Titel:
Unmöglichkeit der Einspeisung in das Stromnetz
Normenketten:
EnWG 2016 § 14, § 17e
ZPO § 256
Leitsätze:
Die Vorschrift des § 17e Abs. 1 S. 1 und S. 3 EnWG (2016) ist hinsichtlich der Voraussetzungen für den zeitlichen Selbstbehalt des Anlagenbetreibers wie folgt auszulegen:
– Die Unmöglichkeit der Einspeisung muss störungsbedingt durchgehend von 0:00 bis 24:00 des Tages bestehen, weshalb Tage, an denen eine vollständige Einspeisung für mindestens eine Viertelstunde - der nach der üblichen Praxis kürzesten Erfassungseinheit - möglich ist, bei der Bestimmung des Selbstbehaltszeitraums nicht zu berücksichtigen sind. (Rn. 21)
– Eine Unmöglichkeit der Einspeisung ist nicht schon allein deshalb gegeben, weil die Einspeisung zwar nicht über die originär zugesagte Netzanbindung, jedoch über eine andere Leitung – wie beispielsweise eine Brückenverbindung des Offshore-Windparks an ein benachbartes Netzanschlusssystem – vollständig erfolgen kann. (Rn. 21)
– Maßgeblich für die Vollständigkeit der Einspeisung ist nicht, ob die Kapazität der zur Verfügung stehenden Leitung der zugesagten Netzanschlusskapazität entspricht „abstrakte Beurteilung“), sondern ob die Netzkapazität der Leitung ausreicht, um den tatsächlich erzeugten Strom vollständig einzuspeisen („konkrete Beurteilung“). (Rn. 21)
1. Ein Netzengpass iSd § 14 Abs. 1 EEG liegt vor, wenn aufgrund einer zeitweise hohen Einspeisung aus Anlagen zur Erzeugung von Strom die Netzkapazität erschöpft ist. (Rn. 163) (redaktioneller Leitsatz)
2. Kein Rechtsverhältnis iSd § 256 ZPO ist die Berechnungsgrundlage für einen streitigen Anspruch. Eine darauf gerichtete Feststellungsklage ist allenfalls dann zulässig, wenn sie geeignet ist, den Streit der Parteien über Bestand und Umfang der Zahlungspflicht abschließend zu bereinigen. (Rn. 167) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Antrag auf Zwischenfeststellung nach § 256 Abs. 2 ZPO setzt voraus, dass die Feststellung des Rechtsverhältnisses für die Entscheidung des Rechtsstreits vorgreiflich ist, also ohnehin darüber befunden werden muss, ob das streitige Rechtsverhältnis besteht. (Rn. 188) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Unmöglichkeit, Einspeisung, Stromnetz, zeitlicher Selbstbehalt, Anlagenbetreiber, Netzanbindung, Brückenverbindung, Offshore-Windpark, Netzanschlusssystem, Netzkapazität, Entschädigung, Störung, Übertragungsnetzbetreiber, Windenergieanlage, Feststellungsklage, Netzengpass, Rechtsverhältnis, Zwischenfeststellung
Vorinstanz:
LG Bayreuth, Endurteil vom 21.12.2023 – 32 O 665/22
Fundstellen:
LSK 2025, 2951
EnWZ 2025, 85
BeckRS 2025, 266
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Bayreuth vom 21.12.2023, Az. 32 O 665/22, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1. genannte Urteil des Landgerichts Bayreuth ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nach Maßgabe der Ausführungen in den Gründen beschränkt zugelassen. Zuständig ist der Bundesgerichtshof.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 3.478.446,77 € festgesetzt.
Entscheidungsgründe
1
I. Die Klägerin ist Eigentümerin und Betreiberin des O. „W.“, der aus 48 Windenergieanlagen mit einer installierten Gesamtleistung von 295,2 MW besteht. Bei der Beklagten handelt es sich um die zuständige Übertragungsnetzbetreiberin.
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Die Windenergieanlagen des W. sind über die beiden Wechselstromkabel AC 110 und AC 111, die jeweils eine Kapazität von 144 MW, mithin gemeinsam 288 MW aufweisen, mit der Konverterplattform „H. alpha“ – die den von der Klägerin erzeugte Drehstrom in Gleichstrom umwandelt – verbunden. Von dieser führt die von der Beklagten betriebene Netzanbindung „H.1“, bei der es sich um eine Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsleitung mit einer Kapazität von bis zu 576 MW handelt, zum landseitigen Netzverknüpfungspunkt B. Die Klägerin teilt sich die Gesamtkapazität von „H. alpha“ und der Leitung „H.1“ mit dem O. „M.“. In der Netzanschlusszusage vom 05.07.2010 (Anlage K 5) wurde der Klägerin die Netzanbindung „H.1“ mit einer Leistung von 288 MW zugesagt.
3
Unmittelbar neben der Konverterplattform „H. alpha“ liegt eine weitere von der Beklagten betriebene Konverterplattform mit der Bezeichnung „H. beta“, über die im streitgegenständlichen Zeitraum September/Oktober 2019 ein weiterer Offshore-Windpark mit dem öffentlichen Netz verbunden war. Über ein von der Beklagten errichtetes Brückensystem ist die Konverterplattform „H. alpha“ mit dieser Konverterplattform „H. beta“ verbunden. „H beta“ ist über die Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsleitung „H.2“ mit einer Kapazität von 690 MW ebenfalls mit dem landseitigen Netzverknüpfungspunkt B. verbunden. Das Netzanschlusssystem „H.2“ verfügt noch über freie, d.h. nicht an andere Windenergieanlagen auf See zugewiesene Kapazitäten.
4
Dieses Brückensystem ermöglicht den an das Netzanbindungssystem „H.1“ angeschlossenen Windparks, nach entsprechenden Schalthandlungen bei einem Ausfall des ihnen zugewiesenen Netzanbindungssystems in einem bestimmten Umfang über die Konverterstation „H. beta“ in das Übertragungsnetz der Beklagten einzuspeisen. Das technische Tool, das die Lastkapazität steuert, um eine Überlastung zu vermeiden, wird als TCM2 (Transmission Capacity Management, zu Deutsch: Übertragungskapazitätsmanagement) bezeichnet. Der Windpark der Klägerin konnte auf diese Weise im streitgegenständlichen Zeitraum zusammen mit dem OWP M. über dieses Brückensystem eine Menge von bis zu 200 MW in das Netz einspeisen, auch wenn die Leitung „H.1“ gestört war.
5
Zwischen 19.09.2019, 0:58 Uhr und 30.10.2019, 20:04 Uhr, mithin über einen Zeitraum von 41 Kalendertagen, konnte die Klägerin wegen Störungen des Netzanschlusssystems nicht über die Leitung „HGÜ 576 MW“ einspeisen, obgleich die Windenergieanlagen ihres Windparks betriebsbereit waren. Eine limitierte Einspeisung in das Übertragungsnetz der Beklagten über die Brückenverbindung zum Netzanschlusssystem „H.2“ war der Klägerin jedoch möglich. Davon ausgenommen waren lediglich kurze Zeiträume, in denen die Anschlussleitungen AC 110 und AC 111 gestört waren. Ausweislich des unstreitigen Tatbestands des erstinstanzlichen Urteils war die Anschlussleitung AC 110 am 19.09.2019 von 0:58 Uhr bis 10.09 Uhr sowie am 30.10.2019 von 18:36 Uhr bis 20:04 Uhr und die Anschlussleitung AC 111 am 19.09.2019 von 0:58 Uhr bis 10:09 Uhr und am 30.10.2019, 18:42 Uhr bis 30.10.2019, 20:04 Uhr gestört.
6
II. Das Landgericht wies die auf Zahlung einer Entschädigung nach § 17e Abs. 1 EnWG (in der bis 31.12.2016 geltenden Fassung) und hilfsweise auf verschiedene Feststellungen gerichtete Klage ab.
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Zur Begründung führte es aus, dass die hilfsweise gestellten Feststellungsanträge bereits unzulässig seien. Sie würden nur auf die Klärung abstrakter Rechtsfragen abzielen, weil für zukünftige Störungen der erforderliche Grund des Anspruchs der Klägerin auf (weitere) Entschädigungszahlungen noch nicht hinreichend angelegt sei, da diese den ungewissen Eintritt einer Störung oder Wartung voraussetzen würden.
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Der Hauptantrag auf Zahlung sei unbegründet, da die Selbstbehaltsfrist nach § 17e Abs. 1 EnWG 2016 vorliegend nicht abgelaufen sei. Ein Tag sei nur dann auf den Selbstbehaltszeitraum anzurechnen ist, wenn der Windpark an diesem Tag nicht mindestens in einer Viertelstunde seine volle, d.h. anhand der tatsächlich vorherrschenden Windverhältnisse maximale Einspeiseleistung in das Übertragungsnetz der Beklagten einspeisen konnte. Die Klägerin habe nicht darlegen können, dass es ihr an 10 aufeinanderfolgenden Tagen in keiner Viertelstunde möglich gewesen sei, ihre Erzeugungsleistung vollständig in das Übertragungsnetz der Beklagten einzuspeisen.
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III. Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin in ihrer Berufung. Sie beantragt unter Abänderung des angefochtenen Urteils,
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 3.478.446,77 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p.a. seit dem 14.12.2022 zu zahlen;
2. hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Berufungsantrag zu 1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist,
a) bei zukünftigen Störungen (einschließlich Wartungen im Sinne des § 17e Abs. 3 EnWG) der der Klägerin zugewiesenen Netzanbindung etwaige Entschädigungsansprüche nach § 17e EnWG ohne den Einwand abzurechnen, dass die Möglichkeit der (teilweisen) Einspeisung über eine Brückenverbindung Entschädigungsansprüche nach § 17e EnWG von vornherein ausschließe;
b) bei zukünftigen Störungen (einschließlich Wartungen im Sinne des § 17e Abs. 3 EnWG) der der Klägerin zugewiesenen Netzanbindung etwaige Entschädigungsansprüche nach § 17e EnWG nicht mit den durch Einspeisung über die Brückenverbindung im Selbstbehaltszeitraum erzielten Einnahmen oder mit am letzten Tag der Störung oder Wartungsmaßnahme erzielten Einnahmen zu verrechnen (sog. „virtuelles Konto“);
c) bei zukünftigen Störungen (einschließlich Wartungen im Sinne des § 17e Abs. 3 EnWG) der der Klägerin zugewiesenen Netzanbindung für die Berechnung der Entschädigungszahlungen nach § 17e EnWG auch untertägige Nichtverfügbarkeiten der Netzanbindung zu berücksichtigen und den Entschädigungszeitraum dabei viertelstundenscharf bis zum Ende der Störung (bzw. Wartung) zu berechnen;
d) bei zukünftigen Störungen oder Wartungsmaßnahmen der der Klägerin zugewiesenen Netzanbindung für die Berechnung der Entschädigungszahlungen § 17e EnWG in der bis 31. Dezember 2016 geltenden Fassung anzuwenden und dementsprechend den vollen anzulegenden Wert i.H.v. 19,40 ct/kWh – vorbehaltlich aus anderen gesetzlichen Gründen gerechtfertigter Abzüge – anzusetzen; ein Abzug i.H.v. 0,4 ct/kWh, wie er nach § 17e Abs. 1 S. 1 EnWG in der seit dem 1. Januar 2017 geltenden Fassung erfolgt, findet nicht statt.
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Zur Begründung führt die Klägerin u.a. aus, dass die vom Landgericht aufgestellten Anforderungen an den Ablauf der Selbstbehaltsfrist des § 17e Abs. 1 EnWG 2016 im Ergebnis praktisch nie erfüllbar wären, was die vom Gesetzgeber intendierte Risikoverteilung massiv zu Lasten des OWP-Betreibers verschiebe. Dies sei insbesondere mit dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Entschädigungsregelung nicht zu vereinbaren.
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Unzutreffend sei auch die Abweisung der hilfsweise gestellten Feststellungsanträge als unzulässig. Insbesondere habe das Landgericht übersehen, dass im Streitfall der Eintritt weiterer Störungen hinreichend wahrscheinlich sei.
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Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die eingereichten Schriftsätze der Klägerin nebst Anlagen Bezug genommen.
13
Der binnen nachgelassener Frist eingegangene Schriftsatz der Klägerin vom 20.12.2024 lag dem Senat bei seiner Entscheidung vor. Die darin erfolgten tatsächlichen Ausführungen zu den Einspeisedaten in Anlage B 13 unterfallen §§ 296a, 525 ZPO. Bereits in erster Instanz und im landgerichtlichen Urteil wurden die in dieser Anlage enthaltenen Daten und die Frage der Unzulässigkeit des Bestreitens dieser Daten mit Nichtwissen durch die Klägerin umfangreich thematisiert. Die in der mündlichen Verhandlung gewährte Stellungnahmefrist zum Schriftsatz der Beklagten vom 19.11.2024, soweit darin neues tatsächliches Vorbringen enthalten war, erstreckte sich damit nicht auf die Inhalte der Anlage B 13, da das diesbezügliche Vorbringen der Beklagten im Schriftsatz vom 19.11.2024 eine bloße Kurzzusammenfassung und Wiederholung des bisherigen Streitstoffs war. Außerdem besteht vor dem Hintergrund der nachfolgenden Ausführungen unter B.I.1.d) aa)(3)(b) keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Denn auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin im Schriftsatz vom 20.12.2024 hält der Senat daran fest, dass das Bestreiten mit Nichtwissen unbeachtlich ist, weil die Inhalte der Anlage B 13 Gegenstand der eigenen Wahrnehmung der Klägerin waren.
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Darüber hinaus lag dem Senat der Schriftsatz der Beklagten vom 07.01.2025 vor.
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IV. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung. Für den Ablauf des Selbstbehaltszeitraums komme es ausschließlich darauf an, ob der Klägerin die Einspeisung in das Übertragungsnetz der Beklagten an zehn aufeinanderfolgenden Tagen unmöglich gewesen sei. Über welche Netzbetriebsmittel die Beklagte die in ihr Netz eingespeiste elektrische Energie weiterleite, sei dafür irrelevant.
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Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die eingereichten Schriftsätze der Beklagten nebst Anlagen Bezug genommen.
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Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Der geltend gemachte Entschädigungsanspruch in Höhe von 3.478.446,77 € steht der Klägerin weder nach § 17e Abs. 1 EnWG 2016 (nachfolgend unter I.) noch aufgrund anderer Anspruchsgrundlagen (nachfolgend unter II.) zu. Die hilfsweise geltend gemachten Feststellungsanträge sind unzulässig (nachfolgend unter III.).
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I. Der Klägerin steht kein Entschädigungsanspruch nach § 17e Abs. 1 EnWG in der maßgeblichen Fassung von 2016 in Zusammenhang mit der Störung einer Übertragungsleitung des ihr zugewiesenen Offshore-Anschlusssystems „H.1“ in den Monaten September und Oktober 2019 zu. Der in § 17e Abs. 1 S. 1 und 3 EnWG 2016 vorgesehene Selbstbehaltszeitraum von 10 aufeinanderfolgenden bzw. 18 Tagen innerhalb eines Kalenderjahres ist im Streitfall nicht abgelaufen.
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1. Die Vorschrift des § 17e Abs. 1 S. 1 EnWG in der bis 31.12.2016 geltenden Fassung (nachfolgend: § 17e Abs. 1 S. 1 EnWG 2016), welche gemäß § 118 Abs. 21 EnWG für die Entschädigung im Streitfall maßgeblich ist, setzt voraus, dass
„die Einspeisung aus einer betriebsbereiten Windenergieanlage auf See länger als zehn aufeinander folgende Tage wegen einer Störung der Netzanbindung nicht möglich“ ist. „Soweit Störungen der Netzanbindung an mehr als 18 Tagen im Kalenderjahr auftreten, besteht der Anspruch abweichend von Satz 1 unmittelbar ab dem 19. Tag im Kalenderjahr, an dem die Einspeisung auf Grund der Störung der Netzanbindung nicht möglich ist“ (§ 17e Abs. 1 S. 3 EnWG 2016).
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Für das Ablaufen der Selbstbehaltsfrist muss daher
- wegen einer Störung der Netzanbindung
- die Einspeisung aus einer betriebsbereiten Windenergieanlage
- über 10 aufeinander folgende Tage oder an 18 Tagen im Kalenderjahr
- nicht möglich gewesen sein.
21
Der Senat legt die Vorschrift des § 17e Abs. 1 S. 1 und S. 3 EnWG 2016 hinsichtlich der Voraussetzungen für den zeitlichen Selbstbehalt des Anlagenbetreibers wie folgt aus:
- Die Unmöglichkeit der Einspeisung muss störungsbedingt durchgehend von 0:00 bis 24:00 des Tages bestehen, weshalb Tage, an denen eine vollständige Einspeisung für mindestens eine Viertelstunde – der nach der üblichen Praxis kürzesten Erfassungseinheit – möglich ist, bei der Bestimmung des Selbstbehaltszeitraums nicht zu berücksichtigen sind.
- Eine Unmöglichkeit der Einspeisung ist nicht schon allein deshalb gegeben, weil die Einspeisung zwar nicht über die originär zugesagte Netzanbindung, jedoch über eine andere Leitung – wie beispielsweise eine Brückenverbindung des Offshore-Windparks an ein benachbartes Netzanschlusssystem – vollständig erfolgen kann.
- Maßgeblich für die Vollständigkeit der Einspeisung ist nicht, ob die Kapazität der zur Verfügung stehenden Leitung der zugesagten Netzanschlusskapazität entspricht (“abstrakte Beurteilung“), sondern ob die Netzkapazität der Leitung ausreicht, um den tatsächlich erzeugten Strom vollständig einzuspeisen (“konkrete Beurteilung“).
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a) § 17e Abs. 1 EnWG 2016 ist dahingehend auszulegen, dass in Bezug auf die Bestimmung des Selbstbehaltszeitraums nur volle Tage maßgeblich sind, d.h. die Unmöglichkeit der Einspeisung störungsbedingt durchgehend von 0:00 bis 24:00 des Tages bestehen muss (so bereits OLG Nürnberg EnWZ 2023, 371 Rn. 123).
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aa) In Bezug auf die Frage, ob in den Selbstbehaltszeitraum nur volle Tage fallen oder ob auch solche Tage berücksichtigt werden müssen, an denen die Einleitung nur für einige Stunden gestört war, spricht der Wortlaut von § 17e Abs. 1 EnWG 2016 überwiegend dafür, Tage, an denen Störungen nur für einige Zeit aufgetreten sind, nicht zu berücksichtigen.
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Nach § 17e Abs. 1 S. 1 EnWG 2016 muss die (störungsbedingte) Unmöglichkeit der Einspeisung „länger als zehn aufeinander folgende Tage“ bestehen. Diese Formulierung spricht dafür, Tage, an denen zumindest teilweise eine Einspeisung möglich ist, bei der Berechnung nicht zu berücksichtigen, weil in diesem Fall die Unmöglichkeit nicht den gesamten Tag andauerte.
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Bestätigt wird dies durch den Wortlaut von § 17e Abs. 1 S. 3 EnWG 2016. Danach ist maßgeblich, dass an den 18 Tagen „die Einspeisung auf Grund der Störung der Netzanbindung nicht möglich“ war, was gegen eine Berücksichtigung von Störungen, die kürzer als ein Tag andauerten, spricht.
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bb) Dieses Ergebnis wird bestätigt durch die historische Auslegung.
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(1) Zu § 17e Abs. 1 S. 1 EnWG 2016 heißt es in der Gesetzesbegründung:
„Die Verpflichtung des Übertragungsnetzbetreibers zur Entschädigung besteht ab dem elften Tag der ununterbrochen gestörten Einspeisung; Tage, an denen zumindest teilweise eine Einspeisung möglich ist, sind bei der Berechnung nicht zu berücksichtigen“ (BT-Drs. 17/10754, S. 27).
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In Bezug auf den zeitlichen Selbstbehalt sollen somit nach dem eindeutig formulierten Willen des Gesetzgebers solche Tage nicht mitgezählt werden, an denen eine teilweise Einspeisung möglich ist. Das Wort „teilweise“ bezieht sich somit auf jeden Fall auf das zeitliche Element, d.h. lediglich Tage, an denen von 00.00 bis 24.00 Uhr eine Störung vorgelegen hat, also auch nicht in zeitlicher Hinsicht mindestens teilweise eine Einspeisung möglich war, sollen nach dem Willen des Gesetzgebers bei der Karenzberechnung nicht berücksichtigt werden.
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(2) Der gleiche eindeutige Wille des Gesetzgebers ergibt sich aus der Gesetzesbegründung zu § 17e Abs. 1 S. 3 EnWG 2016:
„Soweit jedoch an insgesamt mehr als 18 ganzen Tagen Störungen an der betreffenden Anbindungsleitung aufgetreten sind […]“ (BT-Drs. 17/10754, S. 27)
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Auch dieser Formulierung lässt sich entnehmen, dass nach dem gesetzgeberischen Willen der zeitliche Selbstbehalt anhand ganzer Tage, also voller Kalendertage, zu berechnen ist.
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(3) Rückschlüsse auf den gesetzgeberischen Willen kann auch die Gesetzesbegründung zu dem Gesetz zur Änderung der Bestimmungen zur Stromerzeugung aus Kraft-Wärme-Kopplung und zur Eigenversorgung vom 22.12.2016 ergeben. Darin heißt es zu dem neuen § 17e Abs. 3 S. 2 EnWG:
„Der Selbstbehalt wurde bisher anhand voller Kalendertage (24 Stunden) berechnet. In der Praxis kommt bei Wartungen eine Abschaltung der Offshore-Anbindungsleitung für einen ganzen Tag nur selten vor. Daher wird von der tagesscharfen auf eine stundenscharfe Berechnung umgestellt.“ (Beschlussempfehlung, BT-Drs. 18/10668, S. 151).
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Dadurch zeigt der Gesetzgeber, dass er mit dem Gesetz durch die Einfügung von § 17e Abs. 3 S. 2 EnWG eine (echte) Änderung der vorherigen Rechtslage, bei der sowohl bei Störungen als auch bei Wartungen eine Berechnung des Selbstbehalts anhand voller Kalendertage (24 Stunden) erfolgte, vornehmen wollte (vgl. dazu auch nachfolgend unter cc)).
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cc) Die systematische Auslegung, also die Berücksichtigung des Regelungsumfeldes (vgl. OLG Nürnberg EnWZ 2020, 412 Rn. 26), spricht ebenfalls dafür, solche Tage nicht zu berücksichtigen, an denen die Anbindungsleitung nicht den vollständigen Tag gestört war. Dies ergibt insbesondere der Vergleich mit dem soeben erwähnten § 17e Abs. 3 S. 2 EnWG.
34
§ 17e Abs. 3 EnWG regelt die Entschädigung im Fall von Wartungsarbeiten. Dabei ordnet der mit Wirkung zum 01.01.2017 eingeführte § 17e Abs. 3 S. 2 EnWG bei der Berechnung der Selbstbehaltsfrist eine stundenscharfe Berechnung der Ausfallzeiten an. Abweichend von den Entschädigungsansprüchen nach Absatz 1 wird daher seitdem bei der Berechnung der Ausfallzeiten nicht auf volle Tage, sondern auf volle zu addierende Stunden abgestellt. Es handelt sich dabei um eine Abweichung von der Regelung in § 17e Abs. 1 und 2 EnWG und stellt den Anlagenbetreiber bei wartungsbedingten Unterbrechungen insoweit besser, da der zeitliche Selbstbehalt schneller überschritten wird, als wenn – wie bei Absatz 1 – für die Wartung nur volle Ausfalltage gezählt würden (BeckOK EnWG/Grüner, 12. Ed. 1.9.2024, EnWG § 17e Rn. 25).
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Die Vorschrift des § 17e Abs. 3 S. 2 EnWG spricht im Umkehrschluss – da eine solche Regelung bei § 17e Abs. 1 EnWG 2016 fehlt – dafür, dass im Übrigen, d.h. für sonstige Störungen, nur solche Tage in die Selbstbehaltsfrist fallen, an denen es während des gesamten Kalendertages, also über 24 Stunden hinweg, unmöglich war, die durch eine Windenergieanlage produzierte Energie in das Übertragungsnetz einzuspeisen (Scheuch/Haller, in Steinbach/Franke, Kommentar zum Netzausbau, 3. Aufl. 2022, § 17e Rn. 13).
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dd) Dieses Auslegungsergebnis steht auch nicht im Widerspruch zum Sinn und Zweck des § 17e EnWG 2016.
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(1) Wesentliches Ziel des Gesetzgebers bei der Einführung der §§ 17e ff. EnWG 2016 war die Schaffung von verlässlichen Rahmenbedingungen für Investoren und von kalkulierbaren Haftungsrisiken für die beteiligten Akteure. Insgesamt wurde eine angemessene und ausgewogene Risikoverteilung im Zusammenhang mit der Nutzung der Windenergie auf See zwischen Windparkbetreibern, Übertragungsnetzbetreibern und Netznutzern (d.h. dem Stromverbraucher) angestrebt, bei der „auch der Betreiber der Offshore-Anlage durch einen Selbstbehalt am unternehmerischen Risiko beteiligt“ werden sollte (Evaluierungsbericht gemäß § 17j EnWG des Bundeswirtschaftsministeriums, Anlage B 10, Seite 4; Gesetzesbegründung BT-Drs. 17/10754 S. 26 ff.).
38
Dabei soll die verschuldensunabhängige Haftung des Netzbetreibers eine Kompensation für den aus Kostengründen erfolgten Verzicht auf das sogenannte „n-1-Kriterium“ darstellen.
„Zur Reduzierung der Netzausbaukosten im Offshore-Bereich wird im Interesse der Verbraucher auf das n-1-Kriterium, das an Land für das Übertragungsnetz gilt, verzichtet.“ Die „n-1-Sicherheit“ bedeutet, dass das Stromnetz jederzeit den Ausfall eines Netzelementes verkraften muss. „Bei Ausfall einer Anbindungsleitung […] steht dem Betreiber der Offshore-Anlage daher keine Ersatzleitung zur Verfügung, um seinen Abnahme- und Vergütungsanspruch aus dem EEG zu realisieren. Vor diesem Hintergrund ist es sachgerecht, dass der Betreiber einer Offshore-Anlage bei Nichteinspeisung aufgrund der Nichtverfügbarkeit der Netzanbindung aufgrund einer Störung […] eine Entschädigung erhält, unabhängig davon, ob diese durch den anbindungsverpflichteten Übertragungsnetzbetreiber verschuldet wurde oder nicht“ (BT-Drs. 17/10754 S. 26 f.).
39
Kernanliegen der Regelungen ist nicht der vollständige interessengerechte Ausgleich von Schäden, der aufgrund der in der Norm angelegten Selbstbehalte und Pauschalisierungen zwangsläufig weniger exakt ausfällt als bei Anwendung des allgemeinen Zivilrechts und der dort vorgesehenen umfassenden Naturalrestitution. Vielmehr geht es darum, durch Vereinfachung der Haftungsverhältnisse ökonomische Anreize für den Ausbau des Offshore-Netzes und mithin für die Energiewende auf See zu setzen (BT-Drs. 17/10754, S. 26; Theobald/Kühling/Overkamp, 125. EL Mai 2024, EnWG § 17e Rn. 2). Ziel der Norm des § 17e Abs. 1 EnWG 2016 ist, Risiken der Windparkbetreiber und Übertragungsnetzbetreiber bei erheblichen Störungen wirtschaftlich abzusichern. Die zeitlichen Selbstbehalte u.a. in § 17e Abs. 1 EnWG und deren Berechnung auf Ganztagesbasis sind Ausfluss dieser beidseitigen Risikoverteilung.
40
(2) Dass bei der Berechnung der Selbstbehalte nur Tage berücksichtigt werden, bei denen die Störung ganztätig vorliegt, und eine Unmöglichkeit der Einspeisung über einzelne Stunden nicht genügt, entspricht auch der allgemeinen Meinung in der Literatur (BeckOK EnWG/Grüner, 12. Ed. 1.9.2024, EnWG § 17e Rn. 5; Bourwieg/Hellermann/Hermes/Broemel, 4. Aufl. 2023, EnWG § 17e Rn. 6; Kment/Schink/Schiller, 3. Aufl. 2023, EnWG § 17e An. 13; BerlKommEnergieR/Uibeleisen, 4. Aufl. 2019, EnWG § 17e Rn. 22; Ertel, EnWZ 2020, 246 (248); Ruge EnWZ 2013, 3 (6)).
41
Auch die Bundesnetzagentur legt in ihrem „Leitfaden zur Ermittlung einer umlagefähigen Entschädigung bei Störung, Verzögerung oder Wartung der Netzanbindung von Offshore-Anlagen“ (Anlage K 11) ein derartiges Verständnis zugrunde:
42
Wie sich bereits aus der Gesetzesbegründung ergibt, sind Tage, an denen in zeitlicher Hinsicht zumindest teilweise eine Einspeisung möglich ist, bei der Berechnung der Entschädigungszahlungen aufgrund einer Störung, Verzögerung oder Wartung nicht zu berücksichtigen. Damit besteht ein Anspruch auf Entschädigung nur für jene Kalendertage, an denen die Netzanbindung ganztags, also von 0:00 Uhr bis 24:00 Uhr gestört oder verspätet war bzw. gewartet wurde.
43
Auch wenn der Leitfaden – der weder eine Festlegung darstellt noch den Charakter einer Verwaltungsvorschrift hat – für die Gesetzesauslegung nicht verbindlich ist, sondern es sich vielmehr um eine zusammenfassende Verlautbarung der Regulierungsbehörde handelt, mit der sie ihre Haltung zu bestimmten Themenkomplexen und den davon betroffenen Rechtsfragen bekannt macht (OLG Nürnberg EnWZ 2023, 371 Rn. 70 m.w.N.), wird in der Anwendungspraxis regelmäßig auf die dort vorgenommenen Konkretisierung Bezug genommen (Theobald/Kühling/ Overkamp, 125. EL Mai 2024, EnWG § 17e Rn. 6).
44
Gegen eine Berücksichtigung kürzerer Störungen spricht zudem, dass der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie in seiner Beschlussempfehlung Vorschlägen einer Berechnung der Störzeiten nach Stunden statt nach vollen Tagen (Stellungnahme des Offshore Forums W. GbR, BT-Drs. 17/11705, 9) nicht gefolgt ist (Bourwieg/Hellermann/Hermes/Broemel, 4. Aufl. 2023, EnWG § 17e Rn. 6). Vielmehr führt der Evaluierungsbericht gemäß § 17i EnWG des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (Anlage B 10), auf Seiten 8 f. u.a. Folgendes aus:
45
Tage, an denen in zeitlicher Hinsicht zumindest teilweise eine Einspeisung möglich ist, werden bei der Berechnung der Entschädigungszahlungen nicht berücksichtigt. Dem lag die Erwägung zu Grunde, dass eine Entschädigung nach § 17e Absatz 1 EnWG nur für große Schadensfälle greifen sollte, deren Auswirkungen sich für den Windparkbetreiber als existenzbedrohend erweisen könnten, weil die mögliche Einspeisung des erzeugten Stroms längerfristig nicht möglich sei. Kleinere Störungen, die nicht über einen ganzen Tag hinausgehen, hat der Gesetzgeber ausdrücklich für nicht entschädigungspflichtig erachtet. Ein Anspruch auf Entschädigung besteht nur für solche Tage, an denen die Netzanbindung ganztägig, also von 0:00 Uhr bis 24:00 Uhr, gestört war. Dies war Ausfluss der Risikoverteilung zwischen Windparkbetreibern, Übertragungsnetzbetreibern und Netznutzern.
46
Die Erfahrungen der letzten drei Jahre haben gezeigt, dass insbesondere Wartungsarbeiten, für die das Erfordernis einer ganztägigen Nichtverfügbarkeit ebenfalls gilt, in den seltensten Fällen an 24 Stunden am Stück erfolgen. Vielmehr wird die Anbindungsleitung witterungsbedingt an mehreren aufeinander folgenden Tagen jeweils für einige Stunden für die Durchführung der Wartungsarbeiten abgeschaltet. Der Entschädigungsanspruch entsteht in diesen Fällen nicht. Auch bei der Berechnung des zeitlichen Selbstbehalts werden diese Zeiten nicht berücksichtigt. Die Offshore-Wind-Branche spricht sich vor diesem Hintergrund dafür aus, dass für die Berechnung des Selbstbehalts auch untertägige Störungen und Wartungen der Anbindungsleitung einbezogen werden. Aus Verbrauchersicht sprechen einige Argumente gegen eine solche Verschiebung der Entschädigungsregelungen zugunsten der Windparkbetreiber […] Die Auslegung, wonach für den Selbstbehaltszeitraum nur volle Tage maßgeblich sind, d.h. die Unmöglichkeit der Einspeisung störungsbedingt durchgehend von 0:00 bis 24:00 des Tages bestehen muss, entspricht schließlich auch dem Verständnis der Klägerin. So führte sie in der Berufungsbegründung (Rn. 81) aus:
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Der Gesetzgeber hat mit der Vorgabe, dass die Störung entweder volle zehn aufeinander folgende Kalendertage andauern müsse oder dass Störungen insgesamt mehr als 18 volle, aber nicht aufeinander folgende Kalendertage andauern müssen, bevor überhaupt eine Entschädigung beansprucht werden kann, ohnehin eine bereits sehr hohe Hürde aufgestellt, bevor es überhaupt zu Entschädigungszahlungen kommen kann. Dies liegt daran, dass bereits eine einzelne Viertelstunde, an welcher die erzeugte bzw. erzeugbare Arbeit tatsächlich voll eingespeist werden kann, den gesamten Kalendertag „infiziert“, selbst wenn während der gesamten anderen 95 Viertelstunden die Einspeisung nicht in diesem Umfang möglich war.
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ee) Aus diesem Auslegungsergebnis folgt, dass für den Lauf der Selbstbehaltsfrist ausreicht, dass an einem Tag für mindestens eine Viertelstunde eine vollständige Einspeisung möglich ist.
49
Wie gerade ausgeführt, sind für den Selbstbehaltszeitraum nur volle Tage maßgeblich, d.h. die Unmöglichkeit der Einspeisung muss störungsbedingt ganztags und ununterbrochen – also durchgehend von 0:00 bis 24:00 des Tages – bestehen. Daraus folgt, dass solche Tage nicht bei der Berechnung der Karenzfrist von zehn aufeinander folgenden Tagen oder 18 Einzeltagen im Kalenderjahr berücksichtigt werden können, bei denen – und sei es auch nur kurzzeitig – eine uneingeschränkte Einspeisung in das Übertragungsnetz möglich war.
50
Zugunsten des Anlagenbetreibers ist bei der Frage, was kurzzeitiges Einspeisen bedeutet, auf die kürzeste Berechnungseinheit im Abrechnungsverfahren – also eine Viertelstunde – abzustellen. Denn es besteht Einigkeit darüber, dass – zumindest bei Anwendung des Spitzabrechnungsverfahrens – die Ausfallarbeit nach viertelstundensscharf erfassten Leistungswerten zu ermitteln ist. Dass die Ermittlung der Ausfallarbeit viertelstundenweise zu erfolgen hat, entspricht nicht nur der Branchenübung, sondern auch der insoweit zutreffenden Auffassung der Bundesnetzagentur, und ist damit auch den Überlegungen im Streitfall zugrunde zu legen, auch weil der Betreiber der Windenergieanlage nach Ablauf der Selbstbehaltsfrist für jeden Tag der Störung oder Wartung eine Entschädigung erhält, an dem er für eine Viertelstunde nicht in der zugesagten Höhe in das Übertragungsnetz einspeisen kann. Wenn also für mindestens eine Viertelstunde eine vollständige Einspeisung des produzierten Windparkstroms möglich war, konnte jede betriebsbereite Windenergieanlage des Windparks an diesem Tag für die in Abrechnungsfragen entscheidende Maßeinheit den gesamten erzeugten elektrischen Strom einspeisen.
51
b) Die Auslegung des § 17e Abs. 1 EnWG 2016 ergibt, dass bei der Berechnung des zeitlichen Selbstbehalts solche Zeiten nicht berücksichtigt werden, bei denen eine Einspeisung des Stroms zwar nicht über die originär zugesagte Netzanbindung, aber über eine andere Leitung, insbesondere eine Brückenverbindung des Offshore-Windparks an ein benachbartes Netzanschlusssystem, vollständig erfolgen kann.
52
aa) Voraussetzung für einen Entschädigungsanspruch ist nach dem Wortlaut der Norm, dass die Einspeisung von elektrischer Energie unmöglich ist, ohne die Unmöglichkeit auf die Einspeisung in das dem Offshore-Windpark zugewiesenen Netzanschlusssystem zu beschränken. Der Gesetzeswortlaut stellt für die Bestimmung der Unmöglichkeit mithin auf eine erfolgsbezogene Leistungspflicht – die Bewirkung einer Einspeisung des von der betriebsbereiten Windenergieanlage erzeugten Stroms – ab. Eine bestimmte Weise der Erfolgsherbeiführung, insbesondere über welche Leitung die Einspeisung erfolgt, ist nach dem Gesetzeswortlaut nicht Gegenstand der Leistungspflicht.
53
Die Klägerin vertritt den Standpunkt, dass im Falle des § 17e EnWG 2016 zwischen der Tatbestands- und der Rechtsfolgenseite zu trennen, mithin für die Bestimmung des Selbstbehalts lediglich auf das Vorliegen eines Störungsfalles und nicht zugleich auf die Möglichkeit einer alternativen Einspeisung zur Schadensbegrenzung abzustellen sei. Entscheidend für das Vorliegen eines Selbstbehaltstages sei lediglich, ob und in welchem Zeitraum eine Störung der gesetzlich zugewiesenen Anbindungsleitung vorliege. Die Brückenverbindung sei der gesetzlich zugewiesenen Anbindungsleitung nicht gleichzustellen.
54
Diese Einschränkung ist dem Wortlaut der Norm nicht zu entnehmen. Vielmehr sind die seitens des Anlagenbetreibers vorgenommenen Einspeisungen in das Übertragungsnetz bereits auf der Tatbestandsseite zu berücksichtigen. Die Störung der Netzanbindung ist nur eine von mehreren Voraussetzungen. Weitere Voraussetzung für die Annahme eines Selbstbehaltstages ist die Unmöglichkeit der Einspeisung. Eine Einspeisung ist nach dem Wortsinn aber nur dann nicht möglich, wenn keine elektrische Energie eingespeist werden kann. Wird der von einer Windenergieanlage erzeugte Strom in das Übertragungsnetz des Netzbetreibers eingespeist, ist dieser Windenergieanlage damit eine Einspeisung möglich.
55
Dem Gesetzeswortlaut lässt sich auch nicht entnehmen, dass es für den Ablauf eines Selbstbehaltstages genügt, wenn die Einspeisung in eine bestimmte Anbindungsleitung nicht möglich ist. Vielmehr muss „die Einspeisung“, also jegliche Einspeisung, unmöglich sein. Entscheidend ist somit lediglich die störungsbedingte Unmöglichkeit der Einspeisung in das Übertragungsnetz, ohne dass es auf den Abtransport über ein bestimmtes Betriebsmittel ankommt. Das zugewiesene Netzanbindungssystem ist lediglich der maßgebliche Bezugspunkt für die vom Tatbestand ebenfalls vorgesehene Störung, nicht aber für die Einspeisung.
56
Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Netzanbindung i.S.d. § 17e Abs. 1 EnWG 2016 aus sämtlichen Netzbetriebsmitteln zwischen den Netzanschlusspunkten des Windparks auf dessen Umspannplattform und dem landseitigen Netzverknüpfungspunkt besteht, die erforderlich sind, um die am Netzanschlusspunkt eingespeiste elektrische Energie an Land zu transportieren. Das Netzanbindungssystem umfasst insbesondere auch die Wechselstromkabel zwischen Windpark und Konverterplattform, die Konverterplattform selbst und die Gleichstromübertragungsleitung zwischen Konverterplattform und landseitigem Netzverknüpfungspunkt. Netzanschlusspunkt ist somit eine Schnittstelle zwischen dem Umspannwerk des Offshore-Windparks und den zum Übertragungsnetz des Netzbetreibers gehörenden Wechselstromkabeln. Die Einspeisung in die Anschlussleitungen zwischen Windpark und Konverterplattform stellt damit eine Einspeisung in die zugewiesene Netzanbindung dar. In welches Netzbetriebsmittel die Einspeisung erfolgt, ist nicht erheblich.
57
bb) Die historische Auslegung anhand der Gesetzesmaterialien zu § 17a ff. EnWG 2016, die im Wesentlichen der Ursprungsfassung aus dem Jahr 2012 entsprechen, bestätigt das Ergebnis der Wortlautauslegung. Denn die Gesetzesbegründung hält wiederholt fest, dass die Entschädigungspflicht erst greift, nachdem der Anlagenbetreiber über einen bestimmten Zeitraum keine Einspeisung in das (gesamte) Übertragungsnetz – ohne Eingrenzung auf das dem Anlagenbetreiber zugewiesene Netzanbindungssystem – vornehmen konnte. Es wird also nicht auf die Einspeisung in ein bestimmtes Netzbetriebsmittel abgestellt, sondern es soll entscheidend darauf ankommen, ob der OWP-Betreiber in das Übertragungsnetz einspeisen konnte oder nicht.
58
So führt die Gesetzesbegründung zum einen aus, dass der verschuldensunabhängige Entschädigungsanspruch nur im Falle einer „Nichteinspeisung“ bestehen solle. So sei es sachgerecht,
„dass der Betreiber einer Offshore-Anlage bei Nichteinspeisung auf Grund der Nichtverfügbarkeit der Netzanbindung auf Grund einer Störung oder der nicht rechtzeitigen Fertigstellung eine Entschädigung erhält“ (BT-Drs. 17/10754, S. 27).
59
Zum anderen formuliert die Gesetzesbegründung, dass die Entschädigungspflicht voraussetze, dass der Betreiber einer Offshore-Windanlage
„wegen einer Störung der Anschlussleitung nicht in das Übertragungsnetz des anschlussverpflichteten Übertragungsnetzbetreibers einspeisen kann.“ Gleichermaßen heißt es zu § 17e Abs. 1 S. 3 EnWG 2016: „Ist also die Anbindungsleitung schon mindestens 18 Tage im Jahr gestört gewesen, so dass keine Einspeisung des erzeugten Stroms in das Übertragungsnetz möglich war“ (BT-Drs. 17/10754, S. 27).
60
Für den Gesetzgeber war damit die Unmöglichkeit der Einspeisung in das Übertragungsnetz (insgesamt) maßgeblich. Eine Einspeisung in ein anderes Netzanbindungssystem soll damit nicht unbeachtlich sein.
61
cc) Auch die systematische Auslegung führt dazu, dass eine Unmöglichkeit der Einspeisung nicht gegeben ist, wenn der produzierte Strom zwar nicht über die eigentlich vorgesehene Netzanbindung, aber über eine Interimsleitung eingespeist werden kann.
62
(1) Dies ergibt insbesondere der Vergleich mit § 17f EnWG, der den Belastungsausgleich regelt.
63
Nach der Vorschrift des bis heute unverändert fortgeltenden § 17f Abs. 3 S. 1 EnWG 2016 hat der anbindungsverpflichtete Übertragungsnetzbetreiber alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, um einen Schadenseintritt zu verhindern, den eingetretenen Schaden unverzüglich zu beseitigen und weitere Schäden abzuwenden oder zu mindern. Nach der Gesetzesbegründung umfassen Schadensminderungsmaßnahmen „beispielsweise die Errichtung von Interimslösungen zur vorübergehenden Netzanbindung über eine benachbarte Anbindungsleitung. Über die Durchführung von Schadensminderungsmaßnahmen ist im Einzelfall unter Berücksichtigung der Kosten der Maßnahme und des Umfangs des vermiedenen Schadens zu entscheiden. […] Erfolgt beispielsweise eine vorübergehende Netzanbindung einer Offshore-Anlage an eine benachbarte Konverterplattform, so kann der Betreiber der Offshore-Anlage frei verfügbare Kapazität an der Nachbarplattform […] unter Beachtung des Vorrangs der Offshore-Anlagen, denen die verfügbare Kapazität zugeteilt wurde, nutzen. Im Rahmen einer Interimsverbindung sind auf die Offshore-Anlage weiterhin vorrangig die Entschädigungsregelungen anzuwenden. Im Falle der Reduzierung der Einspeisung aus einer interimsweise angebundenen Offshore-Anlage auf Grund eines Netzengpasses kann der Betreiber der Offshore-Anlage sich beispielsweise nicht auf § 12 Ab. 1 EEG berufen, sondern […] lediglich eine Entschädigung nach § 17e Abs. 1 und 2 in Anspruch nehmen.“ (BT-Drs. 17/10754, S. 31).
64
Berücksichtigt man folglich den systematischen Zusammenhang zwischen § 17e Abs. 1 EnWG 2016 und § 17f Abs. 3 EnWG, wird deutlich, dass der Gesetzgeber den Fall eines interimsweisen Abtransports der eingespeisten Energie über eine benachbarte Konverterplattform und deren HGÜ-Leitung bereits 2012 ausdrücklich gesehen und eine solche Vorgehensweise im Rahmen der Schadensminderungspflicht des Netzbetreibers empfohlen hat.
65
Zwar werden die Interimsmöglichkeiten der Netzeinspeisung als Maßnahme der Schadensminderung – also auf der Rechtsfolgenseite – erwähnt. Daraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass der Gesetzgeber zum Ausdruck bringen wollte, dass bei einer Interimsverbindung tatbestandlich zunächst ein Entschädigungsanspruch des OWP-Betreibers besteht. Denn der Gesetzgeber führt aus, dass auch im Rahmen einer Interimsverbindung die Entschädigungsregelung aus § 17e Abs. 1 EnWG Anwendung finden soll. Damit zeigt er, dass die für den Ablauf des Selbstbehaltszeitraums erforderliche Unmöglichkeit der Einspeisung nicht gegeben ist, wenn der seitens des Windparks eingespeiste Strom ganz über ein benachbartes Anbindungssystem transportiert wird.
66
Außerdem heißt es in § 17f Abs. 3 S. 1 EnWG 2016:
„Der anbindungsverpflichtete Übertragungsnetzbetreiber hat alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, um einen Schadenseintritt zu verhindern, den eingetretenen Schaden unverzüglich zu beseitigen und weitere Schäden abzuwenden oder zu mindern.“
67
Mit der Formulierung, dass ein Schadenseintritt (primär) verhindert werden soll, zeigt der Gesetzeswortlaut, dass die aufgeführten Maßnahmen nicht erst auf der Rechtsfolgenseite zu berücksichtigen sind, sondern auch dazu führen können, dass bereits der gesetzliche Tatbestand nicht erfüllt wird.
68
(2) Rückschlüsse von allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen der Unmöglichkeit, insbesondere § 275 BGB, auf den Inhalt der streitgegenständlichen Vorschrift sind nicht möglich. Insbesondere können die im Rahmen von § 275 Abs. 1 BGB maßgeblichen Grundsätze, wonach es zu einer gewissen Überschneidung von erfolgsbezogener und verhaltensbezogener Leistungspflichten kommen kann, nicht auf § 17e Abs. 1 EnWG 2016 übertragen werden.
69
Bei der Bestimmung der Unmöglichkeit kann bei § 275 Abs. 1 BGB neben dem geschuldeten Erfolg zugleich eine bestimmte Weise der Erfolgsherbeiführung Gegenstand der vertraglichen Leistungspflicht sein. Es ist dabei zunächst eine Frage der Auslegung der zugrunde liegenden Vereinbarung, ob der Leistungserfolg oder die Modalität der Ausführung vorrangiger Inhalt der Leistungspflicht ist. Ist danach die vereinbarte Leistungsmodalität geschuldet, so ist die Leistung unmöglich, wenn sie nicht in der vereinbarten Art und Weise ausgeführt werden kann. In diesem Fall kommt es nicht darauf an, ob der Schuldner den vereinbarten Leistungserfolg noch auf eine andere Weise herbeiführen könnte. Ist dagegen vorrangig der Erfolg geschuldet und die Modalität nach den Parteivereinbarungen nur von untergeordneter Bedeutung, so ist die Leistung erst unmöglich, wenn der Erfolg nicht – auch nicht auf andere Weise – herbeigeführt werden kann (BeckOGK/Riehm, 1.8.2023, BGB § 275 Rn. 85; BGH NZBau 2016, 213 Rn. 14 ff.).
70
Im Streitfall kann eine Auslegung der Vereinbarung zur Bestimmung der – erfolgs- oder handlungsbezogenen – Leistungspflicht nicht erfolgen, da die Beklagte nicht in Erfüllung einer vertraglichen Verpflichtung gegenüber der Klägerin tätig geworden ist. Vielmehr ist die Beklagte als Übertragungsnetzbetreiberin aufgrund der Belegenheit ihres Übertragungsnetzes gemäß § 17d Abs. 1 EnWG zur Errichtung der Netzanschlusssysteme in der deutschen Nordsee einschließlich der Ausschließlichen Wirtschaftszone nach Maßgabe des Offshore-Netzentwicklungsplanes sowie seit Januar 2019 entsprechend den Vorgaben des Netzentwicklungsplanes und des Flächenentwicklungsplanes gemäß § 5 des Windenergie-auf-See-Gesetzes verpflichtet (§ 17d Abs. 1 EnWG). Dementsprechend erteilte die Beklagte im Juli 2010 die Netzanschlusszusage für eine Anschlussleistung von 288 MW auf dem Netzanschlusssystem H.1 und der zugehörigen Konverterstation H. alpha (Anlage K 5). Umstände, dass sich aus den zugrundeliegenden gesetzlichen Normen eine Pflicht der Beklagten ergebe, den erzeugten Strom auf eine bestimmte Art und Weise abzutransportieren, zeigt die Klägerin nicht auf.
71
(3) Anhaltspunkte für die Auslegung von § 17e EnWG 2016 können auch nicht der Regelung des § 17 Abs. 2a EnWG 2006 entnommen werden. Diese Vorschrift verpflichtete Übertragungsnetzbetreiber wie die Beklagte, Offshore-Windanlagen an ihr Netz anzubinden und dabei die Leitungen von dem Umspannwerk einer Offshore-Windanlage bis zu dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Verknüpfungspunkt des nächsten Übertragungs- oder Verteilernetzes zu errichten und zu betreiben, wobei die Netzanbindung zum Zeitpunkt der technisch Betriebsbereitschaft der Offshore-Anlage errichtet sein musste. Ihr kann jedoch kein Regelungsgehalt entnommen werden, dass im Fall einer Störung der zugesagten Netzanbindung i.S.v. § 17e Abs. 2a EnWG 2006 allein deswegen Ersatzansprüche begründet sein müssten.
72
dd) Die teleologische Auslegung von § 17e EnWG 2016 bestätigt dieses Auslegungsergebnis. Auch vor dem Hintergrund der Ratio der Norm ist § 17e EnWG 2016 nicht dahingehend auszulegen, dass die Selbstbehaltsfrist auch dann zu laufen beginnt, wenn der Abtransport des erzeugten Stroms über eine alternative Anbindung, insbesondere eine Brückenverbindung, erfolgt.
73
(1) Der bereits dargestellte Normzweck von § 17e EnWG 2016 ist – wie das Landgericht zutreffend ausführte – bereits dann erreicht, wenn dem Betreiber von Windenergieanlagen eine weitere Möglichkeit zur Verfügung steht, den von ihm erzeugten Strom in das Übertragungsnetz des Netzbetreibers einzuspeisen. Denn in diesem Fall kommt der Netzbetreiber seiner Verpflichtung zum Abtransport des erzeugten Stroms auf anderem Weg nach, wobei der Betreiber der Windenergieanlagen kein schützenswertes Interesse hat, gerade über das ihm zugewiesene Anbindungssystem einzuspeisen. Ebenso wenig, wie er einen Anspruch darauf hat, dass ihm ein bestimmtes Anbindungssystem „zugewiesen“ wird, kann er nach einer solchen Zuweisung die Beibehaltung dieses Zustands verlangen. Besteht eine Alternativleitung, insbesondere eine Brückenverbindung, über die eine Einspeisung bei Ausfall einer Anbindungsleitung des zugewiesenen Netzanschlusssystems möglich bleibt, entfällt der maßgebliche Grund für einen verschuldensunabhängigen Entschädigungsanspruch.
74
Dies gilt jedenfalls dann, wenn ein vollständiger Abtransport über die Alternativleitung möglich ist, weil dann der Betreiber durch die Einspeisung über die Brücke so gestellt ist, wie er ohne die Störung oder Wartung der Anbindung der Offshore-Anlage stünde. Denn wenn die Interimsanbindung die Netzanbindung adäquat ersetzt, kommt ein Entschädigungsanspruch nicht in Betracht, weil dem Anlagenbetreiber kein Nachteil entsteht. Wie ausgeführt, liegt der Sinn und Zweck eines Selbstbehaltes auch darin, dass der Windparkbetreiber einen Teil des Schadens selbst tragen muss, nämlich für maximal 18 Tage, an denen ihm die Einspeisung jeweils ganztägig unmöglich gewesen sein muss und er daher keine Einnahmen erzielen konnte. Wenn er aber Strom in das Übertragungsnetz einspeisen und dementsprechend vermarkten kann, erleidet er keine entsprechenden Schäden, so dass er auch keinen solchen Selbstbehalt zu tragen hat.
75
Welche Voraussetzungen die Vorschrift des § 17e EnWG 2016 an die Vollständigkeit des Abtransports über die Alternativleitung aufstellt, wird nachfolgend unter c) erörtert.
76
(2) Eine andere Beurteilung ist entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin auch nicht unter Berücksichtigung der gesetzlichen Risikoverteilung in § 17e Abs. 1 EnWG 2016 veranlasst.
77
Die Regelung des § 17e Abs. 1 EnWG 2016 dient dem Zweck, einerseits dem Betreiber der Windenergieanlage eine ausreichende Investitionssicherheit zu geben und seine Ansprüche auf Abnahme und Vergütung des eingespeisten Stroms abzusichern (BT-Drs. 17/10754, S. 26). Andererseits wollte der Gesetzgeber den Betreiber der Offshore-Anlage bewusst am unternehmerischen Risiko beteiligen (BT-Drucks. 17/10754, S. 27).
78
Die Klägerin verweist zutreffend darauf, dass das Gesetz verschiedene Regelungen der Risikoaufteilung enthält. Einerseits besteht die Entschädigungspflicht für Vermögensschäden, die dem Betreiber einer Offshore-Windanlage daraus entstehen, dass dieser wegen einer Störung der Anbindungsleitung nicht in das Übertragungsnetz des anbindungsverpflichteten Übertragungsnetzbetreibers einspeisen kann, verschuldensunabhängig. Andererseits wird der Betreiber der Offshore-Anlage durch einen Selbstbehalt am unternehmerischen Risiko beteiligt, sind weitergehende Schadensersatzansprüche ausgeschlossen und entsteht der Anspruch erst ab einem gewissen Selbstbehaltszeitraum. Diese Einschränkungen bestehen wiederum nicht im Fall vorsätzlichen Handelns des anbindungsverpflichteten Übertragungsnetzbetreibers.
79
Die Auslegung, dass bei einer (vollständigen) Einspeisung des produzierten Stroms über eine Interimsleitung keine Unmöglichkeit der Einspeisung gegeben ist, widerspricht diesen Regelungen zur Risikoverteilung nicht, auch wenn man diese als abschließend ansieht. Denn es geht dabei um die Frage, ob der Selbstbehaltszeitraum abgelaufen ist, also einen Aspekt, der nach der Gesetzesratio zum System der von der Klägerin zu tragenden Einschränkungen gehört.
80
(3) Nicht außer Acht gelassen werden kann in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass – wie bereits ausgeführt – der Abtransport der in das zugewiesene Anbindungssystem eingespeisten Energie über eine Brückenverbindung zu einem benachbarten Anbindungssystem dem ausdrücklich formulierten Willen des Gesetzgebers entsprach, wie in entsprechenden Situationen zu verfahren ist, um den Interessen der beteiligten Personen und der Allgemeinheit, möglichst den gesamten erzeugten Strom nutzen zu können, bestmöglich Rechnung zu tragen. Die Vorschrift des § 17f Abs. 3 EnWG 2016 verpflichtet den Netzbetreiber unter den dort geregelten Voraussetzungen zur Durchführung möglichst günstiger Maßnahmen, die den Schaden der Verbraucher verhindern oder zumindest mindern.
81
ee) Diese Auslegung des Senats, wonach eine Interimsanbindung grundsätzlich geeignet sein kann, das Kriterium der Unmöglichkeit auszuschließen, entspricht auch der Auffassung der Bundesnetzagentur. Diese führt aus:
82
Ist die Einspeisung aus einer betriebsbereiten Offshore-Anlage für einen Teil der Kapazität, die dem Betreiber der Offshore-Anlage mit der Netzanbindungszusage oder Kapazitätsvergabe mitgeteilt wurde, möglich (z.B. über eine Interimsanbindung), ist das Kriterium der Unmöglichkeit der Einspeisung in Höhe der nicht für eine Einspeisung zur Verfügung stehenden, aber zugesagten Kapazität erfüllt (Bundesnetzagentur, Leitfaden in Anlage K 11, Seite 5).
83
An anderer Stelle des Leitfadens (Seite 6) heißt es:
84
Eine Interimsanbindung ersetzt nicht die eigentliche Netzanbindung und beendet auch nicht die Verzögerung der Netzanbindung. In dem Umfang, in dem eine Interimsanbindung zur Verfügung steht, ist jedoch das Kriterium der Unmöglichkeit der Einspeisung nach Abschnitt 2.3 nicht mehr erfüllt.
85
In beiden zitierten Stellen zeigt die Bundesnetzagentur, dass auch nach ihrer Meinung eine zur Verfügung gestellte Interimsanbindung dem Kriterium der Unmöglichkeit der Einspeisung grundsätzlich entgegenstehen kann.
86
c) Für die Selbstbehaltsfrist ist ohne Relevanz, ob die zur Verfügung gestellt Alternativleitung die Kapazität des Netzanbindungssystems, die dem OWP-Betreiber mit der Netzanbindungszusage mitgeteilt wurde, erreicht. Denn die Auslegung des § 17e Abs. 1 EnWG 2016 ergibt, dass maßgeblich für die Vollständigkeit der Einspeisung nicht ist, ob die Netzkapazität der Interimsanbindung der zugesagten Netzanschlusskapazität entspricht (“abstrakte Beurteilung“), sondern ob die Alternativleitung ausreicht, um den tatsächlich erzeugten Strom vollständig einzuspeisen (“konkrete Beurteilung“).
87
aa) Im Rahmen der Auslegung ist zum einen zu bedenken, dass die Berücksichtigung der Zurverfügungstellung einer Netzanbindung mit beschränkter Kapazität im Rahmen der Selbstbehaltsfrist in einem ersten Schritt voraussetzt, dass die Vorschrift des § 17e Abs. 1 EnWG 2016 überhaupt dahingehend auszulegen ist, dass bereits bei einer in quantitativer Hinsicht eingeschränkten Einspeisung eine Unmöglichkeit der Einspeisung anzunehmen ist. Die Auslegung zeigt jedoch, dass sich weder dem Wortlaut noch der Gesetzeshistorie oder -systematik Anhaltspunkte für die Berücksichtigung dieser Teilunmöglichkeit entnehmen lassen. Nur der Sinn und Zweck spricht dafür, dass die Frist für den zeitlichen Selbstbehalt des Anlagenbetreibers auch dann in Gang gesetzt wird, wenn dem Anlagenbetreiber nur eine in quantitativer Hinsicht eingeschränkte Netzkapazität zur Verfügung steht. Diese Ratio erfordert jedoch lediglich, solche Einbußen zu berücksichtigen, die dem OWP-Betreiber dadurch entstehen, dass die zur Verfügung gestellte Netzkapazität nicht ausreicht, um den tatsächlich produzierten Strom „aufzunehmen“.
88
(1) Der Wortlaut von § 17e Abs. 1 EnWG 2016 spricht eher dagegen, bei einer in quantitativer Hinsicht lediglich eingeschränkten Einspeisung eine Unmöglichkeit der Einspeisung annehmen zu können. Denn das Gesetz fordert die (generelle) Unmöglichkeit der Einspeisung. Nach dem Wortsinn des Begriffs der Unmöglichkeit ist eine Einspeisung nur dann nicht möglich, wenn gar keine elektrische Energie eingespeist werden kann (vgl. Ertel, EnWZ 2020, 246 (248)). Wird dagegen der von einer Windenergieanlage erzeugte Strom in das Übertragungsnetz des Netzbetreibers – und sei es auch nur teilweise – eingespeist, ist dieser Windenergieanlage eine Einspeisung möglich. Der Gesetzgeber hätte das Wort „soweit“ verwenden müssen, damit auch eine Teilunmöglichkeit für den Ablauf eines Selbstbehaltstages ausreichend sein könnte.
89
(2) Gleiches gilt für die historische Auslegung. Den Gesetzesmaterialien können keine Anhaltspunkte dafür entnommen werden, dass der Gesetzgeber eine störungsbedingte Unmöglichkeit der Einspeisung auch dann annehmen wollte, wenn die Einspeisung nur im reduzierten Umfang ermöglicht ist.
90
(a) Nicht auf den ersten Blick mag klar sein, was der Gesetzgeber mit folgender Formulierung in der Gesetzesbegründung meinte:
„Die Verpflichtung des Übertragungsnetzbetreibers zur Entschädigung besteht ab dem elften Tag der ununterbrochen gestörten Einspeisung; Tage, an denen zumindest teilweise eine Einspeisung möglich ist, sind bei der Berechnung nicht zu berücksichtigen“ (BT-Drs. 17/10754, S. 27).
91
Diese Aussage kann einerseits lediglich zeitbezogen zu verstehen sein (so auch Landgericht Berlin, Grund- und Teilurteil vom 30.04.2024, 91 O 13/23 (2), Anlage KJLW6, S. 12). Dafür spricht, dass sich der zweite Halbsatz ersichtlich auf vorangegangen Halbsatz, in dem die zeitliche Komponente des Entschädigungsbeginns geregelt wurde, bezieht.
92
Andererseits kann sich die Formulierung auch auf den Umfang der Einspeisemöglichkeit beziehen. Dafür spricht, dass der Gesetzgeber das Wort „teilweise“ und damit – anders als beispielsweise „zeitweise“ – ein eher mengenbezogenes Kriterium verwendet.
93
(b) Gegen eine Berücksichtigung von Teileinspeisungen im Rahmen des Selbstbehaltszeitraums spricht, dass der Gesetzgeber in der Begründung mehrfach auf eine „Nichteinspeisung“ abstellt:
„Zunächst ist Voraussetzung, dass die Offshore-Anlage selbst betriebsbereit ist und die Nichteinspeisung lediglich auf die Nichtverfügbarkeit der Netzanbinung zurückzuführen ist […]“ (BT-Drs. 17/10754, S. 26)
„Vor diesem Hintergrund ist es sachgerecht, dass der Betreiber einer Offshore-Anlage bei Nichteinspeisung auf Grund der Nichtverfügbarkeit der Netzanbindung auf Grund einer Störung oder der nicht rechtzeitigen Fertigstellung eine Entschädigung erhält […]“ (BT-Drs. 17/10754, S. 27)
94
(3) Die systematische Auslegung führt zu keinem eindeutigen Ergebnis, ob bei einer nur teilweisen Ermöglichung der Einspeisung der Selbstbehaltszeitraum zu laufen beginnt. Insbesondere verbieten sich Rückschlüsse von allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen der Unmöglichkeit, insbesondere § 275 BGB, auf den Inhalt der streitgegenständlichen Vorschrift.
95
So verwendet zwar beispielsweise die Vorschrift des § 275 Abs. 1 BGB lediglich das Wort „unmöglich“, obwohl im Kontext von § 275 Abs. 1 BGB anerkannt ist, dass dieser sowohl eine teilweise als auch eine vollständige Unmöglichkeit erfasst. Entscheidend für das Vorliegen einer partiellen Unmöglichkeit ist lediglich die Teilbarkeit der Leistung (MüKoBGB/Ernst, 9. Aufl. 2022, BGB § 275 Rn. 136). Auch bei der zugewiesenen Netzanschlusskapazität handelt es sich unproblematisch um eine teilbare Leistung.
96
Gegen eine Übertragung dieser Unmöglichkeitsdefinition des allgemeinen Unmöglichkeitsrechts auf § 17e Abs. 1 EnWG spricht jedoch, dass § 275 Abs. 1 BGB bereits im Wortlaut deutlich macht, dass auch die Teilunmöglichkeit mitumfasst ist und hierfür sodann separate Rechtsfolgen angeordnet werden. Denn nach der Vorschrift des § 275 Abs. 1 BGB ist der Anspruch auf eine Leistung ausgeschlossen, „soweit“ diese unmöglich ist. Eine auch die Teilunmöglichkeit umfassende Verwendung des Begriffs „soweit“ fehlt bei § 17e Abs. 1 EnWG 2016.
97
(4) Der Sinn und Zweck von § 17e Abs. 1 EnWG 2016 spricht zwar überwiegend dafür, auch bei einer lediglich teilweisen Unmöglichkeit der Einspeisung den zeitlichen Selbstbehalt des Anlagenbetreibers in Gang zu setzen. Die Ratio der Norm verlangt jedoch lediglich, bei einer nur unvollständigen Ermöglichung des Abtransports des tatsächlich erzeugten Stroms eine dafür erforderliche Teilunmöglichkeit anzunehmen.
98
(a) Die Regelung dient – wie bereits ausgeführt – auch dem Zweck, dem Betreiber der Windenergieanlage eine ausreichende Investitionssicherheit zu geben und seine Ansprüche „auf Abnahme und Vergütung des eingespeisten Stroms“ abzusichern (vgl. BT-Drs. 17/10754, S. 26). Im Sinne dieses Zwecks erscheint es gerechtfertigt, dass der Betreiber auch bei einer teilweisen Störung – bei der also nur die Einspeisung eines Teils des erzeugten Stroms ermöglicht wird – einen Entschädigungsanspruch erhält. Da somit ein Grund für die Entschädigungszahlung in der nicht erfolgten Abnahme und Vergütung des Stroms besteht, ist es angemessen, als maßgeblichen Bezugspunkt für eine denkbare Annahme von Teilunmöglichkeit den Umstand anzunehmen, ob die zur Verfügung gestellte Netzkapazität ausreicht, um den tatsächlich produzierten Strom „aufzunehmen“.
99
(b) Soweit für die Berücksichtigung von Teilunmöglichkeit das Argument herangezogen wird, dass der Sinn und Zweck der Regelung nicht dafür spreche, dass der Anlagenbetreiber gezwungen werden sollte, einzelne Windenergieanlagen des Windparks vollständig von der Einspeisung auszunehmen (z.B. aus dem Wind drehen), um den Entschädigungsanspruch für diese Anlagen geltend machen zu können, führt diese Argumentation ebenfalls nicht zwingend dazu, dafür auf das Nichterreichen der Kapazität des Netzanbindungssystems aus der Netzanbindungszusage abzustellen.
100
Der Wortlaut von § 17e Abs. 1 S. 1 EnWG 2016 stellt auf die Unmöglichkeit der Einspeisung einer einzelnen betriebsbereiten Windenergieanlage ab. Daher könnte der OWP-Betreiber bei einer nur teilweisen Störung der Anbindungsleitung einerseits einzelne Windenergieanlagen des Windparks vollständig von der Einspeisung ausnehmen, um in den Genuss der Entschädigung zu gelangen. Andererseits könnte er alle Windenergieanlagen anteilig reduzieren; in diesem Fall bekäme er keine Entschädigung (vgl. auch BeckOK EnWG/Grüner, a.a.O. § 17e Rn. 11). Die Ratio der Norm spricht vor diesem Hintergrund dafür, dass der Entschädigungsanspruch auch dann greift, wenn er alle seine Windenergieanlagen anteilig reduzieren muss, weil ein Teil der Anbindungsleitung ausgefallen ist (BeckOK EnWG/Grüner, 12. Ed. 1.9.2024, EnWG § 17e Rn. 12 f.).
101
Auch diese Argumentation spricht nicht dagegen, für das Kriterium der Teilunmöglichkeit darauf abzustellen, ob dem Anlagenbetreiber nur eine in quantitativer Hinsicht eingeschränkte Netzkapazität zur Verfügung steht, die nicht ausreicht, um den tatsächlich erzeugten Strom vollständig einzuspeisen. Denn sie begründet das Ergebnis der Berücksichtigungsfähigkeit von Teilunmöglichkeit mit dem Umstand, dass es keinen Unterschied machen könne, ob einzelne Windenergieanlagen gar keinen oder alle Windenergieanlagen nur eingeschränkt Strom produzieren. Nachdem daher auf der „Einspeiseseite“ auf die tatsächliche Stromerzeugung abgestellt wird, spricht nichts dagegen, auf der „Abtransportseite“ ebenfalls die tatsächliche Möglichkeit der Einspeisung des erzeugten Stroms als maßgeblich anzusehen.
102
In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass – wie bereits ausgeführt – § 17e Abs. 1 EnWG die Betriebsbereitschaft der Windenergieanlage auf See voraussetzt. Dadurch soll verhindert werden, dass dem Anlagenbetreiber eine Entschädigung wegen einer Störung der Anbindungsleitung zusteht, obwohl eine Einspeisung in das Netz gerade aus anderen technischen Gründen, die in seiner Verantwortungssphäre liegen (etwa eigene Wartungsarbeiten), oder auch aus anderen Gründen (Starkwind) ohnehin nicht möglich ist. Auch vor diesem Hintergrund spricht nach dem Sinn und Zweck der Regelung einiges dafür, dass die Nichtermöglichung der vollständigen Einspeisung des erzeugten Stroms maßgeblich ist.
103
(c) Dass die Ratio von § 17e Abs. 1 EnWG das Erfassen von Teilunmöglichkeit gebiete, wird auch damit begründet, dass anderenfalls dem Anlagenbetreiber unbillige Nachteile bzw. finanzielle Verluste entstünden.
104
So wird ausgeführt, dass soweit die Interimsanbindung die Netzanbindung adäquat ersetzt, ein Entschädigungsanspruch auch unter Berücksichtigung des Sinns und Zwecks nicht in Betracht kommt, weil dem Anlagenbetreiber kein Nachteil entsteht. Eine andere Beurteilung ist veranlasst, wenn der OWP-Betreiber wegen der geringeren Kapazität der Alternativleitung im Vergleich zur Nutzung der eigentlichen Netzanbindung in der Praxis einen finanziellen Verlust erleidet. Um der gesetzgeberischen Risikoverteilung Rechnung zu tragen, ist in diesem Fall eine teilweise Störung der Netzanbindung anzunehmen, was Entschädigungsansprüche ermöglicht (vgl. Theobald/ Kühling/ Overkamp, 125. EL Mai 2024, EnWG § 17e Rn. 11).
105
Nach dieser Argumentation umfasst die Vorschrift des § 17e Abs. 1 EnWG nach ihrem Sinn und Zweck zur Vermeidung von tatsächlichen Nachteilen und finanziellen Verlusten des Anlagenbetreibers auch die teilweise Unmöglichkeit der Einspeisung. Durch dieses Abstellen auf einen (materiellen) Schaden wird die Entschädigungsregelung einem Schadensersatzanspruch angenähert. Wenn daher vor diesem Hintergrund § 17e Abs. 1 EnWG dahingehend auszulegen ist, dass bereits bei einer in quantitativer Hinsicht eingeschränkten Einspeisung eine Unmöglichkeit der Einspeisung anzunehmen ist, kann es im Rahmen dieser Auslegung nicht auf das Nichterreichen einer Kapazität des Netzanbindungssystems, die dem OWP-Betreiber mit der Netzanbindungszusage mitgeteilt wurde, sondern nur auf das Nichtermöglichen des Abtransports des tatsächlich erzeugten Stroms ankommen. Denn wenn im konkreten Fall kein Einspeisebedarf besteht, hat der Anlagebetreiber keine Nachteile bzw. finanzielle Verluste zu gewärtigen. Vielmehr muss maßgeblich sein, was der OWP-Betreiber zu einem konkreten Zeitpunkt hätte einspeisen können, wenn der Netzbetreiber seinen Anbindungspflichten hinreichend nachgekommen wäre. Dies ist jedoch nur der tatsächlich von den Windenergieanlagen produzierte Strom.
106
(d) Das System der Selbstbehalte in § 17e EnWG 2016 – einschließlich des zeitlichen Selbstbehalts – beruht auch auf dem Gedanken, dass der Windparkbetreiber für gewisse Unterbrechungen aufgrund einer Störung oder Wartung keine Entschädigung verlangen kann, weil bei derart komplexen Anlagen immer gewisse Betriebsunterbrechungen eintreten oder vorgenommen werden müssen, und er die Nachteile auch dann tragen müsste, wenn er selbst (und nicht ein personenverschiedener Übertragungsnetzbetreiber) das Leitungsnetz betreiben würde. Vor diesem Hintergrund kann es für die Entscheidung des Vorliegens von Unmöglichkeit der Einspeisung nur auf die Nichtermöglichung des Abführens der tatsächlich erzeugten Energie ankommen, weil in dem unterstellten Fall, dass der Windparkbetreiber selbst das Übertragungsnetz betreiben würde, sich das Nichterreichen der theoretischen Kapazität des eigentlich für den Windpark zugewiesenen Netzanbindungssystems nicht negativ auswirken würde.
107
(e) Zu berücksichtigen ist im Rahmen der Auslegung auch, dass die Herstellung einer Brückenverbindung eine Schadensminderungsmaßnahme des Übertragungsnetzbetreibers nach § 17f Abs. 3 S. 1 EnWG darstellt (BT-Drs. 17/10754, 24 u. 31). Sie soll den wirtschaftlichen Schaden des von der Störung betroffenen Offshore-Windparks mindern und dem Übertragungsnetzbetreiber die Wälzung der Entschädigungskosten im Belastungsausgleich nach § 17f EnWG ohne Eigenanteil ermöglichen. Würde bei einer Teileinspeisung der Entschädigungsanspruch im Hinblick auf die nicht einspeisbaren Strommengen vollständig entfallen, würde der OWP-Betreiber gerade durch die Schadensminderungsmaßnahme im Ergebnis wirtschaftlich mitunter noch schlechter gestellt werden, als er ohne die Brückenverbindung stünde, weil er dann für die gesamte nicht einspeisbare Menge jedenfalls die Entschädigung nach § 17e EnWG erhielte.
108
Eine derartiger wirtschaftlicher Schaden, der zur Auslegung von § 17e EnWG 2016 dahingehend führt, dass auch eine Teilunmöglichkeit der Einspeisung den Selbstbehaltszeitraum in Lauf setzen kann, besteht jedoch nur, wenn eine Einspeisung des tatsächlich erzeugten Stroms teilweise nicht möglich ist. Kann ein Windparkbetreiber seine gesamte erzeugbare Energie einspeisen, ist dies nicht der Fall. Es besteht daher auch vor diesem Hintergrund keine Veranlassung, die Nichtnutzung einer tatsächlich nicht benötigen Kapazität ausreichen zu lassen, um die Selbstbehaltsfrist beginnen zu lassen.
109
In diesem Zusammenhang kann nicht außer Acht gelassen werden, dass der Windparkbetreiber durch diese Schadensminderungsmaßnahme des Netzbetreibers besser gestellt wird, als wenn er selbst das Leitungsnetz zum Abtransport des von ihm erzeugen Stroms verantworten würde. Denn in diesem Fall hätte er keinen Anspruch darauf, dass ein benachbarter OWP-Betreiber es zulässt, dass über seine Konverterplattform unter Nutzung einer Brückenverbindung eine Teileinspeisung des erzeugten Stroms erfolgen kann.
110
(f) Auch nach Meinungen in der Literatur besteht, soweit über die Interimsanbindung bereits tatsächlich Energie ins Netz eingespeist werden kann, keine Unmöglichkeit mehr (Schulz/Rösler, EnWZ 2013, 531, 533). „Wird der Netzausfall durch eine Interimsanbindung ganz oder teilweise behoben, besteht zwar die Störung der Netzanbindung fort. Bei teleologischer Betrachtung besteht in diesem Fall jedoch keine Unmöglichkeit und damit keine Störung mehr, soweit eine Einspeisung über die Interimsanbindung erfolgen kann (Schink/Schiller, in Kment, EnWG, 3. Aufl. 2023, 17e Rn. 18).
111
bb) Zum anderen ist im Rahmen der Auslegung zu berücksichtigen, dass – selbst wenn § 17e EnWG 2016 wegen des Sinns und Zwecks dahingehend auszulegen ist, dass auch bei einer lediglich teilweisen Unmöglichkeit der Einspeisung der zeitliche Selbstbehalt des Anlagenbetreibers läuft – dem Wortlaut, der Gesetzesbegründung und der Gesetzessystematik Anhaltspunkte dafür entnommen werden können, dass für die Vollständigkeit der Einspeisung nicht maßgeblich sein soll, ob die Kapazität der zur Verfügung stehenden Leitung der zugesagten Netzanschlusskapazität entspricht, sondern ob die Netzkapazität der Leitung ausreicht, um den tatsächlich erzeugten Strom vollständig einzuspeisen.
112
(1) Für den Fall, dass für die Selbstbehaltsfrist die teilweise Unmöglichkeit der Stromeinspeisung ausreichend ist, spricht der Wortlaut überwiegend dafür, nicht auf die (theoretische) Kapazität der Strommenge der Netzanbindung aus der Netzanschlusszusage, sondern auf die tatsächlich produzierte Strommenge abzustellen. Dies ergibt sich daraus, dass nach § 17e Abs. 1 EnWG 2016 der Entschädigungsanspruch nur für betriebsbereite Windenergieanlagen greift. Dieses Kriterium der Betriebsbereitschaft der Windenergieanlage soll verhindern, dass ein Entschädigungsanspruch entsteht, obwohl der Anlagenbetreiber auch bei funktionsfähiger Netzanbindung keinen Strom produziert und veräußert hätte. Es würde dem Wesen einer Entschädigung ebenso wie dem Wesen eines Schadensersatzes widersprechen, wenn der Anlagenbetreiber letztlich davon profitieren würde, dass eine für ihn ohnehin nicht nutzbare Netzanbindung funktionsuntüchtig ist (Theobald/Kühling/Overkamp, 126. EL Juli 2024, EnWG § 17e Rn. 8). Vor diesem Hintergrund spricht einiges dafür, dass es für die Frage der Unmöglichkeit der Einspeisung und in Folge des Beginns der Selbstbehaltsfrist nicht darauf ankommt, ob die eigentliche Netzanbindung eine höhere (theoretische) Kapazität aufweist, als das im Störungsfall genutzte System, wie beispielsweise das Brückensystem. Denn anderenfalls – wenn also nicht maßgeblich wäre, ob über die Interimsleitung die Einleitung der tatsächlich produzierten Strommenge ermöglicht wird – würde der Anlagenbetreiber ebenfalls davon profitieren, dass ein für ihn ohnehin nicht nutzbarer Teil der Kapazität der Netzanbindung funktionsuntüchtig ist.
113
(2) Auch der Gesetzgeber hat sich mit der Voraussetzung der Betriebsbereitschaft der Windenergieanlage beschäftigt und führt diesbezüglich in der Gesetzesbegründung aus:
„Zunächst ist Voraussetzung, dass die Offshore-Anlage selbst betriebsbereit ist und die Nichteinspeisung lediglich auf die Nichtverfügbarkeit der Netzanbindung zurückzuführen ist, d.h. ein Entschädigungsanspruch entfällt, wenn aus anderen Gründen eine Einspeisung aus der Offshore-Anlage, z.B. wegen eines Defekts oder laufender Wartungsarbeiten, nicht möglich wäre“ (BT-Drs. 17/10754, S. 26).
114
Damit zeigt der Gesetzgeber, dass maßgeblich sein soll, dass die Ursache für die fehlende Einspeisung nicht im Verantwortungsbereich des Betreibers der Windenergieanlage liegt. Ein Defekt oder laufende Wartungsarbeiten an der Anlage sollen deshalb ebenso wenig zu einem Entschädigungsanspruch führen wie Windstille oder Starkwindsituationen, wegen denen es zu einer Abschaltung der Windenergieanlage kommt (Kment, in Schink/Schiller, EnWG, 3. Aufl. 2023, § 17e Rn. 11; BeckOK EnWG/Grüner, 12. Ed. 1.9.2024, EnWG § 17e Rn. 4). Diese Abgrenzung nach Verantwortungsbereichen zwischen Netzbetreiber und OWP-Betreiber spricht für den gesetzgeberischen Willen, dass es bei der Frage der Unmöglichkeit der Einleitung nicht auf die Nichteinhaltung der mit der Netzanbindungszusage oder Kapazitätsvergabe zugesagten Kapazität, sondern vielmehr auf die Nichtermöglichung der Einleitung des tatsächlich von den betriebsbereiten Windenergieanlagen erzeugten Stroms ankommen soll.
115
Genauso, wie es nicht interessengerecht wäre, dem Anlagenbetreiber für einen Zeitpunkt, in welchem eine Einspeisung per se nicht möglich ist, eine Entschädigung dafür zu zahlen, dass in einem solchen Moment zufällig auch die Anbindungsleitung gestört ist (BerlKommEnergieR/ Uibeleisen, 4. Aufl. 2019, EnWG § 17e Rn. 21), würde es nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechen, für das Kriterium der Unmöglichkeit der Einspeisung auf das Nichterreichen der theoretischen Kapazität des eigentlich für den Windpark zugewiesenen Netzanbindungssystems abzustellen. Indem der Gesetzgeber auf die Möglichkeit der Einspeisung aus der Offshore-Anlage abstellt, zeigt er, dass für ihn maßgeblich ist, ob es möglich ist, über die Interimsanbindung – insbesondere das Brückensystem – den Strom vollständig abzutransportieren. Damit muss der tatsächlich erzeugte Strom das maßgebliche Beurteilungskriterium sein.
116
(3) Für den Fall der Berücksichtigung von Teilunmöglichkeit spricht auch die Gesetzessystematik überwiegend dafür, auf das Nichtermöglichen des Abtransports des tatsächlich erzeugten Stroms abzustellen. Dies ergibt sich daraus, dass – wie dargestellt – nach einhelliger Auffassung eine in zeitlicher Hinsicht mögliche Teileinspeisung von einer Viertelstunde pro Tag die Unmöglichkeit i.S.v. § 17e Abs. 1 S. 1 und S. 3 EnWG 2016 ausschließt, dass also solche Tage, an denen kurzzeitig eine vollständige Einspeisung möglich war, nicht in die Selbstbehaltsfrist fallen. Damit dieses Auslegungsergebnis einen praktischen Anwendungsbereich hat, kann es für die Annahme von Teilunmöglichkeit nicht auf ein (gleichbleibendes) Delta zwischen den Maximalkapazitäten von zwei Leitungen ankommen. Denn die Lücke zwischen zugesagter Kapazität der eigentlich vorgesehenen Netzanbindung und der Maximalkapazität einer Alternativleitung, wie beispielsweise einer Interimsanbindung, bleibt immer gleich. Bei einem Verständnis wie dem der Klägerin – bei dem also Teilunmöglichkeit bereits dann angenommen werden müsse, wenn die Kapazität der im Störfall genutzten Leitung (wie beispielsweise die TCM2-Brücke) der Kapazität der Anbindungsleitung aus der Netzanbindungszusage nicht entspricht – wäre es denknotwendig ausgeschlossen, dass es zu einer Situation kommen kann, wonach der erzeugte Strom für eine Viertelstunde vollständig in das Übertragungsnetz eingespeist werden kann.
117
(4) Dass der Sinn und Zweck von § 17e EnWG 2016 nicht dafür spricht, bei der Teilunmöglichkeit der Einspeisung das Nichterreichen der Leitungskapazität aus der Netzanbindungszusage ausreichen zu lassen, hat der Senat bereits unter c) aa)(4) ausgeführt.
118
cc) Dieses Verständnis bringt zudem den Vorteil mit sich, dass sich bei der Normanwendung keine praktischen Probleme ergeben, wie sie bei einer anderen, „abstrakt“ auf die zugesagte eingespeiste Menge abstellenden Auslegung (für eine solche offenbar Landgericht Berlin, Grund- und Teilurteil vom 30.04.2024, 91 O 13/23 (2), S. 11 f., Anlage KJLW6) entstehen würden.
119
(1) Ließe man es für das Vorliegen einer Störung und einer Unmöglichkeit der Einspeisung ausreichen, dass es dem Windparkbetreiber nicht möglich gewesen wäre, die von der Anbindungszusage erfasste Strommenge – im Streitfall von 288 MW – über das bzw. ein Anbindesystem des Netzbetreibers einzuspeisen, liefe der Selbstbehaltszeitraum von 10 Tagen zwar früher ab. In welchem Umfang der OWP-Betreiber tatsächlich gehindert war, von ihm konkret produzierten Strom einzuspeisen, würde sich bei dieser Auslegung nur auf der Rechtsfolgenseite auswirken (vgl. Landgericht Berlin, a.a.O., S. 12), weil es insoweit an einem Vermögensschaden i.S.v. § 17e Abs. 1 S. 1 EnWG 2016 fehlen würde. Für den Betreiber ergäbe sich damit ein wesentlich günstigeres Ergebnis.
120
(2) Dieser Ansatz führt jedoch – sowohl im konkreten Fall, aber auch in allen anderen Fällen der vorliegenden Art – zu erheblichen Anwendungsschwierigkeiten:
121
Hinsichtlich der Megawatt – im Streitfall 88 MW – die der Windparkbetreiber über den gesamten Zeitraum keinesfalls hätte einspeisen können, würde der 10-Tages-Zeitraum vom ersten Tag der Störung an laufen.
122
Bei den übrigen Megawatt wäre zu differenzieren:
123
Hätte beispielsweise die Klägerin an den ersten fünf Tagen infolge entsprechender Auslastung des Systems „H.1“ nur 150 MW, an den zweiten fünf Tagen jeweils nur 120 MW und an den nächsten 30 Tagen nur 100 MW einspeisen können, müssten gesonderte 10-Tages-Zeiträume berücksichtigt werden. So wäre ab dem 10. Tag die Selbstbehaltsfrist auch wegen weiterer 50 MW angelaufen, ab dem 15. Tag wegen nochmals weiterer 30 MW und ab dem 20. Tag für weitere 20 MW. Würde sich die Einspeisungsmöglichkeit wieder verbessern, weil die anderen Offshore-Windparks weniger Strom erzeugen, würden die Selbstbehaltszeiträume wiederum gestaffelt enden. Letztlich müsste für jeden Leistungsbetrag laufend gesondert betrachtet werden, ob innerhalb der letzten 10 Tage eine Einspeisung allenfalls in diesem Umfang möglich war oder nicht. Bereits dies würde zu einer erheblichen Verkomplizierung führen.
124
Hinzu käme, dass kontrolliert werden müsste, ob der 18-Tages-Zeitraum des § 17e Abs. 1 S. 3 EnWG 2016 jeweils abgelaufen ist, weil denkbar ist, dass beispielsweise die tatsächliche Einspeisemöglichkeit für den betroffenen Offshore-Windpark für 9 Tage einen bestimmten Wert unterschritten hat, sich dann (wegen der niedrigen Stromproduktion anderer angeschlossener Offshore-Windparks) für einen Tag erhöht hat und anschließend wieder auf ein niedrigeres Niveau abgesunken ist; es müsste dann – wiederum für jede Kapazitätsmenge – laufend erfasst und berücksichtigt werden, ob sich nicht insgesamt 18 Tage ergeben, an denen die konkrete eingespeiste Möglichkeit entsprechend niedrig war.
125
(3) Gegen diese Auslegung spricht neben den soeben dargestellten praktischen Anwendungsschwierigkeiten, dass dem Gesetz nichts dafür zu entnehmen ist, dass bei einer nur mengenmäßig beschränkten Einspeisemöglichkeit der Selbstbehaltszeitraum von 10 und/oder 18 Tagen für jedes Speichervolumen gesondert zu ermitteln und zu berücksichtigen ist, es somit eine entsprechend große (theoretisch: unendliche) Vielzahl von Selbstbehaltszeiträumen geben soll.
126
Zudem spricht gegen dieses Verständnis, dass der Gesetzgeber in § 17e Abs. 1 S. 1 EnWG 2016 zwar grundsätzlich zwischen einer Störung und einer Unmöglichkeit – welche die Folge einer Störung sein muss – differenziert hat, nicht jedoch beim Zeitraum. Während der die Rechtsfolge nennende Satzteil verbal an die Dauer der Störung anknüpft (“ab dem elften Tag“), stellt der die Tatbestandsvoraussetzungen festlegende erste Halbsatz klar darauf ab, dass sowohl die Störung als auch die daraus resultierende Unmöglichkeit für mehr als 10 aufeinander folgende Tage bestehen muss. Eine Dauer der Störung von mehr als 10 Tagen unabhängig davon, in welchem Umfang sich hieraus eine Unmöglichkeit ergibt, kann daher nicht genügen. Hierauf würde das dargestellte Verständnis aber im Ergebnis hinauslaufen.
127
dd) Der Senat schließt sich vor diesem Hintergrund insoweit nicht den Ausführungen der Bundesnetzagentur im Leitfaden (Anlage K 11, Seite 5) an:
128
Ist die Einspeisung aus einer betriebsbereiten Offshore-Anlage für einen Teil der Kapazität, die dem Betreiber der Offshore-Anlage mit der Netzanbindungszusage oder Kapazitätsvergabe mitgeteilt wurde, möglich (z.B. über eine Interimsanbindung), ist das Kriterium der Unmöglichkeit der Einspeisung in Höhe der nicht für eine Einspeisung zur Verfügung stehenden, aber zugesagten Kapazität erfüllt.
129
Dass den Äußerungen der Regulierungsbehörde in Leitfäden keine rechtlich verbindliche Konkretisierungswirkung zukommt, hat der Senat bereits ausgeführt.
130
d) Der Senat ist sich bewusst, dass diese Auslegung des § 17e Abs. 1 S. 1 und S. 3 EnWG 2016 hinsichtlich der Voraussetzungen für den zeitlichen Selbstbehalt des Anlagenbetreibers – gerade die Kombination der dargestellten Auslegungsergebnisse – im Einzelfall unter Umständen zu unbilligen Ergebnissen führen kann.
131
aa) Die Auslegung durch den Senat kann zu Situationen führen, in denen der Entschädigungsanspruch des Anlagenbetreibers nach § 17e Abs. 1 EnWG 2016 trotz einer längeren Störung der Anbindungsleitung wegen Nichtablaufs der Karenztage nicht besteht, obwohl in diesem Zeitraum nur ein sehr geringer Anteil des von den Windenergieanlagen produzierten Stroms abtransportiert wird.
132
(1) Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es für diese Billigkeitserwägungen nicht entscheidungsrelevant ist, wie lange im konkreten Streitfall die Störung der Netzanbindung dauerte, welche Einspeisekapazität der Klägerin im Störungszeitraum zur Verfügung stand und wie viel Strom die Klägerin in diesem Zeitraum über die Brückenverbindung tatsächlich einspeisen konnte. Soweit daher die Windgeschwindigkeiten und Schwachwindzeiten im September und Oktober 2019 am Standort des Windparks der Klägerin im Streit stehen, ist dies nicht entscheidungserheblich, da die Auslegung einer Gesetzesnorm losgelöst vom konkreten Einzelfall erfolgen und für eine Vielzahl von Sachverhalten zu billigen Ergebnissen führen müsste.
133
(2) Der Senat gibt einerseits der Klägerin recht, dass Sachverhalte theoretisch denkbar sind, in denen ein Windparkbetreiber keine Entschädigungszahlungen gemäß § 17e Abs. 1 EnWG 2016 geltend machen kann, obwohl die Netzanbindung für einen langen Zeitraum ausfällt und über die Überbrückungsanbindung insgesamt nur ein sehr geringer Prozentsatz des produzierten Stroms abtransportiert werden kann, solange es nur möglich ist, über die Brückenverbindung an jedem Tag zumindest für eine Viertelstunde – insbesondere bei Schwachwind – die gesamte erzeugte Energiemenge einzuspeisen.
134
Dieses Ergebnis kann im Einzelfall als unbillig empfunden werden, zumal die Klägerin zutreffend darauf verweist, dass die Netzeinspeisung eines Offshore-Windparks von der Windgeschwindigkeit abhängig ist: Unterhalb einer Windgeschwindigkeit von 3,5 Metern/Sekunde (das entspricht Windstärke 3, Schwachwind) drehen sich die Flügel einer Offshore-Windenergieanlage nicht. Wenn somit nur in einer Viertelstunde des Tages der Wind so schwach ist, dass die Windenergieanlage keine oder nur Kleinstmengen an Strom erzeugt, könnte diese Menge an Strom über die Überbrückungsanbindung abtransportiert werden. Diese Tage sind nach der Auslegung des Senats in Bezug auf § 17e EnWG 2016 nicht als Selbstbehaltstage zu berücksichtigen.
135
(3) Andererseits sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass in der Praxis die Entschädigungsregelung des § 17e Abs. 1 EnWG 2016 – so wie vom Senat ausgelegt – tatsächlich in einem signifikanten Umfang zu untragbaren Ergebnissen führt.
136
(a) Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Netzbetreiber Entschädigungszahlungen für unverschuldete Störungen nach § 17e Abs. 1 EnWG 2016 vollständig wälzen kann, so dass diese für ihn wirtschaftlich neutral sind. Allerdings würde der Übertragungsnetztbetreiber nicht mehr unverschuldet, sondern zumindest bedingt vorsätzlich handeln, wenn er eine eingetretene Störung bewusst nicht unverzüglich beseitigen oder reduzieren lassen würde. Im Falle eines vorsätzlichen Handelns gilt gemäß § 17e Abs. 1 EnWG 2016 jedoch kein zeitlicher Selbstbehalt und keine Begrenzung auf 90% der entgangenen Vergütung. Zudem wäre es dem Netzbetreiber in diesem Fall gemäß § 17f Abs. 2 S. 1 EnWG nicht möglich, Entschädigungszahlungen in den bundesweiten Wälzungsmechanismus einzustellen. Es besteht daher ungeachtet der Brückenverbindung weiterhin derselbe Anreiz für den Übertragungsnetztbetreiber, eingetretene Störungen unverzüglich zu beseitigen oder zu reduzieren.
137
(b) Auch im Streitfall hat die Klägerin unstreitig im Störungszeitraum in nicht unerheblichem Umfang über die Interimsanbindung einspeisen können.
138
Die Beklagte trug vor, dass die Klägerin im Störungszeitraum durch Stromeinspeisungen über die Brückenverbindung Erlöse in Höhe von 3.696.136,29 € – einen höheren Betrag als die Klagesumme – erzielt habe (vgl. Anlage K 10). Dem tritt die Klägerin an sich nicht entgegen, sondern wendet sich lediglich gegen die Kürzung um diesen Betrag im Rahmen des Verrechnungsmodells des „virtuellen Kontos“. Außerdem trägt die Klägerin vor, dass ihr durch die Störung der Netzanbindung ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden in der Höhe der Klageforderung (vgl. Anlage K 8) entstanden sei und sie bei der Berechnung des Entschädigungsanpruchs bereits solche Strommengen nicht berücksichtigt habe, die über die TCM2-Brücke vermarktet werden konnten. Auch dürften die erzeugten Mengen im Selbstbehaltszeitraum mit nicht erzeugten Mengen im Entschädigungszeitraum nicht in Beziehung gesetzt werden, da die Erlöse aus dem Selbstbehaltszeitraum nichts darüber aussagen würden, wie hoch die Einnahmen der Klägerin während des Entschädigungszeitraums waren, und Geldbeträge miteinander in Beziehung gesetzt würden, die sich auf unterschiedlich lange Zeiträume beziehen. Auch unter Berücksichtigung dieser Einwände ist jedoch festzustellen, dass der Klägerin nicht unerhebliche Stromeinspeisungen über die TCM2-Brücke möglich waren.
139
Darüber hinaus ergibt sich aus der vorgelegten Anlage B 13, dass an 9 Tagen der Klägerin eine Einspeisung ihrer gesamten produzierten Strommenge möglich war. An 19 weiteren Tagen konnte sie in mehr als 50% der Viertelstunden ihre gesamte Erzeugung einspeisen. Nur an zwei Kalendertagen war in keiner Viertelstunde eine vollständige Einspeisung möglich. Der streitgegenständliche Zeitraum umfasste insgesamt 4.032 Viertelstunden. Von diesen konnte die Klägerin in 2.474 Viertelstunden (61,4%) ihre gesamte Erzeugung vollumfänglich über die Brückenverbindung einspeisen.
140
Die Beklagte trug zum Umfang der Einspeisemöglichkeit der Klägerin über die Brückenverbindung zum Netzanschlusssystem „H.2“ ausführlich und substantiiert unter Vorlage der Anlage B 13 vor. Das Landgericht führte zutreffend aus, dass die Klägerin die von der Beklagten als Anlage B 13 vorgelegten Daten nicht substanziiert bestritten hat und ihr Bestreiten mit Nichtwissen unbeachtlich war, weil die Inhalte der Anlage B 13 Gegenstand der eigenen Wahrnehmung der Klägerin waren. Zudem trägt die Klägerin die Darlegungs- und Beweislast für den geltend gemachten Anspruch. Eigene Daten legte die Klägerin jedoch nicht vor.
141
Der Senat schließt sich dieser Einschätzung des Landgerichts an. Soweit die Klägerin in der Berufung ausführt, dass ihr nicht bekannt sei, wie die Beklagte die Zahlen der Anlage B 13 ermittelt habe, so dass diese mit Nichtwissen bestritten würden, ist dies unzulässig. Sollwertvorgaben und Einspeisungen sind Gegenstand der eigenen Wahrnehmung der Klägerin und können nicht mit Nichtwissen bestritten werden. Der Senat kann sich aufgrund der ihm bekannten Komplexität der Betriebs- und Regelungsvorgänge eines derartigen Windparks mit eigener Zentrale nicht vorstellen, dass die Klägerin keine Daten zu den in ihrem Offshore-Windpark erzeugten Strommengen besitzt, die sie ggf. den Daten der Beklagten gegenüberstellen könnte. Die in Anlage B 13 enthaltenen Einspeisemengen sind deshalb als unstreitig zwischen den Parteien anzusehen.
142
Vor diesem Hintergrund ist eine systematische Benachteiligung oder gar Existenzbedrohung der Klägerin im Zusammenhang mit der Einspeisemöglichkeit über die Brückenverbindung, die einen Entschädigungsanspruch vorliegend ausschließt, im streitgegenständlichen Zeitraum nicht zu erkennen.
143
(c) Die Klägerin hat auch im Übrigen keine Fälle aufgezeigt, in denen die Anwendung des Entschädigungsregimes § 17e Abs. 1 EnWG in der Auslegung durch den Senat ausgehöhlt worden wäre oder sonst zu untragbaren Ergebnissen geführt hätte.
144
In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die Beklagte unwidersprochen vorgetragen hat, dass sie aktuell 13 Offshore-Anbindungssysteme in der deutschen Nordsee betreibe und im Zeitraum 2017 – 2023 die durchschnittliche jährliche Dauer aller auf diesen Anbindungssystemen aufgetretenen Störungen 17 Tage betragen habe. Auf dem der Klägerin zugewiesenen Anbindungssystem H.1 habe die durchschnittliche Dauer von Störungen sogar nur 7,9 Tage betragen. Dies stellt eine Dauer der Störungen dar, die sich ohnehin im Rahmen des in § 17e Abs. 1 EnWG vorausgesetzten Selbstbehaltszeitraums von zehn aufeinander folgenden oder sonst 18 Tagen bewegt. Bei den von der Beklagten betriebenen Anbindungssystemen hätte daher die Klägerin oder ein anderer OWP-Betreiber bei einer durchschnittlichen Störung ohne Brückenverbindung unabhängig vom dargestellten Ergebnis der Auslegung des § 17e EnWG 2016 keinen Entschädigungsanspruch, weil der Störungszeitraum kürzer als der zeitliche Selbstbehaltszeitraum ist. Dennoch können in diesen Fällen aufgrund der Brückenverbindung weiterhin Einnahmen erwirtschaftet werden.
145
Daraus folgt, dass die Interimsanbindung im Streitfall zwar dazu führt, dass trotz einer durchgehenden Störung von 41 Kalendertagen der Selbstbehaltszeitraum nach § 17e Abs. 1 S. 1 EnWG 2016 nicht abgelaufen ist. In vielen anderen Fällen – so auch in den durchschnittlichen Fällen der von der Beklagten betriebenen Anbindungssystemen – profitiert der Anlagenbetreiber jedoch wirtschaftlich nicht unerheblich von der Brückenverbindung.
146
bb) Der Senat schließt sich nicht der Einschätzung der Klägerin an, dass darüber hinaus das Auslegungsergebnis wegen der Möglichkeit der Beeinflussung der Übertragungsmenge durch den Übertragungsnetzbetreiber im Rahmen der TCM2-Technologie über die Brückenverbindung zu unbilligen Ergebnissen führt.
147
(1) Zwar ist der Vortrag der Klagepartei an sich zutreffend, dass – während die gesetzlich zugewiesene Netzanbindung dem Offshore-Windparkbetreiber konstant in einer bestimmten Kapazität zugewiesen ist – bei der TCM2-Brückentechnologie die theoretische Möglichkeit der wechselnden Zuweisung der Brückenkapazität an unterschiedliche Windparkbetreiber innerhalb desselben Kalendertages besteht. Diese Möglichkeit hat zur Folge, dass der Übertragungsnetzbetreiber den Anfall von Selbstbehaltstagen – und damit auch die Entstehung von Entschädigungsansprüchen – dadurch mittelbar durchaus gezielt verhindern könnte, dass die gesamte Kapazität der TCM2-Brücke für einen bestimmten Zeitraum des Tages (mindestens 15 Minuten) dem einen Offshore-Windparkbetreiber und für den übrigen Zeitraum dem anderen Betreiber zugewiesen wird.
148
(2) Es ist jedoch weder dargetan noch ersichtlich, dass die Beklagte oder ein anderer Übertragungsnetzbetreiber in der Vergangenheit von dieser Manipulationsmöglichkeit jemals Gebrauch gemacht hat oder Gebrauch machen wird.
149
Dabei ist zum einen zu berücksichtigten, dass ein derart manipulatives Vorgehen einen Verstoß gegen die Verpflichtungen aus § 17d EnWG 2016 und das Diskriminierungsverbot aus §§ 11, 17 EnWG bedeuten würde. Auch ist der Übertragungsnetzbetreiber gesetzlich und behördlich dazu verpflichtet, die Kapazitäten eines Anbindungssystems vorrangig dem Windparkbetreiber zur Verfügung zu stellen, dem das entsprechende Anbindungssystem zugewiesen wurde. Dies gilt auch im Fall einer vorübergehenden Netzanbindung einer Offshore-Anlage an eine benachbarte Konverterplattform über eine Brückenverbindung (BT-Drs. 17/10754, S. 31).
150
Zum anderen würde sich der Netzbetreiber – wie bereits dargestellt – durch ein solches vorsätzliches Verhalten dem Entschädigungsanspruch nach § 17e Abs. 1 S. 4 EnWG aussetzen und könnte diese Entschädigungsleistungen nicht gemäß § 17f Abs. 2 S. 1 EnWG wälzen. Es würde dementsprechend den eigenen Interessen des Netzbetreibers widersprechen, die zur Verfügung stehenden Einspeisekapazitäten zu manipulieren und hierdurch am Ende selbst einen wirtschaftlichen Schaden zu erleiden, wenn die Alternative darin besteht, gesetzeskonform Entschädigungszahlungen zu leisten und diese sodann vollständig in den Wälzungsmechanismus einstellen zu können.
151
cc) Das unter aa) dargestellte Ergebnis – wonach die Auslegung durch den Senat zu Situationen führen kann, in denen der Entschädigungsanspruch des Anlagenbetreibers nach § 17e Abs. 1 EnWG 2016 trotz einer längeren Störung der Anbindungsleitung wegen Nichtablaufs der Karenztage nicht besteht, obwohl in diesem Zeitraum nur ein sehr geringer Anteil des von den Windenergieanlagen produzierten Stroms abtransportiert wird – ist im gesetzlichen System angelegt und wurde vom Gesetzgeber bewusst nicht angepasst.
152
Ausschlaggebend für die von der Klägerin kritisierte Situation, wonach auch bei längeren Störungszeiten und nur geringer Einspeisung die Voraussetzungen für einen Entschädigungsanspruch nach § 17e Abs. 1 EnWG nicht gegeben sind, ist nicht der Umstand, dass dem OWP-Betreiber eine Alternativverbindung mit beschränkter (und schwankender) Kapazität zugewiesen ist. Der Anspruchsausschluss beruht vielmehr überwiegend darauf, dass § 17e Abs. 1 EnWG 2016 dahingehend auszulegen ist, dass in Bezug auf die Bestimmung des Selbstbehaltszeitraum nur volle Tage maßgeblich sind, d.h. die Unmöglichkeit der Einspeisung störungsbedingt durchgehend von 0:00 bis 24:00 des Tages bestehen muss. Denn auch wenn es dem Übertragungsnetzbetreiber gelingen würde, die eigentlich zugewiesene Anbindungsleitung für lediglich eine Viertelstunde am Tag einspeisebereit zu „schalten“, würde die Karenzzeit nicht ablaufen, obwohl insgesamt nur eine sehr geringe Menge an Strom über die Anbindung abtransportiert würde.
153
Es handelt sich bei diesem Umstand – dass Tage, an denen für eine Viertelstunde die Einspeisung nicht unmöglich ist, nicht auf den Selbstbehaltszeitraum anzurechnen sind – um eine gesetzgeberische Grundentscheidung. Diese wurde bewusst vom Gesetzgeber in dem Gesetz zur Änderung der Bestimmungen zur Stromerzeugung aus Kraft-Wärme-Kopplung und zur Eigenversorgung vom 22.12.2016 für Störungen – anders als für Wartungen – nicht abgeändert. Dahinter steht die Erwägung, dass Wartungsarbeiten in der Regel nicht den ganzen Tag dauern, weshalb (lediglich) dafür von der tagesscharfen auf eine stundenscharfe Berechnung umgestellt (Beschlussempfehlung, BT-Drs. 18/10668, S. 151) und für Störungen das bisherige Berechnungsregime beibehalten wurde.
154
Soweit daher Zweifel an der Verhältnismäßigkeit einer Auslegung bestehen, die den Ausschluss der Entschädigungszahlungen bei einer nur teilweisen Einspeisung der Windenergieanlage zur Folge hätte, erscheint es sinnvoll, dass der Gesetzgeber diese Frage regelt und dabei die unterschiedlichen Risiken sowie den volkswirtschaftlichen Nutzen bewertet (BeckOK EnWG/Grüner, 12. Ed. 1.9.2024, EnWG § 17e Rn. 13).
155
2. Vor dem Hintergrund dieser Auslegung des § 17 Abs. 1 EnWG 2016 stehen der Klägerin im vorliegenden Fall die geltend gemachten Entschädigungsansprüche nicht zu, da der Selbstbehaltszeitraum von 10 aufeinanderfolgenden bzw. 18 Tagen innerhalb eines Kalenderjahres nicht abgelaufen ist.
156
Der Klägerin war trotz Störung der Netzanbindung „H.1“, die ihr in der Netzanschlusszusage vom 05.07.2010 mit einer Leistung von 288 MW zugesagt wurde, mit Ausnahme von wenigen Stunden am 19.09.2019 und 30.10.2019 im streitgegenständlichen Zeitraum eine Einspeisung in die Konverterplattform „H. alpha“ möglich. Dass der eingespeiste Strom sodann über das Netzanbindungssystem „H.2“ unter Zuhilfenahme der Brückenverbindung an Land geleitet wurde, ist bei der Berechnung der Selbstbehaltsfrist ohne Relevanz, da eine Unmöglichkeit der Einspeisung nicht gegeben ist, wenn die Einspeisung zwar nicht über die originär zugesagte Netzanbindung, jedoch über eine andere Leitung – wie beispielsweise eine Brückenverbindung des Offshore-Windparks an ein benachbartes Netzanschlusssystem – vollständig erfolgen kann.
157
Nicht entscheidungserheblich ist ebenfalls, dass in der Netzanschlusszusage vom 05.07.2010 der Klägerin die Netzanbindung „H.1“ mit einer Leistung von 288 MW zugesagt wurde und über die TCM2-Brücke lediglich maximal 200 MW eingespeist werden konnten (wobei diese mit dem parallel angeschlossenen Offshore-Windpark „M.“ zu teilen waren), somit eine „Kapazitätslücke“ von mindestens 88 MW bestand, die sich unter Umständen vergrößerte, weil über die Netzanbindung von „H. beta“ im streitgegenständlichen Zeitraum September/Oktober 2019 ein weiterer Offshore-Windpark über die Leitung „H.2“ mit einer Kapazität von 690 MW mit dem öffentlichen Netz verbunden war. Denn maßgeblich ist nicht das Nichterreichen der zugesagten Kapazität aus der Netzanschlusszusage, sondern ob die Netzkapazität der Leitungen ausreichte, um den tatsächlich erzeugten Strom vollständig einzuspeisen.
158
Der Senat legt – wie ausgeführt – seiner Entscheidung den Vortrag der Beklagten zum Umfang der Einspeisemöglichkeit der Klägerin über die Brückenverbindung zum Netzanschlusssystem „H.2“ unter Vorlage der Anlage B 13 zugrunde. Über das Brückensystem konnte die Klägerin daher im streitgegenständlichen Zeitraum wie aus der nachfolgenden Tabelle ersichtlich einspeisen:
159
Daraus ergibt sich, dass lediglich an zwei Kalendertagen der Klägerin in keiner Viertelstunde eine vollständige Einspeisung möglich. An allen übrigen Tagen war der Klägerin an mehreren bis vielen – an neun Tagen sogar an allen – Viertelstunden die Einspeisung des tatsächlich von den Windenergieanlagen erzeugten Stroms vollständig möglich.
160
Vor diesem Hintergrund ist die Selbstbehaltsfrist des § 17e Abs. 1 EnWG 2016 im vorliegenden Fall noch nicht abgelaufen.
161
II. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche auch nicht nach § 15 EEG a.F. oder § 13a Abs. 2 EnWG zu.
162
1. § 13a Abs. 2 EnWG war im streitgegenständlichen Zeitraum auf Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien noch nicht anwendbar. Die Norm galt seinerzeit nur für konventionelle Erzeugungsanlagen. Die Einbeziehung von erneuerbaren Energien geschah erst durch eine Neufassung des § 13a EnWG zum 01.10.2021 (BeckOK EnWG/Assmann, 12. Ed. 1.9.2024, EnWG § 13a Rn. 92).
163
2. Ein Anspruch besteht auch nicht aufgrund der vormals in § 15 EEG a.F. geregelten Einspeisemanagement-Entschädigung, nach welcher der Netzbetreiber eine Entschädigungspflicht hat, wenn die Einspeisung von Strom wegen eines Netzengpasses im Sinne von § 14 Abs. 1 EEG reduziert wird. Im vorliegenden Fall erfolgte keine „Begrenzung“ der Einspeiseleistung zur Verhinderung eines Netzengpasses. Ein Netzengpass liegt vor, wenn aufgrund einer zeitweise hohen Einspeisung aus Anlagen zur Erzeugung von Strom die Netzkapazität erschöpft ist (BGH NVwZ-RR 2016, 731 Rn. 33). Vielmehr beruht die teilweise Ermöglichung der Einspeisung darauf, dass mit der HGÜ-Leitung ein Teil des Netzanbindungssystems gestört war. Für diesen Fall ist § 17e Abs. 1 EnWG die speziellere Entschädigungsnorm, so dass § 15 EEG a.F. von vorneherein nicht anwendbar war (vgl. BNetzA, Leitfaden, S. 16; BT-Drs. 17/10754, S. 31).
164
III. Die Berufung der Klägerin ist auch hinsichtlich der vom Landgericht abgewiesenen Feststellungshilfsanträge unbegründet.
165
1. Die Feststellungsbegehren der Klägerin beziehen sich zum einen nicht auf Rechtsverhältnisse i.S.v. § 256 ZPO.
166
a) Ein Rechtsverhältnis ist die aus einem konkreten Lebenssachverhalt resultierende Beziehung einer Person zu einer anderen Person oder Sache, die ein subjektives Recht enthält oder aus der ein solches Recht entspringen kann (st. Rspr., z.B. BGH NZBau 2022, 20 Rn. 25).
167
Einzelne rechtserhebliche Vorfragen oder Elemente eines Rechtsverhältnisses oder bloße Berechnungsgrundlagen können nicht Gegenstand einer Feststellungsklage sein; ebenso wenig kann die Feststellung einer abstrakten Rechtsfrage ohne Bezug zu einem konkreten Rechtsverhältnis erstrebt werden (BGH NZG 2012, 222 Rn. 14). Kein Rechtsverhältnis i.S.v. § 256 ZPO ist daher die Berechnungsgrundlage für einen streitigen Anspruch, wie beispielsweise die Feststellung, dass der Abfindungsvertrag nach dem wahren Wert der Kommanditeinlage zu berechnen sei (BGH NJW 1995, 1097). Auch ist der Antrag auf Feststellung, dass bei der Berechnung eines Vergütungs- oder Schadensersatzanspruchs ein bestimmter Lizenzsatz zugrunde zu legen ist, nicht auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses gerichtet, sondern auf die Entscheidung einer Vorfrage, die sich bei der Berechnung des geltend gemachten Zahlungsanspruchs stellt. Eine solche Klage wäre allenfalls dann zulässig, wenn sie geeignet ist, den Streit der Parteien über Bestand und Umfang der Zahlungspflicht abschließend zu bereinigen (BGH GRUR 2020, 986 Rn. 80 f. – Penetrometer). Schließlich ist die Feststellung von Anspruchskomponenten und möglichen Berechnungsfaktoren für einen auf § 10 Abs. 4 AÜG gestützten Zahlungsanspruch unzulässig (BAG NJW 2014, 2607 Rn. 19).
168
Dagegen muss sich das Feststellungsbegehren nicht auf ein Rechtsverhältnis im Ganzen beziehen, sondern kann sich auch auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus dem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht, insbesondere auch auf einen streitigen Teil des Vertragsinhalts, beschränken, weshalb es sich beispielsweise bei der Feststellung des Fälligkeitszeitpunkts von monatlich geschuldeten Abschlagszahlungen um ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis handelt, wenn sie darauf abzielt, den Inhalt des zwischen den Parteien bestehenden gesetzlichen Schuldverhältnisses insoweit abschließend dahin zu klären, wann die Beklagte ihrer ansonsten unstreitigen Leistungspflicht jeweils nachkommen muss (BGH NJW 2015, 873 Rn. 23 ff.).
169
b) Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, bei zukünftigen Störungen Entschädigungsansprüche nach § 17e EnWG nach einer bestimmten Art und Weise zu berechnen, nämlich
- ohne den Einwand des Ausschlusses von Entschädigungsansprüchen wegen der Möglichkeit der (teilweisen) Einspeisung über eine Brückenverbindung,
- ohne Verrechnung mit den durch Einspeisung über die Brückenverbindung im Selbstbehaltszeitraum erzielten Einnahmen oder mit am letzten Tag der Störung oder Wartungsmaßnahme erzielten Einnahmen,
- unter Berücksichtigung auch untertägiger Nichtverfügbarkeiten der Netzanbindung und viertelstundenscharfer Berechnung des Entschädigungszeitraums bis zum Ende der Störung (bzw. Wartung),
- unter grundsätzlicher Ansetzung des vollen anzulegenden Werst i.H.v. 19,40 ct/kWh.
170
Dabei handelt es sich um Berechnungsgrundlagen für Entschädigungsansprüche nach § 17e EnWG. Damit sind diese Anträge nicht auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses gerichtet, sondern auf die Entscheidung von Vorfragen, die sich bei der Berechnung des geltend gemachten Entschädigungsanspruchs stellen. Die Klägerin begehrt in der Sache abstrakte Feststellungen über die Auslegung des § 17e Abs. 1 (und Abs. 3) EnWG 2016 sowie über Grundfragen für die Berechnung des Entschädigungsanspruchs für Betreiber von Offshore-Windenergieanlagen im Fall von Störungen oder – hier nicht gegenständlichen – Wartungen der Netzanbindung. Die Rechtsfragen sind abstrakt generell, da sie sich nicht auf das hier gegenständliche Verfahren beziehen, sondern auf zukünftige Störungen oder Wartungen der Anbindungsleitung, in deren Folge der Selbstbehaltszeitraum dann abgelaufen sein müsste.
171
Es ist auch weder dargetan noch ersichtlich, dass die Entscheidung über die Feststellungsanträge geeignet wäre, den Streit der Parteien über Bestand und Umfang der Zahlungspflicht abschließend zu bereinigen, da eine Vielzahl weiterer Einwände möglich und denkbar ist, welche die Beklagte bei von der Klägerin geltend gemachten Entschädigungsansprüchen nach § 17e EnWG erheben könnte.
172
2. Außerdem beziehen sich die Feststellungsbegehren nicht auf gegenwärtig bestehende Rechtsverhältnisse.
173
a) Für ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis genügen Beziehungen zwischen den Parteien, die schon zur Zeit der Klageerhebung die Grundlage bestimmter Ansprüche bilden.
174
Unter ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis fallen auch diejenigen Beziehungen, die aus einem bereits vorhandenen Rechtsverhältnis künftig als Rechtsfolge erwachsen, so dass etwa auch bedingte oder betagte Beziehungen die Grundlage einer Feststellungsklage bilden können. Vor diesem Hintergrund ist ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis auch dann zu bejahen, wenn die Feststellungsklage die künftige Fälligkeit von noch nicht entstandenen, sondern erst monatlich wiederkehrenden Ansprüche auf Zahlung eines Abschlages zum Gegenstand hat (BGH NJW 2015, 873 Rn. 26).
175
Dagegen ist ein Rechtsverhältnis, das noch nicht besteht, sondern erst in Zukunft unter Voraussetzungen, deren Eintritt noch völlig offen ist, entstehen kann, nicht ausreichend. Die bloße Aussicht, einen Anspruch demnächst zu erwerben, begründet kein gegenwärtiges Rechtsverhältnis (BGH NJW 2021, 1090 Rn. 30). An einem gegenwärtigen Rechtsverhältnis scheitert daher beispielsweise eine Klage, die auf Feststellung von Amtshaftungsansprüchen wegen eines noch nicht erlassenen Verwaltungsakts gerichtet ist (Zöller/Greger, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 256 Rn. 5 unter Bezugnahme auf BGH NVwZ 2015, 1237 Rn. 12 ff.).
176
b) Die Vorschrift des § 17e Abs. 1 EnWG 2016 bildet für Entschädigungsansprüche nur die abstrakte Grundlage, die erst dann eine konkrete Gestaltung erhält, wenn es zu einer Störung oder Wartung der Netzanbindung kommt und der Selbstbehaltszeitraum abgelaufen ist. Sie regelt die Voraussetzungen von erst in der Zukunft durch die Nichtverfügbarkeit der Netzanbindung entstehende, in ihrer konkreten Gestaltung aber noch nicht bestimmte Rechtsverhältnisse. Da für die Entschädigungsansprüche aus künftigen Netzanbindungsstörungen oder -wartungen noch kein greifbarer Tatbestand vorliegt, kann insoweit auch noch nicht von einem einer Feststellungsklage zugänglichen Rechtsverhältnis gesprochen werden. Der Grund des Anspruchs der Klägerin auf Entschädigungszahlungen ist gegenwärtig noch nicht hinreichend angelegt, weil er den ungewissen Eintritt einer länger als zehn aufeinander folgenden Tage andauernden Unmöglichkeit der Einspeisung aufgrund einer Störung oder Wartung voraussetzt.
177
Eine andere Beurteilung ist nicht deshalb veranlasst, weil die Klägerin vorträgt, im September und November 2021 sowie im März 2022 sei es an einem anderen OWP der R. zu störungsbedingten Ausfällen gekommen. Denn einerseits steht es dem „anderen OWP“ unbenommen, seinen Anspruch ggf. gerichtlich im Wege der Leistungsklage durchzusetzen, andererseits betrifft diese Störung der Anbindungsleitung offensichtlich nicht einen Anspruch der Klägerin.
178
Der Streitfall ist auch nicht vergleichbar mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs in NJW 2015, 873, bei der es um die Frage der Fälligkeit von ansonsten nach Grund und Höhe unstreitigen Ansprüchen, die im Rahmen eines bestehenden Dauerschuldverhältnisses periodisch wiederkehren, ging. Denn dort bestand zwischen den Parteien ein bis zum voraussichtlichen Erreichen der gesetzlichen Vergütungsdauer andauerndes gesetzliches, Einspeiseschuldverhältnis, aus dem jeweils die fortdauernde Pflicht zur Leistung monatlicher Abschläge erwuchs. Dies ist im streitgegenständlichen Fall anders, da hier noch völlig unklar ist, ob der Klägerin jemals wieder gesetzliche Entschädigungsansprüche nach § 17e Abs. 1 EnWG 2016 zustehen werden. In diesem Zusammenhang kann nicht außer Acht gelassen werden, dass über die hilfsweise gestellten Feststellungsanträge nur deshalb zu entscheiden war, weil nach der Rechtsauffassung des Senats die Leistungsklage unbegründet ist, da der Selbstbehaltszeitraum aufgrund der Einspeisung über die Brückenverbindung nicht abgelaufen ist.
179
3. Schließlich besteht auch nicht bei allen Feststellungsanträgen ein rechtlich geschütztes Interesse an den begehrten Feststellungen und ist auch nicht nach § 256 Abs. 2 ZPO entbehrlich.
180
a) Ein rechtliches Interesse an einer alsbaldigen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses i.S.v. § 256 Abs. 1 ZPO ist nur gegeben, wenn dem Recht oder der Rechtslage des Klägers eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit droht und wenn das erstrebte Urteil geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (BGH NJW 2010, 1877 Rn. 12). Ein Feststellungsinteresse besteht stets zum Zwecke der Hemmung der Verjährung.
181
Ist dem Kläger eine Klage auf Leistung möglich und zumutbar und erschöpft sie das Rechtsschutzziel, fehlt ihm wegen der Subsidiarität der Feststellungsklage das Feststellungsinteresse, weil er im Sinne einer besseren Rechtsschutzmöglichkeit den Streitstoff in einem Prozess klären kann. Die auf Feststellung des Anspruchsgrunds gerichtete Feststellungsklage ist dann unzulässig (BGH NJW 2017, 1823 Rn. 14). Jedoch sind Ausnahmen von diesem Grundsatz anerkannt, wenn im Einzelfall angenommen werden kann, dass auch die Durchführung eines Feststellungsverfahrens unter Berücksichtigung der Prozessökonomie zu einer sinnvollen und sachgerechten Erledigung führt. Zu diesen Fällen gehören Situationen, in denen zu erwarten ist, dass der Beklagte ein Feststellungsurteil respektieren wird, was bei Klagen gegen öffentlich-rechtliche Körperschaften und Anstalten, aber auch – mit Rücksicht auf die gesetzlichen Pflichten bzw. die staatliche Aufsicht durch entsprechende Behörden – Klagen gegen Insolvenzverwalter, Versicherungsunternehmen und Banken angenommen wird (OLG Nürnberg, Urteil vom 10.09.2024 – 3 U 2510/23; MüKoZPO/Becker-Eberhard, 6. Aufl. 2020, ZPO § 256 Rn. 55; Musielak/Voit/Foerste, 21. Aufl. 2024, ZPO § 256 Rn. 13).
182
Ein Feststellungsinteresse für eine hilfsweise neben dem denselben Schadensposten betreffenden Leistungsantrag erhobene Feststellungsklage und eine prozessrechtliche Zulässigkeit eines entsprechenden Feststellungsausspruchs kann nur dann ausnahmsweise gegeben sein, wenn das Leistungsbegehren deswegen als zur Zeit unbegründet abgewiesen werden muss, weil im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatrichter nicht alle die Zuerkennung dieses Schadenspostens rechtfertigenden Tatsachen vorliegen, aber als möglich erkannt wird, dass sich diese Voraussetzungen in der Folgezeit noch verwirklichen und sich die geltend gemachte Forderung auch insoweit nachträglich als begründet erweisen kann (BGH NJW 1998, 1633).
183
b) Im vorliegenden Fall ist ein schützenswertes Interesse an den hilfsweise begehrten Feststellungen nicht für alle Anträge dargetan oder sonst ersichtlich. Dabei ist zu berücksichtigen, dass aus einer drohenden Verjährung das Feststellungsinteresse nicht hergeleitet werden kann, da der Schadensersatzanspruch noch nicht entstanden ist und die Verjährungsfrist nach § 199 Abs. 1 BGB noch nicht zu laufen begonnen hat.
184
Zum einen steht der Klägerin für künftige Streitfälle die Rechtsschutzmöglichkeit im Wege der vorrangigen Leistungsklage zur Verfügung. Der Klägerin ist es möglich und zumutbar, im Falle einer erneuten Störung oder Wartung der zugewiesenen Anbindungsleitung nach Ablauf des zeitlichen Selbstbehalts eine Leistungsklage auf Zahlung einer Entschädigung zu erheben. In diesem Verfahren können die aufgeworfenen Rechtsfragen dann konkret geklärt werden. Die begehrten Feststellungen gehen nicht über den Regelungsgegenstand einer Leistungsklage hinaus.
185
Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass Rechtsfragen zur tagesscharfen Berechnung von Entschädigungszahlungen nach Ablauf des zeitlichen Selbstbehaltes sowie zur Berücksichtigung der Managementprämie – Feststellungsanträge 2.c) und 2.d) – derzeit bereits in zwei beim BGH anhängigen Revisionsverfahren (EnZR 59/23, Revision gegen das Urteil des OLG Nürnberg vom 14.03.2023 (3 U 2465/20) sowie EnZR 68/23, Revision gegen das Urteil des OLG Nürnberg vom 13.06.2023 (3 U 456/22)) geklärt werden. Die Beklagte hat vorgerichtlich mit Schreiben vom 10.11.2023 klargestellt, dass sie trotz der Urteile des Oberlandesgerichts vom 14.03.2023 und 13.06.2023 keine Veranlassung sieht, von ihren Rechtsauffassungen abzuweichen, und sie daran festhalten wird, solange diesen keine höchstrichterliche Rechtsprechung entgegensteht (Anlage K 20). Die Durchführung des hiesigen Feststellungsverfahrens führt daher auch unter Berücksichtigung der Prozessökonomie nicht zu einer sinnvollen und sachgerechten Erledigung: Denn es ist nicht davon auszugehen, dass die Beklagte aufgrund einer nicht rechtskräftigen Feststellungsentscheidung des Oberlandesgerichts Nürnberg die entsprechende Leistung von sich aus erbringen würde. Und bis zu einer höchstrichterlichen Entscheidung im hiesigen Verfahren würde unter normalen Umständen bereits eine Klärung der Rechtsfragen durch den Bundesgerichtshof in den Verfahren EnZR 59/23 und EnZR 68/23 erfolgen.
186
Soweit die Klägerin in Ziffer 2.a) die Feststellung begehrt, dass die Beklagte bei zukünftigen Störungen sich nicht auf den Einwand berufen solle, dass die Möglichkeit der (teilweisen) Einspeisung über eine Brückenverbindung Entschädigungsansprüche nach § 17e EnWG ausschließe, hat der Senat umfangreiche Ausführungen unter Ziffer I. dieses Urteils gemacht und die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. Insoweit kann daher eine höchstrichterliche Klärung auch unabhängig von der Feststellungsklage herbeigeführt werden.
187
c) Das erforderliche Feststellungsinteresse ist zumindest bei den Anträgen in Ziffern 2.b) bis c) auch nicht deshalb entbehrlich, weil es sich bei den Anträgen um eine zulässige Zwischenfeststellungsklage i.S.d. § 256 Abs. 2 ZPO handeln würde.
188
Ein Antrag auf Zwischenfeststellung hat zur Voraussetzung, dass die Feststellung des Rechtsverhältnisses für die Entscheidung des Rechtsstreits vorgreiflich ist, also ohnehin darüber befunden werden muss, ob das streitige Rechtsverhältnis besteht (BGH NJW 2008, 69 Rn. 17). Dabei kommt es zwar nicht darauf an, ob das Gericht seine Entscheidung notwendig auch auf diesen Grund stützen muss. An der Vorgreiflichkeit fehlt es aber, wenn die Klage zur Hauptsache unabhängig davon abgewiesen wird, ob das zwischen den Parteien streitige Rechtsverhältnis besteht (BGH NJW-RR 2010, 640 Rn. 19). Darüber hinaus muss sich die begehrte Feststellung auf einen Gegenstand beziehen, der über den der Rechtskraft fähigen Gegenstand des Rechtsstreits hinausgeht. Für eine Zwischenfeststellungsklage ist daher kein Raum, wenn mit dem Urteil über die Hauptklage die Rechtsbeziehungen der Parteien erschöpfend geregelt werden (BGH NJW 2007, 82 Rn. 12).
189
Im vorliegenden Fall müsste der Senat lediglich teilweise über Feststellungsantrag 2a) – bei zukünftigen Störungen etwaige Entschädigungsansprüche nach § 17e Abs. 1 EnWG ohne den Einwand abzurechnen, dass die Möglichkeit der (teilweisen) Einspeisung über eine Brückenverbindung Entschädigungsansprüche nach § 17e EnWG von vornherein ausschließe – befinden. Insoweit besteht daher Vorgreiflichkeit. In Bezug auf die übrigen Festellungsanträge Ziffern 2b) bis 2d) weist der Senat die Klage zur Hauptsache unabhängig davon ab, ob das zwischen den Parteien streitige Rechtsverhältnis besteht. Das Bestehen des streitigen Rechtsverhältnisses für die Entscheidung der Hauptsache auch insoweit nicht vorgreiflich, als sich Feststellungsantrag 2a) auf Wartungen im Sinne des § 17e Abs. 3 EnWG bezieht.
190
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
191
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 709, § 711 ZPO.
192
Die Revision zum Bundesgerichtshof (§ 7 EGZPO, § 8 Abs. 2 EGGVG) ist nach § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO) beschränkt zuzulassen, da die Entscheidung, ob der Klägerin der in Ziffer 1. geltend gemachte Anspruch auf Entschädigung wegen Störungen des Netzanschlusses zusteht auf der Behandlung zahlreicher Rechtsfragen beruht, zu denen bisher eine Klärung in Rechtsprechung und Literatur noch nicht erfolgt ist, die sich aber in einer Vielzahl von Fällen noch stellen können. Ausgenommen hiervon ist die Zurückweisung der Berufung im Hinblick auf die hilfsweise in Ziffer 2. geltend gemachten Feststellungsanträge, da die Entscheidung über die Unzulässigkeit dieser Feststellungsbegehren auf der Grundlage einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls erfolgte.
193
Der Streitwert für das Berufungsverfahren von insgesamt 3.478.446,77 € wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG, § 3 ZPO bestimmt und entspricht der erstinstanzlichen Festsetzung, gegen die sich die Parteien nicht gewandt haben. Der Senat sieht daher insbesondere – auch vor dem Hintergrund von § 19 Abs. 1 S. 3 GKG – keine Veranlassung, von der erstinstanzlichen Einschätzung, wonach die hilfsweise geltend gemachten Feststellungsanträgen zu keiner Streitwerterhöhung führen, abzuweichen.