Inhalt

VerfGH München, Entscheidung v. 06.02.2025 – Vf. 34-VI-23
Titel:

Subsidiärer Charakter der Verfassungsbeschwerde

Normenketten:
BV Art. 120
VfGHG Art. 51 Abs. 1 S. 1
BGB § 2368 S. 1
FamFG § 352, § 354 Abs. 1
GBO § 52
Leitsatz:
Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, wenn der Beschwerdeführer nicht alle prozessualen Möglichkeiten ausgeschöpft hat, um die geltend gemachte Verletzung von Verfassungsrecht zu verhindern oder zu beseitigen. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Subsidiaritätsprinzip, Verfassungsbeschwerde, Erteilung des Testamentsvollstreckerzeugnisses, Erbschein, Grundbuch
Vorinstanzen:
OLG München, Beschluss vom 12.10.2022 – 31 Wx 26/22 , 31 Wx 29/22
AG München, Beschluss vom 26.07.2021 – 621 VI 17033/19
Fundstelle:
BeckRS 2025, 2671

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird abgewiesen.

Entscheidungsgründe

I.
1
Der Beschwerdeführer ist der Neffe des im ... 2019 verstorbenen Herrn S. (im Folgenden: Erblasser). Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen den Beschluss des Amtsgerichts München, Abteilung für Nachlasssachen, vom 26. Juli 2021 Az. 621 VI 17033/19, mit dem der Erbscheinsantrag des Beschwerdeführers zurückgewiesen wurde und die zur Begründung des Erbscheinsantrags einer anderen Beteiligten erforderlichen Tatsachen als festgestellt erachtet wurden, und gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 12. Oktober 2022 Az. 31 Wx 26/22 und 31 Wx 29/22, mit dem die Beschwerden des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Amtsgerichts zurückgewiesen wurden. Mit weiterem Beschluss des Oberlandesgerichts vom 19. Mai 2023 wurde die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers zurückgewiesen.
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1. Der Erblasser mit letztem gewöhnlichen Aufenthalt in M. war deutscher Staatsangehöriger, verwitwet und kinderlos. Er hatte einen Bruder, der unter Hinterlassung einer Tochter im Jahr 2017 verstarb. Seine im Jahr 1993 verstorbene Schwester war die Mutter des Beschwerdeführers sowie einer Tochter. Der Erblasser errichtete mehrere Testamente – zuletzt am 8. Oktober 2019 –, die inhaltlich gemeinsam hatten, dass die Stadt M. als „sein langjähriger Dienstherr“ das ihm gehörende Hausgrundstück in der A. Straße in M. erben solle. Nach dem jüngsten Testament des Erblassers sollte dies unter der „Bedingung“ erfolgen, dass das „gesamte Anwesen ein Ort für Kinder“ werden solle, nämlich „für Einrichtungen wie (Kindergarten, Kinderhort, Kinderspielplatz, Kinderheim usw.)“. Das Anwesen sei „100 Jahre an diese Art der Nutzung gebunden“ und dürfe „in seinen jetzigen Abmessungen nicht verändert werden“. Dies sei „durch Grundbucheintrag zu sichern“. Am 17. Oktober 2019 errichtete der Erblasser eine Ergänzung zum Testament dahingehend, dass der Beschwerdeführer und seine Schwester den „Vollzug“ des Testaments gemeinsam „überwachen“ sollten; eine dritte Person sei „einzubinden“.
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2. Die Stadt M. beantragte am 29. Juli 2020 beim Amtsgericht München einen Alleinerbschein auf der Grundlage zweier letztwilliger Verfügungen des Erblassers, darunter das Testament vom 8. Oktober 2019. Da es sich bei der angeordneten Testamentsvollstreckung um eine Überwachungsvollstreckung handle, solle der Erbschein ohne Testamentsvollstreckervermerk erteilt werden.
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3. Der Beschwerdeführer beantragte am 18. Mai 2021 ebenfalls beim Amtsgericht München für sich einen Erbschein hinsichtlich einzelner Vermögensgegenstände wie Kunstgegenstände, einer Münz- und Briefmarkensammlung, Fotoalben, schriftlicher Aufzeichnungen, Bücher und eines Bankguthabens in Höhe von 20.000 €. Es handle sich um ein Aufteilungstestament, weshalb die Stadt M. nicht Alleinerbin sei. Der Ausschluss eines Erbscheins für bestimmte Gegenstände sei mit der Würde und dem Selbstbestimmungsrecht des Menschen unvereinbar.
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4. Mit dem angegriffenen Beschluss vom 26. Juli 2021 erachtete das Amtsgericht München die zur Begründung des Antrags der Stadt M. auf Erteilung eines Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt, setzte die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses aus und stellte die Erteilung des Erbscheins bis zur Rechtskraft des Beschlusses zurück. Den Erbscheinsantrag des Beschwerdeführers wies es mit demselben Beschluss zurück.
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Dem Antrag auf Erteilung eines Alleinerbscheins zu Gunsten der Stadt M. sei zu entsprechen, da die Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 1937 BGB vorlägen. Die Erbeinsetzung der Stadt M. werde vom Wortlaut des Testaments vom 8. Oktober 2019 sowie von der darin optisch hervorgehobenen Stellung der Zuwendung an die Stadt gestützt, die auch in älteren Testamenten immer an erster Stelle stehe. Die der Stadt zugewendete Immobilie mache den größten Teil des Vermögens aus. Die übrigen Bedachten seien daher nur Vermächtnisnehmer.
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Auch könne der Erbschein ohne Testamentsvollstreckervermerk erteilt werden.
Bei einer nur beaufsichtigenden Testamentsvollstreckung nach § 2208 Abs. 2 BGB sei ein solcher Vermerk nicht in den Erbschein aufzunehmen; so liege es hier. Der Erblasser habe eindeutig formuliert, dass in Bezug auf die Testamentsvollstreckung lediglich eine „Überwachung“ gewünscht sei. Die Stadt habe freie Hand in der Umsetzung seiner Wünsche in Bezug auf die Immobilie erhalten sollen. Deren Nutzung für Kinder habe dem Erblasser sehr am Herzen gelegen, daher habe er die Handlungsfähigkeit der Erbin nicht einschränken, sondern mit der Testamentsvollstreckung sicherstellen wollen, dass die Erbin seine Wünsche erfülle.
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Der Erbscheinsantrag des Beschwerdeführers sei zurückzuweisen. Dieser habe beantragt, ihm einen Erbschein über einzelne Gegenstände auszustellen. Dies sei im deutschen Erbrecht jedoch nicht vorgesehen.
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5. Gegen diesen Beschluss des Amtsgerichts legte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 30. August 2021 Beschwerde ein. Mit Schreiben vom 17. und 20. September sowie vom 9. November 2021 begründete er diese. Neben Vorbringen, das sich gegen die vom Amtsgericht angenommene Alleinerbenstellung der Stadt M. richtete, führte der Beschwerdeführer insbesondere aus:
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Bei der Frage, ob die angeordnete Testamentsvollstreckung im Erbschein zu vermerken sei, habe das Amtsgericht die speziellen Festlegungen des Erblassers für das Anwesen in der A. Straße in M. übergangen. In einem Testament vom 6. April 2017 und in späteren Verfügungen habe dieser vermerkt, dass die Auflagen für die Verwendung der Immobilie durch Grundbucheintrag zu sichern seien. Seine Festlegungen könnten aber so nicht im Grundbuch gesichert werden; zu deren Absicherung bedürfe es vielmehr der Eintragung im Grundbuch, dass Testamentsvollstreckung bestehe. Nur so wisse der Rechtsverkehr, dass die Nutzung des Anwesens an Auflagen gebunden sei, die durch die Testamentsvollstreckung vollzogen würden. Demgemäß könne der Erbschein auch nur mit dem Vermerk erteilt werden, dass hinsichtlich des Anwesens eine Testamentsvollstreckung bestehe; andernfalls sei der Antrag der Stadt M. auf Erteilung eines Erbscheins insgesamt abzulehnen.
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6. Die Schwester des Beschwerdeführers hatte mit Schreiben vom 3. August 2021 dem Nachlassgericht mitgeteilt, sie „kündige mit sofortiger Wirkung das Amt des Testamentsvollstreckers“. Der Beschwerdeführer richtete unter dem 16. November 2021 ein Schreiben an das Nachlassgericht, mit dem er „die baldmögliche Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses“ beantragte und zur Begründung darauf verwies, die Amtsniederlegung durch seine Schwester habe bei Dritten zu Verwirrung geführt, wer jetzt noch Testamentsvollstrecker sei.
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7. Das Amtsgericht half der Beschwerde vom 30. August 2021 unter Bezugnahme auf die angegriffene Entscheidung mit Beschluss vom 12. Januar 2022 nicht ab. Mit Schreiben vom 21. Januar sowie vom 12. und 16. August 2022 wiederholte und vertiefte der Beschwerdeführer insbesondere seine Argumentation zur Frage des Testamentsvollstreckervermerks.
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Nachdem das Oberlandesgericht München darauf hingewiesen hatte, dass der Sache nach zwei Beschwerden vorlägen (gegen die Erteilung des Erbscheins an die Stadt M. einerseits und gegen die Zurückweisung des Erbscheinsantrags des Beschwerdeführers andererseits), wies es mit Beschluss vom 12. Oktober 2022, der ebenfalls mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen wird, beide Beschwerden zurück. Beschwerdegegenstand sei lediglich der Beschluss des Amtsgerichts vom 26. Juli 2021, nicht aber etwaige Eintragungswünsche des Beschwerdeführers in das Grundbuch und der bislang nicht verbeschiedene Antrag auf Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses vom 16. November 2021.
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Das Amtsgericht sei zutreffend im Wege der Testamentsauslegung zu dem Ergebnis gelangt, dass die Stadt M. als Alleinerbin eingesetzt sei.
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Ebenfalls zu Recht sei es davon ausgegangen, dass in den zu erteilenden Erbschein kein Testamentsvollstreckervermerk aufzunehmen sei. Der Erbschein begründe gemäß § 2365 BGB eine Vermutung für die Richtigkeit und Vollständigkeit seines Inhalts. Aufgrund seines öffentlichen Glaubens würden gutgläubige Dritte gemäß §§ 2366 f. BGB geschützt, die mit dem durch einen Erbschein Ausgewiesenen Verfügungsgeschäfte abschlössen. Er bezeuge die Verfügungsbefugnis des Erben über den Nachlass. Daher seien Verfügungsbeschränkungen des Erben mit ihrem Umfang anzugeben, gemäß § 352 b FamFG insbesondere die Nacherbfolge und die Testamentsvollstreckung. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze liege hier keine eintragungspflichtige Testamentsvollstreckung vor.
Hierfür spreche der Inhalt der Testamente. Auch aus dem Einschub „Dies ist durch Grundbucheintrag zur sichern. Mein Neffe … ist hierzu einzubinden“ ergebe sich keine einzutragende Testamentsvollstreckung. Die Erbeinsetzung der Stadt M. sei gerade vor dem Hintergrund erfolgt, dass diese in der Lage sei, den Wunsch des Erblassers umzusetzen, in seinem bisherigen Eigenheim eine Einrichtung für Kinder zu betreiben. Diese sei Trägerin zahlreicher Kinderbetreuungseinrichtungen. Der Beschwerdeführer hingegen verfüge über keinerlei Erfahrung im Hinblick auf den Betrieb von derartigen Einrichtungen. Gerade vor diesem Hintergrund erscheine es fernliegend, dass der Erblasser die Stadt M. in ihrer Verfügungsbefugnis zugunsten des Beschwerdeführers habe beschränken wollen.
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8. Mit Schreiben vom 31. Oktober 2022 erhob der Beschwerdeführer gegen den Beschluss vom 12. Oktober 2022 Anhörungsrüge mit dem Ziel, das Verfahren in den Stand vor Erlass des Beschlusses zurückzuversetzen. Eine Gehörsverletzung ergebe sich bereits daraus, dass dem Beschwerdeführer ein Schriftsatz der Stadt M. zunächst vorenthalten worden sei. Im angegriffenen Beschluss sei sein Beschwerdevortrag, der sich mit dem Eintrag der Testamentsvollstreckung bei einer Nutzungsbeschränkung eines Grundstücks und mit der Frage des Aufteilungstestaments befasse, durchgehend ignoriert worden.
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9. Am 9. November 2022 erteilte das Amtsgericht München einen Erbschein ohne Testamentsvollstreckervermerk, wonach der Erblasser von der Stadt M. allein beerbt worden sei.
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10. Nachdem ein Befangenheitsgesuch des Beschwerdeführers gegen die am Beschluss vom 12. Oktober 2022 beteiligten Richter zurückgewiesen worden war, wies das Oberlandesgericht die Anhörungsrüge mit Beschluss vom 19. Mai 2023 zurück. Diese sei nicht begründet. Das Gericht habe bei seiner Entscheidung das Vorbringen des Beschwerdeführers und den gesamten Akteninhalt in vollem Umfang geprüft und in seiner Entscheidung berücksichtigt. Dass der Beschwerdeführer eine andere rechtliche Beurteilung dieser Punkte vornehme, verkürze seinen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht. Es werde darauf hingewiesen, dass die vom Beschwerdeführer gewünschte Eintragung eines Testamentsvollstreckervermerks in das Grundbuch nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sei. Gleiches gelte für den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses.
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11. Mit Schreiben vom 28. August 2023 aufgrund richterlicher Verfügung vom 11. Juli 2023 fragte das Amtsgericht München beim Beschwerdeführer unter Hinweis auf den Beschluss des Oberlandesgerichts vom 12. Oktober 2022 an, ob der formlos gestellte Antrag vom 16. November 2021 auf Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses zurückgenommen werde. Falls keine Rücknahme erfolge, sei der Antrag förmlich zu stellen. Der Beschwerdeführer teilte dem Amtsgericht mit Schreiben vom 2. Oktober 2023 mit, dass „gerade der verfassungswidrige Willkürbeschluss … vom 12.10.2022“ die Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses erforderlich mache. Er legte seinen diesbezüglichen Rechtsstandpunkt nochmals dar und beantragte „Dispens“ von der (nochmaligen) eidesstattlichen Versicherung für den Antrag auf Zeugniserteilung. Mit Schreiben vom 8. Februar 2024 aufgrund Verfügung vom 6. Februar 2024 teilte das Amtsgericht – Nachlassgericht – dem Beschwerdeführer mit, dass auf die eidesstattliche Versicherung nicht verzichtet werde. Weitere Äußerungen des Beschwerdeführers oder eine Entscheidung des Nachlassgerichts im weiteren Verfahren um den Antrag auf Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses sind den Nachlassakten (letzter Stand: 8. Juli 2024) nicht zu entnehmen.
II.
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1. a) Mit seiner Verfassungsbeschwerde vom 26. Juli 2023, eingegangen am gleichen Tag, rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 91 Abs. 1 BV) sowie des Willkürverbots (Art. 118 Abs. 1 BV).
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Erhebliche Zweifel, dass das Oberlandesgericht den Vortrag des Beschwerdeführers zur Kenntnis genommen habe, ergäben sich aus dem Hinweis des Gerichts im Beschluss vom 12. Oktober 2022, dass Beschwerdegegenstand lediglich der Beschluss des Amtsgerichts München vom 26. Juli 2021 sei, nicht aber etwaige Eintragungswünsche des Beschwerdeführers in das Grundbuch und der bislang nicht verbeschiedene Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses. Gleiches gelte für den Hinweis im Beschluss vom 23. Mai 2023, dass Gegenstand des Beschwerdeverfahrens nicht die Eintragung eines Testamentsvollstreckervermerks in das Grundbuch sei. Er habe wiederholt darauf hingewiesen, dass es ihm mit seiner Beschwerde darum gehe, dass im Erbschein der Testamentsvollstreckervermerk bezüglich des Anwesens eingetragen werde, was wiederum die Eintragung in das Grundbuch zur Folge habe. Dies entspreche den gesetzlichen Bestimmungen und der Rechtsprechung aller Obergerichte. Auch in der gesamten Literatur werde wie selbstverständlich davon ausgegangen, dass im Erbscheinsverfahren zu prüfen sei, ob ein Testamentsvollstreckervermerk einzutragen sei.
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Er habe vielfach in Schriftsätzen darauf hingewiesen, dass die Bestimmungen im Testament, das Anwesen A. Straße in M. auf 100 Jahre nicht zu verändern und nur als Einrichtung für Kinder zu nutzen, so nicht eintragungsfähig seien und deshalb in Übereinstimmung mit der aufgezeigten Rechtsprechung ein Testamentsvollstreckervermerk im Grundbuch erforderlich sei sowie eine entsprechende Aufnahme in den Erbschein. Obwohl dies ersichtlich die Kernbegründung der Beschwerde sei, habe sich das Oberlandesgericht damit nicht befasst. Es spreche nur von einer beaufsichtigenden Testamentsvollstreckung, wie sie sich aus der allgemeinen Bestimmung des Erblassers im Testament vom 17. Oktober 2019 ergeben möge. Er habe aber vorgetragen, dass ungeachtet dieser Bestimmung und unabhängig davon aufgrund der weiteren Bestimmung, dass die Nutzung und Veränderungssperre auf 100 Jahre im Grundbuch zu sichern seien, eine Testamentsvollstreckung „im Grundbuch, also im Erbschein“ eingetragen werden müsse.
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Das Vorgehen des Oberlandesgerichts sei auch willkürlich. Denn vor dem Hintergrund der Bestimmung des Erblassers, dass die von ihm vorgesehene Verwendung und Veränderungssperre des Anwesens auf 100 Jahre durch Eintragung in das Grundbuch zu sichern seien, und der aufgezeigten ständigen Rechtsprechung seit Jahrzehnten in solchen Fällen liege es außerhalb der Rechtsordnung, einen Erbschein ohne Testamentsvollstreckervermerk auszustellen.
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b) Nach einem Hinweisschreiben eines Referenten des Verfassungsgerichtshofs führt der Beschwerdeführer mit ergänzendem Schreiben vom 4. Oktober 2023 aus, es bestehe Einigkeit darin, dass die Verfassungsbeschwerde wegen des Grundsatzes der Subsidiarität unzulässig wäre, wenn mit dem Verfahren betreffend das Testamentsvollstreckerzeugnis das gleiche Rechtsschutzziel erreicht werden könne. Rechtsschutzziel des Erbscheinsverfahrens sei aber die vom Erblasser gewünschte Sicherung für 100 Jahre im Grundbuch. Diese Dauer gewähre der Testamentsvollstreckervermerk im Erbschein, der dann im Grundbuch einzutragen sei. Aufgrund dieses Vermerks stehe fest, dass dann, wenn der Beschwerdeführer als einzig genannte Person wegfalle, das Nachlassgericht gemäß § 2200 Abs. 1 BGB einen Nachfolger zu bestimmen habe. Dagegen erlösche das Amt des Testamentsvollstreckers gemäß § 2225 BGB mit dem Tod, was dazu führe, dass der entsprechende Vermerk im Grundbuch gelöscht werde. Der Unterschied bestehe also darin, dass mittels Testamentsvollstreckervermerks im Erbschein die Sicherung für die vom Erblasser gewünschten 100 Jahre garantiert sei, während im Fall der Eintragung des Vermerks aufgrund des Testamentsvollstreckerzeugnisses der Vermerk entsprechend der statistischen Lebenserwartung in knapp 20 Jahren gelöscht werde und damit die Sicherung der Auflagen ende, da der Erblasser keinen Nachfolger bestimmt habe.
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Im Übrigen sei das Nachlassgericht nicht der Auffassung, dass es im Verfahren über die Erteilung des Testamentsvollstreckerzeugnisses die im Raum stehenden Fragen unabhängig vom Beschluss des Oberlandesgerichts vom 12. Oktober 2022 prüfen müsse. Zum Beleg bezieht sich der Beschwerdeführer auf das Schreiben des Nachlassgerichts vom 28. August 2023 (vgl. oben unter I. 11.).
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c) Mit Schreiben seines Verfahrensbevollmächtigten vom 26. Juli 2024 teilte der Beschwerdeführer unter anderem mit, dass die Verfassungsbeschwerde darauf abziele, dass nach Aufhebung der Entscheidungen der Fachgerichte der erteilte Erbschein dahingehend geändert werde, dass der Testamentsvollstreckervermerk eingetragen wird, um die Verfügungen des Erblassers zu sichern.
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2. Das Bayerische Staatsministerium der Justiz hat von einer Stellungnahme abgesehen.
III.
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Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.
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1. Dabei kann offenbleiben, ob der Beschwerdeführer sich noch auf das Vorliegen eines allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses berufen kann. Ein solches fehlt in der Regel, wenn sich für den Beschwerdeführer die Beschwer durch den angegriffenen Hoheitsakt erledigt hat. Das ist der Fall, wenn die Maßnahme prozessual überholt ist oder wenn die begehrte verfassungsgerichtliche Entscheidung etwa wegen Zeitablaufs keinerlei praktische Auswirkungen mehr haben würde (VerfGH vom 16.10.1981 VerfGHE 34, 145/148 f.; vom 21.7.2020 – Vf. 56-VI-17 – juris Rn. 100). Der Erbschein zugunsten der Stadt M. wurde am 9. November 2022 erteilt. Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen den der Erteilung zugrundeliegenden, separat ergangenen Feststellungsbeschluss (§ 352 e Abs. 1 Sätze 1 bis 3, Abs. 2 FamFG) und gegen die diesen bestätigende Entscheidung des Oberlandesgerichts. Der Feststellungsbeschluss für einen bereits erteilten Erbschein ist aber durch die Erteilung prozessual überholt, weil selbst die Beseitigung des Feststellungsbeschlusses die Wirksamkeit des Erbscheins als solchen unberührt lässt (vgl. Krätzschel in Krätzschel/Falkner/Döbereiner, Nachlassrecht, 12. Aufl. 2022, § 39 – Einziehung und Kraftloserklärung des Erbscheins – Rn. 7; vgl. auch § 352 e Abs. 3 FamFG). Daher liegt grundsätzlich nahe, dass mit der Erteilung des Erbscheins auch das Rechtsschutzbedürfnis für das Verfassungsbeschwerdeverfahren entfallen ist. Dies bedarf aber aus den nachfolgend unter 2. dargestellten Gründen keiner Entscheidung.
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Gleiches gilt für die Frage, ob sich der Beschwerdeführer mit seiner Verfassungsbeschwerde auf eine mögliche Verletzung eigener Grundrechte (vgl. Art. 120 BV) berufen kann, obwohl eine Antragsberechtigung im Erbscheinsverfahren grundsätzlich eine Erbenstellung voraussetzt, der Beschwerdeführer sich im Verfassungsbeschwerdeverfahren jedoch nicht mehr maßgeblich auf eine eigene Erbenstellung beruft. Auch kann dahinstehen, ob die Verfassungsbeschwerde den Anforderungen genügt, die Art. 51 Abs. 1 Satz 1 VfGHG an ihre Substanziierung stellt (vgl. dazu nur VerfGH vom 8.11.2019 – Vf. 48-VI-18 – juris Rn. 20; vom 22.12.2020 – Vf. 15-VI-19 – juris Rn. 15).
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2. Denn die Verfassungsbeschwerde ist jedenfalls unzulässig, weil sie dem Grundsatz der materiellen Subsidiarität nicht gerecht wird.
32
a) Aus dem Erfordernis der Erschöpfung des Rechtswegs folgt nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs und auch des Bundesverfassungsgerichts, dass die Verfassungsbeschwerde wegen ihres subsidiären Charakters über Art. 51 Abs. 2 Satz 1 VfGHG hinaus nur dann zulässig ist, wenn alle prozessualen und faktischen Möglichkeiten ausgeschöpft sind, um dem als verfassungswidrig beanstandeten Hoheitsakt entgegenzutreten. Die Verfassungsbeschwerde ist ein letzter, außerordentlicher Rechtsbehelf, der nur dann zum Zug kommt, wenn alle anderen Möglichkeiten erschöpft sind, um eine verfassungswidrige Maßnahme zu beseitigen. Versäumt ein Beschwerdeführer eine prozessuale oder tatsächliche Möglichkeit, um eine Verletzung verfassungsmäßiger Rechte auszuräumen, so begibt er sich dieser Rechte (VerfGH vom 8.6.1984 VerfGHE 37, 79/83; vom 8.11.1991 VerfGHE 44, 136/138 f.; vom 22.10.2018 BayVBl 2019, 465 Rn. 19; vom 10.12.2019 – Vf. 20-VI-19 – juris Rn. 9; Müller in Meder/Brechmann, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 6. Aufl. 2020, Art. 120 Rn. 25 m. w. N.; Wolff in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, 2. Aufl. 2017, Art. 120 Rn. 68 f. m. w. N.). Der Grundsatz der Subsidiarität verlangt, dass ein Beschwerdeführer im fachgerichtlichen Verfahren sowohl den Rechtsweg formal durchlaufen als auch alle zumutbaren prozessualen Möglichkeiten ausgeschöpft hat, um die geltend gemachte Verletzung von Verfassungsrecht zu verhindern oder zu beseitigen (VerfGH BayVBl 2019, 465 Rn. 19; vom 8.11.2019 – Vf. 48-VI-18 – juris Rn. 24; vom 10.12.2019 – Vf. 20-VI-19 – juris Rn. 9; vom 12.1.2022 – Vf. 55-VI-21 – juris Rn. 26; BVerfG vom 10.3.2016 – 2 BvR 408/16 – juris Rn. 3 m. w. N.). Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, wenn ohne Inanspruchnahme des Verfassungsgerichtshofs eine andere Möglichkeit besteht oder bestand, die Verletzung zu verhindern oder zu beseitigen oder im praktischen Er gebnis dasselbe zu erreichen (VerfGH vom 19.12.2005 VerfGHE 58, 289/291 m. w. N.; vom 2.2.2017 – Vf. 36-VI-14 – juris Rn. 23; vom 23.1.2024 – Vf. 70-VI-22 – juris Rn. 30).
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b) Vorliegend besteht mit dem auf Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses gerichteten Antragsverfahren (vgl. § 2368 Satz 1 BGB; §§ 352, 354 Abs. 1 FamFG) eine andere, sachnähere und aus den oben dargestellten Gründen vorrangige Möglichkeit, das Rechtsschutzziel des Beschwerdeführers zu verfolgen.
34
aa) Dieses besteht erkennbar – und vom Beschwerdeführer im Schreiben vom 4. Oktober 2023 ausdrücklich bestätigt – darin, die vom Erblasser gewünschte Sicherung im Grundbuch in Bezug auf das in Rede stehende Grundstück zu erreichen. Nach den Überlegungen des Beschwerdeführers soll dies durch die Eintragung eines Testamentsvollstreckervermerks im Grundbuch gemäß § 52 GBO erfolgen. Die Beschlüsse des Amtsgerichts München und des Oberlandesgerichts München werden deswegen angegriffen, weil der Beschwerdeführer einen Erbschein mit Testamentsvollstreckervermerk als Grundlage eines entsprechenden Vermerks im Grundbuch ansieht.
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bb) Der Testamentsvollstreckervermerk ist vom Grundbuchamt grundsätzlich gemäß § 52 GBO „bei der Eintragung des Erben“ von Amts wegen einzutragen. Eine unterbliebene Eintragung ist jedoch von Amts wegen nachzuholen (vgl. Egerland in Burandt/Rojahn, Erbrecht, 4. Aufl. 2022, § 52 GBO Rn. 8).
36
Gemäß § 35 Abs. 2 GBO ist die Befugnis des Testamentsvollstreckers zur Verfügung über einen Nachlassgegenstand im grundbuchrechtlichen Verfahren jedenfalls bei deren Anordnung in einem privatschriftlichen Testament (vgl. zum Sonderfall öffentlicher Verfügungen von Todes wegen § 35 Abs. 2 Halbsatz 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 2 GBO) nur aufgrund eines Testamentsvollstreckerzeugnisses (§ 2368 BGB) als nachgewiesen anzusehen. Dementsprechend ist der Nachweis der Testamentsvollstreckung für die Eintragung eines Testamentsvollstreckervermerks gemäß § 52 GBO grundsätzlich durch das Testamentsvollstreckerzeugnis zu führen (vgl. Zimmermann, Die Testamentsvollstreckung, 6. Aufl. 2023, Rn. 241; Schaub in Bauer/Schaub, Grundbuchordnung, 5. Aufl. 2023, § 52 Rn. 14; Imre in Kroiß/Horn/Solomon, Nachfolgerecht, 3. Aufl. 2023, § 52 GBO Rn. 3; Demharter in Demharter, Grundbuchordnung, 33. Aufl. 2023, § 52 Rn. 11). Der Erbschein allein genügt hierfür nach überwiegender Meinung nicht (vgl. Zimmermann a. a. O. m. w. N.; Demharter a. a. O.; Imre a. a. O.; Schaub in Bauer/Schaub, a. a. O., § 52 Rn. 19; a. A. Egerland in Burandt/Rojahn, Erbrecht, 4. Aufl. 2022, § 52 GBO Rn. 4; Zeiser in BeckOK GBO, § 52 Rn. 26 f.).
37
c) Aus der Verfassungsbeschwerde nebst vorgelegten Anlagen geht auch hervor, dass der Beschwerdeführer eine Entscheidung über die Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses anstrebt. Es ist aber weder dem Vortrag des insoweit darlegungspflichtigen Beschwerdeführers noch den beigezogenen Verfahrensakten des Nachlassgerichts (Stand: 8. Juli 2024) zu entnehmen, dass das Verfahren inzwischen abgeschlossen wäre. Insoweit standen ausweislich der beigezogenen Verfahrensakten zuletzt der Hinweis des Nachlassgerichts auf das Erfordernis eines „förmlichen“ Antrags sowie die auf die Rückäußerung des Beschwerdeführers hin ergangene Mitteilung des Nachlassgerichts, dass auf die eidesstattliche Versicherung nicht verzichtet werde, im Raum (vgl. oben unter I. 11.). Es ist bereits weder vorgetragen noch ersichtlich, dass zwischenzeitlich ein den Anforderungen von § 354 Abs. 1 i. V. m. § 352 FamFG an Inhalt und Nachweis entsprechender („förmlicher“) Antrag gestellt worden wäre; erst recht nicht, dass eine Entscheidung hierüber ergangen wäre. Um dem Grundsatz der materiellen Subsidiarität zu genügen, hätte dem Beschwerdeführer oblegen, das Verfahren zur Erteilung des Testamentsvollstreckerzeugnisses – in dem er seine Rechtsauffassung, einschließlich der mit der Verfassungsbeschwerde geltend gemachten Gesichts punkte, erneut vorbringen kann – zu betreiben, die Entscheidung des Nachlassgerichts abzuwarten und gegebenenfalls den Rechtsweg zu erschöpfen.
38
d) Diese Beurteilung wird durch die Rechtsausführungen und die Darstellung der weiteren Entwicklung im Nachlassverfahren durch den Beschwerdeführer im Schreiben vom 4. Oktober 2023 nicht durchgreifend in Frage gestellt.
39
aa) Die Aufnahme eines Testamentsvollstreckervermerks in den Erbschein (vgl. zu dessen Inhalt z. B. Gierl in Burandt/Rojahn, Erbrecht, § 352 b FamFG Rn. 28) hat keinen Einfluss auf die Auslegung einer Verfügung von Todes wegen. Daher ist sie als solche weder maßgeblich dafür, ob das Nachlassgericht gehalten ist, beim Tod des Amtsinhabers kraft Ersuchens des Erblassers einen Nachfolger zu ernennen (vgl. hierzu etwa Lange in BeckOK BGB, § 2200 Rn. 2), noch sonst für die Dauer der Testamentsvollstreckung. Ebensowenig hat die Frage, welche Form von Nachweis (vgl. dazu zu oben unter b)) der Aufnahme eines Testamentsvollstreckervermerks ins Grundbuch zugrunde lag, Einfluss darauf, wann bzw. unter welchen Voraussetzungen dieser zu löschen ist. Daher ist nicht ersichtlich, dass die zeitliche Erstreckung eines etwa ins Grundbuch einzutragenden Testamentsvollstreckervermerks auf 100 Jahre gerade und nur mittels eines entsprechenden Vermerks im Erbschein gewährleistet werden könnte.
40
bb) Dass das Nachlassgericht im Schreiben vom 28. August 2023 unter Hinweis auf den Beschluss des Oberlandesgerichts vom 12. Oktober 2022 um Mitteilung gebeten hat, ob der am 16. November 2021 formlos gestellte Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses zurückgenommen werde, entbindet diesen nicht von den oben dargestellten Obliegenheiten. Darin liegt schon keine endgültige Festlegung; zudem stünde dem Beschwerdeführer gegen eine ablehnende Entscheidung die Beschwerde offen (§§ 58 ff. FamFG).
IV.
41
Das Verfahren ist kostenfrei (Art. 27 Abs. 1 Satz 1 VfGHG).