Inhalt

OLG Nürnberg, Beschluss v. 15.09.2025 – 7 Wx 1222/25
Titel:

Beibehaltung eines weiblichen Vornamens bei Änderung des Geschlechtseintrages hin zu divers

Normenketten:
GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1
SBGG § 2, § 3 Abs. 3 S. 1 , § 4, § 5
PStG § 22 Abs. 3, § 27 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 4, § 45b Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1, § 51 Abs. 1 S. 1
BGB § 130 Abs. 1 S. 1, Abs. 3
Leitsatz:
Bei einer Erklärung zur Änderung des Geschlechtseintrags gemäß § 2 Abs. 1 SBGG hin zu divers können für die hierfür nach § 2 Abs. 3 Satz 1 SBGG zugleich vorzunehmende Bestimmung der Vornamen, die die Person künftig führen will und die dem gewählten Geschlechtseintrag entsprechen müssen, männliche oder weibliche Vornamen gewählt werden. Eine Verringerung der Anzahl der Vornamen ist ebenso möglich wie die Beibehaltung eines bisherig geführten weiblichen oder männlichen Vornamens. (Rn. 34 – 45)
Schlagworte:
Geburtenregister, Geschlechtseintrag, Vornamenswahl, Änderung des Vornamens, Geschlechtsidentität, drittes Geschlecht, Geschlechtseintrag divers
Vorinstanz:
AG Nürnberg, Beschluss vom 04.06.2025 – III 8/25
Fundstellen:
FamRZ 2025, 1951
LSK 2025, 26452
BeckRS 2025, 26452

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Standesamts F… wird der Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 4. Juni 2025, Aktenzeichen III 8/25, aufgehoben und das Standesamt F. angewiesen, in das Geburtenregister Registernummer … eine Folgebeurkundung dahingehend aufzunehmen, dass
- anstelle des Geschlechts weiblich das Geschlecht divers eingetragen wird sowie
- der zweite Vorname B… gestrichen wird und der Eintrag Vorname(n) damit A… lautet.
II. Gerichtskosten werden für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
III. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
IV. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.
1
Gegenstand des Beschwerdevorbringens ist die Frage, ob die Erklärung der Änderung des Geschlechtseintrags im Personenstandsregister gemäß § 2 SBGG hin zu divers mit der Bestimmung der Wahl beziehungsweise Beibehaltung eines eindeutig weiblichen oder männlichen Vornamens rechtlich zulässig ist.
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1. Im Geburtenregister des Standesamts F… ist unter der Registernummer … in Bezug auf die betroffene Person das Folgende eingetragen:
Kind Geburtsname W…
Vorname(n) A… B…
Geschlecht weiblich
3
Am 27. Februar 2025 gab die in K… wohnhafte betroffene Person vor dem Standesamt K… folgende Erklärung zum Geschlechtseintrag und zu den Vornamen nach §§ 2,3, 4 und 5 SBGG, § 45b PStG ab:
„Ich erkläre, dass die Eintragung meines Geschlechts divers werden soll. Ich bestimme, künftig den Vornamen A… zu führen. Ich versichere, dass die Änderung meiner Geschlechtsidentität am besten entspricht und ich mir der Tragweite der durch die Erklärung bewirkten Folgen bewusst bin.“
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Eine beglaubigte Abschrift der beurkundeten Erklärung wurde durch das Standesamt K… an das Standesamt F… als dem registerführenden Standesamt übersandt.
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2. Das Standesamt F… legte den Vorgang mit Schreiben vom 26. März 2025 über die Standesamtsaufsicht der Stadt F… dem Amtsgericht Nürnberg als Zweifelsfall gemäß § 49 Abs. 2 Satz 2 PStG vor.
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Das Standesamt F… führte aus, die Erklärung zum Geschlechtseintrag und zum Vornamen gemäß SBGG, aufgenommen am 27. Februar 2025 vom Standesamt K…, könne vom registerführenden Standesamt F… in Teilen nicht wirksam entgegengenommen werden.
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Bei dem von der betroffenen Person alleinig gewählten Vornamen A… handele es sich zweifelsfrei um einen rein weiblichen Namen, der nicht als geschlechtsneutral beziehungsweise divers ausgelegt werden könne. Dies entspreche nicht der gesetzlichen Regelung. Auch nach entsprechenden Veröffentlichungen des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie aus den Beratungen zum Gesetzgebungsverfahren zum SBGG ergebe sich, dass der zuwählende Name zum gewählten Geschlechtseintrag – hier divers – passen solle.
8
Rechtsmissbräuchlich sei die Erklärung auch deshalb, da eine Veränderung der Anzahl der Vornamen der betroffenen Person mit der Erklärung zur Änderung des Geschlechts einhergehe. Grundsätzlich könne zwar bei einer Änderung des Vornamens im Zusammenhang mit dem SBGG auch die Anzahl der Vornamen verändert werden. Da vorliegend jedoch keine Änderung des Vornamens erfolgen solle, sondern die Beibehaltung von A… als erstem Vornamen unter Wegfall des zweiten Vornamens B… erklärt worden sei, bestünden Zweifel an der wirksamen Entgegennahme und Umsetzung im Rahmen der Folgebeurkundung.
9
Zu klären sei, ob der Grundsatz des Ordnungsziels der Vornamen im passenden Zusammenspiel zum erklärten Geschlecht höher anzusetzen sei als die Intention des SBGG, unkomplizierte Anpassungen an das gefühlte beziehungsweise gelebte Geschlecht und der freien, nicht zu stark reglementierten Namenswahl zuzulassen.
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Die Standesamtsaufsicht ist der Vorlage mit Erklärung vom 28. März 2025 beigetreten.
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Die betroffene Person hat zur Zweifelsvorlage des Standesamts keine Erklärung abgegeben.
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3. Das Amtsgericht Nürnberg hat mit Beschluss vom 4. Juni 2025 entschieden, dass es bei der aus der Zweifelsvorlage gemäß § 49 Abs. 2 Satz 2 PStG resultierenden Ablehnung einer Folgebeurkundung zur Änderung des Geschlechtseintrags und des Vornamens der betroffenen Person im Geburtenregister des Amtsgerichts F… unter der Registernummer … verbleibe.
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a) Die Zweifelsvorlage sei dahingehend auszulegen, dass sie sich nicht auf die Entgegennahme der Erklärung zum Geschlechtseintrag und zur Namensbestimmung beziehe, sondern auf die Änderung der Eintragung zum Geschlechtseintrag sowie des Vornamens im Wege einer Folgebeurkundung gemäß § 27 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 4 PStG. Denn die amtsempfangsbedürftige Erklärung nach § 2 SBGG als die Beurkundung im Geburtenregister vorbereitende Maßnahme nach § 45b Abs. 2 PStG sei durch die Entgegennahme der Erklärung durch das Wohnsitzstandesamt bereits abgeschlossen. Sie sei dem Standesamt F… als dem zuständigen Geburtsstandesamt zugeleitet und von diesem zur Kenntnis genommen worden.
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Vorliegend gehe es um die Frage, ob durch das Standesamt F… als das das Geburtenregister führende Standesamt eine Folgebeurkundung gemäß § 27 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 4 PStG im Geburtenregister vorzunehmen sei.
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b) In der Sache führt das Amtsgericht Nürnberg aus, die Bestimmung des Vornamens A… durch die betroffene Person sei unwirksam, da der Name entgegen der Vorgabe des § 2 Abs. 3 Satz 1 SBGG nicht dem gewählten Geschlechtseintrag divers entspreche. Da die getroffene Namenswahl unzulässig sei, fehle es an der notwendigen Voraussetzung für die Änderung des Geschlechtseintrags, gemäß § 2 Abs. 3 Satz1 SBGG mit der Erklärung zum Geschlechtseintrag zwingend die Vornamen (wirksam) zu bestimmen, die zukünftig geführt werden sollen. Da diese Voraussetzung für die Änderung des Geschlechtseintrags nicht gegeben sei, könne es dahinstehen, ob die betroffene Person unter Beibehaltung eines bereits eingetragenen Vornamens auf einen weiteren eingetragenen Vornamen verzichten könne.
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Zwar schütze Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG den Vornamen eines Menschen sowohl als Mittel zur seiner Identitätsfindung und Entwicklung der eigenen Individualität als auch als Ausdruck seiner erfahrenen oder gewonnenen geschlechtlichen Identität.
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Jedoch sei der Schutz des Namens nicht uneingeschränkt gewährleistet. Das Namensrecht bedürfe der Ausgestaltung, um der gesellschaftlichen Funktion gerecht zu werden, die der Name auch als Unterscheidungsmerkmal erfülle, nämlich das Geschlecht der namenstragenden Person zum Ausdruck zu bringen, um die Gefahr von Verwechslungen und sonstigen Unklarheiten, die zu Missverständnissen führen könnten, so gering wie möglich zu halten.
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Deshalb habe der Gesetzgeber mit der Einführung des § 2 Abs. 3 Satz 1 SBGG erstmals eine Regelung für die Bestimmung des Vornamens geschaffen, wonach bei Änderung des Geschlechtseintrags ein zu dem gewählten Geschlecht passender Vornahme zu bestimmen sei. Nur dann, wenn die bisherigen Vornamen dem gewählten Geschlechtseintrag entsprächen, könnten diese zum neuen Vornamen bestimmt werden.
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Mit dem vorliegend gewählten Geschlechtseintrag divers habe sich die betroffene Person für eine geschlechtliche Identität entschieden, die weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuzuordnen sei. Da die Regelung des § 2 Abs. 3 Satz 1 SBGG auch für den Geschlechtseintrag divers gelte, dürfe die betroffene Person deshalb gerade keinen eindeutig männlichen oder weiblichen Vornamen auswählen. Entweder müsse sie sich für einen bereits jetzt gebräuchlichen Vornamen, der von Personen männlichen und weiblichen Geschlechts in gleicher Weise verwendet werden kann und deshalb jedenfalls nicht streng binär ist, entscheiden. Das Amtsgericht schlägt Vornamen wie Eike, Toni, Kim oder Kai vor. Da es keine Bindung an einen Kanon herkömmlicher Vornamen gebe, habe die betroffene Person alternativ die Möglichkeit, einen der Fantasie entstammenden Vornamen zu wählen.
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Aufgrund der unzulässigen Wahl des eindeutig weiblichen Vornamens A… im Zusammenhang mit dem Geschlechtseintrag divers sei die Erklärung nach § 2 SBGG als nicht wirksam zu betrachten, da mit ihr ein anderer Geschlechtseintrag gewählt worden sei, ohne einen diesem entsprechenden Vornamen zu bestimmen. Somit seien nicht alle Voraussetzungen für eine wirksame Erklärung nach § 2 SBGG erfüllt und die geänderten Angaben vom Standesamt nach der Vorstellung des Gesetzgebers vom Verfahrensablauf nicht einzutragen.
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4. Gegen diesen am 5. Juni 2025 zugestellten Beschluss hat das Standesamt F… mit Schreiben vom 25. Juni 2025, eingegangen am selben Tag, Beschwerde eingelegt, der das Amtsgericht mit Beschluss vom 14. Juli 2025 nicht abgeholfen hat. Auf telefonische Nachfrage hat das Standesamt F… erklärt, dass sich auch die Standesamtsaufsicht der Beschwerde anschließe.
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Zur Begründung der Beschwerde wurde ausgeführt, die Meinung und Begründung des Amtsgerichts Nürnberg werde mitgetragen. Es werde jedoch um obergerichtliche Entscheidung gebeten, da es sich hier um einen Präzedenzfall im Rahmen der Anwendung des SBGG handele, welcher Strahlwirkung und weitreichende Bedeutung auch auf weitere Fälle der Standesämter habe.
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5. Die betroffene Person hat am 04. August.2025 im Beschwerdeverfahren eine Stellungnahme abgegeben. Zu den persönlichen Motiven für die Wahl ihres Namens gab sie an, sie identifiziere sich mit ihrem Rufnamen A… als Individuum. Er sei mit ihrer persönlichen Identität seit jeher verankert unabhängig von seiner gesellschaftlichen und allgemeinen geschlechtlichen Zuschreibung. Daher möchte sie diesen Namen weiterführen. Ihr zweiter Vorname B… hingegen löse ein deutliches Gefühl der Inkongruenz mit ihrer nicht binären Geschlechtsidentität aus. Sie empfinde seine Nennung oder Verwendung belastend, da er für sie mit einer Geschlechtsrolle verknüpft sei, die der ihren nicht entspreche.
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Durch die Entscheidungen des Standesamts und des Amtsgerichts Nürnberg fühle sie sich in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und ihrem Anspruch auf Gleichbehandlung gemäß Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Bei verfassungsgemäßer Anwendung des § 2 Abs. 3 Satz 1 SBGG sei die nicht binäre Identität von der Bindung an bestimmte Namen zu trennen. Der Gesetzgeber habe gerade kein gebundenes drittes Geschlecht schaffen wollen; typische nicht binäre Namen gebe es gerade nicht. Die Entscheidung, die Weiterführung ihres ersten Vornamens A… nicht zuzulassen, stelle einen unverhältnismäßigen und nicht angemessenen Eingriff in ihr Persönlichkeitsrecht dar.
II.
25
Das Rechtsmittel ist zulässig, §§ 58, 59 Abs. 3, 63 FamFG, §§ 51 Abs. 2, 53 Abs. 2 PStG.
26
In der Sache ist die erstinstanzliche Entscheidung aufzuheben und das Standesamt anzuweisen, gemäß § 27 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 4 PStG den Inhalt der durch die betroffene Person vor dem Standesamt K… gemäß § 2 SBGG abgegebenen Erklärung als Folgebeurkundung zum Geburteneintrag in das Geburtenregister Nummer … aufzunehmen.
27
1. Die betroffene Person hat am 27. Februar 2025 gegenüber dem Standesamt K… eine Erklärung zum Geschlechtseintrag und den Vornamen im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 SBGG dahingehend abgegeben, dass die Angabe zu ihrem Geschlecht in divers geändert werden soll und sie fortan den – alleinigen – Vornamen A… führen werde.
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a) Von der Einhaltung der Vorgabe einer vorherigen Anmeldung beim Standesamt gemäß § 4 SBGG ist auszugehen; diese wird auch nicht in Frage gestellt.
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b) Die Abgabe der Erklärung erfolgte entsprechend den Vorgaben des § 45b Abs. 1 Satz 1 PStG durch die betroffene Person persönlich vor dem Standesbeamten und wurde von diesem beurkundet. Dabei musste die Beurkundung nicht notwendig von dem für die Entgegennahme der Erklärung zuständigen Standesamt F… vorgenommen werden, sondern konnte durch das Standesamt an ihrem Wohnort beurkundet werden (insoweit für die seit 1. November 2024 neu gefasste Vorschrift weiter geltend: Gaaz/Bornhofen/Lammers, Handkommentar zum Personenstandsgesetz, 6. Auflage 2023, § 45b PStG Rn. 14 zur Vorschrift in der vorherigen Fassung).
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c) Durch das Wohnortstandesamt K… wurde dem für die Entgegennahme der Erklärung zuständigen das Geburtenregister führenden Standesamt F… eine beglaubigte Abschrift der Erklärung übersandt. Dieses hat die amtsempfangsbedürftige Willenserklärung gemäß § 45b Abs. 2 Satz 1 PStG entgegengenommen. Durch die Entgegennahme der amtsempfangsbedürftigen Willenserklärung durch das nach § 45b Abs. 2 PStG zuständige Standesamt F… ist die Änderung der Geschlechtszugehörigkeit erfolgt; sie wurde mit dem Zugang dort nach § 130 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 BGB wirksam (Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Ein Handbuch zum deutschen und internationalen Privatrecht, 5. Auflage 2025 V-958) und besitzt Gestaltungswirkung (a.a.O. V-960).
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2. Das Standesamt F… hat deshalb nunmehr gemäß § 27 Abs. 3 Nr. 4 PStG als Folgebeurkundung zum Geburtseintrag die Änderung des Geschlechtseintrages für die betroffene Person von weiblich zu divers aufzunehmen.
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Zwingend mit der Änderung der Geschlechtszugehörigkeit war und wurde auch eine Erklärung zum Vornamen durch die betroffene Person abgegeben. Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 SBGG sind die Vornamen zu bestimmen, die die Person zukünftig führen will und die dem gewählten Geschlechtseintrag entsprechen.
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Gemäß § 27 Abs. 3 Nr. 1 PStG hat das Standesamt F… als sonstige Änderung des Personenstandes als Folgebeurkundung zum Geburtseintrag die Streichung des zweiten Vornamens B… unter Beibehaltung des ersten Vornamens A… als Bestimmung des Vornamens nach § 2 Abs. 3 Satz 1 SBGG aufzunehmen. Die entsprechende Erklärung der betroffenen Person vor dem Standesamt ist wirksam erfolgt.
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a) Der von der betroffenen Person gewählte Vorname A… ist einzutragen. Eine Geschlechtsoffenkundigkeit des Namens ist nicht erforderlich, sodass Personen mit diversem oder offenem Geschlechtseintrag auch männliche oder weibliche Vornamen – wie hier A… – bestimmen können (a.a.O. V-967).
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aa) Zwar liegt nach der Formulierung des § 2 Abs. 3 Satz 1 SBGG, mit der Erklärung zur Änderung des Geschlechtseintrags seien die Vornamen zu bestimmen, die die Person zukünftig führen wolle und die dem gewählten Geschlechtseintrag entsprächen, die vom Amtsgericht Nürnberg ausgeführte Überlegung nahe, im Falle der Änderung des Geschlechtseintrags hin zu divers müsse ein Name gewählt werden, der sowohl dem weiblichen als auch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden könne.
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bb) Nach Duden, StAZ 2024, 257, 260 sei diese Einschränkung jedoch verfehlt. Es überzeuge nicht, dass gerade im Kontext des SBGG, das im Hinblick auf den Geschlechtseintrag die Selbstwahrnehmung in den Vordergrund rücke, sich die betroffenen Personen bei der Wahl des Vornamens nach dem Geschlechtsverständnis nach mehrheitlichem Sprachgebrauch richten müssten.
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Dem ist zuzustimmen. Das SBGG definiert sein Ziel in § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 selbst. Danach soll die personenstandsrechtliche Geschlechtszuordnung und die Vornamenswahl von der Einschätzung dritter Personen gelöst und die Selbstbestimmung der betroffenen Person gestärkt werden sowie das Recht jeder Person auf Achtung und respektvolle Behandlung in Bezug auf die Geschlechtsidentität verwirklicht werden können. Es passt zu diesem Ziel und zu dem freiheitlichen Geist dieses Gesetzes nicht, durch eine restriktiv ausgelegte Vornamenswahl neue Hürden für die Beteiligten aufzubauen (Zimmermann, Fachausschuss Nummer 4319 des Bundesverbandes der Deutschen Standesbeamten und Staatsbeamtinnen, StAZ 2025, 159, 160).
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cc) Das Bundesministerium des Inneren und für Heimat (BMI) führt hierzu in einem Rundschreiben an alle Länder zur Vornamenswahl bei Wechsel des Geschlechts vom 24. September 2024 (VII1.20103/26#18) Folgendes aus:
„I. Wer den Geschlechtseintrag „männlich“ wählt, kann sich männlicher Vornamen oder Vornamen, die beiden Geschlechtern zugeordnet werden können, bedienen (…).
II. Wer den Geschlechtseintrag „weiblich“ wählt, kann sich weiblicher Vornamen oder solcher, die beiden Geschlechtern zugeordnet werden können, bedienen (…).
III. Wer den Geschlechtseintrag „divers“ wählt oder den Geschlechtseintrag streichen lässt, hat die freie Auswahl. Männliche, weibliche und beiden Geschlechtern zuordenbare Vornamen sowie jede beliebige Kombination ist hier möglich.
IV. Die Wahl eindeutig männlicher Vornamen zum Geschlechtseintrag „weiblich“ und eindeutig weiblicher Vornamen zum Geschlechtseintrag „männlich“ ist nicht möglich.“
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Dieser mit den für das SBGG federführenden Bundesministerien für Justiz (BMJ) und für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) abgestimmten Sichtweise schließt sich der Fachausschuss grundsätzlich an und argumentiert vereinfacht, der gewählte Vorname dürfe dem gewählten Geschlecht nicht widersprechen (StAZ 2025, 159, 161). Damit sei der gesetzlichen Vorgabe aus § 2 Abs. 3 SBGG, wonach Vornamen zu bestimmen sind, die dem gewählten Geschlechtseintrag entsprechen, genüge getan.
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dd) Dieser Einschätzung ist nach Auffassung des Senats uneingeschränkt zu folgen. Einer anderweitigen Auslegung der Vorschrift des § 2 Abs. 3 Satz 1 SBGG wäre auch entgegenzusetzen, dass für die Wahl des Geschlechts nach § 2 SBGG gemäß § 22 Abs. 3 PStG nicht nur die drei Möglichkeiten weiblich, männlich und divers zur Verfügung stehen, sondern der Geschlechtseintrag auch komplett gestrichen werden kann. Auch für diesen Fall verbleibt es bei der Notwendigkeit der Wahl eines Vornamens nach § 2 Abs. 3 Satz 1 SBGG, wofür der betroffenen Person denknotwendig aufgrund fehlenden Geschlechtseintrags keinerlei Vorgaben gemacht werden können, also weibliche, männliche oder der Fantasie entstammende Vornamen gewählt werden können. Da kein Geschlecht eingetragen wird, gibt es keinen Namen, der dem Geschlechtseintrag widersprechen könnte.
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Nur unter der Maßgabe, dass der gewählte Vorname dem gewählten Geschlecht nicht widersprechen darf, kann die gesetzlich zugelassene Möglichkeit, das Geschlecht zu streichen und die damit einhergehende Notwendigkeit, einen Vornamen zu bestimmen, sinnvoll umgesetzt werden. Sonst könnte einer Person ohne Geschlechtseintrag überhaupt kein Vorname zugeordnet werden.
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b) Der bislang zweite Vorname der betroffenen Person B… ist zu streichen; der einzig eingetragene Vorname lautet A… Denn die Zahl der Vornamen kann durch die Erklärung verändert werden (Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Ein Handbuch zum deutschen und internationalen Privatrecht, 5. Auflage 2025 V-967).
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Eine gesetzliche Vorgabe zur notwendigen oder möglichen Anzahl der Vornamen, die im Rahmen des § 2 Abs. 3 SBGG gewählt werden können, gibt es nicht; auch führt die Gesetzesbegründung hierzu lediglich aus, dass für die Vornamensbestimmung dieselben Regeln gelten wie für die Vornamensbestimmung bei Geburt. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Januar 2004 (StAZ 2004,109) und des OLG Düsseldorf vom 03. April 1998 (StAZ 1998, 343) gilt lediglich eine Höchstgrenze von maximal fünf Vornamen; es liegt nahe, diese Grenze auch für die Erklärung nach § 2 Abs. 3 SBGG zu ziehen.
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In einem Rundschreiben des Bundesministeriums des Inneren und für Heimat (BMI) vom 18. Juli 2024 (VII1.20103/26#18) wurde zunächst ausgeführt, dass § 2 Abs. 3 SBGG keine gesetzliche Grundlage für die Änderung der Anzahl der Vornamen biete. In Abstimmung mit den Ressorts des BMJ und des BMFSFJ wurde diese Auffassung in einem weiteren Rundschreiben vom 14. August 2024 dahingehend revidiert, dass die Anzahl der Vornamen im Zuge der Erklärung nach § 2 SBGG verändert werden könne und bis zur Grenze von fünf frei wählbar sei (so auch Bornhofen, StAZ 2024, 325, 327 und zuletzt Duden, StAZ 2025, 37). Dieser Auffassung schließt sich auch der Fachausschuss an (StAZ 2025, 159, 160); der Senat folgt dem uneingeschränkt.
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Eine andere Einschätzung ergibt sich auch nicht aus der Tatsache, dass der Vorname A… durch die betroffene Person nicht neu gewählt wurde, sondern es sich hierbei um ihren bereits eingetragenen, bislang ersten Vornamen handelt. Es ist nicht ersichtlich, warum eine Notwendigkeit bestehen sollte, mit Änderung des Geschlechtseintrags einen gänzlich neuen Vornamen wählen zu müssen. Im Gegenteil widerspräche dies gerade dem Ziel des SBGG, die Selbstbestimmung der betroffenen Personen zu stärken und ihnen in Bezug auf die Geschlechtsidentität Achtung und respektvolle Behandlung angedeihen zu lassen.
III.
46
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da Standesämter und Aufsichtsbehörden von Gerichtskosten befreit sind nach § 51 Abs. 1 Satz 1 PStG.
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Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf § 70 Abs. 2 Nr. 2 FamFG. Die Frage, ob der Geschlechtseintrag divers mit der Wahl beziehungsweise Beibehaltung eines eindeutig weiblichen oder männlichen Vornamens einhergehen darf, ist noch nicht höchstrichterlich geklärt.