Titel:
Ablehnung eines Richters im Strafvollzugsverfahren
Normenketten:
StPO § 28 Abs. 2 S. 2
GVG § 121 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3
BayStVollzG Art. 208
StVollzG § 118
Leitsätze:
1. § 28 Abs. 2 S. 2 StPO findet auch im Strafvollzugsverfahren Anwendung. Die ablehnende Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch gegen einen erkennenden Richter kann daher nur mit einer Verfahrensrüge im Rahmen der Rechtsbeschwerde angefochten werden. (Rn. 3)
2. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist aufgrund der Zuständigkeitszuweisung nach § 54a der Gerichtlichen Zuständigkeitsverordnung der Justiz (GZVJu) i.V.m. § 121 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 GVG nur für die Entscheidung über Rechtsbeschwerden nach § 116 StVollzG i.V.m Art. 208 BayStVollzG zuständig, nicht aber für die Entscheidung über eine sofortige Beschwerde gegen die Zurückweisung eines gegenüber dem Richter der Vorinstanz angebrachten Ablehnungsgesuches. (Rn. 5)
Schlagworte:
Strafvollstreckungskammer, Strafvollzugsverfahren, Besorgnis der Befangenheit, Rechtsbeschwerde, Bayerisches Oberstes Landesgericht, Zuständigkeit
Vorinstanz:
LG Augsburg, Beschluss vom 13.04.2025 – 2 NöStVK 588/24
Fundstellen:
BeckRS 2025, 26837
NStZ-RR 2026, 30
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Augsburg bei dem Amtsgericht Nördlingen vom 13.04.2025 wird unter Festsetzung des Beschwerdewerts auf 50,00 € auf seine Kosten als unzulässig verworfen.
Gründe
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1. Die innerhalb der Frist des Art. 208 BayStVollzG i.V.m. § 118 Abs. 1 StVollzG eingelegte Rechtsbeschwerde des Antragstellers vom 29.04.2025 gegen den Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Augsburg bei dem Amtsgericht Nördlingen vom 13.04.2025 erweist sich bereits deswegen als unzulässig, weil sie entgegen Art. 208 BayStVollzG i.V.m. § 118 Abs. 3 StVollzG nicht von einer Rechtsanwältin oder einem Rechtsanwalt unterzeichnet ist und auch nicht zur Niederschrift der Geschäftsstelle eingelegt wurde. Eine Heilung dieses Mangels ist wegen Fristablaufs nicht mehr möglich.
2
2. Der Senat trifft keine Entscheidung über die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 06.04.2025 gegen den Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Augsburg bei dem Amtsgericht Nördlingen vom 26.03.2025, mit welchem das Ablehnungsgesuch des Antragstellers gegenüber dem Richter am Amtsgericht K. als unbegründet zurückgewiesen wurde, da hierfür keine Zuständigkeit besteht.
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a) § 28 Abs. 2 S. 2 StPO findet auch im Strafvollzugsverfahren Anwendung (fast einhellige Meinung, vgl. KG Berlin, Beschluss vom 24.05.2018 – 2 Ws 83/18, juris, Rn. 7, 8; OLG Koblenz, Beschluss vom 20.06.2016 – 2 Ws 250/16, juris, Rn. 9; OLG Rostock, Beschluss vom 13.08.2010 – I Vollz (Ws) 9/10, juris, Rn. 4, 5; Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 04.07.2008 – 3 Vollz (Ws) 45/08, juris, Rn. 7, 8; Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 30.05.2005 – 3 Vollz (Ws) 46/05, juris, Rn. 5; OLG Frankfurt, Beschluss vom 12.08.1996 – 3 Ws 661/96, juris; OLG Stuttgart, Beschluss vom 06.08.1985 – 4 Ws 246/85, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 29.04.1982 – 7 Vollz (Ws) 48/82; Laubenthal in: Schwind/Böhm/ Jehle/Laubenthal, Strafvollzugsgesetze, 7. Aufl. 2020, 12. Kapitel Rechtsbehelfe, § 115 StVollzG Rn. 10; Burhoff/Kotz in: Burhoff/Kotz, Handbuch für die strafrechtliche Nachsorge, Teil C: Vollzug, Rn. 368). Im Anschluss daran ist gegen den ablehnenden Beschluss vom 26.03.2025 keine sofortige Beschwerde möglich, da das Ablehnungsgesuch wegen Besorgnis der Befangenheit einen erkennenden Richter i.S.v. § 28 Abs. 2 S. 2 StPO betrifft. Statt dessen kann die ablehnende Entscheidung nur zusammen mit der Hauptsacheentscheidung angefochten werden (KG Berlin, a.a.O., Rn. 7; OLG Koblenz, a.a.O.; OLG Rostock, a.a.O., Rn. 6; Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg v. 30.05.2005, a.a.O.; OLG Frankfurt, a.a.O.; OLG Stuttgart, a.a.O.; OLG Hamm, a.a.O.). Formelle Voraussetzung ist hierbei die Erhebung einer ordnungsgemäßen Verfahrensrüge im Rechtsbeschwerdeverfahren (Art. 208 BayStVollzG i.V.m. § 118 Abs. 2 S. 2 StVollzG; OLG Koblenz, a.a.O.; Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg v. 30.05.2005, a.a.O.).
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b) An der gegenläufigen Auffassung des OLG Nürnberg (Beschluss vom 24.06.1988 – Ws 634/88, NStZ 1988, 475, beck-online) wird der Senat nicht festhalten. § 28 Abs. 2 S. 2 StPO dient im Strafverfahren dem Ziel, die Zersplitterung der Rechtswege zu vermeiden (Schmitt in: Schmitt/Köhler, StPO, 68. Aufl., § 28 Rn. 6b m.w.N.). In Strafvollzugssachen besteht im Blick auf die Prozesswirtschaftlichkeit und das Interesse einer zügigen Entscheidung eine vergleichbare Interessenlage (KG Berlin, a.a.O., Rn. 8). So hat die Strafvollstreckungskammer die für ihre Entscheidung bedeutsamen Umstände selbst zu ermitteln und in dem mit dem revisionsähnlich ausgestatteten Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde anfechtbaren Beschluss in einer den Anforderungen des § 267 StPO entsprechenden Weise darzustellen (KG Berlin, a.a.O.). Auch wenn nach dem Wortlaut von § 28 Abs. 2 S. 2 StPO die ungehinderte, störungsfreie und beschleunigte Hauptverhandlung gemeint ist, besteht das in der Regelung zum Ausdruck gekommene und vom Gesetzgeber anerkannte Bedürfnis der eingeschränkten Nachprüfung von Vorabentscheidungen gleichermaßen im Vollzugsverfahren. Denn im Interesse der Rechtssicherheit ist es sowohl für den Antragsteller, als auch für die Justizvollzugsanstalt zu gewährleisten, dass Vollzugsverfahren nicht durch die (möglicherweise wiederholte) Einlegung von Rechtsmitteln gegen gerichtliche Zwischenentscheidungen nachhaltig behindert oder zum Erliegen gebracht werden können (KG Berlin, a.a.O.).
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c) Die im Anschluss daran veranlasste Verwerfungsentscheidung kann der Senat indes nicht treffen, da das Bayerische Oberste Landesgericht aufgrund der Zuständigkeitszuweisung nach § 54a der Gerichtlichen Zuständigkeitsverordnung der Justiz (GZVJu) i.V.m. § 121 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 GVG nur für die Entscheidung über Rechtsbeschwerden nach § 116 StVollzG i.V.m Art 208 BayStVollzG zuständig ist, nicht aber für die Entscheidung über eine sofortige Beschwerde gegen die Zurückweisung eines gegenüber dem Richter der Vorinstanz angebrachten Ablehnungsgesuches. Eine Zuständigkeit des Bayerischen Obersten Landesgerichts lässt sich auch nicht über die Annahme eines unmittelbaren Sachzusammenhanges gewinnen. Ein solcher besteht nicht, nachdem § 28 Abs. 2 S. 2 StPO die Sachentscheidung über die Besorgnis der Befangenheit erkennender Richter gerade dem Rechtsbeschwerdeverfahren zuweist und sie dem Beschwerdeverfahren entzieht. Ein Strafsenat des Oberlandesgerichts München wird daher über die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Augsburg bei dem Amtsgericht Nördlingen vom 26.03.2025 zu entscheiden haben.
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d) Es kann offen bleiben, ob der Entscheidung des OLG Koblenz, wonach die im Beschwerdeverfahren erhobene Rüge Teil der Rechtsbeschwerdeentscheidung wird (so OLG Koblenz, a.a.O.), zu folgen ist – insbesondere wenn für die Entscheidung über die Beschwerde und die Rechtsbeschwerde wie in Bayern unterschiedliche Gerichte zuständig sind. Denn dem Senat ist vorliegend eine Entscheidung über das Ablehnungsgesuch des Antragstellers in der Sache verwehrt. Zwar machte der Antragsteller sowohl in seiner sofortigen Beschwerde vom 06.04.2025 als auch in seiner Rechtsbeschwerde vom 29.04.2025 die Besorgnis der Befangenheit von Richter am Amtsgericht K. geltend. Jedoch kann der Antragsteller mit seinen Einwendungen gegen die Zurückweisung des Ablehnungsgesuches im Rechtsbeschwerdeverfahren bereits deswegen nicht gehört werden, weil seine Rechtsbeschwerde wegen Nichteinhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Form insgesamt unzulässig ist (vgl. oben 1.). Zu einer Sachprüfung, welche auch die Befangenheitsproblematik beinhalten würde, kommt es daher nicht. Auch hat der Antragsteller in beiden Schreiben keine ordnungsgemäße – den Anforderungen von § 344 Abs. 2 S. 2 StPO genügende (vgl. Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg v. 30.05.2005, a.a.O.; Bachmann in: Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel/Baier, Strafvollzugsgesetze, 13. Aufl., Kapitel P § 118 StVollzG, Rn. 104) – Verfahrensrüge erhoben.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus Art. 208 BayStVollzG i.V.m. § 121 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 StVollzG.
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Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf §§ 60, 65, 52 GKG.