Titel:
Beitrag für die Herstellung einer Wasserversorgungseinrichtung
Normenketten:
BayKAG Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1, Art. 13 Abs. 3 S. 1
BayGO Art. 49 Abs. 4
BauGB § 1 Abs. 3
AO § 222
Leitsatz:
Bei einem Flächenanteil von 0,5% am Gesamtbetrieb eines Ackerbaubetriebes kann weder eine Gefährdung der Wirtschaftlichkeit des Betriebes noch eine erhebliche Härte aus dem reduzierten Betriebsgewinn abgeleitet werden, die eine Stundung des Beitrages gebieten, der für diese Grundstücksfläche erhoben wird. (Rn. 46 – 48) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Herstellungsbeitrag für die Teilfläche eines Grundstückes, Stundung bei Notwendigkeit der landwirtschaftlichen Nutzung, Herstellungsbeitrag, Wasserversorgung, Stundung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München vom -- – 20 ZB 25.1289
Fundstelle:
BeckRS 2025, 25873
Tenor
1. Das Verfahren wird hinsichtlich des Klageantrags aus dem Schriftsatz vom 23. März 2023 eingestellt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Tatbestand
1
Die Klägerin wendet sich gegen den Herstellungsbeitrag zur Wasserversorgungseinrichtung und die Ablehnung der Stundung des Herstellungsbeitrages.
2
Die Klägerin betreibt im Haupterwerb einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb im Gemeindegebiet der Beklagten und ist u.a. Eigentümerin des Grundstückes Fl.-Nr. *46, Gemarkung … Das Grundstück hat eine Fläche von insgesamt 219.202 m². Eine Teilfläche des Grundstückes von 24.710 m² liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplanes Gewerbegebiet „R* … I“, der am 20. April 2018 in Kraft getreten ist. Eine weitere Teilfläche des Grundstückes von 68.493 m² liegt im Geltungsbereich des vorhabenbezogenen Bebauungsplanes für das Sondergebiet „Photovoltaik-Anlage nördlich und östlich …“, der am 8. April 2019 in Kraft getreten ist. Die Klägerin hat diese Teilfläche zur Errichtung, zum Betrieb und zur Unterhaltung einer Freiflächen-Photovoltaikanlage verpachtet. Auf der Teilfläche befindet sich eine Freiflächen-Photovoltaikanlage.
3
Die Beklagte hatte bis zum Jahr 2001 den nordwestlichen Teil der Straße „A* R* …“ (Fl.-Nr. *70/3, Gemarkung …*), der im Geltungsbereich der Ortsabrundungssatzung vom 6. Juli 1993 liegt, in zwei Bauabschnitten (1994 und 2001) fertiggestellt. Im Jahr 2018 verlängerte die Beklagte die bestehende Ortsstraße „A* R* …“ in südöstliche Richtung und stellte die Erschließungsanlage „A* R* … I“ her, die auf der Fl.-Nr. *46/16, Gemarkung …, im Geltungsbereich des Bebauungsplanes Gewerbegebiet „R* … I“ liegt und an den vorhabenbezogenen Bebauungsplan für das Sondergebiet „Photovoltaik-Anlage nördlich und östlich …“ grenzt.
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Mit Bescheid vom 14. September 2022 setzte die Beklagte für das o.g. Grundstück auf Grundlage der Beitrags- und Gebührensatzung zur Wasserabgabesatzung der Beklagten vom 18. September 2019 (BGS/WAS) einen Herstellungsbeitrag zur Wasserversorgungseinrichtung in Höhe von 65.438,26 EUR fest. Zur Begründung wurde ausgeführt, das Grundstück sei bebaubar und durch die Erweiterung der Straße „A* R* …“ an die öffentliche Wasserversorgungseinrichtung angeschlossen bzw. habe ein Recht auf Anschluss an die öffentliche Wasserversorgungseinrichtung. Das Grundstück unterliege damit der Beitragspflicht. Als beitragspflichtige Fläche wurde die 24.710 m² große Teilfläche zugrunde gelegt, die im Geltungsbereich des Bebauungsplanes Gewerbegebiet „R* … I“ liegt. Der Beitrag wurde mit der Grundstücksfläche (Beitragssatz je m² 1,35 EUR) und einer Geschossfläche von einem Viertel der Grundstücksfläche (Beitragssatz je m² 4,50 EUR) berechnet.
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Die Klägerin ließ gegen den Bescheid mit Schriftsatz ihres damaligen Bevollmächtigten vom 28. September 2022 Widerspruch erheben und zugleich die zinslose Stundung des Herstellungsbeitrages beantragen. Zur Begründung des Widerspruches und des Stundungsantrages wurde mit Schriftsätzen vom 2. November 2022 und vom 2. Januar 2023 im Wesentlichen vorgetragen, die veranlagten Flächen würden zum land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen der Klägerin gehören und das Überleben des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes sichern.
6
Das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) … führte in seinen Stellungnahmen vom 9. Januar 2023 und vom 1. Februar 2023 im Wesentlichen aus, die Wirtschaftlichkeit des landwirtschaftlichen Betriebes der Klägerin könne ohne die im Geltungsbereich des Bebauungsplanes Gewerbegebiet „R* … I“ gelegene 24.710 m² große Teilfläche des klägerischen Grundstückes erhalten werden. Der landwirtschaftliche Betrieb könne ohne die konkrete Teilfläche unverändert fortbestehen. Bei dem vorliegenden Ackerbaubetrieb der Klägerin mache die Teilfläche 0,5% der Betriebs-LF (LF = landwirtschaftlich genutzte Fläche) aus. Bei diesem geringen Flächenanteil am Gesamtbetrieb könne weder eine Gefährdung der Wirtschaftlichkeit des Betriebes noch eine erhebliche Härte aus dem reduzierten Betriebsgewinn abgeleitet werden. Dem landwirtschaftlichen Betrieb wäre, wenn nötig, zuzumuten, die Fläche zu veräußern, um die Beitragsforderung zu begleichen.
7
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 16. Februar 2023 den Antrag auf Stundung des mit Bescheid vom 14. September 2022 festgesetzten Herstellungsbeitrages ab und stellte den Beitrag i.H.v. 65.438,26 EUR innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheides fällig.
8
Die Klägerin bezahlte den Herstellungsbeitrag am 22. Februar 2023 in o.g. Höhe unter Vorbehalt.
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Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 9. März 2023 ließ die Klägerin beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth Klage erheben und sinngemäß beantragen,
- 1.
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Den Bescheid der Beklagten vom 16. Februar 2023 aufzuheben,
- 2.
-
Hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, den Stundungsantrag der Klägerin vom 28. September 2022 neu zu bescheiden,
die Fälligkeit des Festsetzungsbescheides der Beklagten vom 14. September 2022 bis zur Rechtskraft des Bescheides auszusetzen,
die Zahlungsverpflichtung der Klägerin aus diesem Festsetzungsbescheid bis zu seiner Rechtskraft zinslos hilfsweise verzinslich zu stunden.
3. Parallel zum Klageantrag zu 1, die Beklagte zu verpflichten, an die Klägerin 65.438,26 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5% jährlich seit dem 17. März 2023 zu zahlen.
10
Das Landratsamt … wies mit Widerspruchsbescheid vom 8. März 2023 den Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, das Grundstück Fl.-Nr. *46, Gemarkung …, werde durch die öffentliche Wasserversorgungsanlage erschlossen. Es liege mit einer Fläche von 24.710 m² im Geltungsbereich des rechtsverbindlichen Bebauungsplanes „R* … I“, der ein Gewerbegebiet festsetze. In diesem Bereich sei das Grundstück bebaubar bzw. gewerblich nutzbar.
11
Die Klägerin ließ mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 15. März 2023 die Klage erweitern und zusätzlich sinngemäß beantragen,
den Festsetzungsbescheid der Beklagten vom 14. September 2022 über 65.438,26 EUR in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. März 2023 aufzuheben,
hilfsweise den Stundungsantrag der Klägerin neu zu bescheiden.
12
Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 23. März 2023 ließ die Klägerin weiterhin sinngemäß beantragen,
die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Auskunft über die den zwei Heranziehungs- und Aussetzungsbescheiden zugrundeliegenden Sitzungen des Bau- und Umweltausschusses, des Haupt- und Finanzausschusses sowie des Rates der Gemeinde zu erteilen und sämtliche Protokolle über diese Sitzungen in vollständiger ungeschwärzter Form zur Verfügung zu stellen, soweit diese Sitzungen die Erschließungsmaßnahme (Wasser) betreffen.
13
Mit Schriftsätzen vom 9. März 2023, vom 15. März 2023, vom 23. März 2023 und vom 12. April 2023 wurde zur Begründung der Klage im Wesentlichen ausgeführt, es sei fraglich, ob eine ortsübliche Bekanntmachung der Tagesordnungspunkte des Gemeinderates der Beklagten, die den streitgegenständlichen Bescheid betreffen, erfolgt sei. Es werde auch die Teilnahme des Gemeinderates … an der Beschlussfassung des Gemeinderates der Beklagten gerügt. Die Photovoltaikanlage sei an die Wasserversorgung der Beklagten nicht angeschlossen. Die Wartung erfolge durch externe Dienstleister, die eigene Reinigungsstoffe umweltverträglich einsetzen würden. Der Herstellungsbeitragsbescheid führe zusammen mit dem Erschließungsbeitragsbescheid und dem Herstellungsbeitragsbescheid aus den Verfahren B 4 K 23.199 und B 4 K 23.201 zu einer wirtschaftlichen Erdrosselung der Klägerin. Diese müsse mehr als acht Jahre auf jeden Überschuss aus ihrem landwirtschaftlichen Betrieb verzichten. Sie könne keine Rücklagen für weitere Investitionen bilden. Die Stundung sei gemäß Art. 13 Abs. 3 des Kommunalabgabengesetzes (KAG) zu gewähren. Die Klägerin habe, um die rund 600.000 EUR (zuzüglich Erschließungsbeitrag und Herstellungsbeitrag aus den Verfahren B 4 K 23.199 und B 4 K 23.201) finanzieren zu können, einen Bankkreditvertrag abschließen und ein Grundpfandrecht über 500.000 EUR bestellen müssen. Die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit der Klägerin sei dadurch erheblich eingeschränkt. Die Beklagte habe im Übrigen ihr Handlungsermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt. Die Klägerin werde auf viele Jahre auch unter Berücksichtigung der steigenden Zinsen in ihrer wirtschaftlichen Prosperität zurückgeworfen.
14
Die Beklagte ließ mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 5. April 2023 beantragen,
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Zur Begründung wurde mit Schriftsatz vom 30. Mai 2023 im Wesentlichen ausgeführt, das Grundstück Fl.-Nr. *46, Gemarkung …, werde durch die öffentliche Wasserversorgungsanlage erschlossen. Die Beklagte habe zutreffend eine Teilfläche von 24.710 m² im Geltungsbereich des Bebauungsplanes „R* … I“ zur Berechnung festgesetzt. Eine Stundung für landwirtschaftlich genutzte Flächen verlange die Notwendigkeit der landwirtschaftlichen Nutzung eines Grundstückes. Diese sei nach der Stellungnahme des AELF für die gegenständliche Teilfläche von 24.710 m² nicht gegeben. Eine erhebliche Härte als weitere Stundungsvoraussetzung liege ebenfalls nicht vor.
16
Der Klägerbevollmächtigte replizierte mit Schriftsätzen vom 22. August 2023 und vom 1. September 2023 im Wesentlichen, der Herstellungsbeitragsbescheid sei fehlerhaft, da die Beklagte zur Berechnung des Beitrages mit der Geschossfläche argumentiere. Es fehle dafür jede rechtliche Anknüpfungstatsache. Die Aussage des AELF im Schreiben vom 9. Januar 2023 stelle – soweit es um den Anteil am Betriebsgewinn gehe – eine durch nichts begründete Spekulation dar. Die der Klägerin in Rechnung gestellten Beträge würden ein Mehrfaches des Jahresüberschusses ihres Betriebes ausmachen. Die Betriebsergebnisse des landwirtschaftlichen Betriebes der Klägerin seien für die Wirtschaftsjahre 2018/2019, 2019/2020, 2020/2021 und 2021/2022 stark rückläufig. Um die von der Beklagten in Rechnung gestellten Beiträge finanzieren zu können, müsse die Klägerin bis zu zehn Jahre ohne Entnahmen auskommen. Nur die dauerhafte Stundung sichere den Flächenerhalt des landwirtschaftlichen Betriebes.
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Die Beklagte erwiderte mit Schriftsatz vom 31. Oktober 2023 im Wesentlichen, die zweite Teilfläche des klägerischen Grundstückes von 68.493 m² im Geltungsbereich des Bebauungsplanes „Photovoltaik-Anlage nördlich und östlich …“ sei nicht zur Berechnung und Veranlagung des Herstellungsbeitrages herangezogen worden. Die Beklagte legte mit Schriftsätzen vom 24. Januar 2025 und vom 5. Februar 2025 weitere Unterlagen vor.
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Mit weiteren Schriftsätzen vom 10. Februar 2025, vom 12. Februar 2025, vom 18. Februar 2025 und vom 4. März 2025 trug der Klägerbevollmächtigte im Wesentlichen vor, der Bebauungsplan sei nur deshalb aufgestellt worden, um die Firma … wieder in … ansiedeln zu können. In jedem Fall sei dem Stundungsantrag der Klägerin stattzugeben.
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Am 27. Februar 2025 fand eine Beweiserhebung über die örtlichen Verhältnisse im Bereich A* R* …, Gemarkung …, …, und der Umgebung statt. Auf das Protokoll des Augenscheines wird Bezug genommen.
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Die Beklagte hatte für eine Teilfläche des o.g. Grundstückes mit Bescheiden vom 14. September 2022 auch einen Erschließungsbeitrag und einen Herstellungsbeitrag zur Entwässerungseinrichtung festgesetzt. Die jeweils beantragte Stundung wurde mit Bescheiden vom 16. Februar 2023 abgelehnt, die Widersprüche wurden mit Widerspruchsbescheid vom 8. März 2023 zurückgewiesen. Die Klägerin hat gegen den Erschließungsbeitrag, den Herstellungsbeitrag und die jeweilige Ablehnung der Stundung ebenfalls Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth erhoben (B 4 K 23.199 und B 4 K 23.201). Im Verfahren B 4 K 23.202 begehrt die Klägerin die Feststellung einer Schadensersatzverpflichtung.
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In der mündlichen Verhandlung am 20. März 2025 wurden die Verfahren B 4 K 23.199, B 4 K 23.200, B 4 K 23.201 und B 4 K 23.202 zur gemeinsamen Verhandlung verbunden. Nach der Erörterung der Sach- und Rechtslage ließ die Klägerin zuletzt beantragen,
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Den Herstellungsbeitragsbescheid hinsichtlich der Wasserversorgung vom 14. September 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. März 2023 aufzuheben.
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Hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, den Herstellungsbeitrag zur Wasserversorgung zu stunden.
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Weiter hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, über den Stundungsantrag der Klägerin hinsichtlich des Herstellungsbeitrages zur Wasserversorgung, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts, neu zu entscheiden.
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Über die Klagen in den Verfahren B 4 K 23.199 und B 4 K 23.201 wurden mit Urteilen vom gleichen Tag entschieden. Mit Beschluss vom gleichen Tag wurde der Rechtsstreit im Verfahren B 4 K 23.202 an das Landgericht … verwiesen.
23
Ergänzend wird nach § 117 Abs. 3 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten auch in den Verfahren B 4 K 23.199, B 4 K 23.201 und B 4 K 23.202 verwiesen, hinsichtlich der mündlichen Verhandlung wird auf das Sitzungsprotokoll vom 20. März 2025 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
24
Die Klage ist, soweit sie auf Aufhebung des Herstellungsbeitragsbescheides zur Wasserversorgung vom 14. September 2022 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8. März 2023 gerichtet ist, zulässig, aber unbegründet. Die jeweiligen Hilfsanträge auf Verpflichtung der Beklagten, den Herstellungsbeitrag zur Wasserversorgung zu stunden bzw. über den Stundungsantrag der Klägerin unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichtes neu zu entscheiden, sind zulässig, aber unbegründet. Im Übrigen wird das Verfahren eingestellt.
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Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet. Der Herstellungsbeitragsbescheid der Beklagten vom 14. September 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landratsamtes … vom 8. März 2023 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
26
1. Ermächtigungsgrundlage für die Erhebung des Herstellungsbeitrages zur Wasserversorgungseinrichtung sind Art. 2 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 1 KAG i.V.m. BGS/WAS.
27
Danach kann die Beklagte aufgrund einer besonderen Abgabensatzung im Sinne des Art. 2 Abs. 1 KAG gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG zur Deckung des Aufwandes für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen (Investitionsaufwand) Beiträge von den Grundstückseigentümern und Erbbauberechtigten erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen besondere Vorteile bietet.
28
Die Beklagte hat von der Ermächtigung durch den Erlass der BGS/WAS Gebrauch gemacht.
29
Die Satzung ist ordnungsgemäß zustande gekommen. Insbesondere wurde der Tagesordnungspunkt „7. Änderung der Beitrags- und Gebührensatzung zur Wasserabgabesatzung (BGS/WAS)“ in der Sitzung des Gemeinderates der Beklagten am 12. September 2019 ordnungsgemäß bekannt gemacht. Selbst wenn der Gemeinderat … an der Abstimmung teilgenommen hat, liegen die Voraussetzungen des Art. 49 Abs. 1 der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (GO) nicht vor. Der Beschluss über die „7. Änderung der Beitrags- und Gebührensatzung zur Wasserabgabesatzung (BGS/WAS)“ kann ihm keinen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil bringen. Die Beschlussfassung über die Abgabesatzung berührt kein individuelles Sonderinteresse, sondern nur ein Gruppeninteresse. Denn der Erlass oder die Änderung von Abgabesatzungen belastet alle diejenigen gleichmäßig, die einen abgabenrechtlichen Tatbestand erfüllen (Kreiselmeier in Dietlein/Suerbaum BeckOK, Kommunalrecht Bayern, 26. Ed. Stand 1.2.2025, Art. 49 GO Rn. 26. m.w.N.). Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit ihrer Regelungen sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
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2. Die Erhebung des Herstellungsbeitrages zur Wasserversorgungseinrichtung mit Bescheid vom 14. September 2022 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8. März 2023 i.H.v. 65.438,26 ist rechtmäßig.
31
a. Der Beitragstatbestand des § 2 Satz 1 BGS/WAS ist erfüllt.
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(aa) Die 24.710 m² große, im Geltungsbereich des Bebauungsplanes Gewerbegebiet „R* … I“ gelegene Teilfläche des Grundstückes Fl.-Nr. *46, Gemarkung …, ist gemäß § 2 Satz 1 BGS/WAS bebaubar bzw. gewerblich nutzbar.
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Anhaltspunkte für die Unwirksamkeit des Bebauungsplanes Gewerbegebiet „R* … I“ sind nach Auffassung der Kammer nicht ersichtlich.
34
Die Ausführungen des Klägerbevollmächtigten, der Bebauungsplan sei wegen der Beteiligung des Gemeinderates … an der Abstimmung sowie wegen Verstoßes gegen das Abwägungsgebot unwirksam, gehen ins Leere.
35
Auch wenn der Gemeinderat …, dessen Ehefrau Eigentümerin eines Grundstückes im Geltungsbereich des Bebauungsplanes „A* R* … I“ ist, an den einzelnen Abstimmungen über den Bebauungsplan teilgenommen hat, führt dessen Teilnahme gemäß Art. 49 Abs. 4 GO nicht zur Ungültigkeit des Satzungsbeschlusses. Unabhängig davon, ob überhaupt ein Ausschlussgrund vorliegt, erfolgten die Abstimmungen in den Gemeinderatssitzungen mit 13:0, 14:0, 17:0 bzw. 10:0 Stimmen (Bl. 152 der Widerspruchsakte). Die Mitwirkung des Gemeinderates … war damit für das Abstimmungsergebnis nicht entscheidend.
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Selbst wenn der Bebauungsplan aus Anlass der Ansiedlung der Firma … aufgestellt wurde, ist darin ein Verstoß gegen § 1 Abs. 3 des Baugesetzbuches (BauGB) nicht erkennbar. Die Gemeinde darf zwar die Bauleitplanung nicht vorschieben, um allein private Interessen zu verfolgen. Sie darf aber durchaus hinreichend gewichtige private Belange zum Anlass einer Bauleitplanung nehmen und sich dabei auch an den Wünschen der Grundeigentümer orientieren. Ein Zusammenwirken zwischen Gemeinde und privaten Investoren bei der Einleitung und Aufstellung von Bauleitplänen widerspricht insoweit daher nicht § 1 Abs. 3 BauGB (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 157. EL November 2024, § 1 Rn. 34 m.w.N.). Soweit Mängel im Abwägungsvorgang geltend gemacht werden, sind diese – sofern sie überhaupt bestanden haben sollten – gemäß § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB unbeachtlich geworden. Es wurde weder vorgetragen noch ist aus den vorgelegten Behördenakten ersichtlich, dass diese innerhalb eines Jahres seit Bekanntmachung des Bebauungsplanes (20. April 2018) schriftlich bei der Gemeinde gerügt wurden. Mit dem rügelosen Verstreichen der Frist können mögliche Gesetzesverstöße wie vorliegend Mängel im Abwägungsvorgang nicht mehr geltend gemacht werden, der Bebauungsplan ist als rechtwirksam und gültig anzusehen. Die inzidente und prinzipale Kontrollbefugnis des Gerichtes ist eingeschränkt; unbeachtlich gewordene Mängel dürfen ebenso wie generell unbeachtliche Fehler nicht beachtet werden (Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 157. EL November 2024, § 215 Rn. 47).
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(bb) Gemäß § 4 der Satzung für die öffentliche Wasserversorgungseinrichtung der Beklagten (WAS) in der Fassung vom 21. Dezember 1999 besteht ein Anschluss- und Benutzungsrecht an die Wasserversorgungseinrichtung.
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b. Die Veranlagung der 24.710 m² großen, im Geltungsbereich des Bebauungsplanes Gewerbegebiet „R* … I“ gelegenen Teilfläche des klägerischen Grundstückes
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Fl.-Nr. *46, Gemarkung …, steht im Einklang mit § 2 Abs. 1 Satz 1 WAS. Danach ist Grundstück im Sinn dieser Satzung jedes räumlich zusammenhängende und einem gemeinsamen Zweck dienende Grundeigentum desselben Eigentümers, das eine selbstständige wirtschaftliche Einheit bildet, auch wenn es sich um mehrere Grundstücke oder Teile von Grundstücken im Sinn des Grundbuchrechts handelt. Die 68.493 m² große Teilfläche des klägerischen Grundstückes im Geltungsbereich des vorhabenbezogenen Bebauungsplanes für das Sondergebiet „Photovoltaik-Anlage nördlich und östlich …“ und die (weitere) landwirtschaftliche (Teil-)Fläche wurden zutreffend bei der Beitragspflicht nicht berücksichtigt.
40
c. Die Beitragsschuld ist gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGS/WAS entstanden, das Grundstück kann an die Wasserversorgungseinrichtung angeschlossen werden.
41
d. Die Klägerin ist gemäß § 4 BGS/WAS als Eigentümerin des Grundstückes Fl.-Nr. *46, Gemarkung …, Beitragsschuldnerin.
42
e. Bei der Berechnung des Herstellungsbeitrages wurde zutreffend neben der Grundstücksfläche auch die Geschossfläche, die – entgegen dem Vorbringen des Klägerbevollmächtigten -den Beitragsmaßstab in § 5 Abs. 1 Satz 1 BGS/WAS bestimmt, zu Grunde gelegt. Die Grundstücksfläche beträgt 24.710 m², die Geschossfläche für das unbebaute Grundstück wurde gemäß § 5 Abs. 4 BGS/WAS mit einem Viertel der Grundstücksfläche (6.177,50 m²) angesetzt.
43
f. Der Herstellungsbeitrag i.H.v. 65.438,26 EUR wurde mit dem Beitragssatz für die Grundstücksfläche pro m² 1,35 EUR (§ 6 Buchst. a BGS/WAS) und dem Beitragssatz für die Geschossfläche pro m² 4,50 EUR (§ 6 Buchst. b BGS/WAS) zutreffend berechnet.
44
Die hilfsweise erhobene Verpflichtungsklage, die Beklagte zu verpflichten, den Herstellungsbeitrag zur Wasserversorgung zu stunden bzw. über den Stundungsantrag der Klägerin hinsichtlich des Herstellungsbeitrages zur Wasserversorgung, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts, neu zu entscheiden, ist zulässig, aber unbegründet. Die Ablehnung der Stundung mit Bescheid vom 16. Februar 2023 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 und § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO.
45
1. Die Ablehnung der Stundung des Herstellungsbeitrages mit Bescheid vom 16. Februar 2023 ist formell rechtmäßig. Die Teilnahme des Gemeinderates … an der Abstimmung über den Stundungsantrag der Klägerin in der Gemeinderatssitzung der Beklagten vom 9. Februar 2023 führt nicht zur Ungültigkeit des Gemeinderatsbeschlusses, Art. 49 Abs. 4 GO. Es kann offenbleiben, ob ein Ausschlussgrund vorliegt. Die Abstimmung erfolgte mit 14:0 Stimmen (Bl. 152 der Widerspruchsakte), die Mitwirkung hat sich nicht auf das Abstimmungsergebnis ausgewirkt.
46
2. Gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 5a KAG i.V.m. § 222 der Abgabenordnung (AO) kann die Beklagte den Anspruch aus dem Herstellungsbeitragsbescheid zur Wasserversorgung ganz oder teilweise stunden, wenn die Einziehung bei Fälligkeit eine erhebliche Härte für den Schuldner bedeuten würde und der Anspruch durch die Stundung nicht gefährdet erscheint.
47
Für Bayern hat der Landesgesetzgeber in Art. 13 Abs. 3 Satz 1 KAG konkretisiert, dass eine erhebliche Härte im Sinne des § 222 AO bei Beitragsforderungen insbesondere für unbebaute beitragspflichtige Grundstücke sowie Grundstücke, die nur mit landwirtschaftlich genutzten Gebäuden zur überdachten Pflanzenproduktion bebaut sind, vorliegen kann, wenn deren landwirtschaftliche Nutzung weiterhin notwendig ist oder deren Nichtbebauung im Interesse der Erhaltung der charakteristischen Siedlungsstruktur oder der Erhaltung des Ortsbilds liegt (Schmitz, Erschließungsbeiträge, 1. Aufl. 2017, § 19 Rn. 13 m.w.N.). Während § 135 Abs. 4 BauGB auf die Notwendigkeit der landwirtschaftlichen Nutzung eines Grundstückes „zur Erhaltung der Wirtschaftlichkeit des Betriebs“ abstellt, verlangt § 222 AO für den Fall der Landwirtschaft in Art. 13 Abs. 3 KAG (nur) die Notwendigkeit der landwirtschaftlichen Nutzung eines Grundstückes. Art. 13 Abs. 3 KAG ist als Ermessensentscheidung ausgestaltet. § 222 AO legt jedoch den Gemeinden nahe, bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen eine erhebliche Härte im Sinne des § 222 AO anzunehmen (intendiertes Ermessen). Es können jedoch auch weitere Erwägungen einfließen (vgl. Thimet (Hrsg.), Kommunalabgaben- und Ortsrecht in Bayern, Teil IV Kommentar zum Kommunalabgabengesetz, Art. 13 II 12. 2.3. m.w.N.).
48
Gemessen an diesen Grundsätzen bedeutet die Einziehung der Forderung aus dem Herstellungsbeitragsbescheid hinsichtlich der Wasserversorgung bei Fälligkeit für die Klägerin keine erhebliche Härte. Die Ablehnung des Antrages auf Stundung ist rechtmäßig. Vorliegend ist keine Notwendigkeit der landwirtschaftlichen Nutzung gegeben. Die Teilfläche des klägerischen Grundstückes ist unbebaut und wird landwirtschaftlich genutzt. Nach der Stellungnahme des AELF vom 9. Januar 2023 kann bei einem Flächenanteil von 0,5% am Gesamtbetrieb des Ackerbaubetriebes der Klägerin weder eine Gefährdung der Wirtschaftlichkeit des Betriebes noch eine erhebliche Härte aus dem reduzierten Betriebsgewinn abgeleitet werden. Konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an den Aussagen des AELF wurden weder substantiiert vorgetragen noch sind sie für die Kammer ersichtlich.
49
Das Klageverfahren ist hinsichtlich des mit Schriftsatz vom 23. März 2023 gestellten Antrages nach § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen. Der Antrag wurde nach Erörterung der Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung nicht weiter aufrechterhalten. Dies stellt eine quantitative Beschränkung des Klageantrages dar, da die Klägerin in der mündlichen Verhandlung weniger als bisher begehrt. Eine solche Beschränkung des Klageantrages beinhaltet eine teilweise Klagerücknahme i.S.d. § 92 VwGO bzgl. des nicht mehr aufrechterhaltenen Teils des Klageantrages (vgl. BayVGH, U.v. 25.10.1990 – 20 B 87.03406 – NVwZ-RR 1991, 277).
50
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 2 VwGO. Der Klägerin waren die Kosten insgesamt aufzuerlegen. Die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten richtet sich nach § 167 VwGO i.V.m. § 709 der Zivilprozessordnung (ZPO).