Titel:
Umzugskostenvergütungszusage aus Anlass der Einstellung
Normenketten:
BUKG § 3 Abs. 1 Nr. 1b, § 4 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 3
GG Art. 3 Abs. 1
BGB § 866
VwVfG § 48 Abs. 1 S. 1, S. 2, Abs. 4, § 51
VwGO § 91 Abs. 1, Abs. 2, § 113 Abs. 5
Leitsatz:
Eine Wohnung iSv § 10 Abs. 3 BUKG erfordert keine Eigentümer- oder Mieterstellung, sondern eine tatsächliche Verfügungsbefugnis. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Antrag auf Aufhebung einer bestandskräftigen Umzugskostenvergütungszusage aus Anlass der Einstellung, Wiederaufgreifen des Verfahrens, Im Alleineigentum stehende Wohnung der nichtehelichen Lebensgefährtin, Tatsächliche Verfügungsbefugnis ausreichend (nicht nur Mieter- oder Eigentümerstellung), Tatsächliche Umstände des Einzelfalls: gemeinsamer Lebensmittelpunkt, Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft, gemeinsame Haushaltsführung, Kostenbeteiligung, Anerkennung, Anspruch, Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung, Aufhebung, nichteheliche Lebensgemeinschaft, Trennungsgeld, Verwaltungsakt, Wohnung, Ermessensfehler, Klageänderung, Mitbesitz, Wohnungsbegriff, Rechtsschutzbedürfnis, begünstigend, Rücknahme, Umzugskostenvergütungszusage, Umzugskosten, Verfügungsbefugnis, Einstellung, Rechtskraft, Wiederaufgreifen, Verfahren, gemeinsame Haushaltsführung, Kostenbeteiligung
Fundstelle:
BeckRS 2025, 25883
Tenor
1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 04.01.2023 und des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2023 verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Aufhebung der mit Einstellungsverfügung vom 12.04.2021 erteilten Zusage der Umzugskostenvergütung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt die Aufhebung der ihm erteilten Umzugskostenvergütungszusage unter Anerkennung einer Wohnung i.S.v. § 10 Abs. 3 des Bundesumzugskostengesetzes (BUKG).
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Der Kläger wurde zum 01.09.2021 als Polizeimeisteranwärter im Beamtenverhältnis auf Widerruf in die Bundespolizei beim Bundespolizeiaus- und -fortbildungszentrum … (BPOLAFZ ...) eingestellt. Die Einstellungsabsicht wurde dem Kläger mit Schreiben vom 14.01.2021 mitgeteilt. Dabei wurde ihm auch ein Vordruck über die Anhörung zur Prüfung der Zusage der Umzugskostenvergütung übersandt. In diesem Vordruck hat der Kläger mit Datum vom 25.01.2021 angegeben, ohne eigene Wohnung im Sinne von § 10 Abs. 3 BUKG zu sein. Daher erfolgte die Einstellungsverfügung vom 12.04.2021 unter Zusage der Umzugskostenvergütung i.S.v. § 4 Abs. 1 Nr. 1 BUKG.
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Am 28.12.2022 zeigte der Kläger der Beklagten per E-Mail das Vorhandensein einer Wohnung gemäß § 10 Abs. 3 BUKG an und bat – „wegen Anspruch auf Trennungsgeld“ – um nachträgliche Anerkennung. Er sei seit Februar 2021 in der M …straße X., …B …, wohnhaft. Die Wohnung stehe im Eigentum seiner Lebenspartnerin, da er selbst keinen Kredit hierfür erhalten habe. Er beteilige sich jedoch an den laufenden Kosten. Hierzu legte er am 03.01.2023 den Kaufvertrag der Wohnung, eine Meldebestätigung der Stadt B … (Anmeldedatum: 21.12.2020, Einzugsdatum: 01.12.2020), einen Kontoauszug als Nachweis der Rundfunkbeitragszahlung für das erste Quartal 2023 sowie mehrere Kontoauszüge als Nachweise der geleisteten Zahlungen an seine Partnerin (monatlich in Höhe von ca. 200 Euro, die erste nachgewiesene Zahlung datiert vom 10.03.2021) vor.
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Mit Bescheid vom 04.01.2023 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Wohnung i.S.v. § 10 Abs. 3 BUKG ab. Dies begründete sie damit, dass der Kläger die Wohnung entgegen seiner Angabe nicht mit seiner Lebensgefährtin gekauft habe. Laut Kaufvertrag sei sie Alleineigentümerin der Wohnung. Die Entscheidung über die Zusage der Umzugskostenvergütung bleibe somit bestehen.
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Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 03.02.2023, eingegangen am 06.02.2023, Widerspruch ein und begründete diesen mit Schreiben vom 30.06.2023, eingegangen am 03.07.2023. Das Vorliegen einer Wohnung i.S.d. § 10 Abs. 3 BUKG beurteile sich nicht nach den Eigentumsverhältnissen; vielmehr könnten auch Mietwohnungen anerkannt werden. Der Kläger beteilige sich in nicht unerheblichem Umfang monatlich an den Kosten der Wohnung entsprechend einer Miete.
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Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 06.07.2023 zurückgewiesen. Grundsätzlich erfülle die vom Kläger angezeigte Wohnung in …B …, M …straße X., die Voraussetzungen einer Wohnung gemäß § 10 Abs. 3 BUKG, wonach eine Wohnung im Sinne des Absatzes 1 aus einer geschlossenen Einheit von mehreren Räumen, in der ein Haushalt geführt werden kann, darunter stets eine Küche oder ein Raum mit Kochgelegenheit, Wasserversorgung, Ausguss und Toilette, bestehe. Die Verwaltungsvorschrift zum Bundesumzugskostengesetz (BUKGVwV) führe aus, dass der Berechtigte nicht das ausschließliche (alleinige) Verfügungsrecht über die Wohnung haben müsse. Es genüge, wenn er sie mit anderen Personen gemeinsam gemietet habe. Hieraus lasse sich entnehmen, dass zumindest eine Mitberechtigung erforderlich sei (vgl. VG Regensburg, U.v. 13.03.2002 – RO 3 K 01.01681). Diese Mitberechtigung bestehe beim Kläger nicht. Es seien weder ein Mietvertrag noch ein Untermietvertrag vorhanden. Demnach bestehe für ihn kein Verfügungsrecht über die Wohnung im Sinne des § 10 Abs. 3 BUKG. So könnte die Eigentümerin der Wohnung, seine aktuelle Lebenspartnerin, diese ohne seine Zustimmung jederzeit vermieten oder verkaufen, sodass er auch jederzeit ausziehen müsste. Aus dem Bestehen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft mit der Wohnungseigentümerin selbst könne der Kläger kein nicht allein von deren Willen abhängiges Recht zum Besitz an der Wohnung ableiten. Eine ausreichende Verfügungsberechtigung an der Wohnung werde dem Kläger auch nicht durch die privaten Zahlungen an seine Lebenspartnerin eingeräumt. Die Leistung von Zahlungen und die tatsächliche Beteiligung an der gemeinsamen Haushaltführung führten nicht dazu, dass daraus dieselbe Rechtsposition wie für einen Mieter oder Untermieter entstehe. Ihrem Mandanten werde lediglich ein (aktuelles) Recht zur Mitbenutzung der Wohnung durch seine Partnerin eingeräumt.
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Der Kläger ließ mit Schriftsatz vom 08.08.2023, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth eingegangen am selben Tag, Klage erheben und in der mündlichen Verhandlung am 13.05.2025 beantragen,
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 04.01.2023 und des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2023 verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Aufhebung der mit Einstellungsverfügung vom 12.04.2021 erteilten Zusage der Umzugskostenvergütung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
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Zur Begründung wurde vorgetragen, dass die vom Kläger mit seiner Lebensgefährtin bewohnte Wohnung in …B …, M …straße X., räumlich und baulich die von § 10 BUKG geforderten Merkmale erfülle. Der Kläger zahle monatlich einen Betrag in Höhe von 200,00 Euro an seine Partnerin. Der Betrag erfolge quasi als Miete bzw. Beteiligung an Unterhalt, Nebenkosten etc. Grundsätzlich sei zwischen den Beteiligten die Gewährung von Trennungsgeld streitig, welches im Verfahren B 5 K 23.81 verfolgt werde. Hierzu sei die Anerkennung der Wohnung im Sinne von § 10 Abs. 3 BUKG eine Vorfrage. Mit Schriftsatz vom 15.02.2024 reichte der Kläger eine Erklärung seiner Lebensgefährtin vom 02.02.2024 ein. Diese lautet auszugsweise: „Seit Dezember 2020 bewohnen mein Lebensgefährte und ich gemeinsam die Wohnung in der M …straße X. in …B … Die Wohnung habe ich erworben, aber mein Lebensgefährte beteiligt sich seit dem Einzug im Dezember 2020 monatlich mit 200,00 Euro an den anfallenden Kosten. Darüber hinaus beteiligt sich … auch sonst bei Anschaffungen und Dingen des täglichen Lebens.“
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Auf richterlichen Hinweis vom 17.01.2024, worauf Bezug genommen wird, nahm die Beklagtenseite mit Schriftsatz vom 27.03.2024 Stellung und beantragte,
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Der Kläger begehre die Stattgabe (bzw. Neuverbescheidung) seines Antrags vom 03.01.2023 auf Aufhebung der Zusage der Umzugskostenvergütung unter Aufhebung des Bescheids vom 12.04.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.07.2023. Die Klage sei betreffend das Begehr der Aufhebung der streitgegenständlichen Bescheide zulässig, allerdings könne der Kläger die Aufhebung der Umzugskostenvergütungszusage (bzw. die Neuverbescheidung seines diesbezüglichen Antrags vom 03.01.2023) nicht beanspruchen. Eine Rücknahme der Umzugskostenvergütungszusage gemäß § 48 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) komme nicht in Betracht, da diese nicht rechtswidrig sei. Sie verstoße nicht gegen § 4 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 10 Abs. 3 BUKG i.V.m. Nr. 10.3 BUKGVwV und wurde damit zu Recht erteilt. Die mit Einstellungsverfügung vom 12.04.2021 erteilte Umzugskostenvergütungszusage sei aufgrund der Angaben des Klägers erfolgt, an denen aus Sicht der Beklagten zu diesem Zeitpunkt kein Grund zu Zweifeln bestanden habe. Erstmalig am 03.01.2023 – mithin fast zwei Jahre nach der Zusage der Umzugskostenvergütung – habe der Kläger das angebliche Vorhandensein einer Wohnung i.S.d § 10 Abs. 3 BUKG seit dem 01.12.2020 in …B …, M …straße X. gegenüber der Beklagten angezeigt. Unstreitig sei, dass die vom Kläger benannte Wohnung die Voraussetzungen des Wohnungsbegriffs des § 10 Abs. 3 BUKG erfülle. Weiterhin sei unstreitig, dass die Wohnung im streitgegenständlichen Zeitraum den gemeinsamen Lebensmittelpunkt des Klägers und seiner Lebensgefährtin dargestellt habe. Aus Sicht der Beklagten sei allerdings fraglich, ob der Kläger zusammen mit seiner Lebensgefährtin eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft unterhalten habe. Der Kläger habe erst seit Oktober 2022 eine Zahlung i.H.v. 200,00 Euro mit dem Betreff „Wohnung Nebenkosten“ an seine Lebensgefährtin gezahlt. Die vorherige Zahlung ab März 2021 könne nicht mit der Wohnung in Verbindung gebracht werden, da sie mit dem Betreff „Finanzielle Unterstützung“ erfolgt sei, sodass eine Zuordnung nicht möglich sei. Schlussendlich sei die Annahme einer Wirtschaftsgemeinschaft in jedem Fall aufgrund der Höhe der Zahlung zu verneinen. In jedem Fall habe sich die tatsächliche Verfügungsbefugnis des Klägers nicht auf die gesamte Wohnung erstreckt. Nach Auffassung der Beklagten gehe das erkennende Gericht bereits in der Annahme, dass es vorliegend lediglich auf die tatsächliche Verfügungsbefugnis ankomme, fehl bzw. zeige nicht auf, woran es eine solche festmache. Aus Sicht der Beklagten reiche eine tatsächliche Verfügungsbefugnis – sofern so überhaupt vorgelegen – nicht aus, vielmehr sei unter Beachtung von Nr. 10.3 BUKGVwV eine gesetzliche oder vertragliche Verfügungsbefugnis zur Erfüllung des Wohnungsbegriffs erforderlich. Es handele sich bei BUKGVwV um sogenannte ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften, die die Beklagte für den Regelfall binden würden, um so eine gleichmäßige Ermessensausübung zu erreichen. Der Kläger könne zu jedem beliebigen Zeitpunkt durch die Alleineigentümerin der Wohnung, seine Lebensgefährtin, vor die Tür gesetzt werden. Der Kläger habe keinen Miet- oder Untermietvertrag, aus welchem er ein entsprechendes Verfügungsrecht ableiten könnte. Auch könnte seine Lebensgefährtin die Wohnung veräußern, so dass er ebenfalls – mangels Mietverhältnis – zum Auszug gezwungen wäre. Schlussendlich sei festzustellen, dass selbst für den Fall, dass eine Wohnung i.S.d. § 10 Abs. 3 BUKG im vorliegenden Fall bejaht werden würde, eine Rücknahme der Zusage der Umzugskostenvergütung gem. § 48 Abs. 4 VwVfG nicht mehr zulässig wäre. Die Beklagte habe erst nach fast zwei Jahren Kenntnis von Tatsachen erlangt, die die Rücknahme des dann insoweit rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen würden. Diese Anzeige sei zudem ganz offensichtlich aufgrund der mittels Bescheid vom 14.02.2022 und durch Widerspruchsbescheid vom 10.01.2023 bestätigten Ablehnung der Gewährung von Trennungsgeld erfolgt. Es sei zu vermuten, dass dem Kläger erst aufgrund der Ablehnung der Gewährung von Trennungsgeld bewusst geworden sei, welcher finanzielle Unterschied zwischen der einmaligen Umzugskostenvergütung und der regelmäßigen Zahlung von Trennungsgeld bestehe.
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Sofern mit der Klage auch die Verpflichtung der Beklagten, die Wohnung im Sinne von § 10 Abs. 3 BUKG anzuerkennen, begehrt werde, sei die Klage bereits nicht statthaft, da diese Feststellung keinen Verwaltungsakt gemäß § 35 VwVfG darstelle. Das BUKG sehe den Erlass eines feststellenden Verwaltungsakts für die Anerkennung einer eigenen Wohnung nicht vor.
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Hierauf erwiderte der Kläger mit Schriftsatz vom 10.05.2024, dass die Intention des Vortrags der Beklagtenseite zur Ablehnung der Gewährung von Trennungsgeld nicht klar werde und jedenfalls nicht ganz korrekt sei. Anhängig sei zunächst das Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 14.02.2022 – Ablehnung Trennungsgeld (vgl. Az. B 5 K 23.81) – gewesen. Der fristwahrende Widerspruch vom 14.03.2022 sei erst mit Schriftsatz vom 24.10.2022 seitens seiner Bevollmächtigten begründet worden. Auf die Begründung hin habe sich die Beklagte mit E-Mail vom 01.11.2022 gemeldet (Bl. 21 der Beiakte im Verfahren B 5 K 23.81) und auf die Erforderlichkeit der Wohnungsanerkennung hingewiesen. Mit E-Mail vom 28.11.2022 habe die Beklagte die Vorlage der Wohnungsanerkennung angemahnt (Bl. 23 der Beiakte B 5 K 23.81). Daraufhin habe sich der Kläger um eine Anerkennung der hier streitgegenständlichen Wohnung beim Sachbereich 35 der Bundespolizeiakademie bemüht. Somit sei die Anzeige der Wohnung im Grunde mit der Widerspruchsbegründung im Oktober 2022 erfolgt. Die Vorlage der detaillierten Angaben erst im Januar 2023 könnten dem Kläger nicht angelastet werden, da die Bearbeitung des Verfahrens ab Einlegung des fristwahrenden Widerspruchs der Bevollmächtigten oblegen habe. Die Ausführungen der Beklagten zur Erforderlichkeit einer Verfügungsbefugnis unter Rückgriff auf Nr. 10.3 BUKGVwV gingen fehl. Das Bayerische Verwaltungsgericht Bayreuth gehe in seinem Hinweis vom 17.01.2024 auf die Verfügungsbefugnis unter Anführung von Rechtsprechung erschöpfend ein. Auch sei die Klage zulässig. Die Entscheidung, dass keine Wohnung nach § 10 Abs. 3 BUKG vorliege, sei als Verwaltungsakt durch die Bundespolizeiakademie gegenüber dem Kläger ergangen. Die für das Trennungsgeld zuständige Stelle beim Bundespolizeipräsidium – Referat 73 – habe vom Kläger ausdrücklich die Vorlage der Wohnungsanerkennung durch die Bundespolizeiakademie L. verlangt. Von einer bloß inzidenten Prüfung des Vorliegens einer Wohnungseigenschaft innerhalb des Trennungsgeldverfahrens durch das Bundespolizeipräsidium – Referat 73 – könne daher nicht ausgegangen werden.
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Mit Beschluss der Kammer vom 02.04.2025 wurde angeordnet, durch die Einvernahme der Lebensgefährtin des Klägers als Zeugin in der mündlichen Verhandlung Beweis zu erheben. Mit Beschluss der Kammer vom 25.04.2025 wurde der Beklagten auf Antrag vom 14.04.2025 hin gestattet, sich während der mündlichen Verhandlung am 13.05.2025 nicht im Gerichtsgebäude, sondern an einem anderen Ort als dem Sitzungssaal aufzuhalten und dort Verfahrenshandlungen vorzunehmen. Es wurde auch angeordnet, die Verhandlung zeitgleich in Bild und Ton an diesen Ort und in den Sitzungssaal zu übertragen.
14
Hinsichtlich der mündlichen Verhandlung vom 13.05.2025 wird auf das Sitzungsprotokoll nebst vorläufiger Aufzeichnung der Aussage der Zeugin verwiesen. Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und den Inhalt der vorgelegten Behördenakte, § 117 Abs. 3 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Gerichts- und Behördenakten des Verfahrens B 5 K 23.81 wurden beigezogen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg.
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1. Soweit der Kläger den Klageantrag in der mündlichen Verhandlung auf richterlichen Hinweis, dass es an einem Anspruch auf Erlass eines feststellenden Verwaltungsakts hinsichtlich der Anerkennung der Wohnung gem. § 10 Abs. 3 BUKG fehlen dürfte (vgl. VG München, U.v. 29.10.2015 – M 17 K 14.380 – juris Rn. 24), im Vergleich zu dem aus der Klagebegründung vom 11.01.2024 abgeändert hat, ist darin aufgrund des gleichbleibenden Klagegrundes schon keine Klageänderung zu sehen (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 der Zivilprozessordnung – ZPO). Im Übrigen wäre eine Klageänderung auch zulässig, da von einer Sachdienlichkeit auszugehen ist (§ 91 Abs. 1 VwGO) und sich die Beklagte darauf eingelassen hat, ohne ihr zu widersprechen (§ 91 Abs. 2 VwGO; vgl. hierzu auch BayVGH, U.v. 14.12.2015 – 3 B 13.920 – juris Rn. 58). Das klägerische Begehren auf Neuverbescheidung seines Antrags auf Aufhebung der Umzugskostenvergütungszusage vom 12.04.2021 unter Aufhebung des Bescheides vom 04.01.2023 und des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2023 ist in Form der Versagungsgegenklage statthaft. Dieser fehlt auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Denn die Umzugskostenvergütungszusage (vorliegend: aus Anlass der Einstellung) ist wegen der damit verbundenen einschränkenden rechtlichen Auswirkungen hinsichtlich der Gewährung von Trennungsgeld sowie der individualschützenden Wirkung der Ausschlussgründe in § 3 Abs. 1 Nr. 1 BUKG kein ausschließlich begünstigender Verwaltungsakt (vgl. BVerwG, B.v. 14.12.2021 – 5 C 3.20 – juris Rn. 4).
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2. Die insoweit zulässige Klage ist begründet, weil der Kläger einen Anspruch auf Neuverbescheidung seines Antrags auf Aufhebung der Umzugskostenvergütungszusage vom 12.04.2021 hat und der Bescheid vom 04.01.2023 sowie der Widerspruchsbescheid vom 06.07.2023 daher rechtswidrig sind und den Kläger in seinen Rechten verletzen (§ 113 Abs. 5 VwGO). Die mit der Einstellungsverfügung vom 12.04.2021 erteilte Zusage der Umzugskostenvergütung ist mangels fristgerechter Einlegung eines Rechtsmittels bestandskräftig geworden, ihre Erteilung war allerdings rechtswidrig. Der Antrag des Klägers auf Aufhebung der unanfechtbaren Umzugskostenvergütungszusage ist daher im Rahmen des Wiederaufgreifens des Verfahrens nach § 51 VwVfG zu prüfen. Zwar hat der Kläger keinen Anspruch auf eine Wiederaufnahme im engeren Sinne nach § 51 Abs. 1 bis 4 VwVfG, da keiner der in § 51 Abs. 1 VwVfG genannten Wiederaufnahmegründe vorliegt, insbesondere die von ihm vorgelegten Beweismittel nicht als „neu“ anzusehen sind (vgl. hierzu Schoch in Schoch/Schneider, 6. EL November 2024, VwVfG § 51 Rn. 68). Allerdings steht ihm nach § 51 Abs. 5 VwVfG i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung (Wiederaufgreifen des Verfahrens im weiteren Sinne) zu, da eine Rücknahme der Umzugskostenvergütungszusage aufgrund deren Rechtswidrigkeit in Betracht kommt. Denn die Zusage der Umzugskostenvergütung verstößt gegen § 4 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b BUKG, da es sich bei der Wohnung des Klägers in der M …straße X., B … um eine solche nach § 10 Abs. 3 BUKG handelt und somit ein der Durchführung eines Umzugs entgegenstehender „besonderer Grund“ vorliegt. Wie von der Beklagtenseite in der mündlichen Verhandlung am 13.05.2025 bestätigt, entspricht es der Verwaltungspraxis der Bundespolizei und somit der ihr selbst auferlegten Selbstbindung der Verwaltung i.S.v. Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), bei Einstellungen in ein vorübergehendes Ausbildungsverhältnis eine Umzugskostenvergütungszusage bei Vorliegen einer Wohnung i.S.v. § 10 Abs. 3 BUKG nicht zu erteilen (vgl. hierzu auch BVerwG, B.v. 14.12.2021 – 5 C 3.20 – juris Rn. 5).
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a. Nach § 10 Abs. 3 BUKG besteht eine Wohnung im Sinne des Absatzes 1 der Vorschrift aus einer geschlossenen Einheit von mehreren Räumen, in der ein Haushalt geführt werden kann, darunter stets eine Küche oder ein Raum mit Kochgelegenheit. Zu einer Wohnung gehören außerdem Wasserversorgung, Ausguss und Toilette. Nach Nr. 10.3 BUKGVwV kommt es für die Erfüllung des Wohnungsbegriffs nicht darauf an, ob der Berechtigte das ausschließliche (alleinige) Verfügungsrecht über die Wohnung hat oder sie mit anderen Personen gemeinsam gemietet hat, z.B. im Rahmen einer Wohngemeinschaft.
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Die Kammer erachtet es für das Vorliegen einer Wohnung i.S.v. § 10 Abs. 3 BUKG als ausreichend, dass eine tatsächliche Verfügungsbefugnis an dieser besteht. Sie folgt insofern nicht der Auffassung der Beklagten, dass eine vertragliche oder gesetzliche Verfügungsbefugnis, insbesondere eine Mieter- oder Eigentümerstellung, bestehen muss. Rechtlich nichts dagegen zu erinnern ist, dass grundsätzlich eine Verfügungsbefugnis vorliegen muss. Zwar kommt dies im Wortlaut des § 10 Abs. 3 BUKG nicht eindeutig zum Ausdruck, allerdings spricht hierfür der systematische Zusammenhang mit § 10 Abs. 1 BUKG und die historische Betrachtung (vgl. VG Regensburg, U.v. 13.03.2002 – RO 3 K 01.01681 – juris Rn. 21). Der Vorschrift des § 10 Abs. 3 BUKG ist jedoch nicht zu entnehmen, dass der die Wohnung nutzende Berechtigte eine bestimmte Rechtsposition, etwa als Eigentümer oder Mieter der Wohnung oder sonst rechtlich gesichert, innehaben müsste (vgl. VG Regensburg, U.v. 28.03.2011 – RN 8 K 10.2115 – juris Rn. 21; VG Bayreuth, U.v. 06.08.2010 – B 5 K 09.884 – juris Rn. 39 – jeweils in Bezug auf den nahezu wortgleichen Art. 9 Abs. 3 des Bayerischen Umzugskostengesetzes – BayUKG). Beispielsweise schließt ein Untermietverhältnis das Vorliegen einer im Sinne von § 10 Abs. 3 BUKG anerkennungsfähigen Wohnung nicht aus (vgl. VG Ansbach, U.v. 03.11.2015 – AN 1 K 14.01553 – juris Rn. 41 ff.). Das Verwaltungsgericht Hamburg hat kürzlich sogar das Vorliegen einer eigenen Wohnung angenommen, wenn trotz Mietvertrags (mit den eigenen Eltern) keine Miete an diese gezahlt werde (vgl. VG Hamburg, U.v. 18.11.2024 – 21 K 3159/24 – juris Rn. 30 ff.). Auf die rechtliche Zuordnung der Wohnung oder auf eine rechtliche Verpflichtung zur Beteiligung an den Kosten kommt es nach Ansicht der Kammer nicht an (vgl. VG Bayreuth, U.v. 16.06.2020 – B 5 K 18.970 – BeckRS 2020, 33039 Rn. 24). Freilich stellt die hier streitgegenständliche Wohnsituation einer im Alleineigentum der nichtehelichen Lebensgefährtin stehenden Wohnung eine eher atypische Konstellation dar. Allerdings sind derartige Wohngemeinschaften heutzutage nicht ungewöhnlich und können dem in § 10 Abs. 3 BUKG (und Art. 9 Abs. 3 BayUKG) definierten Wohnungsbegriff entsprechen (vgl. VG Bayreuth, U.v. 06.08.2010 – B 5 K 09.884 – juris Rn. 35, 39). Die Rechtsprechung erweist sich als vielgestaltig, wobei meistens die individuelle Betrachtung des Einzelfalls im Mittelpunkt zu stehen scheint. Mit der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die gerade das Zusammenwirken zwischen der Umzugskostenvergütungszusage und etwaigen Trennungsgeldansprüchen in den Blick nimmt, muss der Wohnungsbegriff auch vorliegend unter diesem Gesichtspunkt betrachtet werden. Trennungsgeld soll dem Mehraufwand der doppelten Haushaltsführung Rechnung tragen. Es soll demjenigen zustehen, der mit einem Beibehaltungsaufwand belastet ist, der demjenigen eines Eigentümers oder Mieters einer Wohnung entspricht, nicht dagegen demjenigen, der nur eine sonstige Wohngelegenheit (z.B. Zimmer in der elterlichen Unterkunft, möbliertes Zimmer oder eine bereitgestellte Gemeinschaftsunterkunft) beibehält (vgl. BVerwG, B.v. 20.07.2011 – 2 B 32.10 – juris Rn. 9).
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Für diese Annahme spricht auch die überwiegende Sichtweise in der Rechtsprechung: Während das Bayerische Verwaltungsgericht Regensburg in einer Entscheidung vom 13.02.2002 noch davon ausging, dass bei einer im Alleineigentum der Lebensgefährtin stehenden Wohnung trotz einer Beteiligung an den laufenden Kosten in Höhe von 800 DM mangels Eigentümer- oder Mieterstellung keine Wohnung i.S.v. § 10 Abs. 3 BUKG vorliege (vgl. VG Regensburg, U.v. 13.02.2002 – RO 3 K 01.01681 – juris Rn. 24 f.), hat es diese Frage in einer Entscheidung vom 03.11.2009 bei einem im Alleineigentum der Lebensgefährtin stehenden Einfamilienhaus unter Hervorhebung des trennungsgeldrechtlichen Hintergrunds bejaht und festgestellt, dass die tatsächliche Würdigung des Zusammenlebens maßgebend sei und es auf die rechtliche Zuordnung der Wohnung oder die Freiwilligkeit der Beteiligung an den Kosten nicht ankomme (vgl. VG Regensburg, U.v. 03.11.2009 – RN 8 K 09.1714 – juris Rn. 19 ff.). In einer weiteren Entscheidung vom 28.03.2011 war der Lebensgefährte der Klägerin Hauptmieter der Wohnung, der mit ihr einen Untermietvertrag über einen Raum bei gemeinsamer Nutzung von Küche, Bad, WC und Wohnzimmer geschlossen hatte. Da am Bestehen des gemeinsamen Lebensmittelpunktes angesichts des Hauptwohnsitzes sowie der Beteiligung an der Haushaltsführung keine Zweifel bestanden hatten, wurde das Vorliegen einer Wohnung i.S.v. Art. 9 Abs. 3 BayUKG bejaht. Etwas Anderes würde selbst dann nicht gelten, wenn die Klägerin keinen förmlichen Untermietvertrag geschlossen hätte, sondern nur tatsächlich mit ihrem Lebensgefährten die Wohnung in der hier vorliegenden Weise bewohnen würde (vgl. VG Regensburg, U.v. 28.03.2011 – RN 8 K 10.2115 – juris Rn. 18 ff., insbesondere Rn. 25). Das Bayerische Verwaltungsgericht Augsburg hat das Vorliegen einer eigenen Wohnung bei der Eigentumswohnung des Lebensgefährten der Klägerin auch ohne Vorliegen eines Mietvertrages bejaht, da sie sowohl die Kosten der Wohnung als auch die des anstehenden Umbaus getragen hatte und begründete dies mit einer ähnlichen Lage wie bei einer verheirateten Beamtin (vgl. VG Augsburg, U.v. 17.01.2013 – Au 2 K 12.33 – juris Rn. 20 ff., insbesondere Rn. 29). Das Bayerische Verwaltungsgericht Würzburg ließ in einer Entscheidung vom 14.06.2016 die Wohnung des Lebensgefährten, der daran ein Wohnrecht auf Lebenszeit besitzt, nebst Nutzungsüberlassungsvertrag zwischen ihm und der Klägerin ausreichen, da keine Zweifel an der Führung eines gemeinsamen Haushalts sowie einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft bestünden und gemeinsam Einrichtungsgegenstände erneuert bzw. zusätzlich angeschafft worden seien. Eine gesicherte Rechtsposition im Sinne eines ausschließlichen Verfügungsrechts als (Allein-)Eigentümer oder (Allein-)Mieter sei angesichts des Telos der Gewährung von Trennungsgeld nicht erforderlich (vgl. VG Würzburg, U.v. 14.06.2016 – W 1 K 16.521 – juris Rn. 23 ff.).
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Dem Vorliegen einer Wohnung i.S.v. § 10 Abs. 3 BUKG steht nicht entgegen, dass das Besitzrecht an der Wohnung nach der von der Beklagten sowie vereinzelt in der Rechtsprechung vertretenen Ansicht nicht allein vom Willen einer anderen Person abhängig sein darf. Der Baden-Württembergische Verwaltungsgerichtshof hat in einer Entscheidung vom 20.07.2010 das Haben einer Wohnung verneint, da dem Beamten hinsichtlich der Eigentumswohnung der Lebensgefährtin bei einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft lediglich ein Recht zum Besitz i.S.v. § 986 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zustehe, das allein vom Willen der Lebensgefährtin abhängig sei. Es sei zwar Mitbesitz eingeräumt worden, dieser könne aber jederzeit entzogen werden (vgl. VGH BW, U.v. 20.07.2010 – 4 S 443/10 – NVwZ-RR 2011, 117). Dieser Auffassung schloss sich das Bayerische Verwaltungsgericht München an, als es das Vorliegen einer eigenen Wohnung verneinte, wenn zwei Zimmer im Elternhaus bewohnt worden seien (vgl. VG München, U.v. 16.02.2015 – M 17 K 15.80 – BeckRS 2016, 54731 Rn. 24). Für diese Begrenzung des Wohnungsbegriffs i.S.v. § 10 Abs. 3 BUKG finden sich aber weder im Wortlaut Anhaltspunkte noch eine systematische Rechtfertigung. Im Übrigen ist sie auch untauglich, da beispielsweise ein Mietverhältnis einseitig gekündigt werden oder im Zusammenhang mit einem Gewaltdelikt ein Platzverweis erteilt werden kann.
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Um etwaigem Missbrauch hinsichtlich des Wohnungsbegriffs und damit einhergehenden Trennungsgeldansprüchen vorzubeugen, sind an den Nachweis der tatsächlichen Verfügungsbefugnis strenge Anforderungen zu stellen. So kann es nicht ausreichen, ins Blaue hinein das Vorliegen einer „zwanglosen Wohngemeinschaft“ zu behaupten. Maßgeblich ist eine tatsächliche Würdigung des Zusammenlebens im Einzelfall (vgl. VG Bayreuth, U.v. 16.06.2020 – B 5 K 18.970 – BeckRS 2020, 33039 Rn. 24). Der für die Verwaltungsbehörde damit gegebenenfalls einhergehende Aufwand, die individuellen Wohnverhältnisse näher aufzuklären, kann eine pauschale Ablehnung des Vorliegens einer Wohnung mangels Eigentümer- oder Mieterstellung jedenfalls nicht rechtfertigen. Auch trifft den Beamten eine Mitwirkungsobliegenheit, entsprechende Nachweise vorzulegen. Eine weitere Einschränkung gibt das Trennungsgeldrecht selbst vor, weil etwaige Aufwendungen „aus Anlass“ der dienstlichen Maßnahme entstanden sein müssen. Daher wird kein Anspruch auf Trennungsgeld bestehen, wenn die Begründung einer Wohnung erst nach dem Zeitpunkt der Mitteilung der Einstellungsabsicht bzw. -zusage erfolgt (vgl. VG Bayreuth, U.v. 16.06.2020 – B 5 K 18.970 – BeckRS 2020, 33039 Rn. 25 f.).
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b. Gemessen an diesen Grundsätzen liegt hier unter Würdigung der tatsächlichen Umstände des Zusammenlebens zwischen dem Kläger und seiner Lebensgefährtin eine Wohnung i.S.v. § 10 Abs. 3 BUKG vor. Die vom Kläger vorgelegten Unterlagen sowie die in der mündlichen Verhandlung am 13.05.2025 gewonnenen Erkenntnisse, insbesondere durch die informelle Befragung des Klägers sowie die Einvernahme seiner Lebensgefährtin – mittlerweile Verlobten – als Zeugin, haben das Vorliegen einer tatsächlichen Verfügungsbefugnis an der Wohnung in der M …straße X., B … zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen. Unabhängig davon, ob bereits die Einstellungsabsicht im Januar 2021 oder erst die Umzugskostenvergütungszusage im April 2021 als maßgeblicher Zeitpunkt heranzuziehen sind, stellte die Wohnung bereits seit Dezember 2020 den gemeinsamen Lebensmittelpunkt des Klägers und seiner Lebensgefährtin dar. Sie führten einen gemeinsamen Haushalt und unterhielten eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft. Die tatsächliche Verfügungsbefugnis des Klägers erstreckte sich auch auf die gesamte Wohnung.
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Die Meldebestätigung der Stadt B … vom 21.12.2020 bestätigt, dass der Kläger am 01.12.2020 seinen Hauptwohnsitz in die streitgegenständliche Wohnung verlegt hat. Zuvor hatte der Kläger bereits seit 2017 alleine in einer Mietwohnung in F … gelebt. Der Kläger und seine Lebensgefährtin beschlossen im Laufe des Jahres 2020, zusammenzuziehen, weshalb der Kläger im Dezember seinen Hauptwohnsitz in die im Alleineigentum der Zeugin stehende Wohnung in die M …straße X., B … verlagerte. Dort waren zunächst Renovierungsmaßnahmen notwendig, weshalb die Mietwohnung in F … noch bis Februar 2021 fortbestand, um als Ausweichquartier zu dienen und die alte Wohnung für die Rückgabe vorzubereiten. Einen Teil der Renovierungsmaßnahmen in der M …straße X., B … hat der Kläger in Eigenleistung (kostenfrei) vorgenommen, andere Teile sind durch Fremdleistungen ausgeführt worden. Die Kosten hiervon trug die Zeugin als Eigentümerin alleine. Die kostenfreie Eigenleistung des Klägers spricht für die Absicht der Begründung eines gemeinsamen Lebensmittelpunktes. Der Kläger verfügte seit Dezember 2020 auch über einen eigenen Wohnungsschlüssel. Er und die Zeugin haben glaubhaft geschildert, dass sich der Kläger ebenfalls an der Haushaltsführung beteiligt, soweit ihm das aufgrund seiner ausbildungsbedingten unterwöchigen Abwesenheit möglich ist. Die in der Wohnung befindlichen Möbel haben der Kläger und die Zeugin gemeinsam erworben, teilweise hat der Kläger diese sogar alleine bezahlt.
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Ausweislich der vorgelegten Kontoauszüge zahlte der Kläger jedenfalls seit März 2021 monatlich 200,00 Euro mit dem Betreff „Finanzielle Unterstützung“ an seine Lebensgefährtin. Seit Oktober 2022 hatte sich der Betrag auf 220,00 Euro erhöht mit dem (veränderten) Betreff „Wohnung Nebenkosten“. Der Kläger gab in der mündlichen Verhandlung an, sich bereits seit Dezember 2020 beteiligt zu haben, jedoch sei der Dauerauftrag erst im März 2021 eingerichtet worden. Die im Vergleich zu einer etwaigen Miete relativ niedrige Höhe dieser Beteiligung erklärten der Kläger und die Zeugin glaubhaft damit, dass diese lediglich den anteiligen Beitrag zum Hausgeld (ca. 200,00 bis 250,00 Euro im Monat, jährlich schwankend) und den laufenden Nebenkosten (u.a. Internet) darstellen sollte. Dabei wurde auch berücksichtigt, dass der Kläger mit seinem Anwärtergrundgehalt während der Ausbildung nicht so viel verdienen wird. Nicht davon bezahlt wurden gemeinsame Lebensmittel- und sonstige Einkäufe. Die Klägerin musste für die Wohnung zwar einen Kredit aufnehmen, wurde bei der Rückzahlung aber von ihrem Vater unterstützt, weshalb sie vom Kläger keinen derart hohen „Mietbetrag“ habe verlangen wollen. Die Argumentation der Beklagten, es handele sich um einen im Vergleich zur Miete zu niedrigen Beteiligungsbetrag, verfängt hinsichtlich des Wohnungsbegriffs auch deshalb nicht als tragender Ablehnungsgrund, weil dies letztlich bei etwaig zu ersetzenden Aufwendungen im Rahmen des Trennungsgeldes Berücksichtigung finden würde.
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Die Einstellungszusage hatte den Kläger im Januar 2021 erreicht. Der Wohnsitz des Klägers in der M …straße wurde aber nicht erst nach diesem Zeitpunkt in Kenntnis der dienstlichen Maßnahme begründet. Vielmehr hatte er zu diesem Zeitpunkt bereits seinen Hauptwohnsitz verlegt und mit den Renovierungsarbeiten in der M …straße X., B … begonnen. Zwar waren die Angaben des Klägers und der Zeugin zu den Wohnverhältnissen während Dezember 2020 bis Februar 2021 nicht vollständig deckungsgleich, dennoch hat die Kammer keine Zweifel daran, dass es sich hierbei nicht um eine vorgeschobene „Scheinwohnung“ handelt. Vielmehr handelt es sich um ein zufälliges Zusammentreffen privater und beruflicher Umstände, was auch vor dem trennungsgeldrechtlichen Hintergrund nicht zum Nachteil des Klägers gereichen darf. Der Kläger und die Zeugin haben schlüssig geschildert, dass sich der Kläger zum Zeitpunkt seines Umzugs eigentlich noch in einem anderen Arbeitsverhältnis befunden und überschneidend mit der Einstellungszusage seitens der Bundespolizei seine damalige Arbeitsstelle aufgrund der Corona-Pandemie verloren hatte. Angesichts dieser Umstände sieht die Kammer es als äußerst unwahrscheinlich an, dass der Kläger den Hauptwohnsitz begründet hatte, lediglich um anschließend die Gewährung von Trennungsgeld in Anspruch nehmen zu können. Hierfür spricht auch, dass er den entsprechenden Antrag nicht unmittelbar nach Dienstantritt im September 2021, sondern erst im Februar 2022 gestellt hat.
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Zutreffend hat die Beklagte vorgebracht, dass der Kläger bei seiner Anhörung im Januar 2021 angegeben hatte, ledig ohne eigene Wohnung zu sein. Hierzu hat er aber glaubhaft geschildert, dass er sich bezüglich des Ausfüllens des Fragebogens unsicher gewesen sei, weshalb er telefonisch bei der Bundespolizeiakademie nachgefragt und dort die Information bekommen habe, er sei angesichts der geschilderten Konstellation (mangels Mieter- oder Eigentümerstellung) ledig ohne eigene Wohnung. Dies ist auch deshalb schlüssig, weil sich im Fragebogen im dafür vorgesehenen Feld sogar die Adresse der streitgegenständlichen Wohnung befindet, diese jedoch wiederum durchgestrichen wurde. Dort findet sich auch der „HINWEIS: Um eine eigene Wohnung im Sinne des § 10 Abs. 3 BUKG handelt es sich sowohl dann, wenn Sie ein Wohneigentum besitzen als auch dann, wenn Sie sich lediglich in einem Mietverhältnis befinden.“ – sodass für die Darstellung anderer Wohnsituationen kein Raum verblieb.
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c. Im Übrigen besteht auch in der vorliegenden Konstellation, dass die Wohnung im Alleineigentum der Lebensgefährtin steht und es keine vertragliche Vereinbarung zwischen den nichtehelichen Lebensgefährten gibt, sogar eine gesetzliche Verfügungsbefugnis in Form des Mitbesitzes. In zivilrechtlicher Hinsicht kommt es beim Zusammenleben von nichtehelichen Lebensgefährten in einer im Alleineigentum einer der beiden stehenden Wohnung entscheidend darauf an, ob der nichteheliche Lebensgefährte (hier: der Kläger) Mitbesitzer oder Besitzdiener der Wohnung ist (vgl. BGH, B.v. 19.03.2008 – I ZB 56/07 – NJW 2008, 1959 Rn. 14 ff.). Zwar kann allein aus der Aufnahme eines nichtehelichen Lebensgefährten in die Wohnung nicht auf einen Mitbesitz geschlossen werden, sondern muss die Einräumung des Mitbesitzes an den nichtehelichen Lebensgefährten durch eine von einem entsprechenden Willen getragene Handlung – anhand der tatsächlichen Umständen des jeweiligen Einzelfalles zu beurteilend – nach außen erkennbar sein (vgl. BGH, U.v. 30.04.2008 – XII ZR 110/06 – NJW 2008, 2333 Rn. 14). Mit Aushändigung eines eigenen Wohnungsschlüssels entsteht jedenfalls Mitbesitz i.S.v. § 866 BGB (vgl. hierzu Gurk in Grandel/Stockmann, StichwortKommentar Familienrecht, 3. Aufl., 1. Edition 2025, Stand: 31.03.2021, Nichteheliche Lebensgemeinschaft Rn. 121). Freilich handelt es sich nicht um eine ebenso wie bei einem Ehegatten – beispielsweise durch §§ 1361b oder 1365 BGB – geschützte Rechtsposition, aber dennoch ist der nichteheliche Lebensgefährte nicht schutzlos gestellt. Die Mitbenutzung der gemeinsamen, aber im Alleineigentum des anderen Partners stehenden Wohnung beruht auf einer tatsächlichen Gestattung, weshalb die Befugnis zur Mitbenutzung endet, wenn die tatsächliche Gestattung nicht mehr besteht, und damit auch das Besitzrecht i.S.d. § 986 BGB entfällt. Der Eigentümer ist ab diesem Zeitpunkt berechtigt, eine Nutzungsentschädigung zu verlangen. Weigert sich der Nichteigentümer, die Wohnung zu verlassen, benötigt der Eigentümer für eine zwangsweise Räumung einen Räumungstitel. Für den Nichteigentümer besteht unter Umständen jedoch die Möglichkeit, die Einräumung einer Räumungsfrist nach § 721 Abs. 1 ZPO zu beantragen. Wird der Nichteigentümer eigenmächtig vom Eigentümer aus der Wohnung ausgesperrt, kann dieser im Wege der einstweiligen Verfügung Wiedereinräumung seines (Mit-)Besitzes gem. § 861 BGB verlangen (vgl. hierzu Gurk in Grandel/Stockmann, StichwortKommentar Familienrecht, 3. Aufl., 1. Edition 2025, Stand: 31.03.2021, Nichteheliche Lebensgemeinschaft Rn. 122 ff.; AG Köln, U.v. 09.04.2015 – 129 C 65/15 – BeckRS 2015, 14793). Auch aus diesen Gründen erscheint es sachgerecht, die streitgegenständliche Wohnung i.S.v. § 10 Abs. 3 BUKG anzuerkennen, da der Kläger von der Zeugin letztlich einen Wohnungsschlüssel erhalten hatte, wie beide in der mündlichen Verhandlung glaubhaft versichert haben.
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d. Da es sich bei der Umzugskostenvergütungszusage um einen begünstigenden Verwaltungsakt i.S.v. § 48 Abs. 1 Satz 2 VwVfG handelt, darf er nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden. Bei gemischten Verwaltungsakten, die sowohl begünstigende als auch belastende Elemente enthalten – die Umzugskostenvergütungszusage ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts „kein ausschließlich begünstigender Verwaltungsakt“ (vgl. BVerwG, B.v. 14.12.2021 – 5 C 3.20 – juris Rn. 4) – und bei denen eine Aufspaltung nicht möglich ist, findet § 48 Abs. 1 Satz 2 VwVfG Anwendung (vgl. Müller in Bader/Ronellenfitsch, BeckOK VwVfG, 67. Edition, Stand: 01.04.2024, § 48 Rn. 26). Der Rücknahme der Umzugskostenvergütungszusage steht jedenfalls § 48 Abs. 4 VwVfG nicht entgegen. Soweit sich die Beklagte darauf beruft, zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Umzugskostenvergütung aufgrund der eigenen Angaben des Klägers davon ausgegangen zu sein, dass dieser über keine Wohnung i.S.d. § 10 Abs. 3 BUKG verfüge, ist dies freilich zutreffend. Allerdings ist ihren Ausführungen nicht zu folgen, wenn sie behauptet, der Kläger habe erstmalig am 03.01.2023 der Beklagten gegenüber die streitgegenständliche Wohnung angezeigt. Vielmehr erfolgte dies mit seinem Antrag auf die Gewährung von Trennungsgeld im Februar 2022, allerdings bei dem dafür zuständigen Bundespolizeipräsidium, weshalb es der für die Umzugskostenvergütungszusage zuständigen Bundespolizeiakademie erst im Januar 2023 zur Kenntnis gelangte. Dieses Auseinanderfallen von Zuständigkeiten auf Seiten der Beklagten darf nicht zum Nachteil des Klägers gereichen. Trotz der auch teilweise der Klägerseite anzulastenden zeitlichen Verzögerung kann die Beklagte die Aufhebung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes nicht unter Berufung auf § 48 Abs. 4 VwVfG verweigern, da es sich dabei gerade um eine den vom Verwaltungsakt Betroffenen schützende Vorschrift handelt. Sonst hätte es die Behörde schlicht in der Hand, durch zeitliche Verzögerungen den Ablauf der Frist herbeizuführen und für ihre eigenen Zwecke zu nutzen. Anhaltspunkte für eine etwaige Verwirkung des Anspruchs des Klägers auf Neuverbescheidung seines Antrags auf Aufhebung der Umzugskostenvergütungszusage sind weder hinsichtlich des Zeit- noch des Umstandsmoments ersichtlich. Dasselbe gilt für Anhaltspunkte, dass § 48 Abs. 2 und 3 VwVfG der Rücknahme entgegenstünden.
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Der Klage war daher stattzugeben, da der Kläger einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung hat und die Beklagte diesen noch nicht erfüllt hat, weil sie zu Unrecht bereits das Innehaben einer Wohnung i.S.v. § 10 Abs. 3 BUKG verneint.
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Die Beklagte hat als unterlegene Beteiligte gem. § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 709 Satz 1 und 2 ZPO.