Titel:
Zugang einer Mitteilung an einem bevollmächtigten Empfangsvertreter einer Aktiengesellschaft als zutreffender Adressat
Normenketten:
AktG § 63
ZPO § 91a, § 93
Leitsätze:
Es ist nicht erforderlich, dass unmittelbarer Adressat einer Mitteilung nach § 67 Abs. 3 AktG der Vorstand der Aktiengesellschaft persönlich oder eine konkret mit der Führung des Registers betraute einzelne Hilfsperson ist. Vielmehr ist Voraussetzung, dass die Mitteilung wissentlich und willentlich der Gesellschaft zugeht. Der Zugang bei einem hierfür bevollmächtigten Empfangsvertreter (im vorliegenden Rechtsstreit beim Prozessvertreter) reicht aus. (Rn. 10 – 12)
Der Rechtsgedanke des § 93 ZPO ist auch im Rahmen der Billigkeitsentscheidung nach § 91a ZPO anzuwenden. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
ordnungsgemäße Mitteilung, Vorstand, Aufsichtsratstätigkeit, Hilfsperson, unmittelbarer Adressat, Eintragungsanspruch
Vorinstanz:
LG München II, Beschluss vom 14.11.2024 – 2 HK O 1583/24
Fundstellen:
ZIP 2025, 701
AG 2025, 280
NZG 2025, 418
BeckRS 2025, 2596
LSK 2025, 2596
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Landgerichts München II vom 14.11.2024, Az. 2 HK O 1583/24, in Ziff. 1 abgeändert und wie folgt gefasst:
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
1
Der Kläger begehrte mit seiner Klage gem. Schriftsatz vom 23.04.2024 die Änderung des Aktienregisters der Beklagten durch Eintragung seiner Person als neuem Inhaber von (weiteren) 576 Vorzugs- und 576 Stammaktien. Das Verfahren 1. Instanz endete aufgrund übereinstimmender Erledigterklärung der Parteien.
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Das Landgericht hat mit Ziff. 1 des Beschlusses vom 14.11.2024 gem. § 91a ZPO die Kostenaufhebung beschlossen (Bl. 245/253 der LG-Akte). Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstands und der rechtlichen Argumentation des Landgerichts werden die Beschlussgründe in Bezug genommen.
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Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner sofortigen Beschwerde vom 27.11.2024 und beantragt weiterhin, die Kosten des Verfahrens der Beklagten aufzuerlegen (Bl. 254/261 der LG-Akte).
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Die Beklagte beantragt,
die sofortige Beschwerde des Klägers und Beschwerdeführers vom 27. November 2024 gegen Ziff. 1 des Beschlusses des LG München II vom 14. November 2024, Az. 2 HK O 1583/24, zurückzuweisen.
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Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Beschluss vom 17.12.2024, Bl. 275/276 der LG-Akte).
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Wegen der Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien und auf die Entscheidungen des Landgerichts Bezug genommen.
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Die gem. § 91a Abs. 2, § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Die Kosten des Rechtsstreits sind gem. § 91a ZPO der Beklagten aufzuerlegen.
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1. Zur Entscheidung über die Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts ist der Senat in der Besetzung des § 122 Abs. 1 GVG berufen, da der angefochtene Beschluss durch die Vorsitzende der Kammer für Handelssachen gemäß § 349 Abs. 2 Nr. 6 ZPO nicht als Einzelrichterin im Sinne von § 568 Abs. 1 Satz 1 ZPO getroffen worden ist (BGH NJW 2004, 856; KG BeckRS 2016, 4641 Rn. 3).
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2. Nach § 91a Abs. 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen darüber zu entscheiden, wie die Kosten des Rechtsstreits zu verteilen sind. Ausschlaggebend ist hierbei insbesondere der ohne die Erledigterklärung zu erwartende Verfahrensausgang, wobei lediglich eine summarische Prüfung der jeweiligen Erfolgsaussichten erfolgen kann.
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2.1. Hiernach kann dahinstehen, ob die Klage im Zeitpunkt der Klageerhebung zulässig und begründet war. Denn nach Überzeugung des Senats konnte der Kläger jedenfalls nach Zugang des Schriftsatzes vom 31.07.2024 (Bl. 52 der LG-Akte) die Eintragung von der Beklagten beanspruchen.
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2.1.1. Die Beklagte kann nicht damit gehört werden, dass keine ordnungsgemäße Mitteilung i. S. d. § 67 Abs. 3 AktG vorliege, weil der vorbereitende Schriftsatz nicht an den geeigneten Adressaten gerichtet gewesen wäre. Zuzugeben ist der Beklagten, dass zu § 67 Abs. 3 AktG vertreten wird, dass eine zielgerichtete Mitteilung „an die Gesellschaft, und zwar an den Vorstand oder eine von ihm mit der Führung des Aktienregisters betraute Hilfsperson gefordert wird“ (BeckOGK/Cahn, 01.10.2024, AktG § 67 Rn. 74; siehe auch Hölters/Weber/Mayer/Albrecht vom Kolke, 4. Aufl. 2022, AktG § 67 Rn. 19). Nicht ausreichen soll es auf jeden Fall, wenn die Gesellschaft von Dritten von einem Übergang erfährt (BeckOGK/Cahn, 01.10.2024, AktG § 67 Rn. 88).
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Letzteres folgt klar aus dem Gesetzeswortlaut. Im Übrigen dürfen die genannten Literaturstellen aber nicht dahingehend missverstanden werden, dass nur der Vorstand persönlich oder eine konkret mit der Führung des Registers betraute einzelne Hilfsperson unmittelbarer Adressat der Mitteilung sein müssen. Vielmehr reicht es aus, dass die Mitteilung, auf die nach einhelliger Auffassung die allgemeinen Regeln über Willenserklärungen jedenfalls analog anwendbar sind (Heidel/Beneke/Illner, 6. Aufl. 2024, AktG § 67 Rn. 39; Koch, 18. Aufl. 2024, AktG § 67 Rn. 45; MüKoAktG/Bayer, 6. Aufl. 2024, AktG § 67 Rn. 109 [m.w.N. zum dogmatischen Streitstand zur Rechtsnatur]; Merkt in: Aktiengesetz Großkommentar, 5. Aufl. 2018, § 67 Eintragung im Aktienregister, juris Rn. 119; Wieneke in: Bürgers/Lieder, Aktiengesetz, 6. Auflage 2024, § 67 AktG, Rn. 39; Bezzenberger in: K. Schmidt/Lutter AktG, Kommentar, 5. Auflage 2024, § 67 AktG, Rn. 36), wissentlich und willentlich der Gesellschaft zugeht. Der Zugang bei einem Empfangsvertreter muss insofern selbstverständlich ausreichen, wie auch auf Aktionärsseite die Einschaltung von Vertretern oder Erklärungsboten allgemein für zulässig erachtet wird (siehe dazu BeckOGK/Cahn, 1.10.2024, AktG § 67 Rn. 79, Henssler/Strohn/Paul, 6. Aufl. 2024, AktG § 67 Rn. 18; Heidel/Beneke/Illner, 6. Aufl. 2024, AktG § 67 Rn. 39; Koch, 18. Aufl. 2024, AktG § 67 Rn. 45; MüKoAktG/Bayer, 6. Aufl. 2024, AktG § 67 Rn. 110, 119; Wieneke in: Bürgers/Lieder, Aktiengesetz, 6. Auflage 2024, § 67 AktG, Rn. 39; Bezzenberger in: K. Schmidt/Lutter AktG, Kommentar, 5. Auflage 2024, § 67 AktG, Rn. 36). Die Mitteilung an den Prozessvertreter als Empfangsvertreter der ausweislich des Rubrums durch den Vorstand vertretenen Beklagten reicht mithin aus, zumal dieser aufgrund der Betrauung mit dem vorliegenden Rechtsstreit, der ja gerade die Eintragung des Klägers betrifft, auch als Hilfsperson des Vorstands im Sinne der eingangs benannten (aber womöglich zu eng gefassten) Literaturzitate zu begreifen ist. Schließlich kann die Beklagte ebenso wenig wie bei schriftsätzlich abgegebenen empfangsbedürftigen Gestaltungserklärungen wie Prozessaufrechnungen, Anfechtungs- und Rücktrittserklärung einwenden, die Erklärung sei nicht in ihre Richtung abgegeben worden, weil es sich um einen Schriftsatz an das Gericht handle, der ihr nur anlässlich des Prozesses zur Kenntnis gelangt sei. Vor diesem Hintergrund wäre die Berufung der Beklagten auf eine fehlende Empfangszuständigkeit in der vorliegenden Fallgestaltung jedenfalls rechtsmissbräuchlich.
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2.1.2. Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass die in Anlage K13 übermittelte Vereinbarung zwischen dem Kläger und Frau T. unwirksam wäre.
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2.1.2.1. Dies dürfte bereits daraus folgen, dass sich die Beklagte durch die freiwillige Erfüllung des streitgegenständlichen Eintragungsanspruchs freiwillig in die Rolle des Unterlegenen begeben hat; in diesen Fallkonstellationen ist regelmäßig eine Kostentragung durch die Beklagte gerechtfertigt (BGH Beschluss vom 13.08.2024 – VIII ZR 255/21, BeckRS 2024, 23816 Rn. 10). Der Senat deutet das Verhalten bei der gebotenen summarischen Betrachtung als Hinnahme des klägerischen Rechtsstandpunktes zu § 134 BGB in Verbindung mit § 404 AktG, zumal die Eintragung unmittelbar auf die klägerische E-Mail vom 06.11.2024 (Anlage K36) folgte, in der die übrigen (nicht allesamt berechtigten, siehe oben Nr. 1.1) Kritikpunkte der Beklagten ausgeräumt wurden; die gegenteilige Beteuerung in der Beschwerdeerwiderung vom 13.12.2024 (S. 7/8; Bl. 272/273 der LG-Akte) mutet formelhaft an. Das kann letztlich aber offen bleiben.
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2.1.2.2. Der Senat sieht nämlich bei der gebotenen summarischen Würdigung des Sach- und Streitstands in materieller Hinsicht keine Bedenken gegen die Wirksamkeit der in Anlage K13 übermittelten Vereinbarung. Insbesondere ist der Vortrag der Beklagten zu einem vermeintlichen Verstoß des Klägers gegen § 404 Abs. 1 und 2 Satz 2 AktG nicht schlüssig vorgetragen. Es ist nicht nachvollziehbar, auf welche Weise der Kläger die behauptetermaßen während seiner Aufsichtsratstätigkeit erlangten Kenntnisse über den „tatsächlichen Wert“ der Aktien im Sinne des Straftatbestands „verwertet“ haben soll. Der Abschluss eines Vertrags, bei dem der Kläger diese Werte nach dem Vortrag der Beklagten gerade ignoriert haben soll, kann nicht als wirtschaftliches Nutzen der Kenntnisse, um sich oder einem Dritten dadurch einen Vermögensvorteil zu verschaffen (so die Definition, siehe MüKoStGB/Weiß, 4. Aufl. 2023, AktG § 404 Rn. 31) bezeichnet werden. Inwiefern der Kläger seine geheimen Kenntnisse über einen in Wahrheit vermeintlich höheren Wert dazu genutzt haben soll, zu bewirken, einen niedrigeren Preis (als ohne Kenntnis?) zu erreichen, erklärt die Beklagte nicht. Eine in Anlage B 26 unterstellte arglistige Täuschung zulasten der Verkäuferin ist unter Zugrundelegung des schriftsätzlichen Parteivortrags nicht schlüssig vorgetragen und wird im Prozess auch nicht geltend gemacht.
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2.2. Die von der Beklagten schlussendlich am 06.11.2024 vorgenommene Eintragung führt nicht dazu, dass die Kosten in Anwendung des Rechtsgedankens des § 93 ZPO gleichwohl dem Kläger aufzuerlegen wären. Der Rechtsgedanke des § 93 ZPO ist zwar auch im Rahmen der Billigkeitsentscheidung gem. § 91a ZPO von Belang (BGH NJW-RR 2006, 774 mwN). Überdies ist anzuerkennen, dass der Beklagte bei einer zunächst nicht schlüssigen oder sonst unbegründeten Klage trotz angezeigter Verteidigungsbereitschaft nach durch die Klagepartei entsprechend ergänztem Sachvortrag noch „sofort“ i.S.d. § 93 ZPO anerkennen kann. Indes war die freiwillige Herbeiführung des erledigenden Ereignisses in Gestalt der Eintragung am 06.11.2024 nicht rechtzeitig. Die Klage war mit Zugang der neuerlichen Mitteilung im Schriftsatz vom 31.07.2024 begründet (siehe oben Nr. 1). Nachdem die Beklagte zwischenzeitlich in der Duplik vom 07.10.2024 (Bl. 87 ff. der LG-Akte) die Klageforderung weiterhin negiert hatte, konnte sie nicht mehr „sofort“ anerkennen.
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3. Die Kostentragung umfasst auch die Kosten des erfolgreichen Beschwerdeverfahrens, die ebenfalls zu den Kosten des Rechtsstreits zählen, § 91 ZPO. Eines gesonderten Ausspruchs bedarf es insoweit nicht.
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4. Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, § 574 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 ZPO.