Titel:
Anspruch auf Anpassung einer vorhandenen Einfahrt aus Anliegergebrauch (verneint). Angemessenheit einer vorhandenen Einfahrt bzw. ihrer Nutzbarkeit.
Normenkette:
BayStrWG Art. 17 Abs. 2 S. 1
Leitsatz:
Ein Anspruch auf Schaffung einer neuen Ersatzzufahrt oder auf Anpassung einer vorhandenen Zufahrt ist nur dann gegeben, wenn eine angemessene Nutzung des Grundstücks über die vorhandene Zufahrt nicht mehr möglich ist. Maßgeblich hierfür ist der Verkehr, der in rechtmäßiger Weise über die bisherige Zufahrt abgewickelt wurde.
Schlagwort:
Anspruch auf Anpassung einer vorhandenen Einfahrt aus Anliegergebrauch (verneint). Angemessenheit einer vorhandenen Einfahrt bzw. ihrer Nutzbarkeit.
Fundstelle:
BeckRS 2025, 2624
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckungsschuldnerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Die Klägerin begehrt die Verpflichtung des Beklagten, die Zufahrt auf ihr Grundstück auf ihre Kosten abzuändern und einen Granitpfeiler zu versetzen.
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Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks Fl.Nr. …1, Gemarkung …2, …weg3 …2. Dort befindet sich ein Gebäude, das gewerblich sowie zu Wohnzwecken genutzt wird, sowie zahlreiche Stellplätze, die zum Teil auch der Öffentlichkeit gegen Gebühr zur Verfügung stehen. Östlich entlang des Grundstücks verläuft die …4 Straße, eine innerörtliche Gemeindestraße. Im Jahr 2021 ließ der Beklagte auf dieser Straße Bauarbeiten durchführen. Im Zuge dieser Arbeiten wurde die Grundstückszufahrt von der …4 Straße zum Grundstück der Klägerin am nördliche Ende des klägerischen Grundstücks abgeändert und die bis dahin vorhandene tatsächliche Zufahrtsbreite verringert. Es wurden ein Gehweg sowie ein Grünstreifen angelegt und zur Sicherung von letzterem mehrere Granitpfeiler aufgestellt.
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Mit Schreiben vom 11.5.2021 an den Ersten Bürgermeister des Beklagten wies der Prozessbevollmächtigte der Klägerin darauf hin, dass durch die Veränderung der Zufahrt diese nunmehr an der engsten Stelle zu liegen käme und sich unüberwindbare Hindernisse bei der praktischen Umsetzung und späteren Nutzung des Grundstücks auftäten. Der Kurvenradius sei deutlich zu eng, sodass die Einfahrt nur schwer in einem Zuge möglich sei. Deshalb sei es notwendig, eine trompetenförmige Aufweitung an zwei Seiten der Grundstückszufahrt vorzunehmen. Es werde daher um eine Ortsbesichtigung ersucht.
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Mit Schreiben vom 7.6.2021 an den Ersten Bürgermeister des Beklagten brachte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin vor, dass sich diese in ihren Eigentümerrechten und der gewerblichen Nutzbarkeit ihres Grundstücks beeinträchtigt sähe. Beim Ausfahren aus dem Parkplatz in Richtung Ortsmitte müsse trotz vollem Lenkeinschlag in jedem Falle die Gegenfahrbahn in Anspruch genommen werden, bei größeren Fahrzeugen sogar der gegenüberliegende Geh weg. Aus diesen Gründen stelle die Klägerin den Antrag an den Marktgemeinderat des Beklagten, die Zufahrt von der …4 Straße zur privaten Parkfläche der Klägerin nach Südosten zu versetzen, um hierdurch eine ausreichende Tiefe/Breite auf der Parkfläche zu erreichen und damit einen ausreichenden Kurvenradius für die ungehinderte Zufahrt und Abfahrt zu schaffen, oder hilfsweise den letzten nördlichen Granitpfeiler um etwa einen Meter Richtung Ortsmitte zu versetzen und die dadurch freiwerdende Fläche zwischen Gehweg und Fahrbahn befahrbar zu pflastern. Die hierfür entstehenden Kosten (die auf 300,00 € geschätzt wurden) würde die Klägerin übernehmen.
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Der Marktgemeinderat des Beklagten hat den Antrag der Klägerin in seiner Sitzung vom 29.6.2021 abgelehnt.
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Mit Schreiben vom 3.3.2022 unterbreitete der Klägerbevollmächtigte erneut einen Vorschlag, wonach der nördliche Granitpfeiler entfernt werden solle und an dortiger Stelle eine trompetenförmige Abrundung zwischen Gehweg und Ortsstraße mit einer Aufweitung von etwa drei Metern an der Straßenseite geschaffen werden solle. Die Beauftragung und Kosten dieser Arbeiten würde die Klägerin persönlich übernehmen.
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Der Marktgemeinderat des Beklagten hat auch diesen Vorschlag der Klägerin in seiner Sitzung vom 31.3.2022 abgelehnt.
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Mit Schriftsatz vom 21.7.2022, eingegangen bei Gericht am selben Tag, hat die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg erheben lassen.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die Grundstückszufahrt nach dem Umbau der …4 Straße nunmehr an der denkbar engsten Stelle zu liegen käme und sich abweichend von der Gestaltung in Planunterlagen bei der praktischen Umsetzung und Nutzung ungeahnte und unüberwindbare Hindernisse auftäten. Zudem müssten mehrere Parkbuchten auf dem Klägergrundstück aufgegeben werden. Selbst wenn eine Einfahrtsbreite von 8,20 m eingehalten werde, sei der Kurvenradius deutlich zu eng, sodass die Einfahrt beispielsweise von der Ortsmitte kommend mit einem Pkw nur schwer in einem Zuge möglich sei. Dies stelle eine erhebliche Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer dar. Bei größeren Fahrzeugen aus gleicher Fahrtrichtung verschlechtere sich die Situation deutlich. Bei größeren Fahrzeugen, Transportern, Lieferwagen oder Lkws würden beengte Verhältnisse auch bei einer Zufahrt von Norden her auftreten. Dadurch würden auch hier andere Verkehrsteilnehmer erheblich gefährdet. Bei einer Ausfahrt aus dem Grundstück der Klägerin mit derartigen Fahrzeugen ergebe sich noch das zusätzliche Problem, dass in Richtung Ortsmitte trotz vollem Lenkeinschlag gar die Gegenfahrbahn in Anspruch genommen werden müsse und bei größeren Fahrzeugen sogar der gegenüberliegende Gehweg. Anderenfalls müssten Rangiervorgänge mit entsprechender Verkehrsbehinderung durchgeführt werden. Dies führe ebenfalls zu einer erheblichen Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer. Die gleiche Problematik trete beim Einsatz eines großen Feuerwehrfahrzeugs auf. Ein gleichzeitiger Gegenverkehr im Einfahrtsbereich sei wegen der beengten Verhältnisse gar nicht mehr möglich. Absolut störend sei der dort im Eckpunkt gesetzte nördliche Granitpfeiler mit jeweiliger rechtwinkliger Abgrenzung der Verkehrsflächen. Erforderlich sei zumindest eine trompetenförmige Aufweitung an zwei Seiten der Grundstückszufahrt. Es sei von der Klägerin mit der Regierung von Niederbayern abgeklärt worden, dass sich die begehrten Maßnahmen nicht förderschädlich auswirkten. Dieses Argument sei von Seiten des Ersten Bürgermeisters des Beklagten als Ablehnungsgrund immer wieder eingewandt worden. Die Klägerin sei aufgrund der durchgeführten Baumaßnahmen und der damit einhergehenden Verengung ihrer Grundstückszufahrt in ihrem Recht aus dem Anliegergebrauch verletzt und verliere Parkbuchten. Werde dem Anlieger unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles der Zugang wesentlich erschwert, könne ihm das Rechtsinstitut des Anliegergebrauchs ein Abwehrrecht vermitteln. Gemäß Art. 17 Abs. 2 BayStrWG habe der Träger der Straßenbaulast einen angemessenen Ersatz zu schaffen, wenn auf Dauer Zufahrten durch Änderung von Straßen bzw. deren Benutzung erheblich erschwert würden. Nach Art. 17 Abs. 5 BayStrWG könne die Straßenbaubehörde sogar anordnen, dass Zugänge oder Zufahrten geändert oder verlegt werden sollten. Wegen der von dem Beklagten vorgenommenen Baumaßnahmen sei eine Gefährdung des fließenden Verkehrs gegeben. Auch werde die Zufahrt zum Gewerbegrundstück für Bewohner und Kunden erheblich erschwert. Die Klägerin sei dadurch in ihrem Anliegergebrauch gestört. Die von der Klägerin beantragten Maßnahmen seien verhältnismäßig, da eine Entfernung des letzten nördlichen Granitpfeilers und eine trompetenförmige befahrbare Abrundung zu dem Ziel gelangen würden, dass andere Verkehrsteilnehmer nicht mehr gefährdet würden. Eine andere Maßnahme, die das gleiche Ziel erreiche, aber milder wäre, sei nicht ersichtlich.
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Die Klägerin beantragt zuletzt,
den Beklagten zu verurteilen, auf Kosten der Klägerin den vor dem Grundstück mit der Flurnummer …1 der Gemarkung …2 befindlichen, letzten nördlichen Granitpfeiler zwischen dem Gehweg und der Orts straße …4 Straße, …2, zu entfernen und eine trompetenförmige befahrbare Abrundung zwischen dem Gehweg und Orts straße …4 Straße, …2, mit einer Aufweitung von mindestens 3 Metern an der Straßenseite zu schaffen.
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Der Beklagte beantragt,
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Zur Begründung führt der Beklagte im Wesentlichen aus, dass der Sachverhalt in der Klage unrichtig dargestellt werde. Nach einer Grobüberprüfung mit Schleppkurvenschablonen könnten alle Fahrzeuge die Einfahrt bewältigen. Lediglich bei extrem seltenen besonderen Begegnungsfällen (z. B. Schneeräumfahrzeug/Mähdrescher) würden sich Schwierigkeiten ergeben, was aber auch in der vormaligen Ausgestaltung nicht anders gewesen wäre. Es werde verwiesen auf die Ausführungen der Architekturschmiede in der Mail vom 19.5.21 an den Beklagten. Die Erhaltung einer besonders bequemen Zufahrt könne von der Klagepartei unter Berücksichtigung der diesbezüglichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht verlangt werden. Zu den bei der Prüfung der Zumutbarkeit anzulegenden Maßstäben werde auf das Urteil vom 31.03.21 – RN 3 K 17.129 verwiesen, bestätigt mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 28.04.22 (veröffentlicht in BeckRS 2022, 9234). Der Anliegergebrauch schütze nicht vor Veränderungen. Es sei weiterhin eine angemessene Zugänglichkeit zum öffentlichen Straßennetz gewährleistet. Es fehle an einer subjektiv-öffentlichen Rechtsverletzung zulasten der Klägerin.
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Am 28.10.2024 fand ein Ortstermin des Berichterstatters mit den Beteiligten statt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, das Protokoll des Ortstermins sowie der mündlichen Verhandlung und auf die beigezogenen Behördenakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zwar zulässig, aber nicht begründet.
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Die Klage ist zulässig.
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Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage statthaft. Die Klägerin ist analog § 42 Abs. 2 VwGO zur Klageerhebung befugt, da sie einen Anspruch aus Art. 17 Abs. 2 S. 1 BayStrWG geltend macht, der auch nicht von vornherein ausgeschlossen ist. Es mangelt ihr auch nicht an einem Rechtsschutzbedürfnis, da sie vor Klageerhebung mehrfach ihr Begehren erfolglos bei dem Beklagten durchzusetzen versucht hat.
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Die Klage ist jedoch unbegründet.
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Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen den Beklagten darauf, dass die von ihr gewünschten Maßnahmen hinsichtlich der Zufahrt auf ihr Grundstück durchgeführt werden.
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Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus Art. 17 Abs. 2 S. 1 Var. 1 BayStrWG.
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Gem. Art. 17 Abs. 2 S. 1 Var. 1 BayStrWG hat der Träger der Straßenbaulast einen angemessenen Ersatz zu schaffen, wenn auf Dauer Zufahrten oder Zugänge durch die Änderung von Straßen unterbrochen werden oder ihre Benutzung erheblich erschwert wird.
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Nach ständiger Rechtsprechung ergibt sich ein Anspruch auf die Schaffung einer neuen Ersatzzufahrt oder auf Anpassung der vorhandenen Zufahrt nur dann, wenn eine angemessene Nutzung des Grundstücks über die vorhandene Zufahrt nicht mehr möglich ist (vgl. Zeitler/ Wiget, BayStrWG, 32. EL Januar 2023, Art. 17 Rn. 28). Nach der – insoweit auf Art. 17 Abs. 2 S. 1 BayStrWG übertragbaren – Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 8a Abs. 4 S. 1 FStrG bestimmt sich die Angemessenheit nach der jeweiligen konkreten Situation. Angemessen ist nicht schon jede Nutzung, zu der das Grundstück Gelegenheit bietet. Maßgeblich ist vielmehr, was aus dem Grundstück unter Berücksichtigung der Rechtslage und der tatsächlichen Gegebenheiten als anerkennenswertes Bedürfnis hervorgeht (BVerwG, B.v. 11.5.1999 – 4 VR 7.99 – juris Rn. 7). Deswegen ist auf Quantität und Qualität des Verkehrs abzustellen, der in rechtmäßiger Weise über die bisherige Zufahrt abgewickelt wurde. Er muss auch in Zukunft und ohne wesentliche Erschwernis technisch über die Ersatzzufahrt möglich sein (BVerwG, U.v. 9.7.2003 – 9 A 54/02 – juris Rn. 29). Ob über die bisherige Zufahrt auch ein wesentlich anderer Verkehr hätte abgewickelt werden können, der auf der Ersatzzufahrt nicht mehr möglich ist, ist demgegenüber grundsätzlich ohne Belang, weil auf die Abwicklung eines derart veränderten Zufahrtsverkehrs schon auf der bisherigen Zufahrt kein Anspruch besteht. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die Ersatzzufahrt dem Grundstück denselben oder zumindest einen vergleichbaren Lagevorteil wie bisher vermittelt (BVerwG, U.v. 9.7.2003 – 9 A 54/02 – juris Rn. 29). Es wird nicht eine optimale, sondern nur eine nach den jeweiligen Umständen zumutbare Erreichbarkeit garantiert. Es lässt sich kein Anspruch auf den Fortbestand einer Verkehrsverbindung herleiten, die für eine bestimmte Grundstücksnutzung von besonderem Vorteil ist (vgl. BVerwG, U.v. 11.11.1983 – 4 C 82.80 – DÖV 1984, 426). Es gibt keine Gewähr dafür, dass ein Grundstück ohne jegliche Einschränkung angefahren werden kann (BVerwG, B.v. 11.5.1999 – 4 VR 7/99 – juris Rn. 7).
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1. Die vorhandene Zufahrt ermöglicht eine angemessene Nutzung des Grundstücks in diesem Sinne. Sie weist eine Breite von ca. 7,5 m, in der Diagonale von dem südlichen äußersten Rand der Straße bis zum nördlichen äußersten Rand an der Grenze zum klägerischen Grundstück von knapp 8,5 m auf. Die Breite ist nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Städteplaners Herrn N* … in der E-Mail vom 19.5.2021 in der Behördenakte sowie in der mündlichen Verhandlung ausreichend, damit übliche Fahrzeuge ohne Gefahr für den Verkehr aus- und einfahren können. Denkbar wären Probleme nur in außergewöhnlichen Situationen, etwa wenn ein Mähdrescher auf ein Schneeräumfahrzeug träfe.
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Entscheidend sind dabei wie ausgeführt Quantität und Qualität des Verkehrs, der in rechtmäßiger Weise über die bisherige Zufahrt abgewickelt worden ist. Zwar ist die Genehmigungssituation auf dem streitgegenständlichen Grundstück unübersichtlich, da weder Kläger- noch Beklagtenseite vollständige Baugenehmigungsunterlagen vorlegen konnten. Jedoch ergibt sich aus den vorliegenden Bauakten, dass auf dem klägerischen Grundstück drei bis vier Gewerbeeinheiten sowie Wohneinheiten genehmigt worden sind. Laut Schilderung der Klägerin hat es in der Vergangenheit ein Baugeschäft gegeben, das aber bereits vor ca. 40 Jahren aufgegeben wurde, sowie zeitweise bis zu drei Gewerbeeinheiten. Faktisch vorhanden sind nunmehr nach den Ausführungen der Klägerin nur noch ein Schmuckgeschäft sowie eine Physiotherapiepraxis und insgesamt sieben Wohneinheiten, wobei eine davon durch den Umbau einer Gewerbeeinheit entstanden ist. Außerdem hat die Klägerin mehrere Stellplätze am östlichen Rande des Grundstücks, entlang der …4 Straße bzw. des nunmehr neu errichteten Gehwegs, gegen Parkgebühren an Kurzzeitparker vermietet. Weder die Umnutzungen der Gewerbeeinheiten zu einer Physiotherapiepraxis sowie einer Wohnung noch die gewerbliche Vermietung der Stellplätze wurden nach Aktenlage genehmigt. Insoweit besteht also jedenfalls kein anerkennenswertes Interesse der Klägerin an der Nutzung ihres Grundstücks und der dazugehörigen Zufahrt. Maßgeblich kann vielmehr nur jener Verkehr sein, der in der Vergangenheit im Rahmen der zulässigen Nutzung angefallen ist und mit dem auch künftig noch realistischer Weise zu rechnen ist. Demnach muss die Nutzung der Zufahrt vor allem für Pkw von Bewohnern und Kunden möglich sein. Dies ist aufgrund der zuvor dargestellten örtlichen Situation zweifelsfrei möglich. Ein regelmäßiges Befahren des klägerischen Grundstücks mit Lkw, die etwa Waren für die Gewerbe antransportieren, ist nicht zu erwarten. Vielmehr hat die Klägerin selbst geschildert, dass lediglich zu Zeiten des seit etwa vierzig Jahren aufgegebenen Baugeschäfts Lkw regelmäßig Waren angeliefert haben. Das Grundstück würde nunmehr nur gelegentlich von Lkw befahren werden. Demnach ist die vorhandene Zufahrtssituation angemessen.
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Dies gilt umso mehr als, wie erstmals in der mündlichen Verhandlung thematisiert, sogar eine weitere Zufahrt am südwestlichen Ende des Grundstücks über den …weg3 besteht. Nach Darstellung der Klägerin wurde diese Zufahrt in der Vergangenheit für die An- und Abfahrt von Lieferfahrzeugen genutzt, die Waren zum früheren Baugeschäft transportierten. Sofern das Grundstück also künftig jemals aus gewerblichen Gründen wieder regelmäßig mit Lkw angefahren werden muss, so besteht nach wie vor diese Zufahrtsmöglichkeit, unabhängig davon, ob eine Nutzung auch über die gegenständliche Zufahrt von der …4 Straße möglich ist.
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Mit dieser anderweitigen Zufahrt steht zudem ein Ausschluss des von der Klägerin geltend gemachten Anspruchs aufgrund Art. 17 Abs. 2 S. 3 BayStrWG im Raum. Hierauf kommt es aber im Ergebnis nicht an.
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2. Dass beim Ein- oder Ausfahren nur von/in Richtung Zentrum möglicherweise mehrere Rangierbewegungen nötig sind, damit insbesondere auch längere Fahrzeuge die nunmehr engere Zufahrt bewältigen können, steht einer Angemessenheit der Nutzungsmöglichkeit nicht entgegen. Vielmehr ist es Fahrzeugführern sogar zumutbar, auch mehrere Rangierbewegungen durchzuführen, um aus einer Zufahrt ein- bzw. auf eine solche aufzufahren. Nach der insoweit übertragbaren (vgl. VG Neustadt (Weinstraße), U.v. 16.6.2011 – 4 K 228/11.NW –, juris Rn. 27) Rechtsprechung zu schmalen Fahrbahnen i.S.d. § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO kommt es darauf an, ob ein durchschnittlicher Kraftfahrer die Grundstücksein- und -ausfahrt regelmäßig ohne Hinzuziehung eines Einweisers noch unter mäßigem Rangieren benutzen kann. Da die Zahl zumutbarer Rangiervorgänge von der Übersichtlichkeit der Straße, auf die die Grundstückszufahrt führt, und ihrer Verkehrsfunktion und -bedeutung abhängt, kann eine feste Höchstgrenze zumutbarer Rangiervorgänge nicht festgelegt werden (BayVGH, B.v. 28.4.2022 – 11 ZB 21.1618 – BeckRS 2022, 9234 Rn. 15, unter Verweis auf BVerwG U.v. 24.1.2019 – 3 C 7/17 – NJW 2019, 2252). Der BayVGH (a.a.O.) hat aber auch schon bis zu drei Rangierbewegungen als zumutbar angesehen. Letztlich ist festzuhalten, dass ein Anlieger keinen Anspruch auf eine bestimmte Bequemlichkeit noch auf „rangierfreie“ Leichtigkeit einer Zufahrt hat (vgl. OVG Schleswig-Holstein B.v. 12.8.2014 – 1 LA 57/12 –, juris Rn. 17).
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3. Nach den tatsächlichen Gegebenheiten der Örtlichkeit ist einzig problematisch, dass in bestimmten Situationen bei solchen Rangierbewegungen am nördlichen Ende des Grundstücks eventuell auf den nordwestlichen drei bis vier Stellplätzen abgestellte Fahrzeuge im Weg stehen könnten. Allerdings gibt es, wie dargelegt, weder einen Anspruch auf optimale Erreichbarkeit noch auf maximal mögliche (wirtschaftliche) Ausnutzung eines Grundstücks.
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Aus dem Vortrag der Klägerseite wird deutlich, dass es der Klägerin nicht zuletzt auch darum geht, die Zufahrtssituation in einer solchen Weise anzupassen, dass sie keinen der nördlichen Stellplatze auf ihrem Grundstück aufgeben muss, um den möglicherweise notwendigen Raum für Rangierbewegungen von auf- und abfahrenden Fahrzeugen zu schaffen. Dieses Interesse führt jedoch nicht dazu, dass die momentane Zufahrtssituation nicht angemessen im oben ausgeführten Sinne wäre. Zwar folgen aus der Baugenehmigung sowie dem Vortrag der Klägerin, dass diese für die vorhandene gewerbliche Nutzung sowie für die Wohnnutzung dazu verpflichtet ist, eine bestimmte Zahl an Stellplätzen zur Verfügung zu stellen. Die für das Gewerbe sowie die Wohnnutzung notwendigen Stellplätze kann die Klägerin indes ohne Weiteres auf ihrem Grundstück unterbringen und zwar auch in einer solchen Weise, dass ein Ausfahren aus dem Parkplatz auf die …4 Straße gänzlich ohne oder nur mit leichten Rangierbewegungen möglich ist. Zwar muss sie gegebenenfalls einen oder mehr Stellplätze am nördlichen Ende der Reihe aufgeben, um Platz für die Rangierbewegungen zu machen. Jedoch ergibt sich aus dem Anliegergebrauch, wie dargestellt, weder ein Recht auf unveränderte Weiternutzung noch eines auf optimale Ausnutzung der Nutzungsmöglichkeiten eines Grundstücks. Auch ist das aktuell vorhandene Stellplatzkonzept der Klägerin, soweit ersichtlich, niemals genehmigt worden. Es steht der Klägerin frei, die nördlich eventuell wegfallenden Stellplätze nach Süden zu verlagern, wo ausweislich der Luftbilder noch ausreichend Platz ist. Auch hat der Stadtplaner aufseiten des Beklagten ausführlich und schlüssig dargelegt, dass die Anzahl der vorhandenen Stellplätze aufrechterhalten werden kann bei einer Umstellung des Parkkonzepts im Sinne einer Einbahn, sodass Fahrzeuge von der …4 Straße auf den Parkplatz auffahren können, auf schräg anzuordnenden Stellplätzen parken können und im Anschluss am südwestlichen Ende des Grundstücks über den …weg3 wieder abfahren können.
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4. An alledem ändert sich auch nichts dadurch, dass sich auf dem gegenständlichen Grundstück auch gewerbliche Nutzung befindet. Inwieweit die bereits seit 40 Jahren aufgegebenen gewerblichen Nutzungen in Form des Baugeschäfts des verstorbenen Ehemanns der Klägerin sowie zwei der Gewerbeeinheiten, die nunmehr als Physiotherapiepraxis und Wohnung verwendet werden, hierbei zu berücksichtigen sind, kann insoweit offenbleiben. Tatsächlich befindet sich jedenfalls noch ein Gewerbe in Form des Schmuckgeschäfts auf dem Grundstück. Wie viele weitere Gewerbeeinheiten genehmigt wurden ist unklar. Zudem hat sich teilweise die bauliche Situation durch Umbauten und (nicht genehmigte) Umnutzungen tatsächlich verändert. Doch wie ausgeführt ist zum einen nicht damit zu rechnen, dass die gewerbliche Nutzung ein Befahren in einem solchen Maße erforderlich machen würde, wie es nunmehr nicht mehr zumutbar im Rahmen der örtlichen Verhältnisse (insbesondere unter Berücksichtigung der zweiten Zufahrt über den …weg3) handhabbar wäre. Zum anderen gilt auch für Gewerbenutzung, dass weder eine bestimmte „Qualität“ von Zu- oder Ausfahrten beansprucht noch eine Einschränkung oder Erschwernis bisheriger Zufahrtsmöglichkeiten abgewehrt werden kann (vgl. OVG Schleswig-Holstein, B.v. 12.8.2013 – 1 LA 57/12 –, juris Rn. 18).
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5. Aus alledem wird deutlich, dass die vorhandene Zufahrtssituation auf das Grundstück der Klägerin, insbesondere auch unter Berücksichtigung der Zufahrt über den …weg3, im Rahmen der anerkennenswerten Nutzung des Grundstücks angemessen ist. Mithin besteht kein Anspruch auf die Schaffung einer neuen oder Erweiterung bzw. Anpassung der vorhandenen Zufahrt.
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6. Somit bleibt es auch ohne Belang, ob der Beklagte zu Recht den begehrten Änderungsarbeiten entgegenhält, dass sie förderungsschädlich seien.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).