Inhalt

VG München, Beschluss v. 29.08.2025 – M 5 E 25.4628
Titel:

Vorbereitungsdienst, Zweifel an der charakterlichen Eignung, Beurteilungsspielraum, Verschweigen psychischer Vorerkrankung, Falschangabe in Fragebogen

Normenketten:
VwGO § 123
GG Art. 33 Abs. 2
BeamtStG § 9
Schlagworte:
Vorbereitungsdienst, Zweifel an der charakterlichen Eignung, Beurteilungsspielraum, Verschweigen psychischer Vorerkrankung, Falschangabe in Fragebogen
Fundstelle:
BeckRS 2025, 26039

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 9.588,06 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
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Der 2003 geborene Antragsteller begehrt, dass sein Bewerbungsverfahren zur Einstellung in den Vorbereitungsdienst für den Polizeivollzugsdienst fortgeführt wird.
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Der Antragsteller bewarb sich am … September 2024 um die Einstellung in den Vorbereitungsdienst für den Polizeivollzugsdienst in Bayern. Mit Schreiben vom … April 2025 teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit, dass das Bewerbungsverfahren eingestellt werden müsse, da der Antragsteller nach den Feststellungen des Ärztlichen Dienstes der Bayerischen Polizei polizeidienstuntauglich sei. Hiergegen legte der Antragsteller am … April 2025 Widerspruch ein, über den – soweit ersichtlich – noch nicht entschieden worden ist.
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Mit Schreiben vom … Mai 2025 begründete der Ärztliche Dienst der Bayerischen Polizei seine Einschätzung gegenüber dem Antragsteller. Die Polizeidienstuntauglichkeit stütze sich im Wesentlichen auf eine beim Antragsteller im Jahr 2015 diagnostizierte Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADS)-Erkrankung, die nicht leitliniengerecht therapiert worden sei. Zudem fehle dem Antragsteller die charakterliche Eignung für den Polizeivollzugsdienst, da er im Bewerbungsverfahren unwahre bzw. unvollständige Angaben dergestalt gemachte habe, dass er auf die Frage nach einer möglichen gegenwärtigen oder früheren regelmäßigen Medikamenteneinnahme oder einer möglichen gegenwärtigen oder früheren psychischen Störung mit,,Nein‘‘ geantwortet habe.
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Der Bevollmächtigte des Antragstellers hat für diesen beim Verwaltungsgericht Bayreuth am … Juli 2025 einen Antrag auf Anordnung einer einstweiligen Verfügung gestellt. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 28. Juli 2025 ist die Verwaltungsstreitsache an das Verwaltungsgericht München verwiesen worden. Der Antragsteller hat beantragt,
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der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, das Bewerbungsverfahren des Antragstellers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts fortzuführen.
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Ein Anordnungsgrund bestehe, da wirksamer Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren nicht zu erreichen sei, da dem Antragsteller bei einem Verweis auf das Hauptsacheverfahren, auf Grund der Dauer der Verfahren, unzumutbare Nachteile drohen würden. Auch ein Anordnungsanspruch sei gegeben. Die Feststellung der Polizeidienstuntauglichkeit sei rechtsfehlerhaft erfolgt, da diese nicht auf Grund einer hinreichenden Tatsachenbasis erfolgt sei. Der Ärztliche Dienste der Bayerischen Polizei vermute lediglich, dass die ADS-Störung nicht vollständig austherapiert worden sei und daher möglicherweise noch besteht oder rezidivierend sein könnte. Fachärztlich sei bestätigt dass, die benannte Störung indes vielmehr vollständig ausgeheilt sei. Auch die charakterliche Nichteignung sei zu Unrecht angenommen worden. Hinsichtlich der zunächst fehlenden Angaben hinsichtlich der Einnahme von Medikamenten und dem Vorliegen einer psychischen Erkrankung in der Vergangenheit sei beim Antragsteller mithin vielmehr von allenfalls leichter Fahrlässigkeit respektive der mutmaßlichen Ansicht seinerseits auszugehen, dass es sich hierbei um keine relevanten Informationen infolge der zwischenzeitlichen Ausheilung der ehemaligen ADS-Diagnose aus dem Jahre 2015 handele. Die zurückliegende medizinische Behandlung sei dem Antragsteller nicht mehr gegenwärtig gewesen, was vor dem Hintergrund des stabilen gesundheitlichen Gesamtbildes und der unauffälligen aktuellen Befundlage nicht verwundere.
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Der Antragsgegner hat mit Schriftsatz vom 18. August 2025 beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Unter Berücksichtigung der Unterlagen der Fachärztin – die vom Antragsteller vorgelegt worden sind – sei bei konkreten Hinweisen aus der Krankheitsvorgeschichte auf das Vorliegen (früherer) Gesundheitsstörungen aus dem Formenkreis der psychischen Störungen und Verhaltensstörungen die Ausheilung der Krankheitsbilder nicht hinreichend nachgewiesen.
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Auch scheide eine Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Widerruf aus, da der Antragsteller charakterlich ungeeignet sei. Von Beamten der Bayerischen Polizei werde Offenheit und gesetzestreues Verhalten zur Gewährleistung einer möglichst reibungslosen Zusammenarbeit erwartet. Dabei sei ein korrektes und rechtskonformes Verhalten unabdingbar. Dies gelte vor allem auch unter Beachtung des Ansehens der Bayerischen Polizei in der Öffentlichkeit. Der Antragssteller habe eine mehrjährige kinder- und jugendpsychiatrische Behandlung im Rahmen der expliziten Fragestellung bei der online-Bewerbung nicht angegeben. Auch im Fragebogen anlässlich der polizeiärztlichen Untersuchung am … Februar 2025 sei der Sachverhalt zunächst nicht angegeben worden. Erst auf explizite Nachfrage der untersuchenden Ärztin sei der Sachverhalt offenbart worden und der Antragsteller habe Befundberichte nachgereicht. Der Antragssteller habe offensichtlich ein anderes Bild von Aufrichtigkeit und Rechtschaffenheit als der Antragsgegner, weshalb er charakterlich nicht geeignet sei.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die Gerichtsakte und Behördenakte verwiesen.
II.
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Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist unbegründet.
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1. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht – ggfs. auch schon vor Klageerhebung – eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 des § 123 Abs. 1 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, notwendig erscheint, um insbesondere wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. § 123 Abs. 1 VwGO setzt daher sowohl einen Anordnungsgrund, d.h. ein Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes in Form der Gefährdung eines eigenen Individualinteresses, als auch einen Anordnungsanspruch voraus, d.h. die bei summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage hinreichende Aussicht auf Erfolg oder zumindest auf einen Teilerfolg des geltend gemachten Begehrens in der Hauptsache. Die Antragstellerpartei hat die hierzu notwendigen Tatsachen glaubhaft zu machen.
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2. Der Antragsteller hat bereits das Vorliegen eines Anordnungsanspruches nicht glaubhaft gemacht.
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Denn der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Fortführung des Einstellungsverfahrens in der Hauptsache. Bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung erweist sich die Prognose des Dienstherrn hinsichtlich der charakterlichen Nichteinigung als rechtlich nicht zu beanstanden. Wobei unerheblich ist, dass diese Prognose nicht bereits im Schreiben vom ... April 2025 erfolgte, sondern erst durch das Schreiben des Ärztlichen Dienstes der Bayerischen Polizei vom … Mai 2025, ergänzt durch die Ausführung im Schriftsatz vom … August 2025, denn im Hinblick auf den Anordnungsanspruch ist derselbe Zeitpunkt maßgeblich, auf den in der Hauptsache abzustellen ist. Das ist in den Hauptsacheverfahren, deren Sicherung das Verfahren gemäß § 123 dient, der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
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a) Rechtsgrundlage für die Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Widerruf sind Art. 33 Abs. 2 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland – Grundgesetz (GG), § 9 des Gesetzes zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern – Beamtenstatusgesetz (BeamtStG), § 5 Abs. 1 der Verordnung über die Fachlaufbahn Polizei und Verfassungsschutz (FachV-Pol/VS). Eine Einstellung setzt unter anderem die Eignung voraus, wozu auch die charakterliche Eignung als Unterfall der persönlichen Eignung gehört (BVerwG, B.v. 20.7.2016 – 2 B 18.16 – juris Rn. 26). Zur Ablehnung der Einstellung genügen bereits berechtigte Zweifel des Dienstherrn daran, ob der Beamte die erforderliche charakterliche Eignung besitzt (BVerwG, B.v. 20.7.2016 – 2 B 18.16 – juris Rn. 25 f.).
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Ob die vom Antragsgegner festgestellten Umstände von hinreichendem Gewicht sind, um bei vernünftiger Würdigung begründete Mängel an der Eignung des Bewerbers auszulösen, ist von den Gerichten nachprüfbar, da insoweit ein objektiver, allgemeinen Bewertungsgrundsätzen entsprechender Maßstab anzulegen ist. Dabei dürfen die aus den zu berücksichtigenden tatsächlichen Umständen gezogenen Schlussfolgerungen nicht nur theoretisch möglich sein, sondern sie müssen auch ernsthaft vertretbar sein (BAG, U.v. 5.8.1982 – 2 AZR 1136/79 – juris Rn. 26 m.w.N.). Aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes hat das Gericht die Richtigkeit des entscheidungserheblichen Sachverhalts von Amts wegen unter Berücksichtigung allgemeinverbindlicher Würdigungsgrundsätze, zu denen die gesetzmäßige Beschaffung der Entscheidungsgrundlagen, die allgemeinen Auslegungsgrundsätze (§§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches/BGB), die allgemeinen Erfahrungssätze und die Denkgesetze gehören (BVerwG, U.v. 27.11.1980 – 2 C 38/79 – juris Rn. 38), unter Berücksichtigung der Besonderheit der Eilbedürftigkeit eines Eilrechtschutzverfahrens zu überprüfen.
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Dagegen steht der Einstellungsbehörde bei der von ihr anzustellenden Gesamtabwägung (vorausschauende Prognose), ob unter Berücksichtigung der belastenden wie der entlastenden Umstände und der persönlichen Glaubwürdigkeit des Bewerbers die charakterliche Eignung vorliegt, ein Beurteilungsspielraum zu, der vom Gericht nur beschränkt überprüfbar ist. Gerichtlich nachprüfbar ist insoweit nur, ob die Einstellungsbehörde bei ihrer Entscheidung alle wesentlichen festgestellten Umstände des Einzelfalles berücksichtigt und sachgerecht gewichtet hat, ob sie allgemeingültige Bewertungsgrundsätze beachtet hat oder ob sie sich von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen und ob sie ihre Entscheidung in einem fehlerfreien Verfahren getroffen hat (BVerwG, B.v. 22.5.1975 – 2 BvL 13/73 – juris Rn. 50). Es bedarf einer sorgfältigen Zukunftsprognose, welche dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen muss. Die Prognose entspricht nur dann dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, wenn die Behörde alle belastenden und entlastenden Umstände im Einzelfall ausreichend gewürdigt hat. Hierbei ist eine angemessene Gewichtung der einzelnen Beurteilungselemente unabdingbar (BVerwG, U.v. 27.11.1980 – 2 C 38/79 – juris Rn. 40).
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b) Die Einschätzung der Einstellungsbehörde, der Antragsteller sei auf Grund bestehender Zweifel an seiner charakterlichen Eignung ungeeignet, eine Tätigkeit als Polizeibeamter auszuüben, fußt auf einer hinreichenden und zutreffenden Tatsachengrundlage. Gegen die Prognosefeststellung selbst ist rechtlich nichts zu erinnern.
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aa) Der Antragsgegner geht von einer zutreffenden Tatsachengrundlage aus. Der ent-scheidungserhebliche Sachverhalt ist unter Berücksichtigung allgemeinverbindlicher Würdigungsgrundsätze, zu denen die gesetzmäßige Beschaffung der Entscheidungsgrundlagen, die allgemeinen Auslegungsgrundsätze (§§ 133, 157 BGB), die allgemeinen Erfahrungssätze und die Denkgesetze gehören (siehe Rn. 17), durch die Einstellungsbehörde zutreffend ermittelt worden.
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Im Schreiben des Ärztlichen Dienstes der Bayerischen Polizei vom … Mai 2025 sowie in ihrem Schriftsatz vom … August 2025 führt die Einstellungsbehörde aus, dass beim Antragssteller im Jahr 2015 kinder- und jugendpsychiatrische Diagnosen gestellt und von 2015 bis 2020 eine medikamentöse Behandlung durchgeführt worden ist. Der Antragssteller hat somit eine mehrjährige Kinder- und Jugendpsychiatrische Behandlung im Rahmen der expliziten Fragestellung bei der online-Bewerbung und auch in Fragebogen anlässlich der polizeiärztlichen Untersuchung am … Februar 2025 zunächst nicht angegeben. Erst auf explizite Nachfrage der untersuchenden Ärztin sei der Sachverhalt offenbart worden und der Antragsteller habe in Folge einen ärztlichen Befundbericht übersandt.
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bb) Die Beurteilung der Einstellungsbehörde, dass der Antragsteller charakterlich ungeeignet sei, ist – innerhalb des dem Dienstherrn zustehenden weiten Beurteilungspeilraums, welcher gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist (siehe Rn. 18) – rechtlich nicht zu beanstanden. Der Antragsgegner hat dies ohne Rechtsfehler damit begründet, dass der Antragsteller offensichtlich ein anderes Bild von Aufrichtigkeit und Rechtschaffenheit zeichne als der Antragsgegner. Weiter führt die Einstellungsbehörde aus, dass Offenheit und gesetzestreues Verhalten zur Gewährleistung einer möglichst reibungslosen Zusammenarbeit in einem sehr fordernden Dienstbetrieb bei der Bayerischen Polizei gewahrt werden müsse und dabei korrektes und rechtskonformes Verhalten unabdingbar sei. Dies gelte vor allem auch unter Beachtung des Ansehens der Bayerischen Polizei in der Öffentlichkeit.
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Der Einwand der Antragstellerpartei, dass der Antragsteller allenfalls Fahrlässigkeit vorzuwerfen sei, da er mittlerweile ausgeheilt sei und nicht mehr an die Erkrankung gedacht habe bzw. dass er davon ausgegangen sei, dass dies keine relevanten Informationen darstellen, da er ausgeheilt sei, bedingt nichts Anderes.
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Im Fragenbogen zur polizeiärztlichen Untersuchung füllte der Antragsteller in den Feldern 1.1.9 und 1.4 aus, dass er einen Schlüsselbeinbruch (im Jahr 2016) erlitten habe. In den Feldern 1.1.12 und 1.7 gibt er an, dass er ca. 2010 eine Lipomentfernung hatte. Auf Nachfrage der Ärztin ist vermerkt, dass die Lipomentfernung komplikationslos verlaufen sei. Diese beiden Erkrankungen liegen ebenfalls wie die psychiatrische Erkrankung einige Jahre in der Vergangenheit und sind ausgeheilt, dennoch hat der Antragsteller diese im Fragebogen angebenden.
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Die Frage Nr. 1.1.15 des Fragebogens (Blatt 2 der Behördenakte) lautet: „Leiden oder litten Sie an Krankheiten, Störungen oder Beschwerden: an psychiatrischen Erkrankungen, z.B. Depressionen, Zwängen, Angsterkrankungen, AD(H)S, Essstörungen?“ Laut vom Antragsteller vorgelegtem ärztlichen Befundbericht Dr. B.-M. (Anlage 6) wurde beim Antragsteller 2015 u.a. eine einfache Aktivitätsstörung- und Aufmerksamkeitsstörung diagnostiziert. Weiter ergibt sich aus dem Befundbericht, dass der Antragsteller von November 2015 bis Mai 2020 in einer ambulanten privatärztlichen kinder-/jugendpsychiatrischen Behandlung gewesen ist.
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Auch hat der Antragsteller eine Erklärung auf dem Fragebogen unterzeichnet die unter anderem wie folgt lautet: „Ich bin bereit, der untersuchenden Ärtzin/dem untersuchenden Arzt alle Umstände zu offenbaren, die für die Beurteilung meines Gesundheitszustandes bedeutsam sein können. Ich nehme zur Kenntnis, dass das Verschweigen früherer oder bestehender Krankheiten, Störungen oder Beschwerden die Entlassung aus dem Polizeivollzugsdienst nach sich ziehen kann.“
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Dem Antragsteller war – durch Unterzeichnung der Erklärung auf dem Fragebogen – bewusst, dass er alle Vorerkrankungen nennen muss und dass bei einer Falschangabe Konsequenzen drohen. Weiter ist die Erkrankung die der Antragsteller diagnostiziert bekommen hat, namentlich auf dem Fragebogen aufgeführt, sodass ein fahrlässiges Vergessen dieser Erkrankung sehr fernliegend erscheint. Zumal die nicht angegebene Erkrankung nicht unerheblich ist und der Antragsteller sich diesbezüglich mehr als vier Jahre in ambulanter Behandlung befunden hat.
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Der von der Einstellungsbehörde gezogene Schluss, dass dieser Sachverhalt – die bewusste Fehlangabe auf dem Fragebogen – ausreicht, um Zweifel an der charakterlichen Eignung zu begründen, hält der – nur eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung – wie oben dargestellt stand. Es steht eine Einstellung in ein Beschäftigungsverhältnis zum Antragsgegner im Raum, das grundsätzlich auf Lebenszeit angelegt ist. Daher hat ein Einstellungsbewerber alle Erkrankungen von sich aus offenzulegen, die ärztlich diagnostiziert und behandelt wurden. Die Einschätzung der daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen obliegt dem Amtsarzt.
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Daran ändert auch nicht, dass der Antragsteller im persönlichen Gespräch mit der Polizeiärztin die Erkrankung genannt hat und im Nachgang ärztliche Befundberichte vorgelegt hat. Zweifel an der charakterlichen Eignung können bereits dann bestehen, wenn der Bewerber im Rahmen des Auswahlverfahrens bewusst falsche Angaben macht, um sich im Einigungsauswahlverfahren in ein unberechtigt günstiges Licht zu stellen. Dies gilt selbst dann, wenn der Bewerber den Dienstherrn im Nachgang über die tatsächliche Sachlage aufklärt (OVG NW, B.v 18.10.2013 – 1 B 1131/13 – juris Rn. 18 zur Falschangabe bezüglich anhängiger polizeilicher, staatsanwaltlicher oder gerichtlicher Ermittlungsverfahren).
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Die Prognose entspricht auch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, da die Behörde alle belastenden und entlastenden Umstände im Einzelfall ausreichend gewürdigt hat. Die Behörde verkennt bei ihrer Prognoseentscheidung nicht, dass der Antragsteller im persönlichen Gespräch mit der Polizeiärztin die Erkrankung genannt hat und im Nachgang ärztliche Befundberichte vorgelegt hat. Diese Tatsachen sind in der Prognoseentscheidung im Schriftsatz vom … August 2025 ausdrücklich erwähnt.
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3. Ob der Antragsteller polizeidiensttauglich ist kann somit offenbleiben, da diese Frage nicht mehr entscheidungserheblich ist. Ebenso, ob ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht worden ist.
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4. Der Antragsteller hat als unterlegener Beteiligter nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
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5. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 53 Abs. 3 Nummer 1, § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 und 3, § 40 Gerichtskostengesetz (GKG). Die fiktiven Jahresbezüge inklusive jährlicher Sonderzahlung belaufen sich bei einem Anwärtergrundbetrag (A5 bis A8) von monatlich 1.509,93 EUR auf insgesamt 19.176,11 EUR, wovon die Hälfte 9.588,06 EUR beträgt. Eine weitere Halbierung kommt nicht in Betracht, weil das Rechtsschutzbegehren auf eine Vorwegnahme der Hauptsache – Fortführung des Bewerbungsverfahrens – gerichtet ist (Nr. 1.5 Satz 1 und 2 Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).