Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 10.10.2025 – 101 AR 106/25 e
Titel:

Bestimmung des zuständigen Gerichts - Eröffnung des Gerichtsstands der unerlaubten Handlung

Normenketten:
ZPO § 29 Abs. 1, § 32, § 36 Abs. 1 Nr. 3, § 59, § 60
BGB § 823 Abs. 2, § 826
StGB § 263 Abs. 1
VVG § 63
Leitsätze:
Der Gerichtsstand des Delikts ist nur eröffnet, wenn konkrete Tatsachen genannt werden, aus denen sich – ihre Richtigkeit unterstellt – bei zutreffender rechtlicher Würdigung das Vorliegen einer unerlaubten Handlung als Grundlage für die geltend gemachten Ansprüche schlüssig ergibt.  (Rn. 25)
1. Sind die Voraussetzungen der Streitgenossenschaft hinsichtlich eines einzelnen Antragsgegners nicht dargetan, ist die Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts auf die übrigen Antragsgegner zu beschränken. Der Antrag auf Gerichtsstandsbestimmung kann dahin ausgelegt werden, dass eine Zuständigkeitsbestimmung hinsichtlich derjenigen Prozessgegenstände, denen eine streitgenössische Inanspruchnahme nur der übrigen Antragsgegner zugrunde liegt, hilfsweise jedenfalls insoweit erfolgen soll. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Versicherungsvermittler ist auch dann, wenn er gegenüber dem Versicherungsnehmer beratend tätig wird, nicht ungefragt verpflichtet, die Höhe der Provision offenzulegen. Bei der Zahlung einer – regelmäßig umsatzabhängigen – Provision durch den Versicherer an den Vermittler handelt es sich vielmehr um einen offensichtlichen Umstand, über den auch innerhalb eines Beratungsvertrags nicht aufzuklären ist. Das gilt nicht nur für den Provisionsanspruch des Versicherungsvertreters, der im Lager des Versicherers steht und vorrangig dessen Interessen im Auge zu behalten hat, sondern auch für den Anspruch eines Versicherungsmaklers. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
Ein Versicherungsvermittler ist auch dann, wenn er gegenüber dem Versicherungsnehmer beratend tätig wird, nicht ungefragt verpflichtet, die Höhe der Provision offenzulegen. Bei der Zahlung einer – regelmäßig umsatzabhängigen – Provision durch den Versicherer an den Vermittler handelt es sich vielmehr um einen offensichtlichen Umstand, über den auch innerhalb eines Beratungsvertrags nicht aufzuklären ist. Das gilt nicht nur für den Provisionsanspruch des Versicherungsvertreters, der im Lager des Versicherers steht und vorrangig dessen Interessen im Auge zu behalten hat, sondern auch für den Anspruch eines Versicherungsmaklers. (Leitsatz der Redaktion) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Zuständigkeitsbestimmung, besonderer Gerichtsstand, Gerichtsstand der unerlaubten Handlung, deliktischer Gerichtsstand, Gerichtsstandsbestimmung, Nettopolice, Versicherungsvermittler, Aufklärungspflicht, Provision
Fundstellen:
FDVersR 2025, 026753
LSK 2025, 26753
NJOZ 2025, 1434
BeckRS 2025, 26753

Tenor

1. Als örtlich zuständiges Gericht für den beabsichtigten Rechtsstreit der Antragstellerin zu 1) gegen die Antragsgegner zu 1) bis 6) sowie der Antragstellerinnen zu 2) bis 6) gegen die Antragsgegner zu 1) bis 7) wird das Landgericht München I bestimmt.
2. Der weitergehende Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerinnen, die in den Jahren 2022 bis 2024 fondsgebundene Rentenversicherungen abgeschlossen haben, beabsichtigen, die Antragsgegner auf Schadensersatz zu verklagen. Sie fordern Ersatz in Höhe des Differenzbetrags zwischen den in die Versicherungen eingezahlten Beiträgen und den nach Kündigung von den Versicherern zurückgezahlten Rückkaufswerten sowie Ersatz des entgangenen Gewinns. Bei dem Bayerischen Obersten Landesgericht haben sie beantragt, für die beabsichtigte Klage das örtlich zuständige Gericht – konkret das Landgericht München I – zu bestimmen.
2
Zur Antragstellerin zu 1):
3
Die Antragstellerin zu 1) gehört zur Unternehmensgruppe der Familie H. Mit der beabsichtigten Klage begehrt sie den Ersatz des Schadens, der ihr durch den Abschluss sieben solcher Versicherungsverträge entstanden sein soll, und – in gewillkürter Prozessstandschaft – Ersatz des Schadens, den zwei ihrer Tochtergesellschaften durch den Abschluss von vier bzw. drei solcher Versicherungsverträge erlitten haben sollen. Gemäß Klageentwurf verlangt sie von den Antragsgegnern zu 1) bis 6) als Gesamtschuldnern Zahlung in Höhe von 1.038.063,10 € an sich selbst, in Höhe von 474.951,75 € an die H. … GmbH und in Höhe von 7.542,42 € an die H. yyy GmbH. Sie macht geltend, der Abschluss der Verträge sei auf das Agieren der Antragsgegner zu 1) bis 6), die zur „V.-Gruppe“ gehörten, zurückzuführen. Deren unlauteres Geschäftsmodell sei planmäßig darauf ausgerichtet gewesen, der Antragsgegnerin zu 2) massive Vermögensvorteile zukommen zu lassen. Im Rahmen der von der „V.-Gruppe“ angebotenen ganzheitlichen Finanzberatung habe die Antragsgegnerin zu 1) als Unternehmensberaterin fungiert. Die von ihr empfohlenen Maßnahmen zur gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung seien darauf ausgerichtet gewesen, den Abschluss fondsgebundener Versicherungsverträge vorzubereiten. Die Antragsgegnerin zu 2) sei ein Finanzberatungsunternehmen und laut Kundeninformationsblatt als Versicherungsmaklerin tätig gewesen. Als solche erhalte sie für jeden abgeschlossenen Versicherungsvertrag eine erhebliche Innenprovision von der Versicherungsgesellschaft. Die Antragsgegnerinnen zu 3) und 4) gehörten laut Internetseite der Antragsgegnerin zu 2) zu deren „Netzwerkpartnern“. Die Antragsgegnerin zu 3) sei als Rechtsberaterin, die Antragsgegnerin zu 4) als Beraterin hinsichtlich der steuerlichen Seite eingebunden gewesen. Der Antragsgegner zu 5) sei Versicherungsmakler und Geschäftsführer der Antragsgegnerin zu 1); er sei im Kundeninformationsblatt als zuständiger Berater und Handelsvertreter für die Antragsgegnerin zu 2) angegeben. Der Antragsgegner zu 6), ebenfalls ein Versicherungsmakler, sei Vorstandsvorsitzender der Antragsgegnerin zu 2).
4
Die Antragstellerin zu 1) lastet es den Antragsgegnern als Pflichtverstoß an, dass nur allgemein auf die in der Versicherungsprämie enthaltene Provision hingewiesen, nicht aber über die Höhe der Innenprovision aufgeklärt worden sei. Bei Abschluss der Versicherungsverträge sei daher nicht bekannt gewesen, dass in den ersten Jahren der Vertragslaufzeit der Großteil der Versicherungsbeiträge nicht in die Fondsanlage fließen, sondern zur Refinanzierung der Innenprovision verwendet würde. Auch die Auswirkungen dieses sogenannten Verfahrens der Zillmerung seien nicht offengelegt worden. So sei verschwiegen worden, dass die Rückkaufswerte in der Anfangsphase sehr gering seien und der beworbene Steuervorteil nicht auf einem „bilanziellen Kniff“, sondern auf realen, vermögensmindernden Aufwendungen beruhe. Darüber hinaus sei wahrheitswidrig behauptet worden, dass die eingezahlten Beträge bei Liquiditätsbedarf jederzeit abgerufen werden könnten. Es sei nicht darüber aufgeklärt worden, dass es sich in Wirklichkeit nicht um ein Steuersparmodell, sondern lediglich um ein Steuerstundungsmodell handele und das Schachtelprivileg des § 8b KStG auch für reine Barausschüttungen genutzt werden könne. Zudem habe die jahrzehntelange Bindung von fast der gesamten freien Liquidität nicht in Einklang mit der auf Wachstum ausgelegten Zielsetzung der beratenen Unternehmen gestanden. Auch über personelle und wirtschaftliche Verflechtungen sei nicht aufgeklärt worden. S. F. – ein Gründungspartner der Antragsgegnerin zu 3) und Gesellschafter der Antragsgegnerin zu 4) sei – ebenso wie M. E., der Gesellschafter-Geschäftsführer der Antragsgegnerin zu 4), Aktionär der Antragsgegnerin zu 2). Alle Antragsgegner hätten ohne Rücksicht auf die Interessen der Antragstellerinnen die nachteiligen Folgen bewusst in Kauf genommen, um die der Antragsgegnerin zu 2) zufließenden Innenprovisionen zu maximieren.
5
Die Antragsgegnerinnen zu 1) bis 4) hafteten deshalb wegen Schlechterfüllung des Unternehmensberatungs-, des Versicherungsmakler- und Anlageberatungs-, des Rechtsberatungs- bzw. des Steuerberatungsvertrags. Der Antragsgegner zu 5) hafte wegen Verletzung der ihm als Versicherungsmakler obliegenden Pflichten und zudem wie auch der Antragsgegner zu 6), der die Beratung federführend übernommen habe, aus Delikt. Aus Delikt hafteten auch die Antragsgegnerinnen zu 1) und 2), da ihnen das Handeln ihrer Organe zuzurechnen sei.
6
Zu den Antragstellerinnen zu 2) bis 6):
Die Antragstellerinnen zu 2) bis 6) bilden die Unternehmensgruppe der Familie M., die auf Empfehlung der Familie H. mit der „V.-Gruppe“ in Kontakt gekommen war. Sie begehren mit der beabsichtigten Klage Ersatz desjenigen Schadens, der ihnen durch den Abschluss von fondsgebundenen Rentenversicherungen entstanden sein soll. Gemäß Klageentwurf verlangt die Antragstellerin zu 2) von den Antragsgegnern zu 1) bis 7) als Gesamtschuldnern Zahlung in Höhe von 110.510,60 €, die Antragstellerin zu 3) Zahlung in Höhe von 89.189,87 €, die Antragstellerin zu 4) Zahlung in Höhe von 91.557,54 €, die Antragstellerin zu 5) Zahlung in Höhe von 110.245,21 € und die Antragstellerin zu 6) Zahlung in Höhe von 104.050,55 €.
Die Antragstellerinnen erheben gegen die Antragsgegner ebenfalls den Vorwurf, gemäß dem Geschäftsmodell der „V.-Gruppe“ den Abschluss der Versicherungsverträge vorangetrieben und dabei die erhebliche Innenprovision der Antragsgegnerin zu 2) verschwiegen und die Unternehmensziele sowie den Liquiditätsbedarf der Antragstellerinnen missachtet zu haben. Die Antragsgegnerinnen zu 1) bis 4) hafteten deshalb jeweils wegen Schlechterfüllung des Unternehmensberatungs-, des Versicherungsmakler- und Anlageberatungs-, des Rechtsberatungs- bzw. des Steuerberatungsvertrags. Die Antragsgegner zu 5) und 6) hätten durch ihre falschen bzw. unterlassenen Angaben die betroffenen Unternehmen betrügerisch und sittenwidrig geschädigt. Über § 31 BGB sei die von ihnen begangene deliktische Schädigung den Antragsgegnerinnen zu 1) und 2) zuzurechnen. Der Antragsgegner zu 7) sei Berater des Vorstands der Antragsgegnerin zu 2). Er sei neben den Antragsgegnern zu 5) und 6) für die Fehlberatung der Antragstellerinnen zu 2) bis 6) verantwortlich und hafte deshalb ebenfalls für die vorsätzliche sittenwidrige Schädigung der zur Unternehmensgruppe der Familie M. gehörenden Gesellschaften.
7
Die Antragsgegnerin zu 1) hat ihren allgemeinen Gerichtsstand im Bezirk des Landgerichts München I. Die Antragsgegnerinnen zu 2) und 3) sind im Bezirk des Landgerichts Nürnberg-Fürth und die Antragsgegnerin zu 4) im Bezirk des Landgerichts Coburg ansässig. Die Antragsgegner zu 5) bis 7) sind im Bezirk des Landgerichts München I wohnhaft.
8
Die Antragsgegner sind zum Antrag auf Gerichtsstandsbestimmung angehört worden. Die Antragsgegnerin zu 4) hat sich für die Bestimmung des Landgerichts München I ausgesprochen. Die übrigen Antragsgegner haben sich nicht geäußert.
II.
9
Auf den zulässigen Antrag bestimmt der Senat das Landgericht München I als das für den beabsichtigten Rechtsstreit der Antragstellerin zu 1) gegen die Antragsgegner zu 1) bis 6) sowie der Antragstellerinnen zu 2) bis 6) gegen die Antragsgegnerinnen zu 1) bis 7) örtlich zuständige Gericht.
10
1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist für die Entscheidung über den Antrag auf Gerichtsstandsbestimmung zuständig (§ 36 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 9 EGZPO), weil die Antragsgegner ihren jeweiligen allgemeinen Gerichtsstand (§§ 12, 13, 17 ZPO) in verschiedenen Oberlandesgerichtsbezirken (München, Nürnberg und Bamberg) haben, sodass das für sie gemeinschaftliche im Rechtszug nächsthöhere Gericht der Bundesgerichtshof ist. An dessen Stelle entscheidet das Bayerische Oberste Landesgericht, weil ein bayerisches Gericht bei noch nicht anhängigem Rechtsstreit zuerst um die Bestimmung angegangen worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 21. August 2008, X ARZ 105/08, NJW 2008, 3789 Rn. 10).
11
2. Die Voraussetzungen einer Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO für den Rechtsstreit, den die Antragstellerin zu 1) gegen die Antragsgegner zu 1) bis 6) und die Antragstellerinnen zu 2) bis 6) gegen die Antragsgegner zu 1) bis 7) zu führen beabsichtigen, liegen vor.
12
a) Der Antrag, das Landgericht München I zum zuständigen Gericht zu bestimmen, wird gemäß den Grundsätzen für die Auslegung von Prozesserklärungen als Antrag auf Bestimmung des gemeinsam zuständigen Gerichts verstanden, verbunden mit der Anregung, unter den in Betracht kommenden Gerichten das Landgericht München I auszuwählen (vgl. BGH, Urt. v. 11. Juni 2025, IV ZR 83/24, NJW-RR 2025, 1083 Rn. 28; Urt. v. 16. Mai 2017, XI ZR 586/15, NJW 2017, 2340 Rn. 11; BayObLG, Beschluss vom 19. August 2022, 102 AR 77/22, juris Rn. 8).
13
b) Die Antragsgegner zu 1) bis 6) sind nach dem im Bestimmungsverfahren maßgeblichen Vortrag der Antragstellerin zu 1) hinsichtlich der Ansprüche, die mit der beabsichtigten Klage verfolgt werden sollen, Streitgenossen im Sinne des § 60 ZPO. Entsprechendes gilt in Bezug auf die Antragsgegner zu 1) bis 7) hinsichtlich der Ansprüche der Antragstellerinnen zu 2) bis 6), die mit der beabsichtigten Klage verfolgt werden sollen.
14
Im Bestimmungsverfahren überprüft das Gericht nicht die Schlüssigkeit der (beabsichtigten) Klage insgesamt, sondern lediglich, ob mit dem Tatsachenvorbringen des Antragstellers die Voraussetzungen einer passiven Streitgenossenschaft nach § 59 oder § 60 ZPO schlüssig vorgetragen sind. Das ist vorliegend der Fall. Die Antragstellerinnen führen ihren jeweiligen Vermögensschaden, auch soweit dieser in Prozessstandschaft geltend gemacht werden soll, darauf zurück, dass sie von den Antragsgegnern zu 1) bis 6) bzw. den Antragsgegnern zu 1) bis 7) über Umstände, die für die gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung und letztlich den Abschluss der Versicherungsverträge von wesentlicher Bedeutung gewesen seien, nicht oder falsch informiert worden seien. Zu den Schäden, die durch den Abschluss der Versicherungsverträge entstanden sein und in objektiver Klagehäufung nach § 260 ZPO geltend gemacht werden sollen, sollen die Antragsgegner zu 1) bis 6) bzw. zu 1) bis 7) in ihrer jeweiligen Rolle einen Beitrag geleistet haben. Darin besteht hinsichtlich des jeweiligen Lebenssachverhalts ein hinreichender innerer Zusammenhang, der die auf Schadensersatz gerichteten Ansprüche gegen die Antragsgegner zu 1) bis 6) bzw. zu 1) bis 7) ihrem Wesen nach als gleichartig erscheinen lässt. Dies genügt für die Anwendung des § 60 ZPO (BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2020, X ARZ 124/20, WM 2021, 40 Rn. 12; Beschluss vom 6. Juni 2018, X ARZ 303/18, NJW 2018, 2200 Rn. 12; Beschluss vom 7. Januar 2014, X ARZ 578/13, NJW-RR 2014, 248 Rn. 9).
15
Da im Klageentwurf in Bezug auf den Antragsgegner zu 7) explizit vorgetragen ist, dieser sei – neben den Antragsgegnern zu 5) und 6) – verantwortlich für die Fehlberatung (nur) der Antragstellerinnen zu 2) bis 6), sind hinsichtlich der von der Antragstellerin zu 1) geltend gemachten Schäden die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Streitgenossenschaft auch des Antragsgegners zu 7) nicht dargetan. Insoweit ist die Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts auf die Antragsgegner zu 1) bis 6) zu beschränken (vgl. auch BGH WM 2021, 40 Rn. 53; BayObLG, Beschluss vom 24. April 2024, 101 AR 15/24 e, juris Rn. 32 f.; Beschluss vom 30. August 2024, 102 AR 99/24 e, ZIP 2024, 2161 [juris Rn. 36]). Der Antrag auf Gerichtsstandsbestimmung kann dahin ausgelegt werden, dass eine Zuständigkeitsbestimmung hinsichtlich derjenigen Prozessgegenstände, denen eine streitgenössische Inanspruchnahme nur der Antragsgegner zu 1) bis 6) zugrunde liegt, hilfsweise jedenfalls insoweit erfolgen soll.
16
Die Entscheidung regelt zudem – gemäß der durch § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO verliehenen Kompetenz – nur die örtliche Zuständigkeit und betrifft nicht die Frage der Zulässigkeit der subjektiven Klagehäufung auf der Aktivseite des beabsichtigten Rechtsstreits sowie der Zulässigkeit der objektiven Klagehäufung nach § 260 ZPO.
17
c) Gemeinsame Gerichtsstände, in denen die Antragstellerinnen ihren jeweils behaupteten Ersatzanspruch gegen die Antragsgegner zu 1) bis 6) bzw. zu 1) bis 7) geltend machen könnten, bestehen auf der Grundlage ihres Vorbringens nicht.
18
aa) Die allgemeinen Gerichtsstände der Antragsgegner liegen in unterschiedlichen Landgerichtsbezirken.
19
bb) Gemeinschaftliche Gerichtsstände sind auch unter Berücksichtigung des besonderen Gerichtsstands des Erfüllungsorts (§ 29 Abs. 1 ZPO) nicht festzustellen.
20
Gemäß § 29 Abs. 1 ZPO ist für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis das Gericht des Ortes zuständig, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist. Dieser Erfüllungsort bestimmt sich – sofern keine gesetzlichen Sonderregelungen eingreifen – nach dem Leistungsort, der sich aus § 269 Abs. 1 und 2 BGB ergibt (BGH, Beschluss vom 11. November 2003, X ARZ 91/03, BGHZ 157, 20 [juris Rn. 12]).
21
Der Erfüllungsort einer Sekundärverbindlichkeit folgt dem Erfüllungsort der als verletzt gerügten Primärpflicht (BGH, Urt. v. 7. November 2012, VIII ZR 108/12, BGHZ 195, 243 Rn. 14). Wird Schadensersatz wegen Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht verlangt, liegt der Erfüllungsort im Sinne von § 29 ZPO am Erfüllungsort der Hauptpflicht (BGH, Beschluss vom 7. Januar 2014, X ARZ 578/13, NJW-RR 2014, 248 Rn. 13; Urt. v. 7. Mai 2002, XI ZR 197/01, BGHZ 151, 5 [juris Rn. 21]). Im Hinblick auf die rechtliche Selbständigkeit der Verträge, aus denen die Antragsgegner zu 1) bis 4) und gegebenenfalls zu 5) zur Beratung oder Aufklärung verpflichtet gewesen sein sollen, sind die Erfüllungsorte für die jeweilige Hauptpflicht in jedem Vertragsverhältnis gesondert zu bestimmen.
22
Für den Erfüllungsort der Beratungspflicht als Hauptverpflichtung ist maßgebend, ob die Beratung in den Geschäftsräumen des Beraters, in der Wohnung bzw. am Sitz des Kunden oder vereinbarungsgemäß an einem anderen Ort erfolgte (vgl. Schultzky in Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 29 Rn. 25.1 mit Rn. 25.13 m. w. N.). Ausgehend von den Ausführungen der Antragstellerinnen, die Beratungs- und Vermittlungsleistungen seien nicht stets am selben Ort zu erbringen gewesen oder erbracht worden und ein Leistungsort sei nicht vereinbart gewesen, bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Erfüllungsorte für die vertraglichen Hauptleistungspflichten der Antragsgegner zu 1) bis 4) sowie gegebenenfalls zu 5) am Sitz der jeweils beratenen Gesellschaft gelegen seien. Erfüllungsort für Schadensersatzansprüche wegen Schlechterfüllung eines Rechtsberatungsvertrags ist regelmäßig der Ort, an dem der Anwalt seinen Kanzleisitz (§ 27 Abs. 1 BRAO) unterhält, hier im Bezirk des Landgerichts Nürnberg-Fürth (vgl. BayObLG, Beschluss vom 25. Juni 1998, 1Z AR 35/98, juris Rn. 8; Schultzky in Zöller, ZPO, § 29 Rn. 25.2 m. w. N.). Entsprechendes gilt für Schadensersatzansprüche wegen Schlechterfüllung eines Steuerberatervertrags; der Erfüllungsort liegt regelmäßig dort, wo der Steuerberater seine Kanzlei eingerichtet hat (vgl. BayObLG, Beschluss vom 7. März 1996, 1Z AR 14/96, juris Rn. 11; Beschluss vom 4. Februar 1997, 1Z AR 98/96, juris Rn. 8). Insoweit ist ein besonderer Gerichtsstand bei dem Landgericht Coburg eröffnet, nicht aber bei dem Landgericht Nürnberg-Fürth. Bereits deshalb ist ein gemeinsamer Gerichtsstand nach § 29 Abs. 1 ZPO nicht erkennbar.
23
cc) Gemeinsame Gerichtsstände des Delikts nach § 32 ZPO können ebenfalls nicht verlässlich festgestellt werden.
24
Deliktisches Verhalten ihrer Organe oder Partner wäre den Antragsgegnerinnen zu 1) bis 4) materiellrechtlich zuzurechnen. Bei einer Beteiligung mehrerer an einer unerlaubten Handlung muss sich zudem jeder Beteiligte die Tatbeiträge der Anderen nicht nur im Rahmen des § 830 BGB, sondern auch des § 32 ZPO zurechnen lassen (BGH, Urt. v. 9. März 2010, XI ZR 93/09, BGHZ 184, 365 [juris 19]; Urt. v. 22. November 1994, XI ZR 45/91, NJW 1995, 1225 [juris Rn. 23]; Jungmann in Münchener Kommentar zur ZPO, 7. Aufl. 2025, § 32 Rn. 50). Wären die Antragsgegner Beteiligte eines gemeinsam begangenen Delikts, wäre für eine Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO mithin kein Raum (vgl. BayObLG, Beschluss vom 12. Juni 2003, 1Z AR 26/03, MDR 2003, 1311 [juris Rn. 5]; Schultzky in Zöller, ZPO, § 32 Rn. 17). Nach § 32 ZPO wäre ein Gerichtsstand bei jedem Gericht begründet, in dessen Bezirk ein Tatbestandsmerkmal des Delikts verwirklicht wurde (Schultzky in Zöller, ZPO, § 32 Rn. 19); die jeweiligen Antragstellerinnen könnten unter diesen Gerichten gemäß § 35 ZPO wählen.
25
Der Gerichtsstand des Delikts ist nur eröffnet, wenn konkrete Tatsachen genannt werden, aus denen sich – ihre Richtigkeit unterstellt – bei zutreffender rechtlicher Würdigung das Vorliegen einer unerlaubten Handlung als Grundlage für die geltend gemachten Ansprüche schlüssig ergibt (vgl. BGH, Urt. v. 27. Februar 2018, VI ZR 489/16, BGHZ 217, 350 Rn. 16 – Internetforum; Urt. v. 5. Mai 2011, IX ZR 176/10, BGHZ 189, 320 Rn. 16).
26
Daran fehlt es.
27
Grundsätzlich kommt neben einem Anspruch aus § 63 VVG eine deliktische Haftung des Versicherungsvermittlers, insbesondere bei schuldhafter Verletzung von Schutzgesetzen, in Betracht. Ausgehend vom Vorbringen der Antragstellerinnen, im ihnen überlassenen Informationsblatt sei in allgemeiner Form auf die in der Versicherungsprämie enthaltene Provision hingewiesen worden, die Antragsgegner zu 5) und 6) hätten aber weder über die Höhe der Provision noch über die Auswirkungen auf den Rückkaufswert aufgeklärt, wäre der Vorwurf der betrügerischen (§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB) oder sittenwidrigen Schädigung (§ 826 BGB) jedoch unberechtigt. Die im Klageentwurf erhobenen weiteren Vorwürfe rechtfertigen eine solche Bewertung ebenfalls nicht. Die Beiträge der übrigen Antragsgegner zu den Vertragsschlüssen können daher, unabhängig von der Frage ihrer Pflichtwidrigkeit, keinen gemeinsamen Gerichtsstand unter dem Aspekt der Beteiligung an einem Delikt begründen.
28
Der Versicherungsmakler (§ 59 Abs. 3 VVG) schließt zwar nach der herkömmlichen Übung – ausdrücklich oder konkludent – einen Maklervertrag mit dem Versicherungsnehmer. Gleichwohl erhält er seine Provision üblicherweise nicht von diesem, sondern – wie der Versicherungsvertreter – vom Versicherer (vgl. BGH, Urt. v. 20. Januar 2005, III ZR 251/04, BGHZ 162, 67 [juris Rn. 16]; Gansel/Horacek in BeckOK VVG, 28. Edition Stand: 1. August 2025, § 59 Rn. 228; Franz/Monsig in BeckOK VAG, 30. Edition Stand: 1. Juni 2025, § 49 Rn. 8; auch Dörner in Prölss/Martin, VVG, 32. Aufl. 2024, § 59 Rn. 90 f.). Die Versicherer kalkulieren die Abschlusskosten in die vom Versicherungsnehmer zu zahlende Prämie ein (sog. Bruttoprämie oder Bruttopolice).
29
Weil die Abschlusskosten auf die in den ersten Jahren zu zahlenden Prämien umgelegt werden, fallen sie wirtschaftlich den Versicherungsnehmern zur Last und mindern den Rückkaufswert der Versicherung bei einer vorzeitigen Kündigung des Versicherungsvertrages erheblich. Zum Schutz der Versicherungsnehmer vor unangemessen niedrigen Rückkaufswerten in Fällen eines Frühstorno hat der Gesetzgeber in Umsetzung verfassungsrechtlicher Vorgaben in § 169 Abs. 3 und 4 VVG geregelt, in welcher Höhe Abschlusskosten mit der Prämie verrechnet werden dürfen (vgl. BVerfG, Urt. v. 26. Juli 2005, 1 BvR 80/95, BVerfGE 114, 73 [juris Rn. 58 ff.]; BGH, Urt. v. 18. September 2024, IV ZR 436/22, BGHZ 241, 254 Rn. 75 f.).
30
Da die Antragstellerinnen vortragen, dass im Kundeninformationsblatt in allgemeiner Form über die in der Versicherungsprämie enthaltene Provision informiert worden sei, dürfte der nach der Versicherungsvermittlungsverordnung bestehenden Informationspflicht Genüge getan worden sein. Gemäß § 15 Abs. 1 Nrn. 5 und 6 VersVermV hat der Versicherungsvermittler dem Versicherungsnehmer (unter anderem) die Art seiner Vergütung offenzulegen und mitzuteilen, ob die Vergütung direkt vom Kunden zu zahlen oder als Provision oder sonstige Vergütung in der Versicherungsprämie enthalten ist (vgl. auch Gansel/Horacek in BeckOK VVG, § 59 Rn. 105). Durch Überlassen des Informationsblatts sind die Antragstellerinnen nach eigenem Vorbringen über die teilweise Verwendung der Versicherungsprämie für die Provisionszahlung informiert worden. Außerdem ist ihnen nach dem Klageentwurf mündlich mitgeteilt worden, dass „gewisse Gebühren und Kosten für den Abschluss der Versicherungsverträge anfallen würden“. Ihnen ist also nicht vorgetäuscht worden, es würden Nettopolicen vermittelt. In der Äußerung des Antragsgegners zu 6), „dass er zwar grundsätzlich seinen Stundenaufwand gegenüber seinen Kunden abrechne, hiervon aber in diesem Fall absehen würde, solange er von den H.-Gesellschaften bei Gelegenheit des Kaufs guter Uhren bevorzugt werden würde“, liegt nicht die Behauptung, eine Nettopolice zu vermitteln. Das Vorbringen der Antragstellerinnen genügt mithin nicht für die Annahme, sie seien durch aktives Tun darüber getäuscht worden, dass die bestimmungsgemäße Verwendung der Prämien auch in der Refinanzierung der Abschlusskosten besteht.
31
Zwar kann der Versicherungsnehmer ohne gesonderte Aufklärung nicht erkennen, in welcher Höhe er mit Kosten für die Leistungen des Versicherungsvermittlers belastet wird und welche Kosten auf das Versicherungsprodukt als solches entfallen. Jedoch ist ein Versicherungsvermittler auch dann, wenn er gegenüber dem Versicherungsnehmer beratend tätig wird, nicht ungefragt verpflichtet, die Höhe der Provision offenzulegen. Bei der Zahlung einer – regelmäßig umsatzabhängigen – Provision durch die Versicherung an den Vermittler handelt es sich vielmehr nach höchstrichterlicher Rechtsprechung um einen offensichtlichen Umstand, über den auch innerhalb eines Beratungsvertrags nicht aufzuklären ist (vgl. BGH, Urt. v. 1. Juli 2014, XI ZR 247/12, NJW 2014, 3360 Rn. 28, 30; OLG Karlsruhe, Urt. v. 6. Februar 2017, 13 U 185/15, WM 2017, 772 [juris Rn. 31]; kritisch: Dörner in Prölss/Martin, VVG, § 59 Rn. 92 ff.). Das gilt nicht nur für den Provisionsanspruch des Versicherungsvertreters, der im Lager des Versicherers steht und vorrangig dessen Interessen im Auge zu behalten hat, sondern auch für den Anspruch eines Versicherungsmaklers (BGH NJW 2014, 3360 Rn. 30). Ein Betrug durch Verschweigen (Unterlassen der Aufklärung) kommt bei fehlender Aufklärungspflicht nicht in Betracht. Zudem liegt ein betrugsrelevanter Vermögensschaden nicht bereits deshalb vor, weil nur der um die Innenprovision reduzierte Anteil der Versicherungsprämien in den Aufbau des Fondsvermögens fließt (vgl. BGH, Urt. v. 7. März 2006, 1 StR 379/05, BGHSt 51, 10 [juris Rn. 20]).
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Dass die Antragstellerinnen sich nach der Höhe der Provision erkundigt und auf ihre Frage eine unzutreffende Antwort erhalten hätten, ist nicht behauptet. Die Vergütung der Antragsgegnerin zu 2) beruhte nach dem Vorbringen der Antragstellerinnen auch nicht auf einer sogenannten Kick-back-Vereinbarung (zum Betrug durch Verschweigen einer Kick-back-Vereinbarung: BGH, Urt. v. 6. Februar 1990, XI ZR 184/88, NJW-RR 1990, 604 [605]), sondern wurde als sogenannte Innenprovision geleistet, die dadurch gekennzeichnet ist, dass der Vermittler für seine konkrete Vermittlungsleistung von der Versicherung – und nicht im Außenverhältnis vom Kunden – vergütet wird. Soweit die Antragstellerinnen in einem Nebensatz („Selbst als die Vergütung des Beklagten zu 6. thematisiert wurde, …“) eine Unterhaltung über die Vergütung ansprechen, lässt sich ihrem Vortrag nicht entnehmen, dass sie sich konkret nach der Provisionshöhe erkundigt hätten.
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Auf den Umstand, dass eine in der Prämie enthaltene Provision ein echter Aufwand ist, muss nicht hingewiesen werden. Der Vorwurf, es sei nicht dargelegt worden, dass und wie sich die in den Prämien einkalkulierten Abschlusskosten auf den Rückkaufswert der Versicherung auswirken, mag einen Beratungsfehler begründen, wenn die empfohlenen Versicherungsverträge für die Antragstellerinnen angesichts einer auf Wachstum ausgerichteten Zielsetzung nicht geeignet gewesen sein sollten. Betrug durch Verschweigen, also durch Unterlassen einer Aufklärung, setzt jedoch eine Handlungspflicht voraus, die ihrerseits eine Garantenstellung des Versicherungsvermittlers erfordert (vgl. auch BGH, Beschluss vom 28. Januar 2021, III ZR 157/19, WM 2021, 1221 Rn. 19). Insoweit fehlt es angesichts des wenig konkreten Vorbringens zu Inhalt und Ablauf der Beratungsgespräche im Klageentwurf an einer hinreichenden Tatsachengrundlage.
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Dasselbe gilt hinsichtlich des Vorwurfs, dass die Antragsgegner eine Lage geschaffen hätten, „in der fast die gesamte freie Liquidität über Jahrzehnte dem Zugriff der Gruppengesellschaften entzogen worden wäre“. Eine Täuschung über die betragsmäßige Höhe der monatlichen Prämienzahlungen ist nicht ersichtlich. Der Sache nach geht es vielmehr erneut um den Aspekt, dass es infolge der Anfangsaufwendungen aus wirtschaftlicher Perspektive regelmäßig nicht sinnvoll ist, frühzeitig Kapital aus den Versicherungen abzuziehen oder die Verträge zu beenden. Dahinstehen kann, ob die pauschalen Ausführungen im Klageentwurf zu Aussagen, die zur Abrufbarkeit der eingezahlten Versicherungsbeiträge bei Liquiditätsbedarf gemacht worden sein sollen, eine hinreichend konkrete Tatsachengrundlage für eine Täuschung bieten. Denn eine Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit, die mit einem täuschungsbedingten Abschluss eines Vertrags verbunden wäre, begründet nicht ohne weiteres einen Vermögensschaden im Sinne von § 263 Abs. 1 StGB. Bei objektiver Ausgeglichenheit von vertraglicher Leistung und Gegenleistung kann ein Schaden am Vermögen vielmehr nur angenommen werden, wenn zu der mit dem Vertragsschluss einhergehenden Beschränkung der wirtschaftlichen Dispositionsfreiheit weitere Umstände hinzutreten. Allein im Abschluss eines Vertrags, den der Betroffene ohne die Täuschung nicht geschlossen hätte, liegt noch kein Vermögensschaden im Sinne von § 263 Abs. 1 StGB (grundlegend: BGH, Beschluss vom 16. August 1961, 4 StR 166/61, BGHSt 16, 321 [326]; vgl. auch BGH, Urt. v. 30. Juli 2020, VI ZR 5/20, NJW 2020, 2798 Rn. 21 m. w. N.; Urt. v. 16. Juni 2016, 1 StR 20/16, NJW 2016, 3543 Rn. 33 ff.; Urt. v. 8. Oktober 2014, 1 StR 359/13, BGHSt 60, 1 Rn. 31 ff; Beschluss vom 2. Juli 2014, 5 StR 182/14, NStZ 2014, 517 Rn. 11 ff.; Urt. v. 5. März 2014, 2 StR 616/12, NJW 2014, 2595 Rn. 38 f.; Urt. v. 7. März 2006, 1 StR 379/05, BGHSt 51, 10 [juris Rn. 18 ff.]; Kubiciel/ Tiedemann in Leipziger Kommentar zum StGB, 13. Aufl. 2025, § 263 Rn. 179 m. w. N.). Im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot und Analogieverbot des Art. 103 Abs. 2 GG sind die Anforderungen an die Feststellung eines Vermögensschadens im Sinne von § 263 Abs. 1 StGB andere als an die Feststellung eines Schadens im Sinne von § 826 BGB und eines Schadens wegen Verletzung einer (vor-)vertraglichen Aufklärungspflicht (BGH NJW 2020, 2798 Rn. 21; zum Begriff des Vermögensschadens im Sinne von § 826 BGB: BGH, Urt. v. 25. Mai 2020, VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 47; Urt. v. 28. Oktober 2014, VI ZR 15/14, WM 2014, 2318 Rn. 19; zum Schadensbegriff bei Aufklärungspflichtverletzung: BGH, Urt. v. 11. Juli 2012, IV ZR 164/11, BGHZ 194, 39 Rn. 64). Zwar erscheint ein Vermögensschaden im Sinn des Betrugstatbestands nicht ausgeschlossen; die knappen Ausführungen im Klageentwurf zu den wirtschaftlichen Folgen der Liquiditätsbindung für die jeweiligen Gesellschaften reichen jedoch nicht aus, um schlüssig einen Schaden in diesem Sinn darzulegen.
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Ebenfalls eine Schlechtberatung, nicht aber ohne Weiteres Betrug lässt sich aus dem Vorwurf herleiten, dass es zur Nutzung des sogenannten Schachtelprivilegs nicht notwendig gewesen wäre, fondsgebundene Rentenversicherungen abzuschließen und die damit verbundenen Abschlusskosten zum Nachteil der Antragstellerinnen zu generieren. Dasselbe gilt in Bezug auf den Vorwurf, die personellen und wirtschaftlichen Verflechtungen der Antragsgegnerinnen zu 3) und 4) mit der Antragsgegnerin zu 2) seien verschwiegen worden. Auch unter Berücksichtigung des subjektiven Einschlags des Vermögensschadensbegriffs in § 263 StGB (BGHSt 16, 321 [326]) ist nicht das subjektive Gefühl der Schädigung oder die Tatsache entscheidend, dass der Getäuschte die Vermögensverfügung nicht vorgenommen hätte, wenn ihm die wirklichen Gegebenheiten bekannt gewesen wären (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Juni 2024, 2 StR 51/23, NStZ 2025, 165 Rn. 61; Urt. v. 7. März 2006, 1 StR 379/05, BGHSt 51, 10 [juris Rn. 18]; Urt. v. 2. April 1986, 2 StR 723/85, juris Rn. 13; Kubiciel/Tiedemann in Leipziger Kommentar zum StGB, § 263 Rn. 177 m. w. N.).
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Für den Vorwurf der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung bietet der Klageentwurf keine hinreichende Tatsachengrundlage. Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann. Ein Unterlassen verletzt die guten Sitten nur dann, wenn das geforderte Tun einem sittlichen Gebot entspricht. Hierfür reicht die Nichterfüllung einer allgemeinen Rechtspflicht oder einer vertraglichen Pflicht nicht aus. Auch hier müssen besondere Umstände hinzutreten, die das schädigende Verhalten nach den Maßstäben der allgemeinen Geschäftsmoral und des als „anständig“ Geltenden verwerflich machen (BGH, Urt. v. 12. März 2020, VII ZR 236/19, WM 2020, 987 Rn. 24; Urt. v. 7. Mai 2019, VI ZR 512/17, NJW 2019, 2164 Rn. 8; Urt. v. 28. Juni 2016, VI ZR 536/15, NJW 2017, 250 Rn. 16 m. w. N.; Urt. v. 15. Oktober 2013, VI ZR 124/12 Rn. 8, NJW 2014, 1380; Urt. v. 4. Juni 2013, VI ZR 288/12, NJW-RR 2013, 1448 Rn. 14). Hinreichende Anhaltspunkte für solche besonderen Umstände lassen sich dem Klageentwurf nicht entnehmen. Anhaltspunkte für eine als sittenwidrig zu bewertende Höhe der von der Antragsgegnerin zu 2) vereinnahmten Abschlussprovisionen sind nicht vorgetragen.
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3. Der Senat bestimmt das Landgericht München I als das für den künftigen Rechtsstreit der Antragstellerin zu 1) gegen die Antragsgegner zu 1) bis 6) und der Antragstellerinnen zu 2) bis 6) gegen die Antragsgegner zu 1) bis 7) (örtlich) zuständige Gericht.
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Die Auswahl erfolgt nach Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit (Sachdienlichkeit) und unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Prozesswirtschaftlichkeit, wobei das bestimmende Gericht ein Auswahlermessen hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. November 2008, 1 BvR 2788/08, NJW 2009, 907 [juris Rn. 12] m. w. N.; BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2018, X ARZ 252/18, juris Rn. 29).
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Der Senat wählt unter den in Betracht kommenden Gerichten das Landgericht München I, in dessen Bezirk die Antragsgegner zu 1) und 5) bis 7) ihre allgemeinen Gerichtsstände haben. Die im Landgerichtsbezirk Coburg ansässige Antragsgegnerin zu 4) hat sich mit der Bestimmung dieses Gerichts einverstanden erklärt. Dieses Einverständnis der von der Auswahl benachteiligten Partei hat bei der Gerichtsstandsbestimmung regelmäßig maßgebliche Bedeutung. Denn der Gesetzgeber hat mit den Regelungen zu den allgemeinen Gerichtsständen eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte prozessuale Lastenverteilung vorgenommen (vgl. Schultzky in Zöller, ZPO, § 12 Rn. 2; Roth in Stein, ZPO, vor § 12 Rn. 3 sowie § 12 Rn. 2). Ist ein Streitgenosse bereit, auf die damit verbundene Erleichterung zu verzichten, ist dies bei der Auswahlentscheidung zu beachten (vgl. BayObLG, Beschluss vom 26. Mai 2023, 101 AR 157/22, VersR 2024, 1234 [juris Rn. 69]).
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Anhaltspunkte dafür, dass den Antragsgegnerinnen zu 2) oder 3) ein Prozess am ausgewählten Gerichtsstand nicht zuzumuten sei, sind nicht vorgetragen worden und auch nicht ersichtlich.
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4. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (vgl. BayObLG, Beschluss vom 19. März 2025, 101 AR 15/25 e, juris Rn. 23).