Inhalt

LG Nürnberg-Fürth, Urteil v. 25.03.2025 – 14 NBs 405 Js 65947/23 (2)
Titel:

Geldstrafe, Berufung, Klimaaktivismus, Polizeieinsatz, Dokumentation, Strafzumessung

Schlagworte:
Geldstrafe, Berufung, Klimaaktivismus, Polizeieinsatz, Dokumentation, Strafzumessung
Vorinstanz:
AG Nürnberg, Urteil vom 13.01.2025 – 432 Ds 405 Js 65947/23
Rechtsmittelinstanz:
BayObLG, Beschluss vom 01.09.2025 – 204 StRR 333/25
Fundstelle:
BeckRS 2025, 26578

Tenor

1. Die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts – Strafrichter – Nürnberg vom 13.01.2025 Az.: 432 Ds 405 Js 65947/23, wird als unbegründet verworfen mit der Maßgabe, dass der Angeklagte zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 15 EUR verurteilt wird.
2. Dem Angeklagten wird gestattet, die Geldstrafe in monatlich aufeinander folgenden gleichen Raten von 70,- €, jeweils zum 10. eines Monats, erstmals in dem auf die Rechtskraft des Urteils folgenden Monat zu bezahlen. Kommt der Angeklagte dabei mit mehr als einer Rate länger als sieben Tage in Rückstand, so wird die restliche Strafe sofort zur Zahlung fällig.
3. Der Angeklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens und die eigenen Auslagen zu tragen.

Entscheidungsgründe

I. Verfahren
1. Prozessgeschichte
1
Das Amtsgericht Nürnberg – Strafrichter – hat den Angeklagten mit Urteil vom 13.01.2025 wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 15 EUR verurteilt
2
Gegen dieses Urteil hat der Verteidiger des Angeklagten mit Schriftsatz vom 16.01.2025, eingegangen beim Amtsgericht am 16.01.2025, Berufung eingelegt.
2. Zulässigkeit und Begründetheit der Berufung
3
Die Berufung des Angeklagten ist statthaft, ferner form- und fristgerecht eingelegt und erweist sich mithin als zulässig (§§ 312, 314 StPO).
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In der Sache selbst hatte die Berufung des Angeklagten lediglich insoweit Erfolg, als dass die zu verhängende Tagessatzzahl und damit die Geldstrafe insgesamt herabzusetzen war, da der Angeklagte die Verwirklichung des objektiven Tatbestands nicht mehr rundheraus abstritt und die Tatintensität geringer einzustufen war.
II. Feststellungen
1. Person des Angeklagten
a) Persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse
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Der am … geborene Angeklagte ist deutscher Staatsangehöriger. Nach seinem Abitur studierte er Chemie, brach das Studium aber später ab, um sich ausschließlich dem Klimaschutz widmen zu können und betätigte sich in der Folge zwei Jahre lang als Klimaaktivist. Seit rund zwei (weiteren) Jahren ist er nunmehr mit von ihm so genannter „Repressionsarbeit“ beschäftigt, im Zuge derer seine „Aktivistenkarriere“ gerichtlich auf – bzw. abgearbeitet wird.
6
Dabei lebt er von Leistungen der Solidargemeinschaft und sieht sich gleichzeitig mit Schadensersatzforderungen (v.a. der öffentlichen Hand, etwa aus mehreren gemeinschädlichen Sachbeschädigungen) in erheblichem Umfang konfrontiert.
b) Strafrechtliches Vorleben
7
Der Angeklagte ist – zeitlich durchweg nach der vorliegenden Tat – wie folgt strafrechtlich in Erscheinung getreten:
1. 15.12.2023 …
Rechtskräftig seit 03.01.2024
Tatbezeichnung: Gemeinschaftliche Nötigung in mehreren rechtlich zusammentreffenden Fällen
Datum der (letzten) Tat: 10.08.2023
Angewendete Vorschriften: StGB § 240, § 25 Abs. 2, § 52
60 Tagessätze zu je 40,00 EUR Geldstrafe.
2. 12.06.2024 …
Rechtskräftig seit 07.08.2024
Tatbezeichnung: Gemeinschädliche Sachbeschädigung
Datum der (letzten) Tat: 13.11.2023
Angewendete Vorschriften: StGB § 304 Abs. 1, § 304 Abs. 2, § 25 Abs. 2
90 Tagessätze zu je 15,00 EUR Geldstrafe.
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Dieser Verurteilung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
„Am 13.11.2023 gegen 12:00 Uhr besprühten die Angeklagten im bewussten und gewollten Zusammenwirken aufgrund eines gemeinsamen Tatplans im Bereich des Forums/Zentrales Hörsaalgebäude der Universität R. …, die dortige Fassade sowie das dortige Kunstobjekt „Kugel“ mittels zweier präparierter Feuerlöscher großflächig mit oranger Farbe.
Die Angeklagten gehören zu der Gruppierung „Letzte Generation“. Sie hielten ein Banner vor sich mit der Aufschrift „Letzte Generation vor den Kipppunkten“. Es handelt sich dabei um eine der Aktionen, die von den sog. Klimaaktivisten, zu deren Kreis auch die Angeklagten gehören, bundesweit veranstaltet werden, um darauf aufmerksam zu machen, dass aus ihrer Sicht die verantwortlichen Politiker keine ausreichenden Maßnahmen ergreifen, um der Klimaveränderung Einhalt zu gebieten. Der Universität R. entstand dadurch – wie von den Angeklagten zumindest billigend in Kauf genommen – für die Reinigung ein Schaden i.H.v. 9.775,43 EUR.
Den Angeklagten war auch bewusst, dass die o.g. Gebäude der Universität R. dem öffentlichen Nutzen bzw. das dortige Kunstprojekt der Verschönerung des o.g. Bereichs dient und dass sich durch das Anbringen der Farbe das äußere Erscheinungsbild erheblich und nicht nur vorübergehend verändern würde. Den Angeklagten war weiter bewusst, dass sie hierzu nicht dazu berechtigt waren, in solcher Weise die Fassaden bzw. das Kunstobjekt einzufärben.“
3. 27.08.2024 Amtsgericht Lübeck (X1721) – 702 Js 49730/23 81 Cs 702 Js 49730/2 -
Rechtskräftig seit 13.09.2024
Tatbezeichnung: Gemeinschaftliche Sachbeschädigung
Datum der (letzten) Tat: 16.10.2023
Angewendete Vorschriften: StGB § 303 Abs. 2, § 303c, § 25 Abs. 2, § 74
90 Tagessätze zu je 15,00 EUR Geldstrafe.
Einziehung (von Tatprodukten, -mitteln und -objekten).
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Dieser Verurteilung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
„Sie und der Beschuldigte … besprühten am 16.10.2023 gegen 08.45 Uhr aufgrund eines zuvor von Ihnen mit dem Beschuldigten …gefassten gemeinsamen Tatplans jeweils mittels eines Feuerlöschers die Fassade des Gebäudes des Audimax des UKSH, C. L., … in L., großflächig mit oranger Farbe, um auf diese Weise auf Anliegen der Gruppierung „Letzte Generation“ aufmerksam zu machen. Dabei nahmen Sie in Kauf, dass die von Ihnen und dem Beschuldigten S. versprühte Farbe nur mit erheblichem Aufwand würde beseitigt werden können. Tatsächlich entstanden für die Reinigung der Gebäudefassade Kosten in Höhe von 5.807,20 Euro.“
4. 23.10.2024 …
Rechtskräftig seit 31.10.2024
Tatbezeichnung: Gemeinschädliche Sachbeschädigung
Datum der (letzten) Tat: 23.10.2023
Angewendete Vorschriften: StGB § 304 Abs. 1, § 25 Abs. 2
80 Tagessätze zu je 15,00 EUR Geldstrafe.
Einziehung (von Tatprodukten, -mitteln und -objekten).
Dieser Verurteilung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
„Am 23.10.2023 gegen 10:15 Uhr begaben sich der Angeklagte und der gesondert verfolgte … im bewussten und gewollten arbeitsteiligen Zusammenwirken und um eine größtmögliche Aufmerksamkeit für die Aktion der Gruppierung „Letzte Generation“ zu erzielen auf das Campus-Gelände der Universität H., …. Dort besprühten beide jeweils mit einem entsprechend präparierten Feuerlöscher das unter Denkmalschutz stehende Universitätsgebäude A., …, großflächig mit wasserfester und beständiger orangeroter Farbe, wobei sie tatplanmäßig dergestalt vorgingen, dass sie die Farbe unter Verwendung von zwei von ihnen mitgebrachten Feuerlöschern auf einer Fläche von ca. 10 m² auf die Glasfassade links- und rechtsseitig von den Eingängen sowie auf die angrenzenden Betonstützpfeiler und die Türen aufbrachten und sich anschließend vor dem Eingang mit einem Plakat mit der Aufschrift „LETZTE GENERATION VOR DEN KIPPPUNKTEN“ aufstellten, und sich gegenüber den vor Ort anwesenden Personen und Pressevertreterin lautstark politisch über die aktuelle Klimasituation äußerten. Dadurch entstanden der Universität Hamburg Kosten für die Beseitigung in Höhe von 7.979,47 € (inkl. USt.) sowie – da die Farbe nicht im ersten Zugriff vollständig hatte entfernt werden können – von weiteren Kosten in Höhe 12.003,27 € (inkl. USt.), mithin Gesamtbeseitigungskosten in Höhe von 19.982,74 €.
Der Angeklagte und der gesondert verfolgte ... wollten durch die Aktion auf die Gefahren des Klimawandels aufmerksam machen und insbesondere die Studierendenschaft für dieses Anliegen mobilisieren.“.
5. 05.11.2024 …
Rechtskräftig seit 25.11.2024
Tatbezeichnung: Gemeinschaftliche Nötigung in 2 Fällen, in einem Fall davon in 4 tateinheitlichen Fällen
Datum der (letzten) Tat: 21.08.2023
Angewendete Vorschriften: StGB § 240 Abs. 1, § 240 Abs. 2, § 25 Abs. 2, § 52, § 53, § 55
180 Tagessätze zu je 30,00 EUR Geldstrafe.
Einbezogen wurde die Entscheidung vom 12.06.2024+21 Ds 302 Js 786/24 jug+D3410+AG Regensburg.
Einbezogen wurde die Entscheidung vom 15.12.2023+9 Cs 703 Js
73669/23+P1103+AG Braunschweig.
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Dieser Verurteilung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
„1. Am 21.08.2023 gegen 08.33 Uhr blockierte der Angeklagte gemeinsam mit den anderweitig Verfolgten … auf Grund eines zuvor gemeinsam gefassten Tatentschlusses die im morgendlichen Berufsverkehr stark, frequentierte F1.straße in 9… R. an der Kreuzung G.straße. Der Angeklagte und seine Mittäter gehören zu der Gruppierung „Letzte Generation“. Sie hatten Banner vor sich liegen mit dem Text „Klimakatastrophe zulassen = Verfassungsbruch“. In der Absicht, den morgendlichen Berufsverkehr massiv zu stören und so erhöhte Aufmerksamkeit für die aus ihrer Sicht unzureichenden politischen Maßnahmen gegen ein Fortschreiten des Klimawandels zu erzielen, setzten sich der Angeklagte sowie die o.g. anderweitig Verfolgten auf sämtliche vier Fahrspuren der F1.straße in westlicher Fahrtrichtung. In Blickrichtung Osten saßen der Angeklagte und seine sieben Mittäter von links nach rechts in folgender Reihenfolge auf der Straße: … Dabei hatte … … ihre rechte Hand, … jeweils die linke Hand mit Sekundenkleber an der Fahrbahn fixiert. … hatten sich nicht auf der Fahrbahn fixiert. Somit war den direkt vor den Blockierern zum Stehen gekommenen Fahrzeugen auf allen Fahrspuren aufgrund des geringen Abstands zwischen den auf der Fahrbahn sitzenden Personen eine Durchfahrt nicht mehr möglich, ohne die auf der Fahrbahn befindlichen Personen zu überfahren. Auch ein Umfahren des Angeklagten war, dem gemeinsamen Tatplan entsprechend nicht möglich. Für die Fahrzeuge ab der zweiten Reihe bildeten die vor ihnen zum Stehen gekommenen Fahrzeuge ein unüberwindbares Hindernis. Der Einsatzleiter … ging von einer nicht angemeldeten Versammlung aus. Nachdem sich keiner der Blockierer als Versammlungsleiter zu erkennen gegeben hatte, forderte … den Angeklagten und die anderweitig Verfolgten um 08:37 Uhr erstmals dazu auf, die Fahrbahn zu verlassen und die Versammlung auf dem Gehweg fortzusetzen. Darauf erfolgte keine Reaktion. Um 08.39 Uhr erfolgte durch … unter Androhung der Auflösung der Versammlung eine weitere Aufforderung, die Fährbahn zu verlassen, ferner um 08:43 Uhr und schließlich um 08:47 Uhr. Nachdem auch darauf keine Reaktion erfolgte, wurde die Versammlung durch … ausgelöst. Nach vorheriger Androhung des unmittelbaren Zwangs wurden die festgeklebten Blockierer von der Fahrbahn gelöst wie folgt: … um 09:18 Uhr, … um 09:20 Uhr, … um 09:00 Uhr, … um 08:58 Uhr und … um 09:00 Uhr. Sodann wurden die Blockierer von Polizeikräften von der Fahrbahn auf den Gehweg getragen, da sie die Aufforderung sich zu entfernen nicht befolgten. Um 09:25 Uhr, also knapp eine Stunde nach Beginn der Blockade, konnte die Fahrbahn wieder für den Verkehr freigegeben werden. Bereits um 08:35 Uhr, also kurz nach Beginn der Blockade, bildete sich am Blockadeort ein Rückstau mit unbekannter Länge. Zeitgleich wurde durch die polizeilichen Einsatzkräfte mit der Ableitung von Fahrzeugen begonnen, so dass keine neuen Fahrzeuge in den Stau einfuhren. Neben ... (in zweiter Reihe) standen zahlreiche weitere Verkehrsteilnehmer mit ihren Fahrzeugen – wie vom Angeklagten und den anderweitig Verfolgten beabsichtigt – über einen. Zeitraum von mindestens einer halben Stunde in dem Stau und hatten keine Möglichkeit, diesen zu umfahren.
2. Am 01.08.2023 gegen 14.42 Uhr blockierte der Angeklagte gemeinsam mit den anderweitig Verfolgten M. G. ,K. H. und H. S.  auf Grund eines zuvor gemeinsam gefassten Tatentschlusses die beiden Fahrspuren der werktags stark frequentierten F2.straße in Regensburg auf Höhe des Evanglischen Zentralfriedhofs in Fahrtrichtung Westen, also stadtauswärts. Der Angeklagte und seine Mittäter gehören zu der Gruppierung „Letzte Generation“. Die Blockade fand im Rahmen der medial angekündigten Aktion „100 für Bayern“ statt. In der Absicht; den Verkehr massiv zu stören und so erhöhte Aufmerksamkeit für die aus ihrer Sicht unzureichenden politischen Maßnahmen gegen ein Fortschreiten des Klimawandels zu erzielen, setzten sich der Angeklagte sowie die anderweitig Verfolgten … und … auf Höhe des dortigen Friedhofs auf die zwei Fahrspuren in Richtung stadtauswärts. Dabei hielt der Angeklagte ein orangefarbenes Banner vor sich auf dem in weißer Schrift stand „KLIMAKATASTROPHE ZULASSEN = VERFASSUNGSBRUCH“. Die anderweitig Verfolgten … und … hatten ein ebensolches Banner vor sich auf der Straße liegen. In Blickrichtung stadteinwärts saßen der Angeklagte und seine drei Mittäter von links nach rechts in folgender Reihenfolge auf der Straße: die anderweitig Verfolgte …, der Angeklagte, die anderweitig Verfolgten … und ganz rechts …. Dabei hatten sich die anderweitig Verfolgte … ihre rechte Hand und die anderweitig Verfolgte … ihre linke Hand unter Verwendung von Sekundenkleber auf der Fahrbahn festgeklebt. Somit war den direkt vor den Blockierern zum Stehen gekommenen Fahrzeuge auf beiden Fahrspuren aufgrund des geringen Abstands zwischen den auf der Fahrbahn sitzenden Personen eine Durchfahrt nicht mehr möglich, ohne die auf der Fahrbahn befindlichen Personen zu überfahren. Auch ein Umfahren der Angeklagten war dem gemeinsamen Tatplan entsprechend nicht möglich. Für die Fahrzeuge ab der zweiten Reihe bildeten die vor ihnen zum Stehen gekommen Fahrzeuge ein unüberwindbares Hindernis. Der Einsatzleiter … stufte die Blockade, nach seinem Eintreffen vor Ort um 14.46 Uhr als nicht angezeigte Versammlung ein und verlegte den Versammlungsort, nachdem sich kein Versammlungsleiter zu erkennen gegeben hatte, auf den Gehweg. Nachdem der Angeklagte und die anderweitig Verfolgten … daraufhin die Fahrbahn nicht räumten, sondern auf der Fahrbahn sitzen blieben, drohte … dem Angeklagten und den anderweitig Verfolgten … und … erstmals um 14:47 Uhr an, die Versammlung notfalls unter Anwendung unmittelbaren Zwangs mittels Lösen von der Fahrbahn und Wegtragens aufzulösen, falls sich diese nicht auf den Gehweg begeben sollten. Nachdem der Angeklagte und seine drei Mittäter auch daraufhin die Fahrbahn nicht räumten, wurde die Androhung, die Versammlung aufzulösen, von … um 14.53 Uhr und um 14.59 Uhr noch zweimal wiederholt. Um 15.00 Uhr erklärte der Einsatzleiter … – wie angekündigt – die Versammlung für aufgelöst. Daraufhin stand nur der nicht festgeklebte anderweitig Verfolgte … auf und begab sich eigenständig auf den Gehweg. Der Angeklagte ließ sich von der Fahrbahn tragen. In der Zeit von 15.00 Uhr bis 15.07 Uhr gelang es den Einsatzkräften, die Hand der anderweitig Verfolgten … und in der Zeit von 15.00 Uhr bis 15.22 Uhr die Hand der anderweitig Verfolgten … von der Fahrbahn zu lösen. Während die anderweitig Verfolgte … von sich aus auf den Gehweg begab, ließ sich die anderweitig Verfolgte … auf den Gehweg tragen. Um 15.13 Uhr konnte eine der beiden Fahrspuren wieder für den Verkehr freigegeben werden, so dass ab 15.14 Uhr damit begonnen werden konnte, den Rückstau aus zuleiten. Nach Reinigungsarbeiten wurden um 15.33 Uhr wieder beide Fahrspuren für den Verkehr freigegeben. Das Verhalten der Angeklagten hatte, wie von ihnen beabsichtigt, zur Folge, dass sich auf der F2.straße bereits um etwa 14.46 Uhr ein Rückstau bis zur Einmündung der P.straße, mithin über eine Strecke von ca. 100 m aufgebaut hatte. Um 14.52 Uhr erstreckte sich der Rückstau bereits bis zur Arcaden-Kreuzung und somit über, eine Strecke von knapp 450 m. Die Autofahrer … und … standen neben zahlreichen weiteren Verkehrsteilnehmern mit ihren Fahrzeugen – wie vom Angeklagten und den anderweitig Verfolgten beabsichtigt – über einen Zeitraum von mindestens 30 Minuten in dem Stau und hatten keine Möglichkeit, diesen zu umfahren.“
6. 07.01.2025 …
Rechtskräftig seit 31.01.2025
Tatbezeichnung: Gemeinschädliche Sachbeschädigung
Datum der (letzten) Tat: 13.12.2023
Angewendete Vorschriften: StGB § 304 Abs. 2, § 74
60 Tagessätze zu je 30,00 EUR Geldstrafe.
Einziehung (von Tatprodukten, -mitteln und -objekten).
c) Diesbezügliche Feststellungsgrundlage
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Die obigen Feststellungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen beruhen auf den insoweit glaubhaften Angaben des Angeklagten. Die Feststellungen zum strafrechtlichen Vorleben beruhen auf dem in der Berufungshauptverhandlung verlesenen und vom Angeklagten als richtig anerkannten Auszug aus dem Bundeszentralregister. Die vorstehend wiedergegebenen Sachverhalte von gerichtlichen Entscheidungen hat die Kammer aus den verlesenen Auszügen dieser Erkenntnisse entnommen. Es liegen keine Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit dieser Urkunden vor, so dass die Kammer diese ihren Feststellungen ebenfalls zugrunde gelegt hat.
2. Zur Sache
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Am 09.07.2023 gegen 13:20 Uhr versuchten Aktivisten der Vereinigung der „letzten Generation“ entsprechend ihrem zuvor gemeinsam gefassten Tatplan im Rahmen einer Protestaktion unberechtigt durch ein mittels einer Stahlkette verschlossenes Tor in der Nähe der sog. „Alpha Kurve“ auf das Gelände des „Norisring-Rennens“,…, N. zu gelangen, um dort kurz vor dem Start des Rennens die Rennstrecke zu blockieren. Der Angeklagte übernahm im Rahmen der Organisationsstruktur der Vereinigung und des durch diese gefassten Tatplanes, über den er vorab informiert worden war und den er inhaltlich wie auch im Ablauf zu unterstützen suchte, die filmische Dokumentation der Aktion zur späteren Verbreitung im Internet bzw. weiteren Medien. Im Zuge dieser Aktion kam es, für die beteiligten Mitglieder der Vereinigung der „letzten Generation“ ohne weiteres vorhersehbar und auch ihrem Tatplan entsprechend, zur Begehung von Straftaten im Rahmen von gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Aktivisten und den zur Absicherung der Rennstrecke und des Tors eingesetzten Ordnern, sowie zu Sachbeschädigungen an der das Tor versperrenden Kette.
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Um die Fortsetzung der bereits erfolgten Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch die beteiligten Aktivisten zu verhindern und insbesondere die Identität des als Kameramann der „letzten Generation“ an der Störung unmittelbar beteiligten Angeklagten festzustellen, ging der aufgrund seiner Uniform als Polizeibeamter erkennbare PHM… auf den Angeklagten, der gerade und v.a. die Auseinandersetzung an dem Tor, durch das der Beamte direkt auf ihn zugelaufen kam, filmte und hierbei rückwärts ging, um sich nichts entgehen zu lassen, zu und ergriff, aufgrund der tumultartigen Gesamtsituation ohne vorherige Ansprache oder Aufforderung, den linken Arm und die linke Hand des Angeklagten, mit welcher dieser sein Mobiltelefon hielt, um diesen festzuhalten und die Fortsetzung der Filmaufnahme zu unterbinden.
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Der Angeklagte, der zumindest billigend in Kauf nahm, dass es sich bei seinem uniformierten Gegenüber um einen Polizeibeamten handelte, versuchte daraufhin mehrfach, seinen linken Arm aus dessen Griff zu reißen. Deshalb umfasste PHM… nunmehr mit seinem rechten Arm den Kopf des Angeklagten und brachte diesen mittels eines Kontrollgriffs zu Boden, so dass der Angeklagte bäuchlings und leicht auf die rechte Schulter gedreht zum Liegen kam und seine Aufnahme nicht mehr fortsetzen konnte. Sodann forderte der Polizeibeamte den Angeklagten auf, keinen Widerstand mehr zu leisten. Dieser kam der Aufforderung jedoch bewusst nicht nach, sondern versuchte, sich aus dem Polizeigriff herauszuwinden und die bevorstehende Fesselung seiner Hände auf dem Rücken zu verhindern, indem er seinen rechten Arm nach vorne unter seinen Körper zog, während PHM… seinen linken Arm weiterhin festhielt.
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Unmittelbar darauf übergab … aus einsatztaktischen Gründen den noch ungefesselten und damit nur unzureichend gesicherten Angeklagten an POM…, welcher ihn ca. 20 bis 30 Sekunden lang auf dem Boden fixierte, indem er mit dem rechten Knie auf dessen Hüfte kniete und seinen linken Arm weiter festhielt.
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Zu dieser Situation kam schließlich PHM… hinzu und übernahm den Angeklagten von POM ... , welcher diesen daraufhin kurze Zeit später losließ, um an anderer Stelle des Tumults Kollegen zu unterstützen.
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Auch PHM… forderte den Angeklagten auf, keinen Widerstand mehr zu leisten und den rechten Arm freizugeben, um sich fesseln zu lassen. Dem kam der Angeklagte erneut nicht nach, so dass PHM… diesen rechten Arm unter erheblicher Kraftanstrengung nach hinten auf den Rücken des Angeklagten bringen musste, wogegen der Angeklagte durch Anspannung seiner Muskeln in Gegenrichtung aktiv ankämpfte. Trotz dieser Gegenwehr des Angeklagten gelang es PHM…, eine Kabelbinderfessel an einem Arm des Angeklagten zu befestigen. Der Angeklagte jedoch nutzte das Loslassen durch POM… aus, um seinen Arm wieder ruckartig loszureißen und so die Fesselung beider Arme auf seinem Rücken zu verhindern. Nur durch erheblichen Kraftaufwand gelang es PHM…, den ihm entglittenen Arm wieder einzufangen und auch auf dessen Rücken zu bringen, wobei der Angeklagte durch mehrfaches „Aufbäumen“ aus der Hüfte heraus versuchte, sich von dem Gewicht des auf seinem Rücken knienden und ihn hierdurch fixierenden Polizeibeamten zu befreien.
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Erst nach erneutem Hinzukommen von POM… gelang es den Beamten schließlich, beide Arme des Angeklagten auf dessen Rücken zu fesseln und diesen sodann von der Tatörtlichkeit weg zu verbringen, so weitere Störungen zu unterbinden und letztlich seine Identität festzustellen.
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Dem Angeklagten war dabei völlig gleichgültig, gegen wen er sich zur Wehr setzte und dass es sich hierbei um drei Polizeibeamte bei der Vornahme einer Diensthandlung handelte, was er angesichts der Art und Weise der Ansprache und v.a. der Uniformierung von PHM… zumindest billigend in Kauf nahm.
III. Beweiswürdigung
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Die Kammer hat den Angeklagten ausführlich angehört, die Zeugen … und … uneidlich vernommen und die Lichtbilder Bl. 8 und 9, sowie Bl. 243 bis Bl. 245 und Bl. 216 bis 225 d.A. sowie den durch diesen im Sitzungssaal (wie am Tatort) getragenen Dienstoverall von PHM… in Augenschein genommen. Auf die Lichtbilder wird gem. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO Bezug benommen. Der vorletzte Absatz von Bl. 157 (polizeiliche Vernehmung „PM“ …) wurde mit allseitiger Zustimmung verlesen.
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Ein Beweisantrag gerichtet auf Inaugenscheinnahme eines Videos zum Beweis der Tatsache, dass Security-Mitarbeiter blaue Overalls mit silbernen reflektierenden Schulterstücken trugen und am Tor in Auseinandersetzungen mit Aktivisten in orangenen Warnwesten verwickelt waren, konnte angesichts der ohnehin gleichlautenden Angaben der vernommenen Zeugen und aufgrund des Inhaltes der Lichtbilder als wahr bzw. bereits erwiesen unterstellt werden.
1. Einlassung d. Angeklagten
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Der Angeklagte räumt den äußeren Ablauf der Tat im wesentlichen ein, bestreitet aber, den Geschädigten PHM… als Polizeibeamten erkannt und das Vorgehen der insgesamt drei beteiligten Polizeibeamten damit als polizeiliches Handeln wahrgenommen zu haben. Er sei davon ausgegangen, dass es sich um Security-Mitarbeiter des Veranstalters gehandelt habe. Als damaliger Aktivist der „letzten Generation“ habe er jegliche Gewalt gegen Polizeibeamte abgelehnt, dies sei Grundlage aller Aktionen und Credo der in der „letzten Generation“ vereinigten Aktivisten gewesen.
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Er habe über Kanäle, die er nicht offenzulegen wünsche, davon erfahren, dass an diesem Tag und Ort eine Aktion der letzten Generation gegen das Norisring-Rennen stattfinden werde und sich deshalb dort hinbegeben. Dabei sei er nicht mit den typischen äußerlich erkennbaren Merkmalen der letzten Generation (z.B. einer orangenen Warnweste) ausgestattet gewesen. Vor Ort habe er von der Kleingartenkolonie aus die geplante Aktion zu Dokumentations- und Präsentationszwecken mit seinem Mobiltelefon festhalten wollen. Dabei sei das zuvor verschlossene Tor zur Rennstrecke durch Aktivisten gewaltsam geöffnet worden, was Security Mitarbeiter in blauen Overalls mit silbernen Reflexionsstreifen auf den Schultern zu verhindern versucht hätten. Deshalb sei es am Tor zu einem Gerangel gekommen, an dem er selbst sich nicht beteiligt –, sondern aus rund 10 bis 15 m Entfernung weiter seine Aufnahmen gemacht habe. Dabei habe er nur auf das stark spiegelnde – es sei sehr sonnig gewesen – Handydisplay geblickt. Deshalb habe er wohl die in einen dunklen Overall gekleidete Person, die direkt auf ihn zugekommen sei, nicht gut sehen können. Diese Person habe ihn nicht angesprochen, sondern sofort seinen linken Arm gepackt, in dem er das Handy gehalten habe und diesen so verdreht, dass er bäuchlings zu Boden gegangen sei, wo er mit dem Gesicht zu Boden auf dem Bauch zum Liegen gekommen wäre. Er habe sich zu keinem Zeitpunkt umdrehen und die scheinbar wechselnden Personen auf seinem Rücken erkennen können. Aufgrund seines geringeren Körpergewichts und seiner Konstitution sei es ihm schon nicht möglich gewesen, sich in dieser Lage überhaupt „explosiv“ zu bewegen oder gar aufzubäumen und eine der Personen auf seinem Rücken so wirklich anzuheben. Als ihm später klar geworden wäre, dass es sich dabei scheinbar um Polizisten handelte, habe er jeglichen Widerstand eingestellt und sich sofort fesseln lassen.
2. Bekundungen von Zeugen/Inhalt von Lichtbildern
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Der Zeuge PHM … gab an, als Gruppenleiter einer Gruppe aus insgesamt 4 oder 5 USK-Beamten an der Start/Ziellinie des Norisring-Rennens eingesetzt gewesen zu sein. Er habe aktiven Gehörschutz („Mickey Mouse Ohren“) und seinen blauen Dienstoverall getragen, auf dessen linker Brusttasche in ca. 7 mal 20 cm Größe der goldene Schriftzug „Polizei“ aufgedruckt sei. Wenige Minuten vor dem Start sei per Funk die Mitteilung hereingekommen, am Tor zwischen Kleingartenkolonie und Rennstrecke würden Klimaaktivisten versuchen, über den Zaun auf die Rennstrecke zu gelangen. Er habe deshalb mit seiner und anderen Einsatzgruppen dorthin verlegen sollen, seine Gruppe sei dabei als erste Polizeieinheit dort angekommen und eine unübersichtliche und dynamische Situation vorgefunden. Das Tor sei bereits aufgebrochen gewesen, klar an ihren orangenen Warnwesten erkennbare Aktivisten wären auf dem Gelände der Rennstreckenseite in ein Gerangel mit Securities und THW-Mitarbeiten verstrickt gewesen, die versucht hätten, das Tor zuzuhalten. Als seine und sodann weitere Polizeieinheiten eingetroffen wären, hätten sich die Aktivisten fluchtartig in die Kleingartenkolonie zurückgezogen, weshalb seine Einheit diesen durch das Tor gefolgt sei, um deren Identitäten festzustellen und weitere Störungen zu unterbinden. Dabei sei er rund 3 bis 5 Meter hinter dem Tor auf der Kleingartenseite auf eine Person getroffen, von der er heute wisse, dass es sich um den Angeklagten gehandelt habe. Ob dieser eine Warnweste trug, wie die übrigen Aktivisten, wisse er heute – auch nach Vorhalt der entsprechenden damals auf der Dienststelle gefertigten Lichtbilder vom Angeklagten – nicht mehr. Diese Person habe ein Handy in der Hand gehalten und sowohl die Aktion am Tor und damit zwangsläufig auch ihn gefilmt, weil er direkt vom Tor her gekommen sei. Dabei wäre die Person rückwärts gegangen. Aufgrund dieses Verhaltens habe er die Person zwangsläufig dem Kreis der Aktivisten zugeordnet und festhalten wollen. Ohne ihn ansprechen zu können – aufgrund der dynamischen Situation sei ihm dies zeitlich schlichtweg nicht möglich gewesen – habe er die Person am Handgelenk der linken (Handy-)Hand gepackt und festgehalten. Aus diesem Griff habe sich der Aktivist aber sogleich wieder zu lösen versucht, indem er den linken Arm heftig hin zu seinem Oberkörper gerissen habe. Daher habe er den Kopf des Aktivisten mit seinem rechten Arm umfasst und ihn mittels eines Kontrollgriffs zu Boden gezogen, um ihn dort zu fixieren. Die Person sei wegen seines Haltegriffs am Kopf leicht auf die rechte Schulter gedreht auf dem Boden gelegen. Er habe erhebliche Kraft benötigt, um den sich windenden Aktivisten dort festzuhalten. Sodann habe er ihn – wie ständig und intensiv trainiert – mehrfach deutlich aufgefordert, keinen Widerstand mehr zu leisten, was jedoch zu keiner Verhaltensänderung bei dem Aktivisten geführt habe. Deshalb habe er POM ... hinzugerufen und den nur teilfixierten Angeklagten an diesen übergeben, weil er sich als Gruppenleiter einen Überblick über die chaotische Gesamtsituation verschaffen musste.
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POM… gab in seiner Vernehmung an, von PHM… die bäuchlings am Boden teilfixierte Person übernommen und sodann für 20 bis 30 Sekunden in gleicher Wiese festgehalten zu haben, indem er sich auf deren rückwärtige Hüfte kniete. In dieser Zeit habe sich der Aktivist nicht, erheblich gewehrt. Danach habe er die Person an PHM … „übergeben“, dem er wiederum später jedoch für einige weitere Sekunden helfen musste, den sich dann wieder heftig sträubenden Aktivisten zu fesseln. PHM … habe dabei zwar bereits an einem Handgelenk des Aktivisten eine „Kabelbinderfessel“ angebracht gehabt, den anderen Arm habe die Person Angeklagte aber mit Kraft nach vorne und unter seinen Körper geschoben, um so die Fesselung seines zweiten Handgelenks zu verhindern.
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Ob der Angeklagte der damalige Aktivist gewesen sei und welche Kleidung oder Kennzeichnungen er damals trug könne er auch nach Vorhalt der Lichtbilder heute nicht mehr sagen.
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Der Zeuge PHM… gab an, er habe nicht zur Gruppe von PHM… gehört, sondern sei mit seiner eigenen aus 4 bis 5 USK-Beamten bestehenden Gruppe kurz nach dessen Einheit am Tor angekommen. POM… habe mit einem Knie am Boden und mit dem zweiten auf der Hüfte einer auf dem Bauch liegenden Person gekniet und dessen linken Arm festgehalten, der rechte Arm des Fixierten habe sich unter dessen Körper befunden und er habe ihn mit großer Kraftanstrengung hervorziehen müssen, um den Aktivisten fesseln und so wirksam sichern zu können. Er habe die Person dabei mehrfach, aber erfolglos aufgefordert, keinen Widerstand mehr zu leisten, wie es in seiner Einheit ständig und intensiv trainiert werde. Der Aktivist habe auch mehrfach versucht, ihn aus seiner Hüfte heraus durch Krümmen des Körpers anzuheben, dies aber nicht geschafft. Nachdem er es vermocht habe, an einem Arm eine zu diesem Zweck bereits vorbereitete Kabelbinderfessel anzubringen, habe der Aktivist den anderen, zuvor mühsam unter ihm hervorgezwungenen Arm, wieder ruckartig nach vorne bewegt, so dass ihm dieser Arm wieder entglitten sei und POM… ihn erneut habe unterstützen müssen. An die Kleidung des Aktivisten oder das Tragen einer Warnweste durch diesen könne er sich auch nach Vorhalt der Lichtbilder nicht erinnern, bei der späteren Durchsuchung Durchsuchung des Rucksacks der Person seien aber Aufkleber der letzten Generation in einer Außentasche gefunden worden.
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Auf den Lichtbildern Bl. 8 und 9 konnte mit Hilfe der Zeugen und des Angeklagten der Tatort im Bereich hinter den beiden rechts sichtbaren rot/weiß gestreiften Pfosten eingegrenzt werden, rund 5 bis 10 m von dem Tor entfernt auf dem Gebiet der Kleingartenkolonie.
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Auf den Lichtbildern der ED-Behandlung des Angeklagten ist erkennbar, dass dieser dabei keine orangene Warnweste oder sonstige Erkennungsmerkmale der Aktivisten trug.
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Die Lichtbilder von der Rennstrecke zeigen die blauen Overalls mit großen silbernen Reflektionsflächen auf den Schultern, welche durch die Securities getragen wurden, sowie die in orangene Warnwesten gekleideten Aktivisten, welche sich z.T. in körperlichen Auseinandersetzungen mit den Rennstreckenmitarbeitern befinden. Zudem tragen Polizeibeamte des USK auf diesen Lichtbildern erkennbar dunkelblaue Overalls ohne die auffälligen und großflächigen silberne Schulterflächen, sowie ausladende Einsatzgürtel.
3. Beweiswürdigung im engeren Sinne
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Der Angeklagte hat den objektiven Ablauf nicht grundsätzlich bestritten, aber angegeben, sich angesichts der Körpermasse der Beamten weder aufbäumen –, noch seinen Arm „explosionsartig“ nach vorne reißen haben zu können. Vor allem habe er die Beamten weder optisch noch akustisch als Polizisten erkannt, weil er auf seinen spiegelnden Handybildschirm und die Situation am Tor fixiert gewesen sei. Auch habe er keinerlei Anstalten zur Flucht ergriffen, denn es sei Grundsatz der „letzten Generation“, sich nicht mittels aktiver Gewalt gegen Polizisten zur Wehr zu setzten.
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Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben der als Zeugen vernommenen Polizeibeamten wurden weder seitens des Angeklagten vorgebracht, noch wären solche nach Überzeugung der Kammer auch nur im entferntesten angebracht gewesen. Vielmehr bemühten sich die Beamten erkennbar um inhaltliche Richtigkeit und Genauigkeit ihrer Angaben, legten bestehende Erinnerungslücken klar offen und hatten sich ganz offensichtlich weder aufeinander abgestimmt, noch erweckten ihre Aussagen den Anschein, zuvor detailliert ausgearbeitet oder übermäßig penibel vorbereitet worden zu sein.
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Die Kammer ist aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass der Angeklagte zu den durch die Vereinigung der „letzte Generation“ im Rahmen einer durchgeplanten Operation vor Ort aktiv eingesetzten Aktivisten gehörte. Seine Aufgabe im Rahmen der damaligen Organisationsstruktur war die Dokumentation des Geschehens, welche – auch nach den Ausführungen des Angeklagten – wie das spätere öffentliche zur Schaustellen des Ablaufs und der Ergebnisse der Aktion einschließlich dabei begangener Straftaten im Internet und den Medien zum Kernbereich der Vorgehensweise der Vereinigung der „letzten Generation“ gehört. Hierzu handelte der Angeklagte auch bewusst „verdeckt“, indem er nicht mit einer Warnweste versehen wurde, um – mangels sofortiger Identifizierbarkeit – diese Aufgabe möglichst ausgiebig erfüllen zu können und dem drohenden Zugriff der Polizei (oder der Securities) so lange wie möglich entgehen und so weiter dokumentieren zu können. Deshalb zog er sich auch nicht etwa beschleunigt zurück, wie sonstige schaulustige „Gaffer“ dies schon zum eigenen Schutz tun würden, als die Auseinandersetzung sich nach dem Eintreffen der Polizeibeamten von der Rennstrecke und dem Tor aus in die Kleingartenkolonie hinein verlagerte, sondern ging nur langsam und kontrolliert rückwärts, um so weiter filmen zu können. Dass er in die Organisation, die sich von vorneherein vorgenommen haben muss, auch Straftaten wie Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch oder auch zur körperlicher Überwindung des Widerstands zumindest der Security-Mitarbeiter zu begehen, eingebunden war, zeigt – lediglich abrundend – auch der Umstand, dass er in seinem Rucksack Aufkleber der „letzten Generation“ mitführte. Insofern handelt es sich bei den Beteuerungen des Angeklagten, Gewalt gegen Menschen sei nicht geplant gewesen, um substanzlose Lippenbekenntnisse und damit um Schutzbehauptungen.
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Auch hat die Kammer keinerlei vernünftige Zweifel daran, dass der Angeklagte PHM… und – aufgrund des weiteren Ablaufs – auch POM… und PHM… – als Polizeibeamte erkannt hatte und dass ihm deren Zuordnung zur Polizei völlig gleichgültig war. Seine Aufmerksamkeit als „Dokumentarfilmer“ war zentral und unmittelbar auf das nur 3 bis 5 m entfernte „umkämpfte“ Tor gerichtet, durch das wiederum die Polizisten direkt und nur wenige Schritte weit auf ihn zukamen. Auch die übrigen Aktivisten um den Angeklagten herum hatten zudem das Eintreffen der Polizeibeamten wahrgenommen und sich von dem Tor weg in die Kleingartenanlage hinein zurückgezogen, wohin sie gerade von den Polizisten verfolgt wurden, um weitere Störungen verhindern (und ggf. ihre Identitäten sowohl zu präventiven wie auch aus Gründen der Strafverfolgung feststellen) zu können. Dass dies ausgerechnet dem nicht unmittelbar an der Auseinandersetzung beteiligten, sondern aus einem gewissen Abstand heraus dokumentierenden Angeklagten verborgen geblieben war, hält die Kammer für abwegig und ausgeschlossen. Zudem war PHM… an Hand seiner Kleidung und eindeutigen Kennzeichnung optisch klar und eindeutig von den Security-Mitarbeitern zu unterscheiden, womit andere Aktivisten (nach ihrem Verhalten) offenbar auch keinerlei Problem hatten. Weder wies sein Overall große reflektierende silberne Reflektionsflächen auf den Schultern auf, noch trugen die Securities den klassischen Einsatzgürtel der Polizei. Zudem prangte auf der dunklen Brusttasche des Beamten groß, kontrastreich und damit gut lesbar ein goldenes Schild mit dem Aufdruck „Polizei“. Selbst wenn der Angeklagte ausschließlich auf sein Handydisplay konzentriert gewesen sein sollte, war entweder darauf (bei einem großen Display) oder dahinter (bei einem kleinen Display) genug vom Zeugen … erkennbar, um dessen eindeutige Identifizierung als Polizeibeamten vorzunehmen, selbst wenn dieser Gehörschutz getragen haben sollte, was zugegebener Maßen eine gewisse, aber vorliegend eben keine durchgreifende Verwechslungsgefahr mit Rennstreckenmitarbeitern begründen hätte können.
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Die Sonne stand angesichts der Uhrzeit zudem etwa im Zenit. Bei zum Filmen senkrecht gehaltenem Display spiegelt sich diese damit nicht (übermäßig) darin.
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Die Überzeugung der Kammer davon, das der Angeklagte PHM … tatsächlich als Polizeibeamten erkannt hatte und ihm dies im Eifer des Gefechts schlicht gleichgültig war lässt sich des Weiteren auch auf sein eigenes späteres Verhalten stützen. Selbst als ihn PHM … – nachdem dies PHM … bereits getan hatte – mehrfach aufforderte, „keinen Widerstand zu leisten“ – eine schon beinahe „klassische“ und für die meisten Bürger als solche problemlos identifizierbare Ausdrucksweise von Polizeibeamten, setzte der Angeklagte seinen Widerstand unbeirrt fort, indem er sich aufzubäumen versuchte und seinen Arm dem Polizisten ruckartig entzog.
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Die Diensthandlung der Beamten war auch formal rechtmäßig. Im Rahmen des vorliegenden Einsatzes gingen uniformierte und klar gekennzeichnete Polizeibeamte gegen Aktivisten vor, welche sich – wie PHM ... nach seinem Bekunden aufgrund früherer Vorfälle bekannt war – quasi als Markenkern ihrer Vereinigung – der arbeitsteiligen Begehung von besonders öffentlichkeitswirksamen Straftaten verschrieben hatten, ihre Aktionen möglichst umfassend dokumentierten und später in der Regel im Internet und den Medien präsentierten. Die unmittelbare Verhinderung solcher Störungen (spezialpräventiv), die Unterbindung der öffentlichkeitswirksamen Verbreitung erfolgreich begangener Straftaten (generalpräventiv) und die Identifizierung von Straftätern und deren Helfern (repressiv) sind originäre Aufgaben der Polizei und zweifellos von ihren Befugnissen etwa auf Identitätsfeststellung oder Ingewahrsamnahme nach dem PAG, aber auch nach der StPO (etwa auf vorläufige Festnahme) umfasst.
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Die Annahme eines Irrtums über die Rechtmäßigkeit erfolgter polizeilicher Maßnahmen bei einem Angeklagten, der nach eigenem Bekunden in die (offenbar verdeckte) Informations- und damit auch in die Organisationsstruktur sowie die Abläufe innerhalb der im Kern auf die Begehung von Straftaten gerichtete Vereinigung der „letzten Generation“ eingebunden war, darüber, dass Polizisten vor Ort sein würden und sowohl gegen seine Mitstreiter, wie auch – trotz seiner eigenen verdeckten Vorgehensweise – auch gegen ihn vorgehen durften, mussten und würden hält die Kammer angesichts des Grades der Vorbereitung der Aktion für konstruiert, lebensfremd und damit schlichtweg für ausgeschlossen.
IV. Rechtliche Würdigung
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Damit hat sich der Angeklagte des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte schuldig gemacht, § 113 Abs. 1 StGB.
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Ein Irrtum i.S.d. §§ 113 Abs. 3 oder 4 StGB ist zur Überzeugung der Kammer, wie bereits ausgeführt, bereits aus tatsächlichen Gründen ausgeschlossen.
V. Strafzumessung
1. Strafrahmen
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Auszugehen war damit vom Strafrahmen des § 113 Abs. 1 StGB, welcher Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe vorsieht.
2. Strafzumessung im engeren Sinne
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a) Zugunsten des Angeklagten sprach bei Ausfüllung dieses Strafrahmens, dass er den objektiven Ablauf der zudem bereits einige Zeit zurückliegenden Tat nicht mehr abstritt, damals erstmals strafrechtlich in Erscheinung trat und sich die Intensität seiner Widerstandshandlung am unteren denkbaren Rand bewegte. Auch die verhältnismäßig lange Verfahrensdauer spricht zu seinen Gunsten. Ein zusätzlich positiv zu berücksichtigendes vollumfängliches Geständnis oder weitere Pluspunkte, wie Schuldeinsicht oder Reue, waren jedoch nicht erkennbar. Der Angeklagte bewegt sich vielmehr – wie auch in der Hauptverhandlung wiederholt und deutlich zu Tage trat – offenkundig auch weiterhin in einer in erheblichem Maß durch Selbstgerechtigkeit gekennzeichneten und autozentrierten Blase von Gleichgesinnten.
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b) Zulasten des Angeklagten sprach die Dauer des geleisteten Widerstands, der zudem nacheinander (und z.T. mehrfach) gegen zumindest drei Polizeibeamte gerichtet war, dass die Tat im Rahmen einer von langer Hand geplanten und besonders öffentlichkeitswirksamen Aktion begangen wurde, weshalb sie geeignet war, das Sicherheitsgefühl der (wenn auch im Hinblick auf die Sinnhaftigkeit der Veranstaltung von Autorennen zumindest gespaltenen) Bevölkerung in besonders großem Maß einzuschränken.
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c) Nach Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte hielt die Kammer die Verhängung einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen gerade noch für schuld- und tatangemessen.
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Die Tagessatzhöhe war nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten mit 15 Euro anzusetzen.
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Unter deren erneuten Berücksichtigung war ihm zudem eine Ratenzahlungsmöglichkeit einzuräumen, § 42 StGB.
3. Vorläufiges Absehen von der Bildung einer Gesamtstrafe
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In Anbetracht des ungeklärten Vollstreckungsstands der sich aus dem BZR ergebenden zudem später begangenen. Taten und den deshalb ergangenen (an sich gesamtstrafenfähigen) Verurteilungen des Angeklagten wurde angesichts des damit verbundenen unverhältnismäßigen Aufwandes von einer Gesamtstrafenbildung vorläufig abgesehen. Die Kammer vermochte trotz erheblicher Bemühungen schon nicht alle betroffenen Verfahren beizuziehen.
VI. Kosten
StPO § 473