Titel:
Unzulässige Verfassungsbeschwerde gegen die gerichtliche Ablehnung der Bestellung eines Notanwalts
Normenketten:
BV Art. 3 Abs. 1 S. 1, Art 91 Abs. 1, Art. 118
BayVfGHG Art. 51 Abs. 1 S. 2
ZPO § 321a Abs. 2 S. 3
Leitsätze:
1. Zugunsten des Antragstellers einer Anhörungsrüge ist anzunehmen, dass er von einer formlos übermittelten Entscheidung nicht vor dem in § 321a Abs. 2 S. 3 ZPO genannten Zeitpunkt Kenntnis erlangt hat. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der Rüge eines Verstoßes gegen Art. 91 Abs. 1 BV muss im Rahmen der Substanziierungspflicht aus Art. 51 Abs. 1 S. 1 VfGHG auch dargelegt werden muss, welche Folgen sich bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs für die Entscheidung ergeben hätten (Anschluss an BVerfG BeckRS 2023, 40740). (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Unzulässige Verfassungsbeschwerde gegen Entscheidungen im Zusammenhang mit der Ablehnung der Bestellung eines Notanwalts (§ 78 b ZPO) in einem zivilge- richtlichen Verfahren., Anhörungsrüge, Zugang einer formlos übermittelten Entscheidung, Verfassungsbeschwerde, Begründungsanforderungen, Notanwalt
Vorinstanzen:
OLG München, Beschluss vom 10.03.2023 – 7 W 1216/22
OLG München, Beschluss vom 08.09.2022 – 7 W 1216/22
LG München I, Beschluss vom 06.07.2022 – 6 O 11737/21
LG München I vom -- – 6 O 11737/21
Fundstelle:
BeckRS 2025, 26067
Tenor
1. Die Verfassungsbeschwerde wird abgewiesen.
2. Dem Beschwerdeführer wird eine Gebühr von 1.000 € auferlegt.
Entscheidungsgründe
1
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Beschlüsse des Oberlandesgerichts München vom 8. September 2022 und 10. März 2023 Az. 7 W 1216/22, mit denen die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers gegen die erstinstanzliche Ablehnung der Bestellung eines Notanwalts zurückgewiesen und nachfolgend eine Anhörungsrüge sowie eine Gegenvorstellung verworfen wurden.
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1. Der Beschwerdeführer ist Mitglied einer Wohnungsbaugenossenschaft. Am 31. August 2021 reichte er ohne rechtsanwaltliche Vertretung beim Landgericht München I eine Klage gegen diese ein, mit der er einen Beschluss der Generalversammlung vom 31. Juli 2021 anfocht sowie die Wiedereröffnung und Fortsetzung der Generalversammlung beantragte. Gleichzeitig beantragte der Beschwerdeführer, ihm gemäß § 78 b ZPO einen Notanwalt zu bestellen.
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Das Landgericht München I lehnte den letztgenannten Antrag mit Beschluss vom 6. Juli 2022 Az. 6 O 11737/21 ab. Zur Begründung führte es u. a. aus, die Voraussetzungen einer Beiordnung gemäß § 78 b Abs. 1 ZPO seien nicht erfüllt. Das Nichtauffinden eines Rechtsanwalts im Sinn dieser Bestimmung setze das erfolglose Aufwenden zumutbarer Anstrengungen durch die Partei voraus, einen vertretungsbereiten Rechtsanwalt zu mandatieren. Die entsprechenden Bemühungen seien substanziiert vorzutragen und nachzuweisen. Daran fehle es hier. Darüber hinaus seien die Bemühungen auch nicht ausreichend gewesen. Die vom Beschwerdeführer getroffene Auswahl von elf Sozietäten sei nicht genügend, um den Anforderungen des § 78 b Abs. 1 ZPO gerecht zu werden. In diesem Zusammenhang falle insbesondere ins Gewicht, dass sich der Beschwerdeführer nicht rechtzeitig um die Mandatierung eines Rechtsanwalts bemüht habe. Er habe hiermit erst am 24. August 2021 begonnen. Zu diesem Zeitpunkt seien bereits mehr als drei Wochen seit der Generalversammlung vom 31. Juli 2021 verstrichen gewesen. Der Ablauf der Monatsfrist gemäß § 51 Abs. 1 Satz 2 Genossenschaftsgesetz (GenG) habe binnen Ablauf einer weiteren Woche bevorgestanden. Dem Beschwerdeführer wäre es ohne Weiteres möglich und zumutbar gewesen, rechtzeitig professionellen Rechtsrat einzuholen, um die Erfolgsaussichten einer weiteren Rechtsverfolgung einschätzen zu können.
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2. Hiergegen legte der Beschwerdeführer sofortige Beschwerde ein, der das Landgericht mit Beschluss vom 22. August 2022 nicht abhalf und die das Oberlandesgericht München anschließend mit dem angegriffenen Beschluss vom 8. September 2022 als unbegründet zurückwies. Die Ablehnung der Bestellung eines Notanwalts werde jedenfalls getragen von der Erwägung des Landgerichts, dass der Beschwerdeführer ein erfolgloses Bemühen um einen vertretungsbereiten Rechtsanwalt nicht hinreichend dargetan habe. Seine Schilderung, er habe sich bei insgesamt elf Kanzleien vergeblich um eine Vertretung bemüht, würde an sich für die Annahme eines erfolglosen Bemühens ausreichen; die Rechtsprechung verlange in der Regel die Ansprache von vier bis fünf Kanzleien. Solle der angesprochene Anwalt jedoch eine fristgebundene Sache vertreten (hier: Wahrung der Frist des § 51 Abs. 1 Satz 2 GenG), genüge die Ansprache des Anwalts am letzten Tag der Frist nicht, weil dann damit zu rechnen sei, dass jeder Anwalt das Mandat wegen mangelnder Vorbereitungszeit ablehnen werde (hierzu nahm das Oberlandesgericht insbesondere auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 25. August 2014 Az. 8 AZN 226/14 (A) Bezug). Der Beschwerdeführer habe nach seinem eigenen Vortrag neun der elf Kanzleien erst am letzten Tag der Frist angesprochen. Damit verblieben zwei Kanzleien, die der Beschwerdeführer so rechtzeitig angesprochen habe, dass er mit einer Mandatsübernahme zumindest habe rechnen können. Dies sei angesichts der Vielzahl der in München zugelassenen Rechtsanwälte zu wenig, um davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer einen vertretungsbereiten Rechtsanwalt nicht habe finden können. Soweit der Beschwerdeführer sich darauf berufe, dass er einige Zeit für die Überlegung gebraucht habe, ob er überhaupt gegen den Beschluss der Generalversammlung vorgehen wolle, sei darauf hinzuweisen, dass die Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG, § 51 Abs. 1 Satz 2 GenG nach der typisierten Vorstellung des Gesetzgebers für den Aktionär oder Genossen ausreichend bemessen sei, um sich zur Inanspruchnahme von Rechtsschutz zu entschließen und einen Anwalt zu mandatieren und zu instruieren.
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3. Die vom Beschwerdeführer hiergegen erhobene Anhörungsrüge und Gegenvorstellung verwarf das Oberlandesgericht mit dem ebenfalls angegriffenen Beschluss vom 10. März 2023 als unzulässig. Die Begründung der Anhörungsrüge zeige lediglich, dass der Beschwerdeführer die Rechtsauffassung des erkennenden Einzelrichters nicht teile, lege aber nicht dar, worin eine Verletzung rechtlichen Gehörs liegen solle. Eine Gegenvorstellung gegen eine die Instanz abschließende Entscheidung sei nicht statthaft.
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1. a) Mit der am 15. November 2022 eingegangenen Verfassungsbeschwerde trägt der Beschwerdeführer vor, der Beschluss des Oberlandesgerichts vom 8. September 2022 sei ihm in einem Briefkuvert mit dem Poststempel 12. September 2022 übermittelt worden. Er habe den Brief am 16. September 2022 in seinem Briefkasten vorgefunden, an den drei Tagen zuvor sei er abwesend gewesen und habe daher keine Post entnommen. Die Entscheidung über die Beiordnung oder Nichtbeiordnung eines Notanwalts sei für den Beschwerdeführer von existenzieller Bedeutung. Angesichts des äußerst angespannten Wohnungsmarkts in München bestehe für ihn zwar nicht die Zwangsläufigkeit, aber eine sehr große Gefahr der Obdachlosigkeit. Obdachlosigkeit sei sowohl ein Verstoß gegen die Menschenwürde (Art. 100 BV) als auch ein Widerspruch zur „Absichtsbestimmung“ des Art. 106 BV.
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Die entscheidende Problematik liege darin begründet, dass das Bundesmeldegesetz maximal eine Hauptwohnung kenne und eine Wohnung bereits dann als Hauptwohnung angemeldet werden müsse, wenn man darin „innerhalb eines Zeitraums von mehr als sechs Monaten […] mit der relativen Mehrheit der Zeitmomente zusammen mit einem anderen Einwohner“ lebe. Durch den Mehrheitsbeschluss der Generalversammlung vom 31. Juli 2021 habe sich die Wohnungsbaugenossenschaft eine Satzung gegeben, welche die Nutzung einer Wohnung als Zweitwohnung als unvereinbar mit der Treuepflicht gegenüber der Genossenschaft festlege. Dagegen wehre sich der Beschwerdeführer in dem zugrundeliegenden Rechtsstreit. Im Hinblick auf die in Art. 100 BV festgeschriebene Orientierung an der Menschenwürde und das Grundrecht der freien Entfaltung der Persönlichkeit, konkretisiert als Möglichkeit, mit einem anderen Menschen eine gemeinsame Zeit innerhalb der Wohnung zu verbringen, sei es angezeigt, dass der Bayerische Verfassungsgerichtshof ermögliche, dass der Rechtsstreit dem Rechtsstaatsprinzip gemäß geführt werden könne, also letztlich von der Fachgerichtsbarkeit die Beiordnung eines Notanwalts angeordnet werde. Obdachlosigkeit würde dem Beschwerdeführer dann drohen, wenn er „in einer eventuell gegebenen Entwicklung seiner Lebensverhältnisse, zuerst seine Wohnung bei der Genossenschaft aufgrund einer Satzungsregelung und dann darauffolgend, eine eventuell vorhandene Mitwohngelegenheit bei einem anderen Menschen/Einwohner aufgrund einer Beendigung des Mitwohnangebots, verlieren würde“.
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Der Beschluss des Oberlandesgerichts vom 8. September 2022 verstoße als willkürliche Gerichtsentscheidung sowohl gegen das in Art. 3 Abs. 1 BV festgeschriebene Rechtsstaatsprinzip als auch das in Art. 118 Abs. 1 BV festgeschriebene Gleichheitsprinzip. Es wäre die Pflicht des Landgerichts München I und dann des Oberlandesgerichts München im Verfahren der sofortigen Beschwerde gewesen, die vom Beschwerdeführer benannten Zeugen B. und V. vom DMB Mieterverein M. e. V. zu vernehmen. Im Absehen hiervon liege ein Verstoß gegen die Gewährung rechtlichen Gehörs.
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Der Beschluss stütze sich ausschließlich auf die vom Einzelrichter vorgenommene Disqualifikation von Mandatsanbahnungsbemühungen des Beschwerdeführers. Dabei behaupte der Einzelrichter des Oberlandesgerichts mit einem „Vergleichshinweis“ auf eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, dass hierzu eine ständige höchstrichterliche Rechtsprechung vorliege, welche es gestatte, am letzten Tag der Frist vorgenommene Mandatsanbahnungsbemühungen zu disqualifizieren. Bei einer genaueren Analyse der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts und der weiteren angegebenen Fundstelle werde aber deutlich, dass dem nicht so sei. Der angegriffene Beschluss sei aufzuheben und die Sache an die Fachgerichtsbarkeit zurückzuverweisen, da die Angelegenheit in Bezug auf die Erhebung der Klage unproblematisch gewesen sei. Eine umfassende Begründung der Klage wäre am 31. August 2021 noch nicht unbedingt beizufügen gewesen. Ein Antrag auf Fristgewährung bezüglich der Begründung wäre ausreichend gewesen. Daraus ergebe sich, dass eine Vorbereitungszeit für den Anwalt keinesfalls erforderlich gewesen sei. Die angesprochenen Rechtsanwälte hätten die Übernahme des Mandats auch nicht wegen einer mangelnden Vorbereitung abgelehnt, sondern wegen genereller Arbeitsüberlastung, Urlaubs oder mangelnder Erfahrung im Gesellschaftsrecht bzw. Unionsrecht.
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b) Mit Schreiben vom 25. Mai 2023, eingegangen am selben Tag, rügt der Beschwerdeführer unter Vorlage des angegriffenen Beschlusses des Oberlandesgerichts München vom 10. März 2023, der ihm am 25. März 2023 zugegangen sei, die Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 91 Abs. 1 BV).
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Hätte der Einzelrichter des Oberlandesgerichts den präzisen Vortrag des Beschwerdeführers bezüglich der Mandatsanbahnungsversuche in der sofortigen Beschwerde und in der Anhörungsrüge ausreichend gewürdigt, also rechtliches Gehör gewährt, hätte er der sofortigen Beschwerde oder der Anhörungsrüge entsprechen müssen. „[B]ereits die Berücksichtigung des e-mail Verkehrs mit RA G. (25.08.2021 und 26.08.2021) und die Bemühungen der Herren B. und V. am 25.08.2021 und 26.08.2021 [wären] ausreichend gewesen […], selbst dann, wenn man die These, man könne die Bemühungen am letzten Tag des Fristablaufs disqualifizieren, teilen würde“. Denn die genannten Herren vom Mieterverein M. hätten nach Aussage von Herrn V. gegenüber dem Beschwerdeführer am 26. August 2021 eine ganze Reihe von Anwälten kontaktiert, bis sie schließlich fündig geworden seien. Es wäre die Pflicht des Landgerichts und des Oberlandesgerichts gewesen, diese wichtigen Zeugen einzuvernehmen.
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c) Mit Schreiben vom 11. Juli 2023 hat der Beschwerdeführer seinen Vortrag ergänzt. Unter anderem trägt er in diesem Schreiben vor, der Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 25. August 2014 habe einen extremen Einzelfall betroffen. Eine höchstrichterlich etablierte Rechtsprechung, welche Mandatsanbahnungsbemühungen am letzten Tag pauschal disqualifiziere, existiere nicht. Das Oberlandesgericht hätte nach § 574 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 ZPO die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zulassen müssen. Der Instanzenzug sei rechtsstaatswidrig und willkürlich um eine Instanz verkürzt worden.
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d) In der Folgezeit hat der Beschwerdeführer über 100 weitere Schreiben eingereicht, mit denen er fortlaufend Fristverlängerungen beantragt und jeweils mitgeteilt hat, er arbeite an einer weiteren schriftlichen Einlassung, die bei Eingang berücksichtigt werden solle.
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2. Das Bayerische Staatsministerium der Justiz hält die Verfassungsbeschwerde für unzulässig, im Übrigen jedenfalls für unbegründet.
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Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.
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1. Hinsichtlich des angegriffenen Beschlusses des Oberlandesgerichts vom 10. März 2023 ist die Verfassungsbeschwerde schon deshalb unzulässig, weil der Beschwerdeführer hierdurch nicht eigenständig beschwert ist. Eine die Nachholung des rechtlichen Gehörs ablehnende Entscheidung (hier nach § 321 a ZPO) schafft regelmäßig keine eigenständige Beschwer, sondern lässt allenfalls eine durch die Ausgangsentscheidung eingetretene Verletzung des rechtlichen Gehörs fortbestehen, indem die „Selbstkorrektur“ durch die Fachgerichte unterbleibt (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 2.10.2013 VerfGHE 66, 179/186; vom 4.10.2018 BayVBl 2019, 769 Rn. 14; vom 6.6.2024 – Vf. 24-VI-23 – juris Rn. 30). Etwas anderes kommt nur in Betracht, wenn der Beschluss über die Anhörungsrüge dazu führt, dass bereits der Zugang zum Anhörungsrügeverfahren mit nicht tragfähiger Begründung versagt wird (vgl. VerfGH vom 19.9.2024 BayVBl 2025, 86 Rn. 31; vom 18.2.2025 – Vf. 39-VI-24 – juris Rn. 19; BVerfG vom 14.3.2007 NJW 2007, 2241/2242; vom 26.2.2008 NJW 2008, 2167 Rn. 17; vom 29.4.2025 NJW 2025, 2455 Rn. 21 m. w. N.). Dass diese Voraussetzungen hier vorliegen könnten, ist weder substanziiert dargelegt noch sonst ersichtlich. Soweit mit dem Beschluss auch die Gegenvorstellung des Beschwerdeführers verworfen wurde, erwächst hieraus für den Beschwerdeführer ebenfalls keine eigenständige Beschwer (vgl. VerfGH vom 16.11.2018 – Vf. 23-VI-16 – juris Rn. 20 m. w. N.).
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2. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts vom 8. September 2022 richtet, ist zwar zugunsten des Beschwerdeführers davon auszugehen, dass sie fristgerecht erhoben worden ist (unten a)). Die Verfassungsbeschwerde ist aber deshalb unzulässig, weil sie nicht den Begründungsanforderungen des Art. 51 Abs. 1 Satz 1 VfGHG genügt (unten b)).
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a) Ist hinsichtlich des Beschwerdegegenstands ein Rechtsweg zulässig, ist die Verfassungsbeschwerde nach Art. 51 Abs. 2 Satz 2 VfGHG spätestens zwei Monate nach der schriftlichen Bekanntgabe der vollständigen letztgerichtlichen Entscheidung an den Beschwerdeführer beim Verfassungsgerichtshof einzureichen.
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Diese Frist beginnt grundsätzlich erst mit der Bekanntgabe der Entscheidung über die Anhörungsrüge, wenn eine solche im fachgerichtlichen Verfahren erhoben wird. Die Entscheidung über die Anhörungsrüge ist für den Beginn der Verfassungsbeschwerdefrist aber dann nicht maßgeblich, wenn sie offensichtlich unzulässig war, was der Verfassungsgerichtshof eigenständig und ohne Bindung an die Entscheidung des Fachgerichts prüft (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 28.10.2020 – Vf. 41-VI-20 – juris Rn. 21 m. w. N.; vom 25.1.2021 – Vf. 4-VI-20 – juris Rn. 17; vom 20.4.2021 BayVBl 2021, 516 Rn. 30; vom 23.2.2022 - Vf. 81-VI-20 – juris Rn. 34). Eine offensichtlich unzulässige Anhörungsrüge gehört nämlich nicht zum Rechtsweg, weil sich sonst für den Beschwerdeführer die Möglichkeit ergeben würde, durch Einlegung eines solchen Rechtsbehelfs den Ablauf der mit der letztinstanzlichen Entscheidung in Gang gesetzten Frist zu verhindern (VerfGH BayVBl 2021, 516 Rn. 30; vom 23.2.2022 – Vf. 81-VI-20 – juris Rn 35; vgl. auch BVerfG vom 14.5.2007 – 1 BvR 730/07 – juris Rn. 10; vom 21.4.2013 – 1 BvR 423/11 – juris Rn. 8 f.). Die vom Beschwerdeführer zusammen mit der Anhörungsrüge erhobene Gegenvorstellung zählt nicht zum Rechtsweg, der vor der Einlegung einer Verfassungsbeschwerde grundsätzlich zu beschreiten ist, sodass dieser gesetzlich nicht geregelte Rechtsbehelf die Verfassungsbeschwerdefrist nicht offenhalten oder neu eröffnen kann (VerfGH vom 29.10.1976 BayVBl 1977, 177; vom 3. Juli 2020 – Vf. 50-VI-19 – juris Rn. 13 m. w. N.; BVerfG vom 25.11.2008 BVerfGE 122, 190/198 ff.).
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Die im Ausgangsverfahren erhobene Anhörungsrüge wäre offensichtlich unzulässig gewesen, wenn der Beschwerdeführer tatsächlich – wovon das Oberlandesgericht bei deren Verwerfung ausgegangen ist – im Gewand der Anhörungsrüge nur die Richtigkeit der vorangegangenen Entscheidung beanstandet hätte (vgl. BVerfG vom 19.6.2019 – 2 BvR 2492/18 – juris). Diese Frage kann hier jedoch offenbleiben. Denn es ist zugunsten des Beschwerdeführers davon auszugehen, dass er die Verfassungsbeschwerdefrist bereits dadurch gewahrt hat, dass er die ursprüngliche Verfassungsbeschwerde vom 15. November 2022 gemäß Art. 51 Abs. 2 Satz 2 VfGHG innerhalb von zwei Monaten nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses vom 8. September 2022 erhoben hat.
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Maßgebend für die Bekanntgabe einer – wie hier – formlos übermittelten Entscheidung ist der Zugang der Entscheidung, der dann gegeben ist, wenn diese so in den Herrschaftsbereich des Empfängers gelangt ist, dass mit der Kenntnisnahme zu rechnen ist. Auf die tatsächliche Kenntnisnahme kommt es dabei nicht an (vgl. bezogen auf die Frist des § 93 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG BVerfG vom 9.4.2008 – 2 BvR 454/08 – juris Rn. 2; Hömig in Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge/Hömig, BVerfGG, § 93 Rn. 9). Wann der Einwurf des Beschlusses vom 8. September 2022 in den Briefkasten des Beschwerdeführers erfolgt ist, lässt sich nicht feststellen. Nach der Regelung des § 321 a Abs. 2 Satz 3 ZPO in der hier maßgeblichen, bis zum 31. Dezember 2024 gültigen Fassung gelten formlos mitgeteilte Entscheidungen mit dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben (seit 1. Januar 2025 mit dem vierten Tag). Diese Fiktion bezieht sich zwar nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur auf den Beginn der Jahresfrist des § 321 a Abs. 2 Satz 2 ZPO (vgl. zu § 78 Abs. 2 Satz 3 ArbGG BVerfG vom 4.4.2007 NJW 2007, 2242/2244). Zugunsten des Antragstellers einer Anhörungsrüge ist aber anzunehmen, dass er von einer formlos übermittelten Entscheidung nicht vor dem in § 321 a Abs. 2 Satz 3 ZPO genannten Zeitpunkt Kenntnis erlangt hat (vgl. Bacher in BeckOK ZPO, § 321 a Rn. 32 und 34). Es erscheint sachgerecht, in einer Konstellation wie der vorliegenden auf diesen Grundsatz auch im Hinblick auf den möglichen Fristbeginn der Verfassungsbeschwerde zurückzugreifen. Bei einer Aufgabe des angegriffenen Beschlusses vom 8. September 2022 zur Post ausweislich des Poststempels am 12. September 2022 ist somit von einer Bekanntgabe dieser Entscheidung an den Beschwerdeführer nicht vor dem 15. September 2022 auszugehen, sodass die Einlegung der Verfassungsbeschwerde am 15. November 2022 – unabhängig von der Frage, ob die vom Oberlandesgericht als unzulässig verworfene Anhörungsrüge die Frist des Art. 51 Abs. 2 Satz 2 VfGHG offenhalten konnte – fristgerecht erfolgte.
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b) Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie den Begründungsanforderungen des Art. 51 Abs. 1 Satz 1 VfGHG nicht genügt.
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Nach dieser Bestimmung sind in der Verfassungsbeschwerde die Handlung oder Unterlassung der Behörde, gegen die sich der Beschwerdeführer wendet, und das verfassungsmäßige Recht, dessen Verletzung der Beschwerdeführer geltend macht, zu bezeichnen. Der die behauptete Grundrechtsverletzung enthaltende Vorgang muss vollständig und nachvollziehbar dargelegt werden, sodass der Verfassungsgerichtshof in die Lage versetzt wird, ohne Rückgriff auf die Akten des Ausgangsverfahrens zu prüfen, ob der geltend gemachte Verfassungsverstoß nach dem Vortrag des Beschwerdeführers zumindest möglich erscheint. Die Verfassungsbeschwerde muss aus sich heraus verständlich sein (VerfGH vom 2.2.1966 VerfGHE 19, 14/15; vom 22.7.2019 – Vf. 64-VI-16 – juris Rn. 14; vom 16.7.2020 – Vf. 69-VI-17 – juris Rn. 19; vom 20.9.2022 – Vf. 1-VI-22 – juris Rn. 29; vom 4.1.2023 BayVBl 2023, 194 Rn. 19 m. w. N.). Die bloße Behauptung, eine gerichtliche oder behördliche Entscheidung sei unrichtig oder fehlerhaft, genügt den Anforderungen an die Begründung einer Verfassungsbeschwerde nicht (ständige Rechtsprechung; VerfGH vom 14.2.2006 VerfGHE 59, 47/51; vom 22.12.2020 – Vf. 15-VI-19 – juris Rn. 15 m. w. N.).
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Darüber hinaus setzt eine aus sich heraus verständliche und nachvollziehbare Darlegung eines Grundrechtsverstoßes voraus, dass sich der Beschwerdeführer mit dem Inhalt der angegriffenen Entscheidung auseinandersetzt (VerfGH vom 24.10.2017 – Vf. 9-VI-17 – juris Rn. 40; vom 20.3.2018 BayVBl 2019, 207 Rn. 14 m. w. N.). Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung, bedarf es in der Regel einer ins Einzelne gehenden argumentativen Auseinandersetzung mit ihr und ihrer Begründung (VerfGH vom 10.12.2019 - Vf. 50-VI-18 – juris Rn. 22; vom 16.11.2021 – Vf. 51-VI-20 – juris Rn. 33; vom 9.2.2022 – Vf. 62-VI-20 – juris Rn. 35; BVerfG vom 10.11.2015 NJW 2016, 1505 Rn. 9; vom 28.3.2019 – 2 BvR 2432/18 – juris). Die in der Verfassungsbeschwerdeschrift zu erbringende Begründungsleistung kann weder durch die Vorlage von Anlagen noch durch deren Hineinkopieren in den Text der Verfassungsbeschwerde ersetzt werden (VerfGH BayVBl 2018, 34 Rn. 20; vom 19.9.2024 – Vf. 62-VI-23 – juris Rn. 6 m. w. N.). Es ist nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofs, aufgrund eines undifferenzierten Verweises auf die Anlagen den verfassungsrechtlich relevanten Sachverhalt und die daraus hergeleitete Verletzungsrüge selbst zu ermitteln (vgl. VerfGH vom 16.11.2023 – Vf. 48-VI-22 – juris Rn. 28; vom 6.6.2024 – Vf. 24-VI-23 – juris Rn. 34; vom 19.9.2024 – Vf. 40-VI-22 – juris Rn. 35).
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Zudem muss sich aus der Begründung der Verfassungsbeschwerde ergeben, dass die angefochtene Entscheidung möglicherweise auf dem angeblichen Verstoß gegen die Bayerische Verfassung beruht. Eine den Betroffenen beschwerende Verletzung verfassungsmäßiger Rechte durch eine gerichtliche Entscheidung liegt nur dann vor, wenn nicht auszuschließen ist, dass die Entscheidung anders und für den Betroffenen günstiger ausgefallen wäre, wenn der Verfassungsverstoß unterblieben wäre (VerfGH vom 28.9.1973 VerfGHE 26, 118/123; vom 19.4.1989 VerfGHE 42, 54/64; vom 12.6.2025 – Vf. 16-VI-22 – juris Rn. 32 m. w. N.).
26
Den dargestellten Substanziierungspflichten muss der Beschwerdeführer innerhalb der Zweimonatsfrist des Art. 51 Abs. 2 Satz 2 VfGHG genügen. Nach Ablauf dieser Frist kann er die Beschwerdebegründung zwar noch in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht ergänzen; er kann aber nicht mehr fehlende notwendige Bestandteile der Verfassungsbeschwerde nachschieben (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 9.8.2021 – Vf. 111-VI-20 – juris Rn. 41; vom 6.6.2024 – Vf. 24-VI-23 – juris Rn. 36, jeweils m. w. N.). Insbesondere kann der Beschwerdeführer die Verfassungsbeschwerde nicht mit einem neuen selbstständigen Sachvortrag begründen (VerfGH vom 21.2.2018 – Vf. 54-VI-16 – juris Rn. 37; vom 14.1.2025 BayVBl 2025, 372 Rn. 31).
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Diesen Substanziierungsanforderungen wird die Verfassungsbeschwerde nicht gerecht.
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aa) Weder die ursprüngliche Verfassungsbeschwerde vom 15. November 2022 noch der nach Verwerfung der Anhörungsrüge eingereichte Schriftsatz vom 25. Mai 2023 enthalten eine in sich geschlossene und aus sich heraus verständliche Darstellung des maßgeblichen Sachverhalts. Dieser, der Verfahrensgang sowie die den angegriffenen Beschluss des Oberlandesgerichts vom 8. September 2022 tragende Begründung lassen sich vielmehr in nachvollziehbarer Weise nur aus den umfangreich vorgelegten Anlagen herleiten. Ohne Berücksichtigung der Anlagen, auf die im Text der Verfassungsbeschwerde auch nicht im Einzelnen Bezug genommen wird, ist nicht erkennbar, woraus der Beschwerdeführer die gerügten Verfassungsverstöße herleitet. Schon allein deshalb entspricht die Verfassungsbeschwerde nicht den Zulässigkeitsanforderungen des Art. 51 Abs. 1 Satz 1 VfGHG (vgl. VerfGH vom 20.9.2022 – Vf. 1-VI-22 – juris Rn. 34).
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bb) Unabhängig davon enthält die Verfassungsbeschwerde auch keine ausreichend substanziierte Grundrechtsrüge.
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Der Verfassungsgerichtshof überprüft gerichtliche Entscheidungen nur in engen Grenzen. Er ist kein Rechtsmittelgericht; es ist nicht seine Aufgabe, fachgerichtliche Entscheidungen dahingehend zu kontrollieren, ob die tatsächlichen Feststellungen zutreffen oder ob die Gesetze richtig ausgelegt und angewandt wurden. Im Rahmen der Verfassungsbeschwerde beschränkt sich die Prüfung vielmehr auf die Frage, ob die Gerichte gegen Normen der Bayerischen Verfassung verstoßen haben, die ein subjektives Recht des Beschwerdeführers verbürgen. Ist die angefochtene Entscheidung – wie hier – unter Anwendung von Bundesrecht ergangen, das wegen seines höheren Rangs nicht am Maßstab der Bayerischen Verfassung überprüft werden kann, beschränkt sich die Prüfung darauf, ob das Gericht willkürlich gehandelt, also gegen Art. 118 Abs. 1 BV verstoßen hat. In verfahrensrechtlicher Hinsicht überprüft der Verfassungsgerichtshof Entscheidungen, die in einem bundesrechtlich geregelten Verfahren ergangen sind, bei entsprechender Rüge auch daraufhin, ob ein Verfahrensgrundrecht der Bayerischen Verfassung verletzt wurde, das, wie das Recht auf rechtliches Gehör gemäß Art. 91 Abs. 1 BV, mit gleichem Inhalt im Grundgesetz gewährleistet ist (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 26.6.2013 VerfGHE 66, 94/96 ff.; vom 24.8.2022 – Vf. 9-VI-21 – juris Rn. 49; vom 19.9.2024 BayVBl 2025, 86 Rn. 50; vom 12.6.2025 – Vf. 16-VI-22 – juris Rn. 37, jeweils m. w. N.).
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(1) Ausgehend von diesem Prüfungsmaßstab ist die Rüge eines Verstoßes gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) als solches schon deshalb unzulässig, weil dieses Prinzip keine subjektiven verfassungsmäßigen Rechte verbürgt, sondern objektives Verfassungsrecht beinhaltet, auf dessen Verletzung eine Verfassungsbeschwerde nicht gestützt werden kann (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 18.3.2020 BayVBl 2020, 372 Rn. 37; vom 24.8.2022 – Vf. 9-VI-21 – juris Rn. 50; vom 29.11.2022 – Vf. 5-VI-22 – juris Rn. 39). Gleiches gilt für die Absätze 1 und 2 des vom Beschwerdeführer pauschal erwähnten Art. 106 BV (Abs. 1: „Jeder Bewohner Bayerns hat Anspruch auf eine angemessene Wohnung“; Abs. 2: „Die Förderung des Baues billiger Volkswohnungen ist Aufgabe des Staates und der Gemeinden“), die nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs für den Einzelnen kein Grundrecht oder grundrechtsgleiches Recht verbürgen (vgl. zu Art. 106 Abs. 1 BV VerfGH vom 12.7.1962 VerfGHE 15, 49/50 ff.; vom 18.12.1992 – Vf. 93-VI-90 – juris Rn. 17; vom 24.8.2023 BayVBl 2023, 806 Rn. 44; zu Art. 106 Abs. 2 BV VerfGH vom 15.5.1992 – Vf. 38-VI-90 – juris Rn. 15; vom 16.7.2020 VerfGHE 73, 154 Rn. 76).
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(2) Die Möglichkeit einer Verletzung des Willkürverbots ist nicht substanziiert dargelegt.
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Willkürlich im Sinn des Art. 118 BV ist eine gerichtliche Entscheidung nur dann, wenn sie bei Würdigung der die Verfassung beherrschenden Grundsätze nicht mehr verständlich ist und sich der Schluss aufdrängt, sie beruhe auf sachfremden Erwägungen. Die Entscheidung dürfte unter keinem Gesichtspunkt rechtlich vertretbar erscheinen, sie müsste schlechthin unhaltbar, offensichtlich sachwidrig, eindeutig unangemessen sein (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 7.2.2019 – Vf. 60-VI-17 – juris Rn. 30; vom 30.10.2019 – Vf. 52-VI-18 – juris Rn. 26; BayVBl 2025, 86 Rn. 53; vom 12.6.2025 – Vf. 16-VI-22 – juris Rn. 38).
34
Dass diese Voraussetzungen hier vorliegen könnten, zeigt die Verfassungsbeschwerde nicht auf. Der angegriffene Beschluss des Oberlandesgerichts vom 8. September 2022 wird darin zwar als willkürlich bezeichnet, eine nachvollziehbare Begründung für diese Behauptung lässt sich der Verfassungsbeschwerde jedoch nicht ansatzweise entnehmen.
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Das Oberlandesgericht hat die angegriffene Entscheidung vom 8. September 2022 maßgeblich darauf gestützt, der Beschwerdeführer habe sich deshalb nicht hinreichend um die Findung eines vertretungsberechtigten Rechtsanwalts bemüht, weil er neun der insgesamt elf von ihm angeführten Kanzleien erst am letzten Tag der Frist des § 51 Abs. 1 Satz 2 GenG angesprochen habe. Die Auffassung, dass die Ansprache von Rechtsanwälten erst am Tag des Fristablaufs kein ausreichendes Bemühen darstellt, steht in Einklang mit der vom Oberlandesgericht zutreffend zitierten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG vom 25.8.2014 NJW 2015, 1712 Rn. 4) und der Kommentarliteratur (vgl. Althammer in Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 78 b Rn. 4; Becker in Anders/Gehle, ZPO, 83. Aufl. 2025, § 78 b Rn. 5). Sie beruht auf der Überlegung, dass die Partei die für die Bestellung eines Notanwalts nach § 78 b ZPO erforderliche Notsituation nicht selbst geschaffen haben darf (vgl. Althammer a. a. O.). Inwiefern diese Auslegung und Anwendung des § 78 b ZPO, deren einfachrechtliche Richtigkeit der Verfassungsgerichtshof nicht zu überprüfen hat, schlechthin unhaltbar, offensichtlich sachwidrig oder eindeutig unangemessen sein könnte, legt der Beschwerdeführer in keiner Weise dar. Sein Einwand, die vom Oberlandesgericht herangezogene Rechtsprechung betreffe einen „extremen Einzelfall“ und sei vorliegend nicht einschlägig, weil im konkreten Fall die Erhebung der Klage auch noch bei einer Mandatsübernahme am letzten Tag der Frist des § 51 Abs. 1 Satz 2 GenG unproblematisch möglich gewesen wäre, ist bereits einfachrechtlich nicht nachvollziehbar. Soweit der Beschwerdeführer meint, ein Rechtsanwalt hätte die Klage – verbunden mit einem Fristverlängerungsantrag – sofort nach der Mandatsübernahme ohne Vorbereitungszeit einreichen können, verkennt er u. a., dass es sich bei der Klagefrist des § 51 Abs. 1 Satz 2 GenG um eine zwingende materielle Ausschlussfrist handelt, die weder durch Parteivereinbarung noch durch das Gericht verlängert werden kann. Anfechtungsgründe, die innerhalb dieser Frist nicht in ihrem wesentlichen tatsächlichen Kern in den Prozess eingeführt wurden, können nicht nachgeschoben werden (vgl. zum Ganzen Schöpflin in Beuthien, Genossenschaftsgesetz, 16. Aufl. 2018, § 51 Rn. 28; Fandrich in Pöhlmann/Fandrich/Bloehs, Genossenschaftsgesetz, 4. Aufl. 2012, § 51 Rn. 16; Geibel in Henssler/Strohn, Genossenschaftsgesetz, 6. Aufl. 2024, § 51 Rn. 14 m. w. N.).
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(3) Mangels zulässiger Willkürrüge kommt eine Überprüfung der angegriffenen, auf der Anwendung von Bundesrecht beruhenden Entscheidung am Maßstab der weiteren in der Verfassungsbeschwerde erwähnten materiellen Grundrechte der Bayerischen Verfassung, also der Menschenwürde (Art. 100 BV), des Grundrechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 101 BV), des Rechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 106 Abs. 3 BV) und des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art. 118 Abs. 1 BV), von vornherein nicht in Betracht.
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(4) Auch die Möglichkeit einer Verletzung des Grundrechts auf rechtliches Gehör (Art. 91 Abs. 1 BV) hat der Beschwerdeführer nicht in der gebotenen substanziierten Weise aufgezeigt. Sein diesbezüglicher Vortrag in der Verfassungsbeschwerde vom 15. November 2022 und im weiteren Schreiben vom 25. Mai 2023 reicht nicht aus, um den verfassungsrechtlich relevanten Sachverhalt aus sich heraus erfassen zu können.
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Soweit der Beschwerdeführer rügt, die Zeugen B. und V. hätten vernommen werden müssen, fehlen Ausführungen dazu, wann, auf welche Weise und zu welchem konkreten Thema deren Vernehmung im Ausgangsverfahren beantragt wurde. In rechtlicher Hinsicht setzt sich der Beschwerdeführer nicht damit auseinander, ob für die von ihm für erforderlich gehaltene Beweisaufnahme überhaupt Raum war, insbesondere vor dem Hintergrund, dass ein substanziierter Antrag nach § 78 b ZPO erfordert, dass die Partei die Rechtsanwälte, bei denen sie sich erfolglos um eine Mandatsübernahme bemüht hat, konkretisieren und namentlich benennen muss (vgl. BGH vom 16.2.2004 NJW-RR 2004, 864; Toussaint in Münchener Kommentar zur ZPO, 7. Aufl. 2025, § 78 b Rn. 10 m. w. N.).
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Darüber hinaus setzt eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör stets voraus, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Verletzung des Art. 91 Abs. 1 BV beruht (vgl. VerfGH vom 25.1.2002 – Vf. 81-VI-00 – juris Rn. 31), sodass bei der Rüge eines Verstoßes gegen Art. 91 Abs. 1 BV im Rahmen der Substanziierungspflicht aus Art. 51 Abs. 1 Satz 1 VfGHG auch dargelegt werden muss, welche Folgen sich bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs für die Entscheidung ergeben hätten (vgl. zu § 92 BVerfGG, Art. 103 Abs. 1 GG BVerfG vom 28.12.2023 – 1 BvR 2033/23 – juris Rn. 11 m. w. N.). Dem Schreiben vom 25. Mai 2023 lässt sich in diesem Zusammenhang lediglich entnehmen, „die Bemühungen der Herren B. und V. am 25.08.2021 und 26.08.2021 [wären] ausreichend gewesen“, denn diese hätten „eine ganze Reihe von Anwälten kontaktiert, bis sie schließlich fündig geworden sind“. Dieser Vortrag reicht zur Darlegung der Entscheidungserheblichkeit der behaupteten Gehörsverletzung nicht aus. Denn der Beschwerdeführer zeigt nicht in nachvollziehbarer Weise auf, weshalb das Oberlandesgericht auf der Grundlage seines der angegriffenen Entscheidung zugrundeliegenden Rechtsstandpunkts das – nicht näher konkretisierte – „Kontaktieren“ verschiedener, weder nach Zahl noch nach Namen bezeichneter Anwälte durch die beiden genannten Mitarbeiter des Mietervereins im Vorfeld der dann erfolgten Benennung der Kanzlei A. & C. gegenüber dem Beschwerdeführer so hätte behandeln müssen, als hätte sich der Beschwerdeführer selbst rechtzeitig bei weiteren als den vom Oberlandesgericht berücksichtigten beiden Kanzleien A. & C. sowie S. um die Übernahme des konkreten Mandats bemüht.
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Das nicht näher erläuterte Vorbringen des Beschwerdeführers, das Oberlandesgericht habe seinen Schriftsatz vom 12. August 2022 „bezüglich des e-mail Verkehrs mit Herrn RA G. vom 25.08.2021 und 26.08.2021“ nicht ausreichend gewürdigt, stellt schon deshalb keine aus sich heraus verständliche und nachvollziehbare Darlegung eines möglichen Verstoßes gegen Art. 91 Abs. 1 BV dar, weil der Inhalt des Schriftsatzes vom 12. August 2022 und des genannten E-Mail-Verkehrs in der Verfassungsbeschwerde (einschließlich des Schreibens vom 25. Mai 2023) selbst nicht wiedergegeben wird. Erst aus einer Anlage zum Schreiben vom 25. Mai 2023 ergibt sich, dass Rechtsanwalt G. auf eine Anfrage des Beschwerdeführers vom 25. August 2021, 20:46 Uhr, am 26. August 2021, 8:05 Uhr, antwortete, er befinde sich im Urlaub und könne daher die Anfrage bzw. den Fall nicht übernehmen. Darüber hinaus legt der Beschwerdeführer auch diesbezüglich nicht dar, inwiefern ein Übergehen des entsprechenden Vortrags im Ausgangsverfahren entscheidungserheblich gewesen sein könnte. Da das Oberlandesgericht davon ausgegangen ist, ein hinreichendes Bemühen um die Findung eines vertretungsberechtigten Rechtsanwalts erfordere die rechtzeitige Ansprache von vier bis fünf Kanzleien, wäre die Mindestzahl vier auch dann nicht erreicht, wenn das Oberlandesgericht neben den Kanzleien A. & C. und S. als dritte Kanzlei auch Rechtsanwalt G. berücksichtigt hätte. Eine Entscheidungserheblichkeit der Nichterwähnung des Rechtsanwalts G. in dem Beschluss vom 8. September 2022 ist somit nicht erkennbar.
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3. Da nach Ablauf der Verfassungsbeschwerdefrist des Art. 51 Abs. 2 Satz 2 VfGHG, die hier – unterstellt, die Anhörungsrüge war nicht offensichtlich unzulässig – spätestens am 25. Mai 2023 endete, bis dahin fehlende notwendige Bestandteile der Verfassungsbeschwerde nicht mehr nachgeschoben werden können (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 9.8.2021 – Vf. 111-VI-20 – juris Rn. 41; vom 20.9.2022 – Vf. 1-VI-22 – juris Rn. 48 m. w. N.), vermögen die Ausführungen des Beschwerdeführers im Schreiben vom 11. Juli 2023 an der Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde von vornherein nichts zu ändern. Dahingestellt bleiben kann daher, ob der in diesem Schreiben erstmals erfolgte Vortrag, durch die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof habe das Oberlandesgericht den Instanzenzug willkürlich verkürzt, die sinngemäße Rüge einer Verletzung des Anspruchs auf den gesetzlichen Richter (Art. 86 Abs. 1 Satz 2 BV) darstellt. Abgesehen von ihrer Verspätung wäre diese Rüge zudem ebenfalls unsubstanziiert.
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4. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer weiteren Vortrag angekündigt und hierfür bis zuletzt fortlaufend Fristverlängerungen beantragt hat, hindert den Verfassungsgerichtshof nicht an einer Entscheidung. Der angekündigte Vortrag war nicht abzuwarten, da er – wie ausgeführt – wegen der längst abgelaufenen Verfassungsbeschwerdefrist die bestehende Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde nicht mehr beseitigen könnte.
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Es ist angemessen, dem Beschwerdeführer eine Gebühr von 1.000 € aufzuerlegen (Art. 27 Abs. 1 Satz 2 VfGHG).