Inhalt

AG Ingolstadt, Beschluss v. 03.02.2025 – 006 F 1992/24
Titel:

Kindesmutter, Begleiteter Umgang, Regelung des Umgangsrechts, Umgangspflegschaft, Jugendamt, Kindesvater, Einstweilige Anordnung, Verfahrenswert, Elektronisches Dokument, Aufgabe zur Post, Schweigepflichtsentbindung, Aufenthaltsbestimmungsrecht, Elektronischer Rechtsverkehr, Umgangsregelung, Beschwerdeverfahren, Beschwerdeführer, Beschwerdefrist, Beschwerdeschrift, Beschwerde gegen, Wert des Beschwerdegegenstandes

Schlagworte:
Umgangsrecht, Kindeswohl, Elternkonflikt, Umgangsbegleitung, Verfahrensbeistand, Schweigepflichtsentbindung, Umgangspflegschaft
Vorinstanzen:
OLG München, Beschluss vom 28.06.2023 – 12 UF 261/23 e
AG Ingolstadt, Endbeschluss vom 09.03.2023 – 006 F 327/22
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Beschluss vom 14.03.2025 – 26 UF 167/25 e
OLG München, Beschluss vom 02.04.2025 – 26 UF 167/25 e
OLG München, Beschluss vom 04.04.2025 – 26 UF 167/25 e
BVerfG Karlsruhe, Beschluss vom 28.08.2025 – 1 BvR 810/25
Fundstelle:
BeckRS 2025, 26415

Tenor

1. Der Antrag der Antragstellerin auf Umgang mit ihrem Sohn K. F., geboren am …2017, ist derzeit abzuweisen.
2. Der Verfahrenswert wird auf 4.000,00 € festgesetzt.
3. Von der Erhebung der Gerichtskosten des Verfahrens wird abgesehen. Die außergerichtlichen Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.
1
Die Kindsmutter möchte in Abänderung eines Beschlusses des Oberlandesgerichts sowie des Beschlusses des Amtsgerichts Ingolstadt wegen einstweiliger Anordnung Umgang vom 03.05.2024, Az. 6 F 1007/22, zunächst begleiteten, dann unbegleiteten Umgang mit ihrem Sohn.
2
Die Kindsmutter Frau S. K. und der Kindsvater Herr O. S. sind die nicht miteinander verheirateten Eltern des am …2017 geborenen Kindes K. F. K.. Sie leben dauerhaft getrennt. Die Kindsmutter lebt und arbeitet in M.. Das Kind K. F. hatte nach seiner Geburt zunächst seinen Aufenthalt bei der Kindsmutter. Der Kindsvater lebt mit seiner Lebensgefährtin und dem Sohn aus dieser neuen Beziehung in I. .
3
Am 19.03.2021 zeigte das Jugendamt München eine Gefährdung des Kindes an, da das Kind im Kindergarten starke Auffälligkeiten zeigte, nahm K. F. in Obhut und gab ihn letztendlich in die Obhut seines Vaters. Das Jugendamt regte am 19.03.2021 beim Amtsgericht München an, nach § 1666 BGB i.V.m. § 8 SGB VIII das Aufenthaltbestimmungsrecht für K. auf den Kindsvater zu übertragen. Das Amtsgericht München übertrug mit Beschluss vom 22.04.2021, Az.: 534 F 2692/21, im Wege der einstweiligen Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht und die Personensorge für das gemeinsame minderjährige Kind K. F. K., geboren am …2017, dem Kindsvater und wies den Antrag der Kindsmutter auf Herausgabe des Kindes zurück.
4
Das Hauptsacheverfahren wegen elterlicher Sorge vor dem Amtsgericht Ingolstadt, Az. 6 F 1266/21, endete damit, dass die elterliche Sorge für das gemeinsame minderjährige Kind K. F. K., geboren am …2017, mit Beschluss vom 30.03.2023 auf den Kindsvater übertragen wurde. Die Beschwerde der Kindsmutter dagegen wurde durch das Oberlandesgericht München mit Beschluss vom 28.06.2023 zurückgewiesen.
5
Unter dem Az. 6 F 327/22 führte die Kindsmutter vor dem Amtsgericht Ingolstadt ein Hauptsacheverfahren wegen Umgangs. Im Beschwerdeverfahren entschied das Oberlandesgericht München mit Beschluss vom 28.06.2023, dass der Umgang der Antragstellerin mit ihrem Sohn K. F., geboren am …2017, derzeit abzuweisen sei.
6
Im Verfahren mit dem Az. 6 F 1007/22 wegen Umgang einstweilige Anordnung entschied das Amtsgericht Ingolstadt zuletzt am 03.05.2024 mit Beschluss, dass der Antrag der Kindsmutter auf Umgang derzeit abzuweisen sei. In der Folge regte die Kindsmutter mehrfach an, diese Entscheidung von Amts wegen abzuändern, und legte mit Schriftsatz vom 18.09.2024 Beschwerde ein gegen die Entscheidung des Amtsgerichts Ingolstadt vom 17.09.2024, kein neues Verfahren einzuleiten. Mit Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 27.11.2024 wurde diese Entscheidung des Amtsgerichts aufgehoben, da nach den Angaben der Kindsmutter unter anderem das Jugendamt nunmehr mitgeteilt habe, die Kindsmutter müsse weder die Datenschutzerklärung des Jugendamtes unterzeichnen noch ihren Widerspruch gegen die Datenschutzerklärung zurücknehmen, und unter diesen Umständen nunmehr möglicherweise ein begleiteter Umgang in Betracht komme.
7
Mit Schreiben vom 11.12.2024 regte die Kindsmutter im hier zu entscheidenden Verfahren die Abänderung der bisherigen Umgangsentscheidung von Amts wegen an. Sie möchte die Herstellung eines „vollumfänglichen Umgangs wie Stand März 2021“.
8
Mit Beschluss vom 13.12.2024 wurde für das Kind Frau Rechtsanwältin Ihm als Verfahrensbeiständin bestellt.
9
Die Kindsmutter trägt im Wesentlichen vor, dass sie für zwei bis drei Termine zu einem begleiteten Umgang durch das Jugendamt bereit sei. Danach sei der Umgang unbegleitet zu gewähren und auf Tage, Wochenenden und hälftige Ferien auszudehnen. Der Vater verweigere den begleiteten Umgang und insbesondere die Unterzeichnung der Datenschutzerklärung des Jugendamtes. Der Vater habe kein Recht, etwas über die Daten der Mutter und ihr Verhalten während des Umgangs zu erfahren; auch ein Umgangsbegleiter dürfe hierzu nicht befragt werden und das Jugendamt dürfe solche Daten, die ihr gehörten, auch nicht an den Kindsvater weiterreichen. Ein Umgangspfleger müsse für die Durchführung der begleiteten Umgänge installiert werden. Der Kindsvater sei psychisch krank. Sie sei nach wie vor zu keiner Schweigepflichtsentbindung gegenüber dem Jugendamt für Mitteilungen an das Gericht bereit; das Jugendamt könne Kindeswohlgefährdungen bereits kraft Gesetzes an das Gericht melden, dafür brauche es keine Schweigepflichtsentbindung. Gemeinsame Gespräche zwischen dem Umgangsbegleiter und beiden Eltern hätten in München auch nicht stattgefunden, das lehne sie ab.
10
Der Kindsvater trägt im Wesentlichen vor, dass er große Bedenken hinsichtlich der Durchführung eines begleiteten Umgangs habe und ob dieser dem Kindeswohl diene; jedenfalls halte er zwei bis drei Termine für viel zu wenig. Es gäbe keinen Konsens und keine Transparenz mit der Kindesmutter, eine Zusammenarbeit und Kommunikation mit ihr sei nicht möglich. Sie fokussiere sich nicht auf das Kind, sondern wolle K. in ihre Konflikte involvieren. Voraussetzung für einen begleiteten Umgang sei für ihn aber der transparente Austausch darüber, solange dieser nicht vorliege, verweigere er den Umgang insgesamt.
11
Am 23.02.2025 fand ein Erörterungstermin statt. Insoweit wird auf den Sitzungsvermerk Bezug genommen. Die Verfahrensbeiständin und Frau L. vom Jugendamt I. gaben im Termin eine Stellungnahme ab. Die Eltern wurden angehört.
12
Eine Kindesanhörung zum Umgang wurde bereits im Verfahren Az. 6 F 1007/22 am 02.04.2024 durchgeführt.
13
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten und auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.
II.
14
Auch derzeit kann ein Umgang der Kindsmutter mit ihrem Sohn K. F. noch nicht geregelt werden.
15
1.) Gemäß § 1684 Abs. 1 BGB hat ein Kind das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil. Jeder Elternteil ist zum Umgang mit dem Kind berechtigt und verpflichtet. Das Familiengericht kann über den Umfang des Umgangsrechts entscheiden und seine Ausübung näher regeln (§ 1684 Abs. 3 S. 1 BGB):
16
Das Familiengericht kann das Umgangsrecht einschränken oder ausschließen, soweit dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist. Eine Entscheidung, die das Umgangsrecht für längere Zeit einschränkt oder ausschließt, kann allerdings nur ergehen, wenn andernfalls das Wohl des Kindes gefährdet wäre. Dabei kann das Familiengericht insbesondere anordnen, dass der Umgang nur stattfinden darf, wenn ein mitwirkungsbereiter Dritter anwesend ist.
17
Bei einem Streit über die Ausübung des Umgangsrechts sind von den Gerichten sowohl die Grundrechtspositionen der Eltern als auch das Wohl des Kindes und dessen Individualität als Grundrechtsträger zu berücksichtigen.
18
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG vom 29.11.2007, Az.: 1 BvR 1635/07) ist eine Einschränkung des Umgangsrechts nur veranlasst, wenn nach den Umständen des Einzelfalls der Schutz des Kindes dies erfordert, um eine Gefährdung seiner seelischen oder körperlichen Entwicklung abzuwehren. Im Verfahren wegen Regelung des Umgangsrechts ist somit die Feststellung zu treffen, ob der Schutz des Kindes eine Umgangsbegleitung erfordert.
19
2.) Vor diesem Hintergrund kann auch derzeit ein Umgangsrecht der Kindsmutter mit ihrem Sohn K. F. noch nicht geregelt werden, sodass eine Abänderung der bisherigen Umgangsentscheidung auch aufgrund der aktuellen Umstände noch nicht in Betracht kommt.
20
K. hat seit mehr als 3 Jahren keinen Kontakt mehr zu seiner Mutter. Er zog im Alter von 4 Jahren nach … zu seinem Vater und hat seitdem seine Mutter weder gesehen noch gesprochen, auch wenn er sich dies – wie er in der Kindesanhörung angab – wünscht.
21
Vor diesem Hintergrund und insbesondere der langen Zeitspanne, die seit dem letzten Kontakt zwischen beiden vergangen ist, kann es aber derzeit nicht beurteilt werden, wie ein Umgang zwischen Mutter und Kind verlaufen würde. Jedenfalls die Verweigerungen der Kindsmutter, mit dem Kindsvater zu kommunizieren, was sie im Termin vom 23.01.2025 nochmals nachdrücklich betonte, indem sie das vom Kindsvater angebotene Gespräche verweigerte, lassen jedoch befürchten, dass eine Übergabe und die Durchführung des Umgangs unruhig verlaufen würde.
22
Demzufolge muss im Rahmen des Umgangs zwingend gewährleistet werden, dass K. nicht durch den massiven, bestehenden Elternkonflikt belastet wird.
23
Wie bereits im Beschluss vom 03.05.2024 im Verfahren 6 F 1007/22 ausgeführt, kommt aufgrund der inzwischen erheblichen Zeit der Trennung von Mutter und Sohn, dem damit verbundenen Verlust an Vertrautheit und Bindung sowie des fortbestehenden Elternkonflikts ein Umgang K. mit seiner Mutter zunächst nur unter fachlicher Begleitung in Betracht. Mutter und Sohn müssen auf den Umgang getrennt vorbereitet werden, um nach langer Zeit des ausbleibenden Kontakts insbesondere eine absehbar erhebliche Irritation des Kindes durch eine erste Begegnung und sodann wiederholte Umgänge zu vermeiden. Umgänge sollten daher zunächst für einen Zeitraum vom mehreren Monaten in einem geschützten Rahmen sowie unter fachlicher Begleitung stattfinden, was auch der klassischen Vorgehensweise der Umgangsanbahnung in zahlreichen Umgangsverfahren entspricht, in denen es einen längeren Kontaktabbruch zu einem umgangsberechtigten Elternteil gab.
24
Frau L. vom Jugendamt I. führte im Termin vom 23.01.2025 aus, dass das Jugendamt hier durchaus bereit sei, einen begleiteten Umgang anzubieten. Es handele sich bei einem begleiteten Umgang aber um eine freiwillige Maßnahme, die nur mit Einverständnis und Mitwirkung beider Elternteile stattfinden könne. Zwar hätte die Mutter hier alle erforderlichen Erklärungen und Zustimmungen geleistet, der Kindsvater jedoch hätte die Unterlagen des Jugendamtes nicht ausgefüllt. Vor diesem Hintergrund sei ein begleiteter Umgang nicht durchführbar, auch ein gerichtlicher Beschluss ändere an der Durchführbarkeit nichts. Insbesondere seien im Rahmen des begleiteten Umgangs auch gemeinsame Gespräche der Eltern mit dem Umgangsbegleiter und dem Jugendamt erforderlich, um für die Zukunft eine Basis und Perspektive zu erarbeiten, dass Umgänge irgendwann unbegleitet stattfinden können.
25
Ausgehend davon scheitert die Anordnung eines begleiteten Umgangs nach Ansicht des Gerichts an mehreren Faktoren: zwar verweigert der Kindsvater derzeit seine erforderliche Mitwirkung an einem begleiteten Umgang, allerdings allein aus dem Grund, weil ihm seitens der Kindsmutter eine transparente Kommunikation fehlt. Diese verweigert insbesondere – wie sie auch selbst angibt –, dass in gemeinsamen Gesprächen der Eltern mit dem Umgangsbegleiter auch über ihr eigenes Verhalten während der Umgänge gesprochen wird. Nach den Ausführungen von Frau L. sind aber gerade solche Gespräche essentiell für eine Erarbeitung einer Zukunftsperspektive. Der Kindsvater sprach die Kindsmutter im Termin vom 23.01.2025 auch mehrfach direkt an, ob sie zu einem Gespräch mit ihm bereit sei – auch unter Einschaltung eines Gesprächsmoderators ihrer Wahl –, was diese jedoch ausdrücklich ablehnte.
26
Weiter gab die Kindsmutter an, dass sie allenfalls zu begleiteten Umgängen von zwei bis drei Mal bereit wäre, danach hätte der Umgang unbegleitet stattzufinden. Diese Anzahl ist nach Ansicht des Gerichts aber deutlich zu wenig, um angesichts der langen Dauer des fehlenden Kontakts zwischen Mutter und Sohn eine ausreichende Umgangsanbahnung durchzuführen und zu gewährleisten, dass K. sich gut an diese Situation gewöhnt und seine Belange und Bedürfnisse ausreichend geschützt werden.
27
Die Kindsmutter erklärte außerdem im Erörterungstermin, dass sie das Jugendamt insofern nicht von der Schweigepflicht entbinde, dass dieses nicht befugt sei, Mitteilungen über den Verlauf des Umgangs an das Amtsgericht zu machen; bei Vorliegen einer Kindeswohlgefährdung sei das Jugendamt von Gesetzes wegen zur Mitteilung berechtigt, es bedürfe daher keiner Schweigepflichtsentbindung. Das Gericht sieht das insofern als problematisch an, dass das Jugendamt bei dieser Ausgangslage in einem möglichen Umgangsabänderungsverfahren – beispielsweise beantragt durch den Kindsvater – keine Möglichkeit hätte, dem Gericht gegenüber Bericht zu erstatten über den Verlauf der begleiteten Umgänge, sofern dies unterhalb der Schwelle der Kindeswohlgefährdung liegt.
28
Unter diesen Umständen ist daher nach Ansicht des Gerichts nach wie vor keine fachliche Begleitung und Vorbereitung des Umgangs möglich, die insbesondere das Kindeswohl von K. ausreichend gewährleistet, und eine konkrete Umgangsregelung daher derzeit nicht zu treffen.
29
Auch eine Umgangspflegschaft kann über diese Defizite nicht hinweghelfen: grundsätzlich hat die Umgangspflegschaft eine andere Zielrichtung als die Umgangsbegleitung (vgl. BGH vom 31.10.2018, FamRZ 2019, 435); sie umfasst gemäß § 1684 Abs. 3 S. 4 BGB das Recht, die Herausgabe des Kindes zur Durchführung des Umgangs zu verlanden und für die Dauer des Umgangs dessen Aufenthalt zu bestimmen; es ist bereits strittig, ob ein Umgangspfleger auch zur Umgangsbegleitung bestellt werden kann. Doch unabhängig davon hilft dies nicht darüber hinweg, dass hier seitens der Kindsmutter nur ein begleiteter Umgang für maximal drei Termine befürwortet wird – was, wie bereits ausgeführt, nach Überzeugung des Gerichts im vorliegenden Fall als deutlich zu kurz anzusehen ist. Auch im Hinblick auf die oben ausgeführten, notwendigen gemeinsamen Elterngespräche, die eine transparente Kommunikation beinhalten sollten im Hinblick auf die Erarbeitung einer Zukunftsperspektive, vermag die Anordnung einer Umgangspflegschaft dieses Hindernis nicht zu entkräften. Die mögliche Anordnung einer Umgangspflegschaft führt daher zu keinem anderen Ergebnis als dem Dargestellten.
III.
30
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG.
31
Die Festsetzung des Verfahrenswertes beruht auf § 45 FamGKG.