Inhalt

FG München, Gerichtsbescheid v. 16.09.2025 – 14 K 18/25
Titel:

Pflicht zur Verzinsung von Zinsansprüchen

Normenketten:
StromStG § 9 Abs. 3, § 10
AO § 1, § 3 Abs. 4 Nr. 4, § 37 Abs. 2, § 233 S. 2, § 236, § 238, § 239
BGB § 286 Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1, § 289, § 291
FGO § 33 Abs. 2, § 90 a, § 135 Abs. 1
Leitsatz:
Die Prozesszinsen nach § 236 AO beziehen sich ausschließlich auf eine festgesetzte Steuer oder aber eine Steuervergütung, so dass steuerliche Nebenleistungen im Sinne des § 3 Abs. 4 AO hiervon nicht umfasst sind und eine Verzinsung von (Nachzahlungs- oder Erstattungs-)Zinsen ausscheidet (BFH-Beschluss vom 23.06.2014, VIII B 75/13, BFH/NV 2014, 1713, BHF Beschluss 26.06.2014, VI R 94/13. (Rn. 54) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Keine Zinseszinsen als Prozess-, oder Verzugszinsen bzw. Wertausgleich auf unionsrechtlicher Grundlage, Effektivitätsgrundsatz, Finanzgerichtsbarkeit, Folgenbeseitigungsanspruch, Prozesszinsen, Mitgliedstaat, Leistungsanspruch, Klagezulässigkeit, Grundsatz von Treu und Glauben, Verzugszinsen, Zinsen, Stromsteueranmeldung, harmonisiertes Stromsteuerrecht, Festsetzung von Prozesszinsen
Weiterführende Hinweise:
Revision zugelassen
Fundstelle:
BeckRS 2025, 26649

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.

Entscheidungsgründe

I.
1
Die Klägerin erklärte in ihrer Stromsteueranmeldung für das Jahr 2010 u.a. X-strom im Umfang von … MWh als gemäß § 9 Abs. 3 des Stromsteuergesetzes (StromStG) in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2009 vom 19. Dezember 2008 (BGBl I 2008, 2794) begünstigt zu besteuernden Eigenverbrauch.
2
Mit Bescheid vom 17. Februar 2010 setzte das beklagte Hauptzollamt (HZA) die jährliche Vorauszahlung der Stromsteuer entsprechend i.H.v. … € fest. Der Betrag war in monatlichen Raten von … € zu entrichten.
3
Mit Stromsteuerbescheid vom 20. Juni 2011 wurde die Stromsteuer abweichend von der Steueranmeldung i.H.v. … € festgesetzt. Der danach noch zu zahlende Steuerbetrag i.H.v. … € wurde durch Verrechnung mit der Stromsteuerentlastung gemäß § 10 StromStG beglichen.
4
Gegen den Stromsteuerbescheid vom 20. Juni 2011 legte die Klägerin Einspruch ein.
5
Unter Berücksichtigung der damaligen für 2006 ergangenen Rechtsprechung, nach der X-strom ermäßigt zu besteuern sei, wurde mit Steueränderungsbescheid vom 27. August 2013 die Stromsteuer i.H.v. … € geändert festgesetzt und so dem Einspruch abgeholfen.
6
Der Klägerin wurden am 2. September 2013 die überzahlten … € ausgezahlt.
7
Mit Schreiben vom 23. Dezember 2014 beantragte die Klägerin die Festsetzung von Zinsen für den erstatteten Steuerbetrag. Diese lehnte das HZA am 9. März 2015 ab.
8
Nach Durchführung eines Rechtsstreits durch mehrere Instanzen (Vorprozess) wurden der Ablehnungsbescheid am 23. August 2023 aufgehoben und am 24. August 2023 … € Zinsen für die erstattete Stromsteuer festgesetzt. Der Betrag wurde der Klägerin am 29. August 2023 ausgezahlt.
9
Mit Schreiben vom 23. Oktober 2024 beantragte die Klägerin für die seit 2. September 2013 bis 29. August 2023 fälligen, aber nicht ausgezahlten … € Zinsen die Festsetzung von Prozesszinsen i.H.v. … € unter Anrechnung von … € Verzugszinsen und Festsetzung von Verzugszinsen i.H.v. … €. Hilfsweise wurde die Festsetzung eines unionsrechtlichen Wertausgleichs i.H.v. … € beantragt.
10
Entsprechende Festsetzungen lehnte das HZA mit Bescheid vom 12. Dezember 2024 ab.
11
Mit ihrer hiergegen gerichteten Sprungklage vom 2. Januar 2025, der das HZA am 21. Januar 2025 zustimmte, macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, ihr stünden nach Unionsrecht Zinsansprüche hinsichtlich der zu Unrecht zeitweise vorenthaltenen Zinszahlungen zu.
12
Der Finanzrechtsweg sei eröffnet, da die geltend gemachten Klageansprüche und der Sachverhalt, auf dem sie beruhen, einen einheitlichen Streitgegenstand darstellten, der seine Grundlage in einem Verstoß gegen harmonisiertes Stromsteuerrecht habe. Auch wenn es sich um eine rechtswegüberschreitende Anspruchsnormenkonkurrenz handeln sollte, sei der Rechtsstreit vom Finanzgericht unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu entscheiden.
13
Der Anspruch auf Prozesszinsen in Höhe von 0,5% pro Monat auf den eingeklagten unionsrechtlichen Zinsanspruch für den Zeitraum ab Fälligkeit des Zinsbetrages am 2. September 2013 bis zu dessen tatsächlicher Auszahlung am 29. August 2023 ergäbe sich aus § 236 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. §§ 238, 239 der Abgabenordnung (AO) analog.
14
Der gesetzliche Ausschluss der Festsetzung von Prozesszinsen auf gerichtlich geltend gemachte unionsrechtliche Zinsen sei verfassungswidrig. Für die erzwungene Kapitalüberlassung und das eingegangene Prozessrisiko – die abgegolten werden sollen – mache es keinen Unterschied, ob das zwangsweise überlassene Kapital seinen Rechtsgrund in einem zu erstattenden Steuerbetrag oder in einem unionsrechtlichen Erstattungszinsanspruch hat. In beiden Fällen werde dem Gläubiger die Nutzungsmöglichkeit seines Kapitals vorenthalten. Diesbezüglich wird insbesondere auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union – EuGH – Sole-Mizo und Dalmandi Mezőgazdasági (vom 23. April 2020 – C-13/18 und C-126/18, C-13/18, C-126/18, ECLI:EU:C:2020:292) hingewiesen, wonach ein unionsrechtlicher Zinsanspruch bei verspäteter Auszahlung seinerseits wegen des zu beachtenden Effektivitätsgrundsatzes zu verzinsen bzw. ein Wertausgleich zu leisten sei. Es gehe nicht um eine Erhöhung der unionsrechtlichen Zinsen, sondern um eine Verlängerung des Zinszahlungszeitraums um bislang zinsfreie Zeit.
15
Die Herausnahme von unionsrechtlichen Zinsen stelle einen Wertungswiderspruch zu § 291 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) dar, der auch keinen konkreten Nachweis eines Zins- bzw. Verzugsschadens erfordere.
16
Außerdem liege darin ein Verstoß gegen den unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz, weil nach Unionsrecht Einbußen aufgrund der mangelnden Verfügbarkeit von Geldbeträgen zu kompensieren seien. Das gelte für vorenthaltene Steuerbeträge ebenso wie für Zinsbeträge, da beide als Rückforderung von rechtsgrundlos entrichteten Beträgen zu verstehen seien. Mit der Ausklammerung von unionsrechtlichen Zinsansprüchen aus der Gewährung von Prozesszinsen werde eine angemessene Entschädigung, wie sie durch die Gewährung des unionsrechtlichen Zinsanspruchs beabsichtigt sei, konterkariert.
17
Auch soweit das nationale Recht in § 233 Satz 2 AO ein Zinseszinsverbot enthalte, liege ein Verstoß gegen den unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz vor, denn ohne die Leistung eines Wertausgleichs für die „zinsfreie“ Zeit würde die Geltendmachung des unionsrechtlichen Zinsanspruchs übermäßig erschwert oder praktisch unmöglich gemacht. Zinsfrei sei im vorliegenden Fall der Zeitraum zwischen der Fälligkeit der unionsrechtlichen Zinsen und deren Festsetzung bzw. Auszahlung. Eine Geldschuld, die – wie vorliegend – über vereinfacht gerechnet 10 Jahre unverzinslich gestellt sei, habe unter Barwertgesichtspunkten (vgl. § 12 Abs. 3 des Bewertungsgesetzes – BewG –) nur einen Wert von … € (Faktor 0,585), durch den ihre finanziellen Einbußen aufgrund der zunächst zu Unrecht erhobenen Stromsteuerbeträge nicht angemessen ausgeglichen würden. Zudem würde der Zweck des sog. Rechtshängigkeitszinses nach § 236 AO, einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass der Schuldner den Gläubiger zur Klageerhebung zwingt und ihn damit einem Prozessrisiko aussetzt, konterkariert.
18
Der Zinsanspruch erstrecke sich unter Beachtung des Effektivitätsgrundsatzes nicht nur auf den Zeitraum ab Erhebung der Zinszahlungsklage, sondern auch auf den davor liegenden Zeitraum ab Entstehung des Zinszahlungsanspruchs. Die Höhe der Zinsen von 0,5% pro Monat sei Tag genau zu berechnen.
19
Der Anspruch auf Verzugszinsen (in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz mindestens aber in Höhe des Refinanzierungszinssatzes für Kredite an nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften mit einer Ursprungslaufzeit über 5 Jahre auf der Basis der von der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Effektivzinssätze der deutschen Banken) auf den erhaltenen unionsrechtlichen Zinsanspruch für den Zeitraum ab Fälligkeit des Zinsbetrages am 2. September 2013 bis zu dessen tatsächlicher Auszahlung am 29. August 2023 ergäbe sich aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB analog als gesetzlich geregelten Fall des Mindestschadensersatzes. Soweit die Vorschriften über die Folgen des Verzuges nach Auffassung des Bundesfinanzhofs – BFH – nur für zivilrechtliche Ansprüche gelten sollen, verstoße dies gegen den Effektivitätsgrundsatz, weil der EuGH den unionsrechtlichen Zinsanspruch ebenso wie den zu erstattenden Steuerbetrag als Kompensation von Einbußen aufgrund der mangelnden Verfügbarkeit von Geldbeträgen verstehe. Der Anspruch auf Verzugszinsen folge insoweit unmittelbar aus dem Unionsrecht, weil die verspätete Auszahlung des unionsrechtlichen Zinsanspruchs zu einem Schaden geführt habe, der durch die Zahlung von Verzugszinsen auszugleichen sei. Hinsichtlich der Ausgleichsmodalitäten seien §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB entsprechend heranzuziehen.
20
Der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf unionsrechtlichen Wertausgleich ergebe sich aus Unionsrecht, denn der Sinn und Zweck des unionsrechtlichen Zinsanspruchs, einen wertmäßigen Ausgleich für die Vorenthaltung von zu Unrecht erhobener (Strom-)Steuer zu schaffen, könne mit den am 29. August 2023 ausgezahlten Zinsen aufgrund der zwischenzeitlichen Geldentwertung nicht mehr erreicht werden. Unionsrechtlich sei daher die Zahlung eines Wertausgleichs für den Zeitraum vom 2. September 2013 bis zum Zeitpunkt der tatsächlichen Auszahlung des Zinsbetrages am 29. August 2023 geboten. Die Zinshöhe müsse sich an der Geldentwertung auf Basis des Verbraucherpreisindex orientieren.
21
Insgesamt sei darauf hinzuweisen, dass die Entscheidung des Gerichts vom 28. November 2024 (14 K 2532/22) für die vorliegenden Ansprüche ohne Bedeutung sei. Zum einen sei sie nicht rechtskräftig. Zum anderen betreffe sie nicht das Streitjahr. Dagegen kämen den BFH-Urteilen jeweils vom 19. Juni 2012 (VII R 32/10, n.v., und VII R 49/11, n.v.) präjudizielle Wirkung zu. Zudem würde eine Berufung auf das Nichtvorliegen eines Rechtsanwendungsfehlers gegen Treu und Glauben verstoßen, da das HZA selbst im Aufhebungsbescheid vom 23. August 2023 und im Zinsbescheid vom 24. August 2023 einen solchen bestätigt habe. Eine andere Rechtsauffassung könne allenfalls mit Wirkung für die Zukunft vertreten werden. Allerdings komme es im Ergebnis nach der EuGH-Rechtsprechung für Verzinsungsansprüche lediglich darauf an, dass ein Erstattungsbescheid ergangen sei. Ob dieser rechtmäßig oder rechtsfehlerhaft sei, sei unbeachtlich.
22
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 12. Dezember 2024 auf den mit Zinsbescheid vom 24. August 2023 festgesetzten Zinsbetrag i.H.v. … €
1. Prozesszinsen i.H.v. … € unter Anrechnung der festzusetzenden Verzugszinsen i.H.v. … €, mindestens aber unter Anrechnung der festzusetzenden auf Basis eines Refinanzierungszinssatzes von 3,32% zu berechnende Zinsen i.H.v. … €, und
2. Verzugszinsen i.H.v. … €, mindestens aber auf Basis eines Refinanzierungszinssatzes von 3,32% zu berechnende Zinsen i.H.v. … €,
hilfsweise
3. einen unionsrechtlichen Wertausgleich i.H.v. … € festzusetzen.
23
Das HZA beantragt,
die Klage abzuweisen.
24
Das HZA geht auch davon aus, dass der Finanzrechtsweg eröffnet sei und trägt im Wesentlichen vor, dass nach nationalem Recht ein Zinseszinsverbot bestehe und sich auch aus der EuGH-Rechtsprechung nicht ergebe, dass der unionsrechtliche Zinsanspruch wiederum zu verzinsen sei, wenn die Zinsen erst später gezahlt werden.
25
Den geltend gemachten Ansprüchen liege ein einheitlicher Lebenssachverhalt (Erstattung und Verzinsung von erhobener Stromsteuer) zu Grunde. Grundlage der Ansprüche sei das primäre Unionsrecht, wobei die Verzinsungsbedingungen in der AO geregelt seien, so dass der Finanzrechtsweg eröffnet sei.
26
Die Regelung der Zinszahlungsmodalitäten obliege den Mitgliedstaaten. Die deutsche Regelung zu Prozesszinsen – inklusive Ausgrenzung von Zinsen aus der Zinsregelung – entspreche dem Effektivitätsgrundsatz. Die Anwendung des Zinssatzes nach § 238 AO führe – selbst bei Hinzurechnung eines Inflationsausgleichs – sogar zu einer Überkompensation der Liquiditätseinbußen, die durch Nichtverfügbarkeit von rechtswidrig erhobenen Steuerbeträgen entstünden.
27
Der vom EuGH mit Urteil Sole-Mizo und Dalmandi Mezőgazdasági (vom 23. April 2020 – C-13/18 und C-126/18, C-13/18, C-126/18, ECLI:EU:C:2020:292) entschiedene Sachverhalt sowie die ungarischen Zinsregelungen unterschieden sich grundsätzlich von dem hier strittigen Sachverhalt sowie den anzuwendenden nationalen Zinsbestimmungen der AO.
28
Eine Gleichbehandlung von Steuern, Zöllen, Sanktionen etc. und auf der anderen Seite Zinsen sei nach der EuGH-Rechtsprechung nicht geboten und würde auch dem Grundsatz widersprechen, dass es den Mitgliedstaaten obliege, u.a. die Berechnungsmethode für unionsrechtlich erforderliche Zinsen (einfache Verzinsung oder Zahlung von Zinseszinsen) festzulegen.
29
Verzugszinsen seien nicht unter Heranziehung des BGB zu gewähren, da insofern keine Regelungslücke vorliege. Außerdem sehe auch § 289 BGB ein Zinseszinsverbot vor.
30
Ein zusätzlicher unionsrechtlicher Anspruch auf einen Wertausgleich aufgrund der Geldentwertung bis zur Auszahlung der Zinsen bestehe aus den gleichen Gründen nicht, aus denen auch keine Zinseszinsen zu zahlen seien.
31
Außerdem weist das HZA daraufhin, dass vor dem Hintergrund der – noch nicht rechtskräftigen – Entscheidung des Gerichts vom 28. November 2024 (14 K 2532/22) zur Stromsteuer 2018 die Steuerfestsetzung im Vorauszahlungsbescheid für das Kalenderjahr 2010 hinsichtlich des X-stroms in der richtigen Höhe erfolgt sei. Ein Rechtsanwendungsfehler und Verstoß gegen Unionsrecht liege damit nicht vor. Eine Verzinsung der – danach zu Unrecht – ausgezahlten Prozesszinsen sei auch bereits deswegen ausgeschlossen. Ein Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben liege bei Änderung bzw. Ergänzung der Begründung der Ablehnung der Zinsanträge der Klägerin nicht vor. Der Steueränderungsbescheid aus 2013 und der Zinsbescheid aus 2023 stellten auch keine Grundlagenbescheide dar, die für die Prüfung, ob „Zinseszinsen“ festzusetzen seien, Bindungswirkung entfalten würden.
32
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die eingereichten Schriftsätze und auf die vorgelegten Unterlagen und Akten verwiesen.
II.
33
Die Klage ist zulässig aber unbegründet, da kein Anspruch auf Zinsen oder Wertausgleich besteht.
34
1. Die Klage, mit der nach dem Vortrag der Klägerin keine Schadensersatzansprüche, sondern Zins- und möglicherweise Folgenbeseitigungsansprüche geltend gemacht werden, ist zulässig, insbesondere ist der Rechtsweg zu den Finanzgerichten eröffnet.
35
a) Nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist der Finanzrechtsweg gegeben in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über Abgabenangelegenheiten, soweit die Abgaben der Gesetzgebung des Bundes unterliegen.
36
Maßgebend für den Rechtsweg ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) die Rechtsnatur des erhobenen Anspruchs, wie sie sich aus dem tatsächlichen Vorbringen der klagenden Partei ergibt. Ein Rückforderungsanspruch ist im selben Rechtsweg zu verfolgen wie der Leistungsanspruch, dessen „Kehrseite“ er bildet (BGH-Urteil vom 1. Dezember 1983 – III ZR 149/82, juris, Rn. 37 ff). Gleiches gilt für daran anknüpfende „Folgenbeseitigungsansprüche“ im weiteren Sinn.
37
b) Ob eine Streitigkeit bürgerlich-rechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Art ist, richtet sich nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch abgeleitet wird. Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit kann nicht nur bestehen, wenn die Beteiligten zueinander in einem hoheitlichen Verhältnis der Über- und Unterordnung stehen, sondern auch dann, wenn sie sich in einem Gleichordnungsverhältnis gegenüberstehen. Maßgeblich ist, ob der zur Klagebegründung vorgetragene Sachverhalt für die aus ihm hergeleitete Rechtsfolge von Rechtssätzen des bürgerlichen Rechts oder des öffentlichen Rechts geprägt wird. Nicht entscheidend ist, ob sich die klagende Partei auf eine zivilrechtliche oder öffentlich-rechtliche Anspruchsgrundlage beruft (Beschluss des Bundesarbeitsgerichts – BAG – vom 1. März 2022 – 9 AZB 25/21, BAGE 177, 213, Rn. 13).
38
Unter Abgabenangelegenheiten sind alle mit der Verwaltung der Abgaben oder sonst mit der Anwendung abgabenrechtlicher Vorschriften durch die Finanzbehörden zusammenhängenden Angelegenheiten zu verstehen (§ 33 Abs. 2 FGO). Dies ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs einzelfallbezogen zu beurteilen (FG Münster, Beschluss vom 5. September 2023 – 11 K 1588/23 Kg (PKH), EFG 2023, 1616, Rn. 10).
39
b) Nach Maßgabe dieser Beurteilungsgrundsätze handelt es sich bei dem geltend gemachten Anspruch auf Verzinsung um einen Anspruch aus einem öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis, da die tatsächliche Grundlage für die geltend gemachten Ansprüche die erfolgte Verzinsung eines Erstattungsanspruchs ist, der aus einem Steuerschuldverhältnis i.S.d. § 37 Abs. 2 AO herrührt. Auch die Regelungen über die Verzinsung von Ansprüchen aus Steuerschuldverhältnissen – wenn auch bezüglich Zinseszinsen negativ – finden sich in §§ 233 ff. AO.
40
Damit liegt auch eine abgabenrechtliche Streitigkeit vor, die in die Zuständigkeit der Finanzgerichtsbarkeit fällt.
41
Dies gilt im Übrigen auch, soweit der geltend gemachte Anspruch sich auf einen Folgenbeseitigungsanspruch stützen sollte, denn auch für einen solchen wäre der Finanzrechtsweg gegeben (vgl. Krumm in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 33 FGO, Rn. 38).
42
c) Dass die Klägerin den geltend gemachten Anspruch auf §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB analog stützt, ist unerheblich. Darin kommt nämlich nicht zum Ausdruck, dass sie den Zivilrechtsweg für gegeben hält. Sie verweist vielmehr auf die nach ihrer Auffassung unionsrechtskonform auszulegenden Grundlagen für den geltend gemachten Anspruch.
43
d) Zudem besteht aufgrund der Frage, ob der Effektivitätsgrundsatz es gebietet, dass eine unionsrechtlich gebotene Verzinsung der Höhe nach nicht nur eine einfache Verzinsung, sondern Zinseszinsen vorsieht (vgl. unten unter II.3.c)), ein enger Zusammenhang mit dem zu Grunde liegenden unionsrechtlichen Anspruch auf Erstattungszinsen.
44
Insofern spricht nicht zuletzt der Gesichtspunkt der Rechtswegkonzentration für die Eröffnung des Finanzrechtswegs (vgl. § 17 Abs. 2 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes – GVG –). Denn sollten – anders als hier – gleichzeitig Zinsen auf einen Erstattungsanspruch (für die unzweifelhaft der Finanzrechtsweg eröffnet ist) als auch die Verzinsung dieses Zinsanspruchs geltend gemacht werden, wäre eine Aufspaltung der Rechtswege künstlich und wenig zielführend.
45
2. Die am 29. August 2023 ausgezahlten Zinsen sind weder nach nationalem noch nach Unionsrecht zu verzinsen, so dass die Klage mit ihren Hauptanträgen unbegründet ist.
46
a) Nach nationalem Recht werden Zinsansprüche nicht verzinst.
47
Die Verzinsung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis ist durch die §§ 233 ff. AO abschließend geregelt. Danach werden gemäß der ab dem 22. Juli 2022 geltenden Norm des § 233 Satz 1 AO Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nur verzinst, soweit dies durch Bundesrecht oder Recht der Europäischen Union vorgeschrieben ist, siehe Art. 97 § 15 Abs. 13 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung – EGAO -. Ansprüche auf steuerliche Nebenleistungen (§ 3 Abs. 4 AO) und die entsprechenden Erstattungsansprüche werden nicht verzinst (§ 233 Satz 2 AO).
48
Zinsen sind gemäß § 3 Abs. 4 Nr. 4 AO keine Steuern, sondern steuerliche Nebenleistungen. Da Ansprüche auf steuerliche Nebenleistungen gemäß § 233 Satz 2 AO nicht verzinst werden, werden im Steuerschuldverhältnis keine Zinseszinsen erhoben (BFH, Vorlagebeschluss vom 8. Mai 2024 – VIII R 9/23, BFHE 284, 142, Rn. 14).
49
b) Der am 29. August 2023 ausgezahlte Betrag beruht auf einem Anspruch auf Prozesszinsen, die nach § 3 Abs. 4 Nr. 4 AO steuerliche Nebenleistungen sind.
50
aa) Für die Frage einer Verzinsung nach § 233 AO ist der materiell-rechtliche Charakter des zu verzinsenden Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis maßgeblich; materiell-rechtlich sind Zinsen stets Nebenleistung. Der materiell-rechtliche Charakter von Zinsen als steuerliche Nebenleistungen ändert sich auch nicht dadurch, dass sich in prozessualer Hinsicht eine Konstellation ergibt, bei der allein Zinsen als Hauptsache geltend gemacht werden. In prozessualer Hinsicht können Zinsen als Nebenforderung oder als Hauptforderung geltend gemacht werden. Dies berührt jedoch ausschließlich die Frage, wie im Zusammenhang mit einem Klageverfahren die Zinsen bei prozessrechtlichen Fragen (Streitwertberechnung, Beschwer, etc.) zu bewerten sind (vgl. FG Bremen, Urteil vom 15. August 2018 – 1 K 69/18 (2), DStRE 2019, 640, Rn. 37ff; Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 236 AO, Rn. 4).
51
bb) Im vorliegenden Fall hatte die Klägerin im Vorprozess Prozesszinsen als Hauptforderung geltend gemacht, die ihr – aufgrund unionsrechtskonformer Auslegung des § 236 AO – zugesprochen wurden (vgl. BFH-Urteil vom 15. November 2022 – VII R 29/21 (VII R 17/18), BStBl II 2023, 803). Dennoch handelt es sich materiell-rechtlich um steuerliche Nebenleistungen, die nach § 233 Satz 2 AO nicht verzinst werden. (So im Ergebnis auch: Bremen, Urteil vom 15. August 2018 – 1 K 69/18 (2), DStRE 2019, 640, Rn. 36; FG Hamburg, Urteil vom 23. September 2022 – 4 K 67/18, ZfZ 2023, 84, Rn. 16 ff; FG Hessen, Urteil vom 31. Mai 2023 – 7 K 998/20, EFG 2023, 1434, Rn. 71f; FG Düsseldorf, Urteil vom 11. April 2025 – 3 K 1094/23 AO, EFG 2025, 986, Rn. 67; offen gelassen von BFH-Urteil vom 15. November 2022 – VII R 29/21 (VII R 17/18), BStBl II 2023, 803, Rn. 43f).
52
cc) Etwas anderes ergibt sich auch nicht nach § 236 Abs. 1 Satz 1 AO.
53
Nach § 236 Abs. 1 Satz 1 AO ist der zu erstattende oder zu vergütende Betrag zu verzinsen, wenn durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung oder auf Grund einer solchen Entscheidung eine festgesetzte Steuer herabgesetzt oder eine Steuervergütung gewährt wird.
54
Diese Prozesszinsen nach § 236 AO beziehen sich aber ausschließlich auf eine festgesetzte Steuer oder aber eine Steuervergütung; steuerliche Nebenleistungen im Sinne des § 3 Abs. 4 AO sind hiervon nicht umfasst. Damit scheidet eine Verzinsung von (Nachzahlungs- oder Erstattungs-)Zinsen aus (BFH-Beschluss vom 23. Juni 2014, VIII B 75/13, BFH/NV 2014, 1713, Rn. 12 ff.).
55
c) Eine Zinspflicht ergibt sich auch nicht aus einer entsprechenden Anwendung von Vorschriften des § 291 BGB, denn für den Bereich der Abgaben i.S. von §§ 1, 3 AO bestimmen §§ 233 ff. AO maßgebend und abschließend nicht nur die Höhe der Zinsansprüche, sondern auch und in erster Linie die Voraussetzungen für das Entstehen des Anspruchs dem Grunde nach. Hinsichtlich der Zinspflicht ab Rechtshängigkeit für Steuererstattungen und Steuervergütungen gilt deshalb allein § 236 AO. Auf allgemeine Rechtsgrundsätze ist insoweit nicht mehr zurückzugreifen (vgl. Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler: AO/FGO, § 236 AO, Rn. 5, m.w.N.).
56
d) Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen insoweit nicht. Die Verfassung enthält kein allgemeines Gebot, Ansprüche aus einem öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnis zu verzinsen (vgl. ausführlich FG Düsseldorf, Urteil vom 11. April 2025 – 3 K 1094/23 AO, EFG 2025, 986, Rn. 68).
57
e) Ferner ergibt sich ein solcher Anspruch nicht aus einer unionsrechtskonformen Auslegung der nationalen Zinsregelungen (im Ergebnis ebenso: FG Bremen, Urteil vom 15. August 2018 – 1 K 69/18 (2), DStRE 2019, 640; FG Düsseldorf, Urteil vom 3. Mai 2017 – 4 K 3268/14 Z, ZfZ Beilage 2018, Nr. 3; FG Hamburg, Urteil vom 23. September 2022 – 4 K 67/18, ZfZ Beilage 2018, Nr. 3, Rn. 23 ff; FG Hessen, Urteil vom 31. Mai 2023 – 7 K 998/20, EFG 2023, 1434, Rn. 73ff; Werth in Klein, AO § 233 Rn. 13, und § 236 Rn. 45; Jatzke in Sölch/Ringleb, UStG § 21 Rn. 83; Kögel in Gosch, AO/FGO, § 233 AO, Rn. 47).
58
aa) Nach der Rechtsprechung des EuGH hat der Einzelne, wenn ein Mitgliedstaat unter Verstoß gegen die Vorschriften des Unionsrechts eine Steuer erhoben hat, einen Anspruch auf Erstattung nicht nur der zu Unrecht erhobenen Steuer, sondern auch der Beträge, die im unmittelbaren Zusammenhang mit dieser Steuer an diesen Staat gezahlt oder von diesem einbehalten worden sind. Darunter fallen auch die Einbußen aufgrund der mangelnden Verfügbarkeit von Geldbeträgen infolge der vorzeitigen Fälligkeit der Steuer. Daraus folgt der Grundsatz, dass die Mitgliedstaaten aus dem Unionsrecht verpflichtet sind, die unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhobenen Steuerbeträge zuzüglich Zinsen zu erstatten (vgl. zuletzt m.w.N.: BFH-Urteil vom 25. Februar 2025 – VIII R 32/21, BFH/NV 2025, 968, Rn. 32).
59
bb) Kein Verstoß gegen Unionsrecht, der eine Zinspflicht auslösen könnte, liegt allerdings bei Nicht-Verzinsung eines Anspruchs auf Prozesszinsen vor – auch wenn sich dieser aus einer unionrechtskonformen Auslegung nationaler Vorschriften ergibt.
60
aaa) Zwar kann sich ein unionsrechtlicher Verstoß im Rahmen der Steuererhebung, der einen Erstattungs- und einen Zinsanspruch begründen kann, auf jede Regel des Unionsrechts beziehen und sowohl von den Unionsgerichten als auch von einem nationalen Gericht festgestellt werden (BFH-Urteil vom 25. Februar 2025 – VIII R 32/21, BFH/NV 2025, 968, Rn. 33, m.w.N.). Deswegen kann auch das Vorenthalten einer Erstattung einen Zinsanspruch begründen (vgl. EuGH-Urteil MFE vom 17. Oktober 2024 – C-701/22, ECLI:EU:C:2024:891, Rn. 39; BFH-Urteil vom 25. Februar 2025 – VIII R 32/21, BFH/NV 2025, 968, Rn. 44, jeweils m.w.N.).
61
Bei Anwendung rein nationaler Regelungen liegt allerdings kein Verstoß gegen Unionsrecht vor, der eine weitere Verzinsung oder Nachteilsausgleich nach unionsrechtlichen Grundsätzen auslösen könnte. Entsprechend hat der EuGH zuletzt mit Beschluss vom 8. Juli 2025 (Emscher Aufbereitung – C-148/25, ECLI:EU:C:2025:588, Rn. 26 ff) zu einer etwaig unzutreffenden Auslegung nationalrechtlicher Begriffe und einem sich daraus ergebenden Zinsanspruch entschieden.
62
bbb) Bei den Verfahrensvorschriften, die die Verzinsung regeln (hier: §§ 233 ff. AO), handelt es sich um rein nationales Recht (BFH-Beschlüsse vom 7. August 2024 – VII B 168/22, BFH/NV 2025, 164, Rn. 11, und vom 5. Dezember 2017 – VII B 85/17, BFH/NV 2018, 321, Rn. 12). So hat der EuGH zu den o.g. Grundsätzen ausgeführt, dass es in Ermangelung einer Unionsregelung der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten zukommt, die Bedingungen für die Zahlung solcher Zinsen festzulegen (vgl. EuGH-Beschluss Lear Corporation Hungary vom 10. April 2024 – C-532/23, ECLI:EU:C:2024:316, Rn. 41).
63
Dementsprechend gehören zu den nicht verzinslichen Nebenleistungen nicht nur die in § 3 Abs. 4 AO genannten Zinsen, sondern auch Zinsen, die – wie hier – aufgrund unionsrechtskonformer Auslegung nationaler Verzinsungsvorschriften (vgl. ausdrücklich mit Bezug auf das Revisionsverfahren der Klägerin: BFH-Beschluss vom 7. August 2024 – VII B 168/22, BFH/NV 2025, 164, Rn. 11) zu zahlen sind (vgl. auch FG Düsseldorf, Urteil vom 3. Mai 2017 – 4 K 3268/14 Z, ZfZ Beilage 2018, Nr. 3, Rn. 44).
64
f) Der geltend gemachte Anspruch ergibt sich auch nicht als Folgenbeseitigungsanspruch.
65
Ein öffentlich-rechtlicher Folgenbeseitigungsanspruch ist zwar grundsätzlich anzuerkennen (BFH-Urteil vom 10. Februar 1982 – II R 20/78, juris, und BFH-Beschluss vom 8. April 1987 VII B 142/86, BFH/NV 1988, 94). Der Folgenbeseitigungsanspruch erfasst jedoch nur die unmittelbaren Folgen der Vollziehung des Verwaltungsakts. Das bedeutet, dass er sich in der Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes erschöpft, der durch die Vollziehung des Verwaltungsakts geschaffen wurde. Dagegen erfasst er nicht die Beseitigung der durch die Vollziehung entstandenen weiteren mittelbaren Folgen. Diese weiteren Nachteile, zu denen der Vollzug führen kann, sind nicht Gegenstand der Folgenbeseitigung (FG München, Urteil vom 27. April 2006 – 5 K 4680/03, juris, Rn. 20; FG Hamburg, Urteil vom 17. Januar 2017 – 4 K 42/15, juris, Rn. 36; FG Niedersachsen, Urteil vom 8. Dezember 2010 – 3 K 227/10, EFG 2011, 850, Rn. 39, m.w.N.).
66
3. Die Klage ist auch mit ihrem Hilfsantrag unbegründet, denn der durch den BFH mit Urteil vom 15. November 2022 (VII R 29/21 (VII R 17/18), BStBl II 2023, 803) bereits zugesprochene Ausgleichs- bzw. Zinsanspruch ist ausreichend und genügt den unionsrechtlichen Grundsätzen. Im Übrigen geht auch die Klägerin (S. 10 des Schriftsatzes vom 25. März 2025) davon aus, dass der Besteuerungstatbestand der unionsrechtlichen Verzinsung von rechtswidrig erhobenen Stromsteuerbeträgen bestandskräftig abgeschlossen sei.
67
a) Zur konkreten Umsetzung der Verzinsung hat der EuGH darauf hingewiesen, dass die Zinszahlungsmodalitäten nicht dazu führen dürfen, dass dem Betreffenden eine angemessene Entschädigung für die erlittenen Einbußen vorenthalten wird. Dies setzt unter anderem voraus, dass die ihm gezahlten Zinsen den Gesamtzeitraum abdecken, der je nach Lage des Falles zwischen dem Tag, an dem der Betreffende den fraglichen Geldbetrag entrichtet hat oder hätte erhalten sollen, und dem Tag liegt, an dem dieser ihm erstattet oder an ihn entrichtet wurde (BFH-Urteil vom 25. Februar 2025 – VIII R 32/21, BFH/NV 2025, 968, Rn. 33, m.w.N.).
68
Dabei handelt es sich jedoch um eine pauschale Entschädigung, die unabhängig von den tatsächlichen Finanzierungsbedingungen anwendbar ist (vgl. Urteil des Gerichts der Europäischen Union – EuG – Geldbußenerstattung vom 19. Januar 2022 – T-610/19, ECLI:EU:T:2022:15, Rn. 73; EuGH-Urteil Telekom Geldbußenerstattung II vom 11. Juni 2024 – C-221/22 P, ECLI:EU:C:2024:488, Rn. 52 und 90).
69
Diese Bedingungen für die Zahlung solcher Zinsen müssen den Grundsätzen der Äquivalenz und der Effektivität entsprechen, d.h. sie dürfen nicht ungünstiger sein als bei ähnlichen Forderungen, die auf Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts gestützt sind, und sie dürfen nicht so ausgestaltet sein, dass sie die Ausübung der Rechte, die die Unionsrechtsordnung einräumt, praktisch unmöglich machen (EuGH-Beschluss Lear Corporation Hungary vom 10. April 2024 – C-532/23; ECLI:EU:C:2024:316, Rn. 41, BFH-Urteil vom 25. Februar 2025 – VIII R 32/21, BFH/NV 2025, 968, Rn. 32, m.w.N.).
70
b) Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Äquivalenz liegt nicht vor.
71
Danach dürfen die Verfahrensmodalitäten für Klagen auf die Zahlung von Zinsen nicht weniger günstig ausgestaltet sein als die für entsprechende innerstaatliche Klagen (EuGH-Urteil MFE vom 17. Oktober 2024 – C-701/22, ECLI:EU:C:2024:891, Rn. 43, m.w.N.).
72
§ 236 AO wurde im vorliegenden Fall bereits unionsrechtskonform dahingehend ausgelegt, dass der Berechnung des Zinsbetrags der Zeitraum zwischen der überhöhten Zahlung und der Erstattung der nicht geschuldeten Abgabe zugrunde zu legen ist (vgl. BFH-Beschluss vom 7. August 2024 – VII B 168/22, BFH/NV 2025, 164, Rn. 11). Dagegen ist die Verzinsung von Nebenforderungen und damit von Zinsen im innerstaatlichen Recht generell ausgeschlossen. Durch eine entsprechende Anwendung dieses Verzinsungsausschlusses auf Zinsansprüche, die sich aus dem Unionsrecht ergeben, erfolgt keine Schlechterstellung gegenüber der innerstaatlichen Regelung (FG Bremen, Urteil vom 15. August 2018 – 1 K 69/18 (2), DStRE 2019, 640, Rn. 48, juris).
73
c) Auch ein Verstoß gegen den Effektivitätsgrundsatz liegt nicht vor.
74
aa) Nach diesem Grundsatz darf das nationale Recht die Ausübung des unionsrechtlich garantierten Rechts auf diese Zahlung nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (vgl. EuGH-Urteil MFE vom 17. Oktober 2024 – C-701/22, ECLI:EU:C:2024:891, Rn. 43, m.w.N.). Ein – ggfs. antragsgebundener – Anspruch auf Zinseszinsen ist nach Unionsrecht aber nicht vorgegeben. Entsprechend hat der EuGH es dem nationalen Gesetzgeber offengelassen, welche Methode der Zinsberechnung er festlegt und damit ausdrücklich die Wahl zwischen einfacher Verzinsung oder Zahlung von Zinseszinsen gelassen (vgl. EuGH-Beschluss Lear Corporation Hungary vom 10. April 2024 – C-532/23, ECLI:EU:C:2024:316, Rn. 41).
75
bb) Mit der unionsrechtskonformen Auslegung des § 236 AO hat der BFH im vorliegenden Fall bei Festlegung der Maßgaben der Verzinsung mit Urteil vom 15. November 2022 – VII R 29/21, VII R 17/18 (BStBl II 2023, 803, Rn 11) auch den Effektivitätsgrundsatz berücksichtigt. Ein nach der Rechtsprechung des EuGH in der Sache Sole-Mizo und Dalmandi Mezőgazdasági (vom 23. April 2020 – C-13/18 und C-126/18, C-13/18, C-126/18, ECLI:EU:C:2020:292) gegen den Effektivitätsgrundsatz verstoßender „zinsfreier“ Zeitraum ist damit hier gerade nicht gegeben (vgl. auch FG Hessen, Urteil vom 31. Mai 2023 – 7 K 998/20, EFG 2023, 1434, Rn. 77).
76
Auch eine Unterkompensation ist mit der bereits erfolgten Verzinsung der Erstattung nicht verbunden. Vielmehr würde eine weitergehende Verzinsung des Zinsanspruchs im Ergebnis zu einer unionsrechtlich gerade nicht gebotenen – geschweige denn gerechtfertigten – Überkompensation führen (vgl. FG Hessen, Urteil vom 31. Mai 2023 – 7 K 998/20, EFG 2023, 1434, Rn. 78 ff, und FG Hamburg, Urteil vom 23. September 2022 – 4 K 67/18, ZfZ Beilage 2018, Nr. 3, Rn. 23, jeweils m.w.N.; Jatzke in Sölch/Ringleb, UStG § 21 Rn. 83).
77
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
78
5. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
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6. Es erscheint als sachgerecht, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden (§ 90 a FGO).