Titel:
Bundespolizei, statthafte Antragsart im vorläufigen Rechtsschutz, Eilrechtsschutz, Zurückweisung, Einreiseverweigerung, Zurückweisungshaft, Haftumstände
Normenketten:
AufenthG § 15
VwGO § 123
VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 52
FamFG § 422 Abs. 3
Schlagworte:
Bundespolizei, statthafte Antragsart im vorläufigen Rechtsschutz, Eilrechtsschutz, Zurückweisung, Einreiseverweigerung, Zurückweisungshaft, Haftumstände
Fundstelle:
BeckRS 2025, 25888
Tenor
Das Bayerische Verwaltungsgericht Bayreuth erklärt sich für örtlich unzuständig und verweist den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Bayerische Verwaltungsgericht München.
Gründe
1
Der Rechtsstreit ist nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 83 Satz 1 VwGO i. V. m. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG an das örtlich zuständige Verwaltungsgericht München zu verweisen.
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Die örtliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts München besteht vorliegend unabhängig davon, wie der gestellte Antrag auszulegen ist, beziehungsweise welcher Antrag vorläufigen Rechtsschutzes vorliegend statthaft ist.
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1. Der Antrag „wegen Abschiebestopp“ beziehungsweise auf einstweilige Unterlassung der Abschiebung des Antragstellers entspricht offensichtlich nicht dem Rechtsschutzbegehren des Antragstellers, da eine Abschiebung überhaupt nicht im Raum steht. Bei der gegenüber dem Antragsteller erlassenen „Einreiseverweigerung“ vom 18. Juli 2025 handelt es sich um eine Zurückweisung nach § 15 Abs. 1 AufenthG und damit um einen Verwaltungsakt. Dieser enthält sowohl eine Einreiseverweigerung als auch mit der Zielstaatbestimmung „Türkei“ eine Rückkehrentscheidung (ausführlich – auch zum europarechtlichen Hintergrund – VG München, B. v. 13.1.2025 – M 12 E 24.7265 – juris Rn. 17 ff.). Dem Antragsteller wurde daher die Einreise verweigert und er ist auch nicht „faktisch“ dadurch eingereist, dass er sich nun in der Abschiebehafteinrichtung in … befindet. Er befindet sich dort aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts … vom 18. Juli 2025 (Az.: …*) in Zurückweisungshaft nach § 15 Abs. 5 Satz 1 AufenthG. Aus diesem Grund steht er immer noch unter der Kontrolle der Grenzbehörde im Sinne des § 13 Abs. 2 Satz 2 AufenthG (vgl. VG München, B. v. 28.2.2019 – M 25 S 19.383 – juris Rn. 20 f.). Eine Abschiebung würde jedoch eine vorherige Einreise des Antragstellers in das Bundesgebiet voraussetzen.
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2. Welchen Antrag der Antragsteller vorliegend genau gestellt hat, kann das beschließende Gericht allerdings offenlassen, da in jedem Fall das Verwaltungsgericht München für die Entscheidung über den Antrag örtlich zuständig ist.
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a) Eine zwangsweise Rückkehr des Antragstellers in sein Heimatland stellte nach oben Dargelegtem einen Vollzug der erlassenen Zurückweisungsentscheidung dar. Bei der Zurückweisung handelt es sich um eine unaufschiebbare Polizeivollzugsmaßnahme, so dass ein möglicher Widerspruch des Antragstellers hiergegen nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO keine aufschiebende Wirkung hätte. Soweit der Antragsteller also eine vorläufige Aussetzung der Vollziehbarkeit dieser Maßnahme begehrt, wäre ein Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO zu stellen. Zuständig wäre dann nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO das Gericht der Hauptsache. In diesem Fall richtete sich die örtliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts nach § 52 Nr. 2 Satz 1 VwGO. Die Zurückweisung hat die Bundespolizeidirektion M. als handelnde Bundesbehörde erlassen, da der tatsächlich mit dem Antragsteller befassten Bundespolizeiinspektion … keine selbständige Behördeneigenschaft zukommt (vgl. § 57 Abs. 1 BPolG, § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 6 BPolZV; VG München, B. v. 8.8.2019 – M 18 E 19.32238 – NVwZ-RR 2020, 77 Rn. 14; BGH, B. v. 30.3.2010 – V ZB 79/10 – NVwZ 2010, 919 Rn. 7 -10). Auf ihren Sitz in München wäre in diesem Fall daher abzustellen.
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b) Soweit der Antrag auch „wegen … Einreiseverweigerung“ gestellt wurde und in der Begründung hauptsächlich auf die behauptete Rechtswidrigkeit der Einreiseverweigerung abgestellt wird, könnte er auch gemäß § 122 Abs. 1, § 88 VwGO als Antrag auf eine einstweilige Anordnung mit der Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Gestattung der Einreise des Antragstellers in das Bundesgebiet ausgelegt werden. Für dieses Rechtsschutzziel wäre eine Verpflichtungsklage statthaft, so dass vorläufiger Rechtsschutz nur mittels einstweiliger Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO durchgesetzt werden könnte (vgl. VG München, B. v. 28.2.2019 – M 25 S 19.383 – juris Rn. 16; B. v. 21.11.2024 – M 26b E 24.33644 – juris Rn. 18; Dollinger in BeckOK AuslR, 44. Ed. Stand 1.10.2024, § 15 AufenthG Rn. 68).
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Falls der Antragsteller sich wegen behaupteter fehlender Voraussetzungen für die Zurückweisungsentscheidung gegen seine Zurückweisungshaft wendet („Ingewahrsamnahme ist rechtswidrig“), so könnte er auch hiergegen verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz in Form einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Verpflichtung der Behörde zur Rücknahme des Haftantrags suchen (vgl. Dollinger a. a. O., Rn. 70), da das Amtsgericht bei Erlass der Zurückweisungshaft nur das Bestehen einer Zurückweisungsentscheidung prüft, nicht aber deren Rechtmäßigkeit. Gleiches gilt, soweit der Antragstellerbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 24. Juli 2025 erstmals die konkreten Haftumstände bemängelt und in Bezug auf diese weiter geltend macht, dass der Antragsteller unmittelbar aus der Haft zu entlassen sei, weil die Haftumstände die Haft insgesamt unverhältnismäßig machten.
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Auch soweit darin wenigstens ein Begehren auf Gewährung der als fehlend bemängelten medizinischen Versorgung liegen sollte, wäre für eine solche Verbesserung der Haftumstände ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu den Verwaltungsgerichten statthaft. Während die Anordnung der Zurückweisungshaft vorliegend dem Amtsgericht oblag, ist nach § 422 Abs. 3 FamFG die zuständige Behörde für den Vollzug und damit auch für die Ausgestaltung der Zurückweisungshaft zuständig. In diesen Fällen wäre nach § 123 Abs. 2 VwGO ebenfalls das Gericht der Hauptsache zuständig.
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In sämtlichen der angeführten Fälle eines Antrags auf einstweilige Anordnung richtete sich die örtliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts nach § 52 Nr. 5 VwGO. Richtige Antragsgegnerin wäre dann die Bundesrepublik Deutschland. Es kommt aber auch in diesem Fall auf den Sitz der Behörde an, die nach dem Begehren für den Staat handeln soll (BVerwG, U. v. 18.4.1985 – 3 C 34/84 – NJW 1985, 2774, 2275), also auf den Sitz der Bundespolizeidirektion M. .
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c) Eine Streitigkeit nach dem Asylgesetz im Sinne von § 52 Nr. 2 Satz 3 VwGO liegt nach Einschätzung des beschließenden Gerichts wegen der inmitten stehenden aufenthaltsrechtliche Maßnahme der Antragsgegnerin nach § 15 AufenthG nicht vor. Ohne dass es hier noch entscheidungserheblich darauf ankommt, weist das Gericht darauf hin, dass eine andere örtliche Zuständigkeit selbst dann nicht begründet wäre, wenn es sich vorliegend um eine asylrechtliche Streitigkeit im Sinne des § 52 Nr. 2 Satz 3 VwGO handelte. Eine asylrechtliche Zuweisungsentscheidung des Antragstellers ist nicht ersichtlich, da die Antragsgegnerin davon ausging, dass ein Asylgesuch nicht vorliege und der Antragsteller daher nach Erlass der Zurückweisungsentscheidung in Zurückweisungshaft nach § 15 Abs. 5 AufenthG genommen wurde. Auch dann richtete sich die gerichtliche Zuständigkeit wegen § 52 Nr. 2 Satz 3 Halbs. 2, Nr. 3 Satz 3 VwGO ebenfalls nach § 52 Nr. 5 VwGO und läge damit beim Verwaltungsgericht München. Eine abweichende Zuständigkeit nach § 52 Nr. 2 Satz 4 VwGO durch Rechtsverordnung nach § 83 Abs. 3 Satz 1 AsylG wäre nicht gegeben, da § 8d Nr. 3 ZustV hinsichtlich des Herkunftsstaates Türkei nur für den Bezirk des Verwaltungsgerichts Ansbach eine abweichende gerichtliche Zuständigkeit vorsieht.
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Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung des Gerichts vorbehalten, an das der Rechtsstreit verwiesen wurde (§ 83 Satz 1 VwGO i. V. m. § 17b Abs. 2 Satz 1 GVG).
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Dieser Beschluss ist gemäß § 83 Satz 2 VwGO unanfechtbar.