Inhalt

OLG Bamberg, Beschluss v. 21.08.2025 – 4 W 31/25 e
Titel:

Bewilligung von Prozesskostenhilfe, Familiengerichte, Gesetzlicher Vertreter, Sofortige Beschwerde, Jugendamt, Familiengerichtliches Verfahren, Hinreichende Aussicht auf Erfolg, Antragstellers, Rechtsverfolgung, Antragsgegner, Anhörungstermin, Mitverschulden, Persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse, Kausaler Schaden, Amtspflichtverletzung, Kostenerstattung, substantiierter Sachvortrag, Kostenentscheidung, Kindeswohlgefährdung, Aufenthaltsbestimmungsrecht

Schlagworte:
Prozesskostenhilfe, Amtshaftungsklage, Schmerzensgeld, Kindeswohlgefährdung, Sorgerechtsverletzung, Datenschutzverletzung, Schadensersatzanspruch
Vorinstanz:
LG Schweinfurt vom 22.05.2025 – 23 O 74/25
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 25.09.2025 – III ZA 10/25
Fundstelle:
BeckRS 2025, 26290

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts Schweinfurt vom 22.05.2025, Az. 23 O 74/25, wird zurückgewiesen.
2. Eine Kostenerstattung findet nicht statt.
3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
1
Mit Schreiben vom 29.01.2025 hat der gesetzliche Vertreter der am ... geborenen Antragstellerin Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Amtshaftungsklage beantragt. Die Antragstellerin beabsichtigt, den Antragsgegner auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 7.500,00 € in Anspruch zu nehmen.
2
Mitarbeiter des Jugendamtes des Antragsgegners hätten die Antragstellerin und ihren gesetzlichen Vertreter insgesamt dreimal überraschend zu Hause besucht und befragt, zum ersten Mal kurz vor Weihnachten 2022, zum zweiten Mal am 04.04.2023 und zuletzt am 14.08.2023. Hintergrund der drei Besuche seien böswillige Falschanzeigen Dritter in Bezug auf das Kindeswohl der Antragstellerin gewesen.
3
Am 14.08.2023 hätten sich die Jugendamtsmitarbeiter trotz der vom gesetzlichen Vertreter der Antragstellerin geäußerten Bedenken im Hinblick auf die psychische Situation der Antragstellerin länger als die erlaubte Zeit von 15 Minuten zu Fuß vom Wohnanwesen entfernt und die Antragstellerin auf einer Bank zwischen sich „regelrecht eingepfercht, der blanken Mittagssonne ohne Sonnenschutz ausgesetzt“ und ihr Angst gemacht. Die Antragstellerin vertritt die Auffassung, die Besuche des Jugendamtes seien pflichtwidrig erfolgt und hätten das Sorgerecht, insbesondere das Aufenthaltsbestimmungsrecht, ihres gesetzlichen Vertreters verfassungswidrig untergraben. Durch die Befragung der Antragstellerin am 14.08.2023 im Rahmen eines Spaziergangs seien deren Intimsphäre und Grundrechte verletzt sowie gegen den Datenschutz verstoßen worden. Die Befragung sei in zeitlicher Hinsicht willkürlich überzogen worden. Hierdurch sei auch das Kindeswohl der Antragstellerin gefährdet worden.
4
Obwohl sich jeweils herausgestellt habe, dass keine Kindeswohlgefährdung vorliege, habe das Jugendamt ein familiengerichtliches Verfahren gemäß § 1666 BGB eingeleitet und dabei den gesetzlichen Vertreter der Antragstellerin entgegen dem bei den Besuchen gewonnenen positiven Eindruck unzutreffend negativ dargestellt. Es seien Anhörungen der Antragstellerin und ihres gesetzlichen Vertreters vor dem Familiengericht erfolgt.
5
Das Jugendamt habe im Schreiben vom 28.05.2025 wissentlich falsche Angaben gegenüber dem Familiengericht gemacht, indem die mit Schreiben vom 22.04.2024 dem Jugendamt übermittelte Information, dass die Antragstellerin bei einer neuen Psychotherapeutin in Behandlung sei, nicht weitergeleitet worden sei. Deshalb seien vom Familiengericht erneut Anhörungstermine anberaumt worden, wobei die Anhörung der Antragstellerin zeitlich mit dem geplanten Beginn der neuen Psychotherapie zusammengefallen sei. Hierdurch sei der Therapieverlauf erheblich gestört worden. Dieses zweite angelaufene Familiengerichtsverfahren habe die Antragstellerin gestresst.
6
Der Antragsgegner wendet sich mit Schreiben vom 04.03.2025 gegen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Auf den Inhalt dieses Schreibens wird ergänzend Bezug genommen.
7
Das Landgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 22.05.2025 abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete und zudem mutwillig sei. Es seien weder Amtspflichtverletzungen noch von der Antragstellerin erlittene Beeinträchtigungen ausreichend vorgetragen worden. Auch bezüglich des nach Ansicht der Antragstellerin verleumderischen Verhaltens gegenüber dem Familiengericht fehle es an Vortrag zu einem kausalen Schaden auf Seiten der Antragstellerin.
8
Gegen diesen dem gesetzlichen Vertreter der Antragstellerin am 24.05.2025 zugestellten Beschluss wendet sich die am 05.06.2025 bei dem Landgericht eingegangene sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 03.06.2025. Die mit der beabsichtigten Klage geltend gemachten Ansprüche würden nicht mit den drei überraschenden Hausbesuchen an sich begründet, sondern auf das Fehlverhalten der Antragsgegnerin bei dem dritten Hausbesuch, die aus Sicht der Antragsstellerin willkürliche Anrufung des Familiengerichts sowie das Schreiben des Antragsgegners vom 28.05.2025 an das Familiengericht gestützt. Im Vordergrund stehe in immaterieller Schadensersatzanspruch wegen entgangener Lebensfreude nach willkürlicher Sorgfaltspflichtverletzung. Wegen des Fehlverhaltens des Antragsgegners verweist die Antragstellerin auf ein Schreiben vom 30.08.2023 im familiengerichtlichen Verfahren.
9
Der Antragsgegner hat mit Schreiben vom 12.06.2025 zur Beschwerde Stellung genommen. Er verteidigt die angefochtene Entscheidung.
10
Das Landgericht hat der Beschwerde der Antragstellerin mit Beschluss vom 17.06.2025 nicht abgeholfen und das Verfahren dem Oberlandesgericht Bamberg zur Entscheidung vorgelegt.
11
Im Übrigen wird auf die vorgenannten Schreiben und Beschlüsse sowie den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.
II.
12
1.) Die sofortige Beschwerde ist zulässig.
13
Die gemäß §§ 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, 567 ff. ZPO statthafte sofortige Beschwerde wurde form- und fristgerecht erhoben.
14
2.) Die sofortige Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das Landgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht abgelehnt.
15
a) Nach § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
16
Erfolgsaussicht besteht, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt der Prozesskostenhilfe begehrenden Partei auf Grund ihrer Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen für vertretbar hält und von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl. Zöller/Schultzky, ZPO, 35. Auflage 2024, § 114 Rn. 22 m. w. N.).
17
b) Gemessen an diesen Voraussetzungen hat das Landgericht die Erfolgsaussichten der Klage zu Recht verneint.
18
aa) Ansprüche im Zusammenhang mit dem Besuch der Mitarbeiter des Jugendamtes am 14.08.2023 bestehen nicht.
19
Soweit die Antragstellerin vorträgt, sie sei auf einer Sitzbank am Feldweg zwischen den Mitarbeitern des Jugendamtes „regelrecht eingepfercht, der blanken Mittagssonne ohne Sonnenschutz ausgesetzt“ gewesen, und die Mitarbeiter seien ihr „mehr und mehr auf die Pelle gerückt“, fehlt es an der Darlegung eines hierdurch bei der Antragstellerin verursachten Schadens. Die bloße Benennung abstrakter Gefahren (Sonneneinstrahlung) ist hierfür auch im Zusammenhang mit einer an anderer Stelle abstrakt erwähnten Blutzuckerüberwachung nicht ausreichend. Soweit mitgeteilt wird, die Jugendamtsmitarbeiter hätten der Antragstellerin Angst gemacht, fehlen Anhaltspunkte für eine über bloße Bagatellbeeinträchtigungen hinausgehende Belästigung. Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung sind nicht erkennbar.
20
Die behaupteten Eingriffe in die Intimsphäre oder in Grundrechte der Antragstellerin oder die geltend gemachten Verstöße gegen den Datenschutz vermögen einen Schadensersatzanspruch ebenfalls nicht zu begründen. Es fehlt bereits an der Darlegung, dass durch die Führung des Gesprächs zwischen den Mitarbeitern des Jugendamtes und der Antragstellerin am 14.08.2023 im öffentlichen Raum Dritte vom Inhalt des Gesprächs Kenntnis erlangt hätten.
21
Die behauptete Verletzung des Sorgerechts des gesetzlichen Vertreters der Antragstellerin kann Ansprüche der Antragstellerin bereits deshalb nicht begründen, weil es sich dabei um ein Elternrecht handelt.
22
bb) Ansprüche können auch nicht erfolgreich auf die behauptete willkürliche Anrufung des Familiengerichts gestützt werden.
23
Es fehlt bereits an Anhaltspunkten für ein ungerechtfertigtes, willkürliches Tätigwerden des Jugendamtes bei der Anrufung des Familiengerichts. Schon nach dem Sachvortrag der Antragstellerin lagen allen drei Hausbesuchen des Jugendamtes jeweils „böswillige Falschanzeigen“ zugrunde. Zudem hat das Familiengericht zwar mit Beschluss vom 08.11.2023 von Maßnahmen nach §§ 1666, 1666a BGB abgesehen. Aus den Gründen der Entscheidung ergibt sich jedoch, dass ein Beweggrund dafür die Zusage des gesetzlichen Vertreters der Antragstellerin war, eine Psychotherapie für die Antragstellerin zu organisieren, so dass von einer völlig ungerechtfertigten, grundlosen Anrufung des Familiengerichts nicht ausgegangen werden kann.
24
Soweit geltend gemacht wird, der gesetzliche Vertreter der Antragstellerin sei in den Schreiben des Jugendamtes an das Familiengericht entgegen einer tatsächlich gemachten positiven Erfahrung insgesamt negativ dargestellt worden, vermag auch dieser Vortrag Ansprüche der Antragstellerin nicht zu begründen.
25
Ohne Erfolg beruft sich die Antragstellerin auf einen Beschluss des Oberlandesgerichts Bamberg im Verfahren 1 Ws 776/24 vom 10.01.2025. Entgegen der Darstellung der Antragstellerin hat in diesem als Anlage FA 12 vorgelegten Beschluss der Strafsenat des Oberlandesgerichts Bamberg nicht die Strafbarkeit der Jugendamtsmitarbeiterin wegen Verleumdung gemäß § 187 StGB bestätigt. Der Strafsenat hat vielmehr den Antrag des gesetzlichen Vertreters der hiesigen Antragstellerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid des Generalstaatsanwalts in Bamberg zurückgewiesen, mit dem dieser der Beschwerde des gesetzlichen Vertreters der hiesigen Antragstellerin gegen die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Schweinfurt im Verfahren gegen eine Mitarbeiterin des Jugendamtes wegen Verleumdung keine Folge gegeben hatte.
26
cc) Ohne Erfolg beruft sich die Antragstellerin darauf, dass die Mitarbeiter des Jugendamtes mit Schreiben vom 28.05.2024 das Familiengericht lediglich über die erfolgte Beendigung ihrer psychotherapeutischen Behandlung informiert haben, nicht jedoch darüber, dass sich die Antragstellerin bereits wieder anderweitig in eine solche Behandlung begeben hatte, obwohl dies mit Schreiben vom 22.04.2024 dem Jugendamt mitgeteilt worden war.
27
Ein Schadensersatzanspruch der Antragstellerin kann darauf nicht erfolgreich gestützt werden, weil es jedenfalls am Eintritt eines kausalen Schadens fehlt. Bereits mit Schreiben vom 28.03.2024 hatte der gesetzliche Vertreter der Antragstellerin dem Familiengericht selbst das Kündigungsschreiben vom 28.02.2024 an die frühere Kinder- und Jugendpsychotherapeutin übersandt und zugleich mitgeteilt, dass ein neuer Psychotherapieplatz gefunden worden sei und die Termine zeitnah anlaufen würden. Mit weiterem Schreiben vom 11.06.2024 wurde das Familiengericht vom gesetzlichen Vertreter der Antragstellerin nochmals ausdrücklich unter Vorlage weiterer Unterlagen auf die laufende Therapie hingewiesen.
28
Das Familiengericht hatte daher bereits aufgrund der Mitteilung des gesetzlichen Vertreters der Antragstellerin Kenntnis von dem neuen Therapieplatz, so dass die weiteren Anhörungstermine der Antragstellerin am 22.07.2024 und ihres gesetzlichen Vertreters am 30.07.2024 nicht kausal auf das Schreiben des Jugendamtes vom 28.05.2024 zurückgeführt werden können.
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Soweit die Antragstellerin weiter geltend macht, ihr Anhörungstermin am 22.07.2024 sei zeitlich mit dem Therapiebeginn zusammengefallen, wodurch der Therapieverlauf erheblich gestört worden sei, fehlt es bereits an substantiiertem Sachvortrag zu konkreten Auswirkungen dieses Umstandes auf die Antragstellerin, aus denen sich ein Schaden ergeben soll. Gleiches gilt für den weiteren Vortrag, wonach das zweite angelaufene familiengerichtliche Verfahren die Antragstellerin gestresst habe.
30
Unabhängig davon wurde von Seiten der Antragstellerin eine Verlegung des Anhörungstermins nicht beantragt. Damit wurde eine naheliegende Möglichkeit zur Auflösung der Terminkollision nicht genutzt. Auch aus diesem Grund würden etwaige Schadensersatzansprüche der Antragstellerin unter dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens ausscheiden.
31
c) Ob neben den fehlenden Erfolgsaussichten auch die Mutwilligkeit der beabsichtigten Rechtsverfolgung der Bewilligung der beantragten Prozesskostenhilfe entgegensteht, bedarf keiner Entscheidung.
III.
32
1.) Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Eine Kostenerstattung findet gemäß § 127 Abs. 4 ZPO nicht statt.
33
2.) Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 ZPO) liegen nicht vor.
34
Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Soweit Rechtsfragen anstanden, sind diese in der obergerichtlichen und höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt. Das Beschwerdegericht weicht hiervon nicht ab.