Titel:
Vorabentscheidungsverfahren keine Frage des gesetzlichen Richters
Normenketten:
FamFG § 44 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
GG Art. 103 Abs. 1
AEUV Art. 267
EGGVG § 27
Leitsätze:
1. Das rechtliche Gehör im übereinstimmend von Art. 103 Abs. 1 GG und dem FamFG gewährleisteten Rahmen verlangt, dass den Beteiligten Gelegenheit gegeben wird, sich zu sämtlichen entscheidungserheblichen (Sach- und Rechts-)Fragen zu äußern. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter besteht nicht bei der Frage, ob eine Vorlagepflicht nach Art. 267 AEUV besteht oder nicht, weil es nur dem erkennenden Gericht obliegt, über die Vorlage zu entscheiden. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
3. Es besteht keine Pflicht für die Gerichte, der von einem Beteiligten vertretenen Rechtsansicht zu folgen. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Gehörsrüge ist zur Sicherung der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung lediglich auf Gehörsverstöße, und nur auf solche Aspekte, die in dem Verfahren bis zu dem Erlass des Beschlusses, hins. dessen ein Gehörsverstoß behauptet wird, vorgetragen wurden, beschränkt. (Rn. 18 – 19) (redaktioneller Leitsatz)
5. Steht fest, dass auch bei ordnungsgemäßer Gewährung des rechtlichen Gehörs keine dem Rügeführer günstigere Entscheidung zu treffen gewesen wäre, beruht die angegriffene Entscheidung nicht auf einem Gehörsverstoß. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Anhörungsrüge, begleiteter Umgang, Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter, Vorlagefrage, rechtliches Gehör
Vorinstanzen:
OLG München, Beschluss vom 14.03.2025 – 26 UF 167/25 e
AG Ingolstadt, Beschluss vom 03.02.2025 – 006 F 1992/24
VerfGH München, Entscheidung vom 15.11.2023 – Vf. 28-VI-23
OLG München, Beschluss vom 28.06.2023 – 12 UF 261/23 e
AG Ingolstadt, Endbeschluss vom 09.03.2023 – 006 F 327/22
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Beschluss vom 04.04.2025 – 26 UF 167/25 e
BVerfG, Beschluss vom 28.08.2025 – 1 BvR 810/25
Fundstelle:
BeckRS 2025, 26413
Tenor
Die Anhörungsrüge der Antragstellerin vom 18.03.2025 gegen den Beschluss des Senats vom 14.03.2025 wird zurückgewiesen.
Gründe
1
Hinsichtlich der Sachverhaltsdarstellung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf Ziffer I. des angefochtenen Senatsbeschlusses Bezug genommen.
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Ergänzend wird ausgeführt:
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Die Antragstellerin erhob mit Schriftsatz vom 18.03.2025 Anhörungsrüge gegen den Beschluss des Senats vom 14.03.2025, der Antragstellerin am 18.03.2025 zugestellt, mit der sie eine Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend macht. Im Hinblick auf das diesbezügliche Vorbringen wird auf den Schriftsatz vom 18.03.2025 und die weiteren Schriftsätze der Antragstellerin Bezug genommen.
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Die Anhörungsrüge ist gemäß § 44 Abs. 1 FamFG statthaft und innerhalb der Frist des § 44 Abs. 2 FamFG erhoben worden. Sie ist jedoch nicht begründet.
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1. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FamFG kann alleine eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) geltend gemacht werden. Die Anhörungsrüge räumt dem Gericht keine umfassende Abhilfemöglichkeit ein, sondern dient allein dazu, Verstöße gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör zu beheben (BVerfG NJW 2009, 3710 und BGH FamRZ 2016, 1077).
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Das rechtliche Gehör im übereinstimmend von Art. 103 Abs. 1 GG und dem FamFG gewährleisteten Rahmen verlangt, dass den Beteiligten Gelegenheit gegeben wird, sich zu sämtlichen entscheidungserheblichen (Sach- und Rechts-)Fragen zu äußern. Das Gericht ist allgemein verpflichtet, die Anträge und das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen, in Erwägung zu ziehen und in gewissen Grenzen auch in seinen Entscheidungsgründen ausdrücklich zu verarbeiten (vgl. Zöller/G.Vollkommer/Geimer, 2024, Einleitung Rn. 18).
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Es besteht aber keine Pflicht für die Gerichte, der von einem Beteiligten vertretenen Rechtsansicht zu folgen. Zu einer Abänderung der Entscheidung im Rahmen der Anhörungsrüge kann es zudem auch nur kommen, wenn die angegriffene Entscheidung auf dem Gehörsverstoß beruht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.03.2023, 2 BvR 808/21 juris Rn. 19).
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2. Eine verfahrenserhebliche Verletzung rechtlichen Gehörs durch den Senat liegt nicht vor.
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a) Die Rüge der Mutter, der Senat habe bei seiner Entscheidung vom 14.03.2025, ihrer ihre Beschwerdebegründung vom 19.02.2025 nicht berücksichtigt, ist zutreffend. Die Antragstellerin hat auf den Seiten 2 ff des Schriftsatzes vom 19.02.2025, Ausführungen gemacht, die mit „endgültige Beschwerdebegründung“ tituliert sind. Diese hat der Senat nicht als Beschwerdebegründung berücksichtigt.
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b) Die angegriffene Entscheidung beruht jedoch nicht auf dem Gehörsverstoß.
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aa) Die einstweilige Anregung von Umgangskontakten hat der Senat in seiner Beschwerdeentscheidung vom 14.03.2025 verbeschieden.
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bb) Soweit die Antragstellerin einen Antrag nach § 27 EGGVG stellt, ist dieser nicht in dem Beschwerdeverfahren, das ausschließlich den amtsgerichtlichen durch Beschwerde angegriffenen Beschluss vom 23.01.2025 zum Verfahrensgegenstand hat, zu verbescheiden.
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cc) Die von der Antragstellerin behauptete Verletzung des gesetzlichen Richters, da eine Vorlagefrage nicht dem EuGH vorgelegt worden sei, legt bereits schon keinen Gehörsverstoß dar. Die Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter besteht bereits deshalb nicht, da es dem erkennenden Gericht und nicht der Antragstellerin obliegt, zu entscheiden, ob eine Vorlagepflicht nach Art. 267 AEUV besteht. Eine Pflicht dazu besteht wiederum schon deshalb nicht, da die Antragstellerin eine Vorlage zu der Frage, ob in dem abgeschlossenen Verfahren des 12. Senats eine Schweigepflichtsentbindung erzwungen worden sei, begehrt (Schriftsatz der Antragstellerin vom 20.03.2025) und sich damit nicht auf das gegenständliche Verfahren bezieht.
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dd) Es handelt sich nicht um eine Überraschungsentscheidung. Die Entscheidung des Senats bestätigt lediglich die Einschätzung des amtsgerichtlichen Beschlusses, gegen den die Antragstellerin Beschwerde eingelegt hat. Das rechtliche Gehör ist nicht dadurch verkürzt, dass aus Sicht der Antragstellerin der amtsgerichtliche Beschluss überraschend gewesen sei. Die Entscheidung des Amtsgerichts stützte sich auf das Ergebnis der mündlichen Erörterung am 23.01.2025. Weder der amtsgerichtliche Beschluss noch die Beschwerdeentscheidung stellen in Frage, dass abhängig von dem Verlauf der Umgangskontakte auch eine Beendigung der Umgangsbegleitung vor dem Ablauf von 6 Monaten in Betracht kommt. Sie ist nur in der für eine streitige Entscheidung nötigen Prognose nicht wahrscheinlich.
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ee) Ein Verstoß gegen die DSGVO durch den angegriffenen Beschluss, der sich auf den Inhalt des Beschlusses auswirkt, ist nicht ersichtlich. Allenfalls begründet die Darlegung der Antragstellerin bezogen auf die von ihr erteilte datenschutzrechtliche Einwilligung, eine Einwilligung sei nur wirksam, wenn sie freiwillig, das heißt ohne Druck oder Zwang abgegeben werden könne, zusätzlich die Befürchtung, die Antragstellerin fühle sich nicht an die von ihr erteilte Einwilligung gebunden. Damit bestünde ein weiterer Grund, weshalb der Umgang derzeit nicht zu regeln ist. Einen entscheidungserheblichen Verstoß gegen das rechtliche Gehör durch den Beschluss des Senats vom 14.03.2025 zeigt die Antragstellerin mit ihrer diesbezüglichen Rüge nicht auf.
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ff) Soweit die Antragstellerin die Motive des Vaters zur Verweigerung eines begleiteten Umgangs in der von der Antragstellerin gewünschten Art und Weise hinterfragt, weist der Beschluss des Senats weiterhin zutreffend darauf hin, dass diese für die verfahrensgegenständliche Entscheidung keine Rolle spielen.
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gg) Soweit die Antragstellerin die Notwendigkeit begleiteter Umgänge in Frage stellt, setzt sie ihre Rechtsansicht an die Stelle des Senats. Mit den Erwägungen zur Notwendigkeit begleiteter Umgänge setzt sich der Beschluss des Senats ausführlich auseinander. Es besteht aber keine Pflicht für die Gerichte, der von einem Beteiligten vertretenen Rechtsansicht zu folgen.
18
hh) Soweit der Vortrag der Antragstellerin, es sei eine Falschbehauptung, die Antragstellerin würde nur drei begleitete Umgänge wahrnehmen und ihr Kind dann im Stich lassen, dahingehend zu verstehen ist, dass sie an ihrer wiederholt geäußerten Ansicht nicht mehr festhält, allenfalls zu drei begleiteten Umgangsterminen bereit zu sein, wirkt sich dies auf die Entscheidung im Ergebnis nicht aus. Zum einen handelt es sich um neuen Vortrag, der im Rahmen der Gehörsrüge gegen den Beschluss des Senats vom 14.03.2025 nicht mehr zu berücksichtigen ist. In der aufgrund der Gehörsrüge als solche zu berücksichtigenden Beschwerdebegründung vom 19.02.2025 hat die Antragstellerin einstweilig angeregt, maximal 3 begleitete Umgangskontakte stattfinden zu lassen und danach sofort erneut die Entscheidung zu überprüfen und den Umgang unbegleitet auf Tage, Wochenenden und hälftige Ferien auszudehnen.
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Die Gehörsrüge ist zur Sicherung der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung lediglich auf Gehörsverstöße, und nur auf solche Aspekte, die in dem Verfahren bis zu dem Erlass des Beschlusses, hinsichtlich dessen ein Gehörsverstoß behauptet wird, vorgetragen wurden, beschränkt. Zum anderen wäre unabhängig, ob aus der Äußerung der Antragstellerin nunmehr ein Sinneswandel der Antragstellerin gefolgert werden kann, der Umgang weiterhin deshalb nicht zu regeln, weil kein mitwirkungsbereiter Dritter zur Verfügung steht.
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ii) Soweit die Antragstellerin erneut anregt, dem Vater Teil der elterlichen Sorge zu entziehen, setzt sich auch damit der Beschluss des Senats auseinander und kommt zu dem Schluss, dass die Entscheidung des Vaters, den begleiteten Umgang gegenüber dem Jugendamt abzulehnen, in dem Verfahren berücksichtigt werden muss.
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jj) Die Genese der Kindschaftsverfahren der Beteiligten, die die Antragstellerin aus ihrer Sicht darlegt, hat der Senat bei seiner Entscheidung berücksichtigt. Insoweit, als die Antragstellerin vorträgt, die vorangegangenen Entscheidungen seien unrichtig entschieden worden, setzt sich der Senat in seinem Beschluss mit dem Beschluss des 12. Senats vom 28.06.2023 ausführlich auseinander. Es besteht auch insoweit keine Pflicht für die Gerichte, der von einem Beteiligten vertretenen Rechtsansicht zu folgen.
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kk) Soweit die Antragstellerin in der Folge ausführt, dass das Familiengericht gegenüber dem Jugendamt keine Anordnungskompetenz besitze, ist dies aus Sicht des Senats zutreffend und eine Grundlage der Senatsentscheidung.
23
ll) Soweit die Antragstellerin nunmehr vorträgt, bei dem Verwaltungsgericht im Wege des Eilrechtsschutzes gegenüber dem Jugendamt die Zusicherung einer Leistung beantragt zu haben, handelt es sich um neuen Vortrag, der im Rahmen der Gehörsrüge gegen den Beschluss des Senats vom 14.03.2025 nicht mehr zu berücksichtigen ist. Wie bereits erwähnt ist die Gehörsrüge zur Sicherung der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung lediglich auf Gehörsverstöße, und nur auf solche Aspekte, die in dem Verfahren bis zu dem Erlass des Beschlusses, hinsichtlich dessen ein Gehörsverstoß behauptet wird, vorgetragen wurden, beschränkt.
24
Es steht damit fest, dass auch bei ordnungsgemäßer Gewährung des rechtlichen Gehörs keine dem Rügeführer günstigere Entscheidung zu treffen gewesen wäre (BGH NJW 2006, 3786). Damit beruht die angegriffene Entscheidung nicht auf dem Gehörsverstoß. Die Anhörungsrüge ist nicht begründet. Bei der Entscheidung wurde sämtlicher Vortrag der Antragstellerin in der Frist nach § 44 Abs. 2 FamFG, die mit Ablauf des 01.04.2025 endete, berücksichtigt.
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Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da das Rügeverfahren noch Teil des Rechtszuges ist und eine Festgebühr gemäß Nr. 1800 KV-FamGKG anfällt. Aus diesem Grund ist auch kein Verfahrenswert festzusetzen.