Inhalt

LG München I, Endurteil v. 03.03.2025 – 22 O 11152/24
Titel:

Fälligkeitsmitteilung, Mitteilung der Kaufpreisfälligkeit, Gerichtsvollzieher, Elektronisches Dokument, Fälligkeit des Kaufpreises, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Ungeteilte Erbengemeinschaft, Elektronischer Rechtsverkehr, Hilfswiderklage, Klageabweisung, Fälligkeitszinsen, Aufgabe zur Post, Rechtzeitigkeit der Zahlung, Notarieller Kaufvertrag, Streitwert, Zinsanspruch, Hilfsweise Aufrechnung, Notariat, Anderweitige Erledigung, Immobilienkauf

Schlagworte:
Klageabweisung, Fälligkeitszinsen, Zugangsnachweis, Beweislast, Postsendungsverlust, E-Mail-Zugang, Gerichtsvollzieher
Fundstellen:
ZMR 2025, 830
BeckRS 2025, 26076

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 28.038,89 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über Ansprüche auf Zinsen aus einem Immobilienkauf.
2
Die Kläger sind jeweils zu 1/2 Erben in ungeteilter Erbengemeinschaft nach dem am 21.07.2021 verstorbenen …
3
Der spätere Erblasser, Herr …, vertreten durch Herrn … (Verkäufer) schloss mit der Beklagten (Käuferin) zur Urkunde des Notars … vom 07.06.2019, UrNr. … (Anlage K 2) einen Kaufvertrag über einen ideellen 2/20 Miteigentumsanteil an dem Grundstück vorgetragen im Grundbuch des Amtsgerichts … Flurstück …, Gebäude und Freifläche … zu 691 qm zum Preis von 700.000,- Euro. Zur Fälligkeit des Kaufpreises bestimmten die Parteien gemäß Anlage „Kaufpreisausweisung“ zum Kaufvertrag (vgl. Seite 17 der Anlage K 2), dass der Kaufpreis binnen 10 Tagen zu bezahlen sei, nachdem der amtierende Notar den Beteiligten „schriftlich mitgeteilt hat“, dass (kumulativ) folgende Voraussetzungen vorliegen: Die Eigentumsvormerkung ist für die Käuferin ranggerecht eingetragen und die Bescheinigung über das Nichtbestehen oder die Nichtausübung gesetzlicher (kommunaler) Vorkaufsrechte liegt vor. Der Notar wurde beauftragt, die Vertragsteile vom Vorliegen dieser Voraussetzungen durch einfachen Brief zu unterrichten. Als maßgeblich für den Fristbeginn wird in der Anlage „Kaufpreisausweisung“ der Zugang der Notarmitteilung beim Käufer bestimmt. Die Frist sollte auch dann zu laufen beginnen, wenn der Käufer auf andere Weise als durch diese Mitteilung des Notars Kenntnis vom Vorliegen der beiden Voraussetzungen erhält. Für die Rechtzeitigkeit der Zahlung wurde der Eingang der Gutschrift auf dem Empfängerkonto als maßgeblich bestimmt.
4
Ziffer III des notariellen Kaufvertrags enthält den Hinweis des Notars, dass dann, wenn die Käuferin bei Fälligkeit nicht bezahle, sie den gesetzlichen Verzugszins zu bezahlen habe.
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Ziffer XIV Satz 1 des notariellen Kaufvertrags erhält eine Ermächtigung der Parteien an den Notar, unverschlüsselte E-Mails mit den Beteiligten auszutauschen. Ziffer XIV Satz 2 genehmigt einen solchen Austausch für die Vergangenheit.
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Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K 2 vollumfänglich Bezug genommen.
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Der Notar versandte per E-Mail vom 30.07.2019, 17:10 eine Fälligkeitsmitteilung an den Vertreter des Verkäufers, den jetzigen Kläger zu 2 (Anlage K 4a), ferner einen Brief entsprechenden Inhalts ebenfalls am 30.07.2019 an den späteren Erblasser (vgl. Anlage K 3). Mit Schreiben vom 07.05.2024 bestätigter der Notar dem Klägervertreter, dass mit E-Mail und Brief am 30.07.2019 auch der Beklagten die Fälligkeitsmitteilung übersandt wurde.
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Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K 5 vollumfänglich Bezug genommen.
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Die Beklagte bezahlte den Kaufpreis von 700.000,00 Euro mit unwiderruflicher Überweisung am 30.07.2020 (vgl. Anlage K 6).
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In einer Vereinbarung vom 07.06.2019 findet sich folgende Klausel:
„Für den Fall, dass die Projektgesellschaft in Verzug gerät, verpachtet sich der Verkäufer (Herr …, geboren am …) den Rücktritt vom Kaufvertrag der Projektgesellschaft anzubieten. Er verpflichtet sich insbesondere, keine Klage gegen die Projektgesellschaft zu erheben oder diese anderweitig in Anspruch zu nehmen. Der Makler (und Sohn des Verkäufers) garantiert dies und haftet gegenüber der Projektgesellschaft und Herrn … für alle diesbezüglich entstehenden Kosten auch persönlich.“
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Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage B 1 vollumfänglich Bezug genommen.
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Die Kläger tragen vor, dass der Beklagten durch die E-Mail und die Aufgabe zur Post die Fälligkeitsmitteilungen des Notars zugegangen seien. Die Kläger sind der Meinung, dass durch die E-Mail samt Anlage vom 30.07.2019 an die Beklagte vertragskonform die Fälligkeit des Kaufpreises herbeigeführt worden sei. Da der Kaufpreis nach ihrer (Haupt-)Berechnung somit bis spätestens 09.08.2019 zu zahlen gewesen sei, schulde die Beklagte ab 10.08.2019 bis 29.07.2020 Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz in der geltend gemachten Höhe.
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Die Kläger beantragen:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger in ungeteilter Erbengemeinschaft 28.038,89 € zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt:
Klageabweisung
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Mit Schriftsatz vom 4. November hat die Beklagte hilfsweise für den Fall, dass die Klage ganz oder teilweise als begründet erachtet werden sollte Widerklage gegen den Kläger zu 2) erhoben und insoweit beantragt:
2. den Widerbeklagten und Kläger zu 2) zu verurteilen, an die Beklagte und Widerklägerin, einen Betrag in Höhe des Betrages zu zahlen, zu dessen Zahlung sie in diesem Rechtsstreit verurteilt wird.
Hilfsweise, für den Fall, dass der vorstehende Antrag zu 2.) als zu unbestimmt für unzulässig erachtet werden sollte, wird anstelle des Antrags zu 2.) beantragt,
3. den Widerbeklagten und Kläger zu 2) zur Zahlung von 28.038,89 € an die Beklagte und Widerklägerin zu verurteilen.
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Der Kläger zu 2) hat die Abweisung der Hilfswiderklage beantragt.
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Die Beklagte bestreitet den Zugang einer E-Mail und eines Briefs des Notars vom 30.07.2019. Sie habe eine Fälligkeitsmitteilung nicht erhalten. Der Notar habe gemäß Anlage „Kaufpreisausweisung“ auch die Fälligkeitsmitteilung nicht per E-Mail versenden dürfen, da in dem Nachtrag ausdrücklich der Versand per einfachem Brief geregelt worden sei. Die Ermächtigungsklausel gemäß Ziffer XIV gelte nicht für diese Mitteilung, da die Form dieser Mitteilung ausdrücklich abweichend geregelt worden sei.
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Im Übrigen hält sie die Klage auch für unbegründet, da eine Verzinsungspflicht im Kaufvertrag nicht vereinbart worden sei und der Kläger zu 2) der Beklagten mit der Vereinbarung gern. Anlage B 1 zugesichert habe, dass der spätere Erblasser auch im Falle einer Säumnis mit der Kaufpreiszahlung keine Zinsen verlangen werde. Dieser habe in Vertretung des Erblassers gehandelt und mit der Beklagten vereinbart, dass für den Fall des Verzugs der Beklagten allenfalls das Angebot eines Rücktritts vom Vertrag erfolge und sich verpflichtet, keine Klage gegen die Beklagte zu erheben oder diese anderweitig in Anspruch zu nehmen (vgl. Anlage B 1). Hilfsweise hafte der Kläger zu 2) der Beklagten gegenüber, weil er in der Anlage B1 persönlich garantiert habe keine Ansprüche gegenüber der Beklagten geltend zu machen und die persönliche Haftung für alle diesbezüglich entstehenden Kosten übernommen habe.
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Die Beklagte hat die hilfsweise Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch der Beklagten gegen die Kläger als Erben des Verkäufers aus Verletzung der in der Anlage B 1 getroffenen Verpflichtung erklärt.
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Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 08.01.2025 den Geschäftsführer der Beklagten persönlich angehört. Die Kläger sind trotz Anordnung des persönlichen Erscheinens nicht erschienen. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf das Terminsprotokoll vom 08.01.2025 vollumfänglich Bezug genommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze samt Anlagen der Parteien verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Die Kläger haben keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von Fälligkeitszinsen iHv 28.038,89 €.
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Den Klägern ist es nicht gelungen, die Voraussetzungen für die Entstehung des geltend gemachten Zinsanspruchs zu beweisen. Ausweislich der Vereinbarung im notariellen Kaufvertrag ist Voraussetzung für die Fälligkeit, dass der Beklagten die Mitteilung des Notars über die Kaufpreisfälligkeit zugegangen ist oder die Beklagte hiervon auf andere Weise erfährt. Die Kläger stützen ihren Anspruch allein auf den behaupteten Zugang der Mitteilung, eine anderweitige Kenntnis wird nicht dargelegt. Sie haben aber weder den Zugang der Mitteilung der Kaufpreisfälligkeit per E-Mail noch per einfachem Brief bei der Beklagten beweisen können. Als den Klägern günstige Tatsache ist es grundsätzlich an ihnen den Zugang der Mitteilung bei der Beklagten zu beweisen. Dies ist ihnen vorliegend nicht gelungen. Die Kläger haben jeweils nur Beweis angeboten für das Absenden der E-Mail und des Briefes, nicht aber für den Zugang, den die Beklagte bestritten hat.
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Aus der Absendung ergibt sich aber kein Beweis des Zugangs. Bei gewöhnlichen Briefen rechtfertigt die Absendung allein nicht den Anscheinsbeweis für den Zugang (vgl. BGH NJW 1995, 665). Denn ein Verlust von Postsendungen während des Zustellvorgangs ist nach der Lebenserfahrung ebenso wenig auszuschließen wie das Einstecken von Postsendungen in den falschen
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Briefkasten durch den Zusteller (vgl. LG Potsdam NJW 2000, 3722).
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Auch der Nachweis des Versands der E-Mail lässt nicht den Schluss und damit den Beweis des Zugangs der E-Mail beim Empfänger zu (vgl. OLG Köln Urt. v. 5.12.2006 – 3 U 167/05, BeckRS 2007, 267). Die Absendung allein bietet keinerlei Gewähr dafür, dass die Nachricht den Erklärungsempfänger bzw. dessen Mailbox tatsächlich erreicht. Es ist nicht auszuschließen, dass die Nachricht, etwa wegen Fehlern in der Datenleitung oder den vom Absender verwendeten Programmen, tatsächlich nicht in die Mailbox des Empfängers gelangt.
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Daher war auch eine Einvernahme der angebotenen Zeugen nicht angezeigt. Denn in deren Wissen wird allein der Versand der Mitteilungen durch das Notariat gestellt. Dieser beweist wie oben dargelegt aber nicht den Zugang, auf den es vorliegend ankommt.
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Auch aus der Gesamtschau der Umstände, dass vorliegend weder Brief noch E-Mail zugegangen sein soll, folgt für das Gericht nicht der Beweis, dass tatsächlich ein Zugang bei der Beklagten erfolgt ist. Zu berücksichtigen war dabei, dass der Geschäftsführer der Beklagten in seiner Anhörung nachvollziehbar dargelegt hat, dass er erst durch die Inanspruchnahme durch einen Gerichtsvollzieher von der Kaufpreisfälligkeit erfahren hat. Auch sind von der Klageseite keinerlei Aufforderungen zur Kaufpreiszahlung gegenüber der Beklagten in der Zeit der zwischen Absendung durch das Notariat und Aufforderung durch den Gerichtsvollzieher bei der Beklagten vorgelegt, obwohl damit fast ein Jahr vergangen ist. Die Beklagte hat zudem unbestritten vorgetragen, dass über den Gerichtsvollzieher ebenfalls keinerlei Zinsen geltend gemacht wurden.
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Die Beklagte war daher auch nicht zur Vorlage ihres Posteingangs nach §§ 421 ff. ZPO zu verpflichten. Die Forderung der Kläger unterliegt dabei einem Zirkelschluss, wenn sie vorträgt, dass die Beklagte die Fälligkeitsmitteilung als Geschäftsunterlage aufbewahren muss. Dazu muss diese ja zunächst bei der Beklagten eingegangen sein.
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Auch die nicht nachgelassenen Schriftsätze der Kläger haben keine Veranlassung zum Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung gegeben. Das persönliche Erscheinen der Kläger war bereits angeordnet, sie sind dennoch nicht zum Termin erschienen.
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Über die Hilfswiderklage und die hilfsweise Aufrechnung war aufgrund der Klageabweisung nicht zu entscheiden.
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Die Kostenfolge ergibt sich aus § 91 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.