Hinblick auf die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 21. März 2023 (23 CS 22.2677) werde die beantragte Sportwettenvermittlung jedoch vorläufig und vorbehaltlich zwischenzeitlicher Rechtsänderungen bis zu einer rechtskräftigen gerichtlichen Klärung der Rechtmäßigkeit des Abstandsgebots unter bestimmten, im Bescheid näher festgelegten Auflagen geduldet.
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Die Klägerin hat am 19. Februar 2024 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erheben und sinngemäß beantragen lassen,
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den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 18. Januar 2024 zu verpflichten, die beantragte Erlaubnis zur Vermittlung von Sportwetten in der Wettvermittlungsstelle an der Betriebsstätte „F.-Str. 32, … …“ zu erteilen, hilfsweise den Beklagten zu verpflichten, den für die Klägerin gestellten Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis zum Betreiben einer Wettvermittlungsstelle unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
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Zur Klagebegründung wurde zunächst ausgeführt, dass der Ablehnungsbescheid rechtswidrig sei und die Klägerin in ihren Rechten verletze.
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Der Beklagte hat am 6. März 2024 die Behördenakten in elektronischer Form vorgelegt. Ein Antrag wurde nicht gestellt.
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Mit Schriftsatz vom 9. April 2024 wurde die Klage weiter begründet. Es wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Ablehnung der beantragten Erlaubnis sei unionsrechts- und verfassungswidrig. Ein fehlender Abstand könne nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV nicht die Versagung begründen, weil diese Norm inkohärent und daher unanwendbar sei, da für den Internetvertrieb, Spielhallen und ähnliche Betriebe mit Geldspielgeräten sowie Annahmestellen des staatlichen Anbieters (Lotto) keine entsprechenden Vorgaben bestünden. Dies ergebe sich auch aus der Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 21. März 2023. Der unionsrechtlich erforderliche Gefahrennachweis, welcher anerkanntermaßen Voraussetzung für Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit sei, könne nicht geführt werden. Ferner sei die in Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV getroffene Abstandsregelung unverhältnismäßig. Sie sei nicht geeignet, den mit ihr verfolgten Zweck, den Werbe- und Gewöhnungseffekt auf vulnerable Bevölkerungsteile zu verhindern, zu erreichen. Sie sei ferner nicht erforderlich, weil als milderes Mittel qualitative Anforderungen an das Angebot oder die Auswahl der Anbieter möglich gewesen wären. Jedenfalls sei der Bescheid ermessensfehlerhaft.
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Die Beteiligten haben auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.
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Über die Klage konnte ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten hierauf einvernehmlich verzichtet hatten (§ 101 Abs. 2 VwGO).
II.
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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1. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist die Klägerin, auch ohne selbst Adressatin des Verwaltungsakts zu sein, aufgrund ihrer berührten wirtschaftlichen Interessen (z.B. in Form von Umsatzbeteiligungen) möglicherweise in ihren eigenen Rechten verletzt und daher klagebefugt i.S.d. § 42 Abs. 2 VwGO.
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2. Die Klage ist jedoch unbegründet.
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Die Klägerin wird auch unter Beachtung sowohl nationalen, insbesondere Verfassungsrechts, als auch Unionsrechts, insbesondere der dort enthaltenen Grundfreiheiten, durch die Ablehnung des gestellten Antrags im streitgegenständlichen Bescheid nicht in ihren Rechten verletzt. Sie hat weder einen Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis zum Betrieb einer Sportwettvermittlungsstelle an die Vermittlerin noch auf Neuverbescheidung ihres entsprechenden Antrags (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO).
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a) Gemäß § 21a Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2021 bedarf die Vermittlung von Sportwetten in Wettvermittlungsstellen der Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2021 i.V.m. § 21a Abs. 5 GlüStV 2021 i.V.m. Art. 2 AGGlüStV. Grundsätzlich besteht bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 2 Abs. 1, Abs. 2 AGGlüStV ein Anspruch auf die begehrte Erlaubnis, es sei denn, es liegen Versagungsgründe i.S.d. Art. 7 Abs. 2 AGGlüStV vor.
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Nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV ist der Betrieb einer Wettvermittlungsstelle im Hauptgeschäft unzulässig und die Erlaubnis hierfür unbeschadet Art. 2 Abs. 1 AGGlüStV zu versagen, wenn Sportwetten vermittelt werden ohne einen Mindestabstand von 250 m Luftlinie gemessen von Eingangstür zu Eingangstür zu bestehenden Schulen für Kinder und Jugendliche, Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, die sich an Kinder im Alter von mindestens sechs Jahren richten, sowie Suchtberatungs- und Suchtbehandlungsstellen einzuhalten, wobei die zuständige Erlaubnisbehörde unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Umfeld des jeweiligen Standorts und der Lage des Einzelfalls Ausnahmen von dem Mindestabstand zulassen kann.
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b) Die Abstandsvorgabe des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV, die der Erteilung der beantragten Erlaubnis entgegensteht, verstößt nicht gegen die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) in Verbindung mit dem ebenso unionsrechtlichen Gebot der Kohärenz hoheitlicher einschränkender Regelungen und auch nicht gegen das Diskriminierungsverbot nach Art. 21 GRCh. Zwar erscheint es auf den ersten Blick widersprüchlich, dass Wettvermittlungsstellen im Hauptgeschäft einen Abstand von 250 m Luftlinie gemessen von Eingangstür zu Eingangstür zu bestehenden Schulen für Kinder und Jugendliche, Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, die sich an Kinder im Alter von mindestens sechs Jahren richten, sowie zu Suchtberatungs- und Suchtbehandlungsstellen einzuhalten haben, diese Vorgaben indes für Spielhallen, Annahmestellen sowie für Betriebe, in denen Geldspielgeräte aufgestellt sind, nicht gelten. Gleichwohl liegt hierin noch kein Verstoß gegen höherrangiges Recht, insbesondere nicht gegen das unionsrechtliche Kohärenzgebot.
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aa) Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat das Abstandsgebot des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV als voraussichtlich per se nicht zu beanstanden angesehen; es begegne als solches keinen durchgreifenden Bedenken (vgl. BayVGH, B.v. 21.3.2023 – 23 CS 22.2677 – juris Rn. 34, 38). Die Umsetzung des glücksspielstaatsvertraglichen Begrenzungsauftrags (vgl. § 21a Abs. 1 Satz 1, § 1 Abs. 1 Nr. 2 GlüStV 2021) und des Jugend- und Spielerschutzes erfolge insbesondere durch die qualitativen Kriterien dieser Regelung und die mit den Abstandsverboten verbundenen Beschränkungen der Vermittlung von Sportwetten stehen nach dieser obergerichtlichen Rechtsprechung auch nicht außer Verhältnis zu den damit verfolgten Zielen des Jugend- und Spielerschutzes (vgl. BayVGH, B.v. 21.3.2023 a.a.O. Rn. 47).
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bb) Entgegen der vorläufigen Auffassung dieser obergerichtlichen Rechtsprechung (BayVGH, B.v. 21.3.2023 a.a.O. Rn. 53 ff.) verstößt das Abstandsgebot nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV auch nicht gegen das unionsrechtliche Kohärenzgebot. Insbesondere wird dieses Abstandsgebot von Wettvermittlungsstellen im Hauptgeschäft zu Suchtberatungsstellen nicht durch die Politik in anderen Glücksspielsektoren konterkariert. Das möglicherweise unberechtigte Unterlassen der Regelung eines solchen Abstandsgebots auch in anderen Glücksspielsektoren führt nicht zu einem Herbeiführen von Umständen, die – sektorenübergreifend – zur Folge hätten, dass die Regelung des Abstandsgebots zur Verwirklichung seiner Ziele, nämlich der Sicherstellung des glücksspielstaatsvertraglichen Begrenzungsauftrags und des Jugend- und Spielerschutzes, tatsächlich nicht beitragen könne, sodass die Eignung dieser Regelung zur Zielerreichung aufgehoben würde. Für die Annahme eines hierauf gründenden Verstoßes gegen Art. 56 AEUV in Verbindung mit dem Kohärenzgebot besteht rechtlich kein Anlass. Die Ziele des Abstandsgebots können auch dann noch erreicht werden, wenn in anderen Glücksspielsektoren solche Abstandsgebote nicht geregelt sind. Die Nichtregelung von Abstandsgeboten in anderen Glückspielbereichen ist keine gegenläufige mitgliedstaatliche Politik, die die Regelung eines solchen Abstandsgebots in anderen Glücksspielsektoren in einer Weise konterkariert, die die Eignung dieser Regelung zur Erreichung des genannten Ziels aufhebt (vgl. EuGH, U.v. 8.9.2010 – Markus Stoß, C-316/07 u.a. – Slg. 2010, I-8069, juris Rn. 106; U.v. 8.9.2010 – Carmen Media, C-46/08 – Slg. 2010, I-8149 – juris Rn. 68; BVerwG, B.v. 1.8.2022 – 8 B 15.22 – juris Rn. 6 m.w.N.).
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cc) Die Kammer hat auch keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV im Übrigen. Vorliegend ist bei der Prüfung des Gleichbehandlungsgrundsatzes – sei dieser im Einzelnen entweder grundgesetzlich oder unionsrechtlich abgeleitet – lediglich das Vorliegen eines sachlichen Grundes für die unterschiedliche Handhabung zu fordern, da die Unterscheidungsmerkmale nicht personen-, sondern sachverhaltsbezogen sind. Dieser sachliche Grund ist in der besonderen Empfänglichkeit von Kindern und Jugendlichen gerade für Sportwetten begründet (vgl. VG München, U.v. 1.12.2022 – M 27 K 22.5829 – juris Rn. 16 m.w.N.). Insoweit steht dem Landesgesetzgeber, der die unterschiedliche Handhabung von Abständen im Gesetzgebungsverfahren durchaus thematisiert hatte (vgl. LT-Drs. 18/16499, Plenarprotokoll vom 16.6.2021, S. 6), eine der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle weitestgehend entzogene Einschätzungsprärogative zu. Hiergegen gibt es rechtlich nichts zu erinnern, insbesondere obliegt es im vorliegenden Verfahren nicht der Kammer, zu beurteilen, ob Abstandsgebote auch für Spielhallen, Annahmestellen oder Betriebe, in welchen Geldspielgeräte aufgestellt sind, ebenfalls zweckmäßig gewesen wären (zur rechtlichen Unbedenklichkeit von Abstandsgeboten für Spielhallen nach § 2 Abs. 1 Satz 4 Spielhallengesetz Berlin vgl. BVerfG, B.v. 7.3.2017 – 1 BvR 1314/12 u.a. – juris Rn. 96 ff., 136 f., 141 f., 152). Dasselbe gilt für die Frage der Geeignetheit der Abstandsvorgabe zur Erreichung des Jugend- und Spielerschutzes als wesentliches Ziel des GlüStV 2021 vor dem Hintergrund, dass auch in den Medien für Sportwetten geworben wird (vgl. dazu auch VG Leipzig, B.v. 31.1.2022 – 5 L 23/22 – juris Rn. 65), zumal eine offensichtliche Ungeeignetheit für die Kammer vorliegend nicht ersichtlich ist und dem Gesetzgeber auch insoweit eine legislative Einschätzungsprärogative zukommt. Deshalb liegt weder ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG noch ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot nach Art. 21 GrCh vor.
24
c) Der Beklagte hat die Erlaubnis für die Wettvermittlungsstelle der Klägerin zu Recht nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV versagt, da sich innerhalb des 250 m-Radius um die Wettvermittlungsstelle zwei Schulen und damit zwei in dem Ausschlusstatbestand genannte Einrichtungen befinden. Ermessensfehler hinsichtlich der Ablehnung einer Ausnahme vom Mindestabstand aufgrund der Verhältnisse im Umfeld des jeweiligen Standorts und der Lage des Einzelfalls sind nicht ersichtlich, § 114 Satz 1 VwGO. Der Beklagte hat sich in dem streitgegenständlichen Bescheid mit den örtlichen Verhältnissen im Umfeld der Wettvermittlungsstelle auseinandergesetzt und nachvollziehbar angenommen, dass besondere Umstände, die ausnahmsweise entgegen dem gesetzlichen Grundsatz die Zulassung eines geringeren Abstands rechtfertigen könnten, nicht gegeben sind. Dass sich gerade im vorliegenden Fall die Anordnung besonderer Vorkehrungen wie z.B. Einschränkungen bei der äußeren Gestaltung oder Anpassung der Öffnungszeiten als milderes Mittel aufdrängt, ist nicht ersichtlich.
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3. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
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4. Die Berufung war nach §§ 124a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, weil zu den vorliegend aufgeworfenen Rechtsfragen hinsichtlich des unionsrechtlichen Kohärenzgebots noch keine abschließende ober- bzw. höchstrichterliche Rechtsprechung vorliegt und die Bedeutung dieser Rechtsfragen über den bloßen Einzelfall hinausgeht.