Titel:
Rechtmäßige Beschränkung der Zulassung zu einer öffentlichen Einrichtung
Normenketten:
BayGO Art. 21 Abs. 1 S. 1, Abs. 4
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 21 Abs. 1
PartG § 5
Leitsatz:
Eine auf einer tatsächlichen Vergabepraxis beruhende konkludente Widmung der Nutzung einer öffentlichen Einrichtung bzw. ihre Beschränkung ist nur wirksam, wenn von einer zumindest stillschweigenden Billigung der Vergabepraxis durch das nach der Kommunalverfassung zuständige Organ ausgegangen werden kann. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Geltendmachung eines Zulassungsanspruchs bei Träger der Einrichtung vor Klageerhebung, Ausnahme bei erwartbarer Ablehnung, Zugang zu öffentlichen Einrichtungen einer Gemeinde für parteipolitische Veranstaltungen, Anforderungen an konkludente Widmung, Genereller Ausschluss politischer Parteien von der Nutzung, Zulassungsanspruch, öffentliche Einrichtung, Vergabepraxis, Widmungsbeschränkung, Chancengleichheit der Parteien, politische Partei
Fundstelle:
BeckRS 2025, 25872
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt die Zulassung zu einer öffentlichen Einrichtung der Beklagten.
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Die Beklagte betreibt das sogenannte Kultur- und Bürgerhaus … (im Folgenden Bürgerhaus) als öffentliche Einrichtung. Eine Satzungsregelung hinsichtlich der Nutzung des Bürgerhauses besteht nicht. In der Vergangenheit wurde die Einrichtung Gemeindeangehörigen und ortsansässigen juristischen Personen bzw. Personenvereinigungen für kulturelle Veranstaltungen und sonstige Feiern wie etwa Faschingsveranstaltungen oder Geburtstagsfeiern vermietet. Ebenso fanden dort Veranstaltungen des örtlichen Pfarramtes, des Kreisjugendrings und der Beklagten selbst statt. Anlässlich eines Nutzungsantrages des …-Ortsverbandes für ein „Stärkeantrinken“ am 6. Januar 2007 fasste der Stadtrat der Beklagten am 19. Juni 2006 den Beschluss, dass das Bürgerhaus auch an politische Gruppierungen und Parteien überlassen wird, die an der Bürgermeister- oder Stadtratswahl der Beklagten teilgenommen haben bzw. teilnehmen. Die beantragte Nutzung durch den …-Ortsverband am 6. Januar 2007 wurde daher zugelassen. In der Folge fanden ausweislich des vorgelegten Auszugs aus dem Belegungsplan vom 4. bis 6. Januar 2008 erneut ein „Stärkeantrinken“ des …-Ortsverbandes, vom 1. bis 4. Februar 2008 eine Faschingsfeier des …-Ortsverbandes und am 8. Februar 2008 eine „Auftaktveranstaltung“ der … des Landkreises … im Bürgerhaus statt. Anlässlich der Kommunalwahl 2014 wurden im Bürgerhaus am 17., 18., 20., 21., 24. und 25. Februar sowie am 12. März 2014 Podiumsdiskussionen abgehalten, die von der Beklagten bzw. deren ersten Bürgermeister veranstaltet wurden. Am 12. November 2020 fanden im Bürgerhaus Fraktionssitzungen des Stadtrates der Beklagten statt.
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Mit E-Mail vom 29. Februar 2024 fragte der damalige stellvertretende Vorsitzende des Klägers bei der Beklagten an, ob das Bürgerhaus für eine Wahlkampfveranstaltung des Klägers an elf einzelnen aufgeführten Tagen zwischen Sonntag, dem 14. April 2024 und Sonntag, dem 2. Juni 2024 zur Verfügung stehe.
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Die Beklagte antwortete hierauf mit E-Mail vom 29. Februar 2024, dass eine Anmietung des Bürgerhauses nicht möglich sei, da der Stadtrat im Juni 2006 beschlossen habe, dass die Einrichtung nur an politische Gruppierungen und Parteien überlassen werde, die an der Bürgermeister- oder Stadtratswahl teilgenommen haben bzw. teilnehmen.
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Der damalige stellvertretende Vorsitzende des Klägers wandte hiergegen mit weiterer E-Mail vom 29. Februar 2024 ein, dass der Stadtratsbeschluss aus dem Jahr 2006 einen grundgesetzwidrigen Eingriff in die Chancengleichheit unter Parteien und Wählergruppen darstelle. Die … sei seit 2017 regelmäßig bei jeder Wahl – außer bei den Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlen 2020 und 2024 – angetreten und beabsichtige auch zur Kommunalwahl 2026 eine Liste für den Stadtrat der Beklagten aufzustellen.
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Die Beklagte antwortete hierauf mit Schreiben vom 7. März 2024, dass eine Gemeinde trotz des Gleichbehandlungsgebotes hinsichtlich politischer Parteien berechtigt sei, die Nutzung öffentlicher Räume im Rahmen des Art. 21 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (GO) einzuschränken und parteipolitische Zwecke auszuschließen. Dies könne durch konkrete Festlegung, aber ebenso durch konkludentes Handeln erfolgen. Der Stadtrat habe im Jahr 2006 eine entsprechende Nutzungseinschränkung getroffen. Im Jahr 2008 habe darauf bezogen letztmals eine parteipolitische Veranstaltung im Bürgerhaus stattgefunden. Die im Jahr 2014 durchgeführten Podiumsdiskussionen der verschiedenen Bürgermeisterkandidaten hätten im Rahmen der politischen Meinungsbildung bei den Wählern eine besondere Bedeutung gehabt. Sie hätten es ermöglicht, alle Kandidaten der Bürgermeisterwahl 2014 nebeneinander zu sehen. Dabei seien alle beteiligten Parteien und Wählergruppen gleichzeitig und zum selben Zweck vertreten gewesen. Der von Klägerseite angefragte Zeitraum vom 14. April 2024 bis 2. Juni 2024 stehe offenbar in Zusammenhang mit der Europawahl am 9. Juni 2024 und damit nicht mit einer Kommunalwahl auf Gemeindeebene.
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In der Stadtratssitzung am 18. März 2024 informierte der erste Bürgermeister der Beklagten über den Nutzungsantrag des Klägers. Der Stadtrat bestätigte daraufhin einstimmig, dass sich die im Stadtrat vertretenen Parteien und Gruppierungen seit den letzten Jahrzehnten einig seien und keine Nutzung bzw. Überlassung des Bürgerhauses zu einzelparteipolitischen Zwecken vornähmen oder anfragten, sei es für ortsbezogene oder für überregionale politische Veranstaltungen. Der Stadtrat beabsichtige, sich nach der Europawahl 2024 erneut mit der Nutzung des Bürgerhauses zu beschäftigen, um alle Parteien hiervon auszuschließen.
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Mit Schreiben vom 24. Mai 2024 wandte sich der Vorsitzende des Klägers erneut an die Beklagte und bat um Auskunft über die Verfügbarkeit des Bürgerhauses am
- Samstag, den 19. Juli 2025,
- Sonntag, den 20. Juli 2025,
- Samstag, den 26. Juli 2025,
- Sonntag, den 27. Juli 2025,
- Samstag, den 14. Februar 2026,
- Sonntag, den 15. Februar 2026,
- Samstag, den 21. Februar 2026 oder am
- Sonntag, den 22. Februar 2026
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Mit Schreiben vom 6. Juni 2024 antwortete die Beklagte hierauf im Wesentlichen, dass – wie bereits im Schreiben vom 7. März 2024 ausgeführt – eine Überlassung des Bürgerhauses zu einzelparteipolitischen Zwecken weder für ortsbezogene noch für überregionale Parteien bzw. Gruppierungen und damit zu den nun angefragten Terminen ebenfalls nicht erfolge. Der Stadtrat der Beklagten habe in seiner Sitzung vom 18. März 2024 nochmals bestätigt, dass sich die im Stadtrat vertretenen Parteien und Gruppierungen seit den letzten Jahrzehnten einig seien und die jahrelang bestehende Nutzungseinschränkung auch künftig beibehalten werden solle. Das Landratsamt … habe als Rechtsaufsichtsbehörde der Beklagten auf die Beschwerde des Klägers hin die Beklagte mit seinem Schreiben vom 26. März 2024 nicht aufgefordert, dem Kläger „die Liegenschaft anzubieten“. Das Landratsamt habe vielmehr festgestellt, dass die Beklagte im Rahmen ihres Selbstverwaltungsrechts eigenverantwortlich im Rahmen der rechtlichen Vorgaben des Art. 21 GO und der Art. 21 Abs. 1 Satz 2, Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 des Parteiengesetzes (PartG) zu entscheiden habe. Dies habe die Beklagte berücksichtigt.
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Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 7. August 2024 ließ der Kläger Klage erheben und zunächst beantragen,
die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Zugang zum Bürgerhaus …, … in …, für eine vom Kläger durchzuführende Parteiveranstaltung im Rahmen der verfügbaren Kapazitäten im Juli 2025 oder im Februar 2026 zu verschaffen.
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Der Kläger sei ein satzungs-, finanz- und personalautonomer Gebietsverband der … im Bezirksverband …, Landesverband Bayern. Die nächste Bundestagswahl finde voraussichtlich am 25. September 2025 statt. Der Kläger werde an dieser Wahl mit einer eigenen bayerischen Landesliste und eigenen Direktkandidaten auch auf dem Gebiet der Beklagten und in anderen Wahlkreisen teilnehmen. Für den Kläger sei es wichtig, möglichst frühzeitig und nicht nur einzelne Veranstaltungen der Partei im Wahlkampf in Bayern planen und mit Unterstützung der Bundespartei durchführen zu können. Der Kläger wolle dabei über sein Wahlprogramm informieren und Wähler zur Stimmabgabe motivieren.
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Da es sich bei der Frage des „Ob“ des Zugangs zu einer gemeindlichen öffentlichen Einrichtung stets um eine öffentlich-rechtliche Frage handele, sei der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) eröffnet. Ein Zulassungsanspruch des Klägers ergebe sich aus Art. 21 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 GO, jedenfalls aus Art. 21 GO i.V.m. Art. 21 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. § 5 Abs. 1 PartG. Nach Art. 21 Abs. 1 GO seien alle Gemeindeangehörigen nach den bestehenden allgemeinen Vorschriften berechtigt, die öffentlichen Einrichtungen der Beklagten zu benutzen. Als ortsansässiger Kreisverband sei der Kläger über Art. 21 Abs. 4 GO i.V.m. § 3 PartG anspruchsberechtigt. Jedenfalls habe er einen entsprechenden Anspruch gemäß Art. 21 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 GG i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 PartG, da anerkannt sei, dass alle Parteien gleich zu behandeln seien, wenn Kommunen ihre Einrichtungen politischen Parteien zur Verfügung stellten. Das Bürgerhaus sei in der Vergangenheit oftmals anderen Parteien zur Verfügung gestellt worden. Die Beklagte habe weder eine Terminkollision noch eine wie auch immer geartete Einschränkung im Vermietungsbetrieb angeführt, sondern lediglich eine generelle Ablehnung des Klägers in politischer Hinsicht zu erkennen gegeben. Der Kläger könne sich als Untergliederung einer politischen Partei ebenfalls auf das Parteienprivileg berufen, er wirke an der politischen Willensbildung des Volkes auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens mit, indem er insbesondere auf die Gestaltung der öffentlichen Meinung Einfluss nehme. Er sei vor willkürlicher Diskriminierung zu schützen.
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Mit Schriftsatz vom 27. August 2024 zeigte sich der Bevollmächtigte der Beklagten an und beantragte,
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Zur Begründung führte der Beklagtenbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 7. Oktober 2024 aus, bei dem streitgegenständlichen Bürgerhaus der Beklagten handele es sich um eine öffentliche Einrichtung i.S.v. Art. 21 GO. Dort hätten in den vergangenen Jahren ausschließlich kulturelle Veranstaltungen, sonstige Feiern und Veranstaltungen des Pfarramtes, des Kreisjugendrings sowie der Beklagten selbst stattgefunden. Der Stadtrat der Beklagten habe im Jahr 2006 entschieden, neben kulturellen und gesellschaftlichen Veranstaltungen auch Veranstaltungen politischer Gruppierungen und Parteien zuzulassen. Wahlkampfveranstaltungen oder wahlwerbende Veranstaltungen hätten weder zum damaligen Zeitpunkt noch danach stattgefunden. Aus dem mit der Behördenakte vorgelegten Belegungsplan sei ersichtlich, dass seit dem Jahr 2006, mindestens aber seit 2008 keinerlei politische Werbeveranstaltungen oder Überlassungen an politische Parteien oder Wählervereinigungen stattgefunden hätten. Es sei gelebte Praxis der Beklagten, dass die Räumlichkeiten des Bürgerhauses in den vergangenen 16 Jahren nicht an politische Parteien überlassen worden seien. Mit Beschluss vom 18. März 2024 sei diese Vermietungs- bzw. Überlassungspraxis durch den Stadtrat der Beklagten nochmals bestätigt worden.
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Die Benutzung des Bürgerhauses als öffentliche Einrichtung stehe nur den Gemeindeangehörigen zu. Nach Art. 21 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 4 GO finde dies für juristische Personen und Personenvereinigungen entsprechende Anwendung. Der Kläger habe seinen Sitz jedoch nicht im Gebiet der Beklagten, es handele sich also nicht um einen ortsansässigen Verband. Ein Anspruch auf Überlassung des Bürgerhauses an Ortsfremde scheide aus. Aus Art. 21 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG und § 5 Abs. 1 PartG ergebe sich ein solcher Anspruch für den Kläger ebenfalls nicht. Die Beklagte könne im Rahmen ihrer kommunalen Selbstverwaltungshoheit durch Widmung festlegen, welcher Kreis an Berechtigten die jeweilige Einrichtung zur Verfügung gestellt bekomme. Sie könne durch Widmung den Nutzungszweck der Einrichtung und den Benutzerkreis im Allgemeinen definieren. Der Widmungsakt unterliege dabei keinem bestimmten Formerfordernis. Eine Widmung könne ebenso konkludent etwa durch die tatsächliche Vergabepraxis in der Vergangenheit erfolgen. Das Bürgerhaus solle im Rahmen seiner (konkludenten) Widmung für keine parteipolitische Veranstaltung jeglicher Parteien oder Wählervereinigungen (seien sie ortsansässig oder ortsfremd) zur Verfügung gestellt werden. Dies ergebe sich bereits aus der Vergabepraxis der Beklagten mindestens seit den Jahren 2008/2009. Es stelle damit keine Ungleichbehandlung dar, wenn das Bürgerhaus auch dem Kläger nicht überlassen werde. Die Behauptung von Klägerseite, das Bürgerhaus sei anderen Parteien zur Verfügung gestellt worden, sei völlig unzutreffend und unsubstantiiert.
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Der Klägerbevollmächtigte erwiderte hierauf mit Schriftsatz vom 29. Dezember 2024, eine Diskriminierung des Klägers ergebe sich nicht aus dem Verhältnis zwischen den Parteien, vielmehr verstoße schon die pauschale Verweigerung des Zugangs für alle politischen Parteien gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Eine Gemeinde, die eine Einrichtung der öffentlichen Hand betreibe, sei verpflichtet, diese allen Gruppen – auch politischen Parteien – diskriminierungsfrei zur Verfügung zu stellen, solange keine sachlich gerechtfertigten Ausschlussgründe bestünden. Die Beklagte gewähre in gleicher Weise anderen juristischen Personen und Vereinigungen wie etwa dem Kreisjugendring oder der Kirche Zugang zu den Räumlichkeiten. Eine derartige Bevorzugung gesellschaftlicher Gruppen gegenüber politischen Parteien sei eine nicht sachlich gerechtfertigte Ungleichbehandlung. Dies gelte umso mehr, als politische Parteien im Hinblick auf Art. 21 GG eine besondere und herausgehobene Rolle in der demokratischen Ordnung einnähmen. Insbesondere das „Stärkeantrinken“ im Jahr 2008 zeige, dass sehr wohl parteipolitische Veranstaltungen zugelassen worden seien. Zudem sei die Abgrenzung zwischen kulturellen und politischen Veranstaltungen unscharf, gesellschaftliche Veranstaltungen könnten ebenso politisch geprägt sein, ohne explizit Wahlkampfcharakter zu haben.
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Die Widmung selbst könne sich nicht aus einer reinen Verwaltungspraxis ergeben. Die von Beklagtenseite angeführte konkludente Widmung genüge diesen Anforderungen nicht. Die Widmung bedürfe einer klaren, nach außen erkennbaren und transparenten Regelung. Eine langjährige Vergabepraxis allein könne dies nicht ersetzen. Insbesondere liege keine schriftliche Satzung vor. Ein entsprechender Ausschluss der Vergabe an politische Parteien wäre im Übrigen wegen Verstoß gegen Art. 21 GG rechtswidrig.
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Auch die Argumentation der Beklagten hinsichtlich der fehlenden Ortsansässigkeit des Klägers greife nicht durch. Art. 21 Abs. 4 GO beziehe sich auf juristische Personen und Personenvereinigungen. Zu den Personenvereinigungen zählten insbesondere nichtrechtsfähige Vereine. Nutzungsberechtigte hinsichtlich der Räume einer gemeindlichen Einrichtung könnten damit ebenso Parteien sein. Der Begriff der Ortsansässigkeit sei weit auszulegen. Vereinigungen, die – wie der Kläger – in der Region tätig seien und Veranstaltungen mit Bezug zur Beklagten abhalten wollten, fielen daher unter den Schutzbereich. Nach § 1 Abs. 3 der Satzung des Klägers umfasse dessen Tätigkeitsgebiet den gesamten Landkreis … und damit auch das Gebiet der Beklagten.
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Auf gerichtlichen Hinweis in Bezug auf die Bestimmtheit des Klageantrags führte der Klägerbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 13. Januar 2025 aus, dass nunmehr beantragt werde,
die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger
- am 15. Februar 2026 von 9.00 Uhr bis 23.00 Uhr oder am 22. Februar 2026 von 9.00 Uhr bis 23.00 Uhr
- und am 19. Oktober 2026 von 9.00 Uhr bis 23.00 Uhr
Zugang zum Bürgerhaus …, … in …, für eine vom Kläger durchzuführende Parteiveranstaltung im Rahmen der verfügbaren Kapazitäten zu verschaffen.
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Der Beklagtenbevollmächtigte führte mit Schriftsatz vom 10. März 2025 hierzu aus, dass auch hinsichtlich des geänderten Klageantrages Klageabweisung beantragt werde. Im Übrigen sei es nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im Rahmen des Art. 21 GO zulässig, sämtliche Parteien von der Nutzung einer öffentlichen Einrichtung auszuschließen. Ein solcher Ausschluss sei mit dem Stadtratsbeschluss der Beklagten vom 19. Juni 2006 erfolgt. Außerdem könne sich eine solche Beschränkung der Widmung ebenso konkludent aus der Vergabepraxis ergeben. Zudem sei das 2007 und 2008 durchgeführte „Stärkeantrinken“ des …-Ortsverbandes keine Parteiveranstaltung im engeren Sinne gewesen. Darüber hinaus sei das Bürgerhaus seit 2008 keiner Partei oder Wählervereinigung mehr überlassen worden. Auch andere Anfragen von Parteien und Wählergruppen seien abgelehnt worden. Eine Ungleichbehandlung des Klägers liege damit nicht vor. Die in Art. 21 Abs. 4 GO angeordnete entsprechende Anwendbarkeit von Art. 21 Abs. 1 und 3 GO für juristische Personen und Personenvereinigungen bedeute, dass nur solche juristischen Personen und Personenvereinigungen mit Sitz in der Gemeinde einen Zulassungsanspruch hätten. Dies sei beim Kläger aber nicht der Fall.
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Mit Schriftsätzen ihrer Bevollmächtigten vom 8. April 2025 bzw. 29. April 2025 verzichteten die Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
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Ergänzend führte der Klägerbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 21. Mai 2025 aus, dass es schon an einer nachvollziehbaren, belegbaren und konsistenten Widmungsbeschränkung durch die Beklagte fehle. Die Bezugnahme auf eine Stadtratsentscheidung aus dem Jahr 2006 sei insoweit unzureichend, da ihr Inhalt weder substantiiert dargelegt noch nachgewiesen sei. Die bloße interne Verwaltungspraxis ersetze keine öffentlich-rechtliche Widmung. Zudem habe mit dem „Stärkeantrinken“ des …-Ortsverbandes 2008 sehr wohl eine Veranstaltung mit parteipolitischem Charakter stattgefunden. Eine Widmung, die sich auf die konkludente Nichtzulassung anderer Parteien stützen wolle, sei mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an Transparenz, Bestimmtheit und Gleichbehandlung nicht vereinbar.
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Dem Kläger könne ein Zulassungsanspruch auch nicht mit dem Argument verwehrt werden, dass er seinen Sitz nicht im Gebiet der Beklagten habe. Aus der Verweisung in Art. 21 Abs. 4 GO auf Art. 21 Abs. 1 GO folge kein zwingendes Sitz-Erfordernis, sondern eine sachbezogene Bewertung dahingehend, ob die gemeindliche Einrichtung regelmäßig in gleicher Weise anderen, auswärtigen Veranstaltern überlassen werde. Dies sei hier eindeutig der Fall, da das Bürgerhaus nach Angaben der Beklagten als überörtlich orientierte Veranstaltungslocation für Konzerte, Kongresse, Fortbildungen, Tagungen und kulturelle Veranstaltungen genutzt werde. Maßgeblich sei, dass die Beklagte auch nicht ortsansässigen Veranstaltern den Zugang eröffne. Insoweit habe der Kläger einen Anspruch auf Gleichbehandlung.
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Die Differenzierung nach der Teilnahme an Bürgermeister- bzw. Stadtratswahlen sei nicht sachgerecht. Ein derartiger Maßstab benachteilige kleinere, neu gegründete oder auf Bundesebene aktive Parteien. Die Beklagte sei verpflichtet, alle Parteien im Vorfeld der bayerischen Kommunalwahlen gleich zu behandeln.
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Der Beklagtenbevollmächtigte wies mit Schriftsatz vom 26. Mai 2025 darauf hin, dass entgegen der Auffassung der Klägerseite der Widmungsakt keiner bestimmten Form bedürfe und sich auch konkludent, etwa aus der tatsächlichen Vergabepraxis ergeben könne. Hier sei jedenfalls aufgrund dessen, dass mindestens seit dem Jahr 2008 keine parteipolitischen Veranstaltungen im Bürgerhaus mehr durchgeführt worden seien, von einer dementsprechenden konkludenten Widmungsbeschränkung auszugehen.
26
Ergänzend wird nach § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Über die Klage kann mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, § 101 Abs. 2 VwGO.
28
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
29
1. Die Klage ist in der Gestalt des Klageantrages aus dem Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 13. Januar 2025 zulässig.
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a) Sie ist als Verpflichtungsklage i.S.d. § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO statthaft. Bei der Entscheidung über das „Ob“ der Zulassung zu der öffentlichen Einrichtung der Beklagten handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung mit Regelungswirkung gegenüber dem Kläger auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts, mithin um einen Verwaltungsakt i.S.d. Art. 35 Satz 1 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG).
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b) Der Kläger ist gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Er kann zumindest geltend machen, einen möglichen Anspruch auf Zulassung zum Bürgerhaus aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 GO bzw. Art. 21 Abs. 1 i.V.m. 3 Abs. 1 GG und § 5 PartG zu haben. Der Kläger ist insoweit nach § 61 Nr. 2 VwGO beteiligtenfähig.
32
c) Ebenso liegt in dem mit dem Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 13. Januar 2025 geänderten Klageantrag eine nach § 91 Abs. 1 VwGO zulässige Klageänderung vor. Im Hinblick auf den ursprünglichen Klageantrag aus dem Schriftsatz vom 7. August 2024 handelt es sich zwar insoweit um einen anderen Streitgegenstand, als nunmehr erstmals konkrete Termine im Februar und Oktober 2026 benannt wurden. Allerdings hat sich zum einen die Beklagtenseite rügelos i.S.d. § 91 Abs. 2 VwGO schriftsätzlich auf die geänderte Klage eingelassen. Damit ist eine Einwilligung der Beklagten in die Klageänderung nach § 91 Abs. 1 Alt. 1 VwGO anzunehmen. Zum anderen stellt sich die Klageänderung ebenso als sachdienlich i.S.d. § 91 Abs. 1 Alt. 2 VwGO dar, da – unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit – die Klage auch in der geänderten Form der endgültigen Ausräumung des sachlichen Streits zwischen den Beteiligten dient, der Streitstoff im Wesentlichen derselbe bleibt, so dass der bisherige Prozessstoff verwertet werden kann und die geänderte Klage nicht unzulässig ist (vgl. Peters/Kujath in Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Aufl. 2018, § 91 Rn. 53 ff. m.w.N.).
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d) Die Geltendmachung eines Zulassungsanspruchs für den 19. Oktober 2026 scheitert nicht bereits daran, dass der Kläger diesen Termin erstmals im gerichtlichen Verfahren benannt und sich nicht bereits vor Klageerhebung gegenüber der Beklagten um eine Zulassung zu diesem Termin bemüht hat. Es kann dabei hier dahinstehen, ob in der Konstellation der Verpflichtungsklage i.S.d. § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO eine vorherige Antragstellung bei der Beklagtenseite eine bloße Sachurteilsvoraussetzung darstellt, die erst im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts vorliegen muss oder als (nicht nachholbare) Klagevoraussetzung anzusehen ist (vgl. zum Meinungsstand BVerwG, U.v. 16.12.2009 – 6 C 40.07 – juris Rn. 24).
34
Denn selbst wenn man von Letzterem ausginge, wäre hier aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit sowie wegen des Gebots der Gewährung effektiven und damit auch vollständigen Rechtsschutzes innerhalb angemessener Zeit nach Art. 19 Abs. 4 GG (vgl. allgemein Ernst in von Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, 7. Aufl. 2021, Art. 19 Rn. 158 ff.; Huber in Huber/Voßkuhle, Grundgesetz, 8. Aufl. 2024, Art. 19 Rn. 543 ff.) eine Ausnahme zu machen: Sinn und Zweck der vorherigen Antragstellung bei der Beklagtenseite ist es, dieser vor einer etwaigen gerichtlichen Auseinandersetzung zu ermöglichen, über den Erlass des Verwaltungsaktes entscheiden zu können und – im Falle einer für den Antragsteller positiven Entscheidung – gerichtlichen Rechtsschutz überflüssig zu machen. Ein gerichtliches Verfahren soll deshalb grundsätzlich nur dann erforderlich sein, wenn die Beklagtenseite zuvor Gelegenheit hatte, über den Antrag zu entscheiden und ihn abgelehnt hat. Dieser Zweck kann aber dann nicht erreicht werden, wenn eine Ablehnung des Antrages sicher zu erwarten ist. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn bereits zuvor ähnliche Anträge abgelehnt wurden und die Gründe hierfür ebenso bei einem weiteren Antrag zur Ablehnung führen würden, weil auch im Übrigen nichts dafür ersichtlich ist, dass nun eine andere Entscheidung ergehen könnte.
35
So liegt es auch hier: Die vorhergehenden Anfragen und Anträge des Klägers hinsichtlich der Nutzung des Bürgerhauses waren von der Beklagten nie mit auf den konkreten Termin bezogenen Gründen abgelehnt worden. Vielmehr stützte sich die Beklagte stets grundsätzlich auf die Beschlusslage im Stadtrat und die bisherige Vergabepraxis. Es war zudem weder vor Klageerhebung noch im gerichtlichen Verfahren ersichtlich, dass sich hieran etwas ändern würde. Bestätigt wird dies letztlich durch die Erwiderung der Beklagtenseite auf den mit dem geänderten Klageantrag erstmals vorgebrachten Termin 19. Oktober 2026. Auch insoweit hat die Beklagte nichts zu diesem konkreten Datum vorgetragen, sondern ihre grundsätzliche Ablehnung eines Zulassungsanspruchs des Beklagten wiederholt. Vor diesem Hintergrund wäre es – selbst wenn man in der vorherigen Antragstellung eine nicht nachholbare Klagevoraussetzung sehen will – mit dem Grundsatz der Prozesswirtschaftlichkeit und dem Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes nicht vereinbar, vom Kläger zu verlangen, zunächst einen weiteren Antrag bei der Beklagten zu stellen und erst nach dessen – erwartbarer – Ablehnung gerichtlichen Rechtsschutz in einem weiteren Verfahren zu erstreben, in dem sich letztlich die gleichen Rechtsfragen stellen würden.
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2. Die Klage bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zugang zum Bürgerhaus der Beklagten zu den von ihm benannten Terminen, die Ablehnung durch die Beklagte verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
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a) Dabei kann es dahinstehen, ob dem Kläger bereits aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 4 GO ein Zulassungsanspruch zustehen kann oder nicht. Aus der Satzung des Klägers in der Fassung vom 5. Mai 2024 (vgl. https:/ …) ergibt sich kein Sitz, sondern lediglich eine Regelung zum Tätigkeitsgebiet des Klägers, welches sich nach § 1 Abs. 3 der Satzung auf den Landkreis und die Stadt … erstreckt. Ob der Kläger als Kreisverband, der offenbar nicht in weitere Ortsverbände untergliedert ist, dennoch als Personenvereinigung mit Sitz in der beklagten Gemeinde anzusehen ist (vgl. allgemein dazu Bauer/Böhle/Ecker/Kuhne, Bayerische Kommunalgesetze, Stand Oktober 2024, Art. 21 GO Rn. 36, Stepanek in Dietlein/Suerbaum, BeckOK Kommunalrecht Bayern, Stand 1.2.2025, Art. 21 GO Rn. 19) erscheint zwar fraglich. Aber auch dann, wenn man einen Zulassungsanspruch nach Art. 21 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 4 GO dem Grunde nach anerkennen würde, würde dieser hier im Ergebnis ausscheiden, da die vom Kläger begehrte Nutzung nicht vom Widmungszweck des Bürgerhauses der Beklagten umfasst ist:
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aa) Grundsätzlich gelten für den Widmungsakt an sich sowie für nachträgliche Erweiterungen oder Einschränkungen der Widmung keine Formvorschriften. Die Widmung kann durch Satzung nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 GO, durch Allgemeinverfügung i.S.d. Art. 35 Satz 2 BayVwVfG, durch Gemeinderatsbeschluss, durch vertragliche Abmachungen, aber ebenfalls allein durch konkludentes Handeln erfolgen (vgl. Hölzl/Hien/Huber, Gemeindeordnung mit Verwaltungsgemeinschaftsordnung, Landkreisordnung und Bezirksordnung, Stand Oktober 2024, Art. 21 GO Anm. 4.1; Bauer/Böhle/Ecker/Kuhne, Bayerische Kommunalgesetze, Stand Oktober 2024, Art. 21 GO Rn. 10; Wachsmuth in Schulz u.a., Kommunalverfassungsrecht Bayern, Stand April 2025, Art. 21 Anm. 2.2; jeweils m.w.N.). Soweit – wie hier – keine förmliche Regelung der ursprünglichen Widmung ersichtlich ist, können auch aus Gründen der Selbstbindung der Verwaltung oder der Transparenz gemeindlichen Handelns an nachträgliche Beschränkungen grundsätzlich keine besonderen Anforderungen gestellt werden (vgl. dazu VG Bayreuth, B.v. 2.5.2024 – B 4 E 24.349 – juris Rn. 35).
39
Eine auf einer tatsächlichen Vergabepraxis beruhende konkludente Widmung bzw. ihre Beschränkung ist jedoch nur wirksam, wenn von einer zumindest stillschweigenden Billigung der Vergabepraxis durch das nach der Kommunalverfassung zuständige Organ ausgegangen werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 4.1.2012 – 4 CE 11.3002 – juris). Dabei sind aber an die Annahme einer Billigung durch den Gemeinderat keine überspannten Anforderungen zu stellen. Insbesondere wird man eine Billigung dann annehmen müssen, wenn der Gemeinderat gegen eine von der Widmung abweichende Nutzung über einen gewissen Zeitraum nicht eingeschritten ist (vgl. Stepanek in Dietlein/Suerbaum, BeckOK Kommunalrecht Bayern, Stand 1.2.2025, Art. 21 GO Rn. 7).
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bb) Widmungsbeschränkungen sind dabei zulässig, soweit sie nicht den allgemeinen Zulassungsanspruch von Gemeindeangehörigen beeinträchtigen oder zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Differenzierung führen (Bauer/Böhle/Ecker/Kuhne, Bayerische Kommunalgesetze, Stand Oktober 2024, Art. 21 GO Rn. 14). Daher ist eine Differenzierung nach politischen Vorstellungen nicht verbotener Parteien unzulässig; aus dem Parteienprivileg nach Art. 21 Abs. 2 GG ergibt sich ebenso, dass einer nicht verbotenen politischen Partei nicht entgegengehalten werden kann, sie verfolge verfassungsfeindliche Ziele (BayVGH, B.v. 4.1.2012 – 4 CE 11.3002 – juris Rn. 6).
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Der Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien nach Art. 21 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG und § 5 Abs. 1 PartG führt außerdem dazu, dass ein Verwaltungsträger diejenigen Räumlichkeiten, die für eine Nutzung (auch) durch politische Parteien gewidmet sind, im Rahmen der verfügbaren Kapazität allen interessierten Parteien überlassen muss. Der Nutzerkreis kann nicht von vornherein auf bestimmte Parteien und damit insbesondere nicht auf die im Gemeinde- bzw. Stadtrat vertretenen Parteien beschränkt werden (BayVGH, B.v. 3.7.2018 – 4 CE 18.1224 – juris Rn. 19 m.w.N.).
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cc) Der Beschluss des Stadtrates der Beklagten vom 19. Juni 2006, wie er sich aus dem vorgelegten Beschlussbuchauszug ergibt, begegnet vor diesem Hintergrund erheblichen rechtlichen Bedenken: Der Anspruch politischer Parteien auf Gleichbehandlung ist grundsätzlich streng formal zu sehen, dabei ist er aber stets nur darauf bezogen, dass die vorgefundene Wettbewerbslage nicht verfälscht werden darf. Das bedeutet, dass die Pflicht zu staatlicher Neutralität es verbietet, die tatsächlichen Startbedingungen der miteinander im politischen Wettbewerb stehenden Parteien einander anzugleichen oder die Unterschiede zwischen ihnen zu verschärfen (Streinz in Huber/Voßkuhle, Grundgesetz, 8. Aufl. 2024, Art. 21 Rn. 123 f.; Klein in Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz, Stand Oktober 2024, Art. 21 Rn. 299 f.; jeweils m.w.N.). Nach der einfachgesetzlichen Ausprägung dieses Grundsatzes in § 5 Abs. 1 Satz 2 bis 4 PartG ist eine Abstufung nach der Bedeutung politischer Parteien daher auch nur hinsichtlich des Umfangs der Gewährung zulässig. Eine Regelung, nach der bestimmte, nicht verbotene politische Parteien generell von der Nutzung gemeindlicher Räumlichkeiten ausgeschlossen sind, steht damit nicht in Einklang. Die Anknüpfung daran, ob eine Partei an Bürgermeister- oder Stadtratswahlen teilgenommen hat oder teilnimmt, dürfte – abgesehen von den damit verbundenen tatsächlichen Abgrenzungsschwierigkeiten – insoweit keinen sachlichen Grund für eine Differenzierung darstellen.
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dd) Letztlich kommt es hierauf aber nicht an, da sich eine wirksame Widmungsbeschränkung, die die vom Antragsteller geplante Nutzung des Bürgerhauses ausschließt, hier aus der tatsächlichen Vergabepraxis ergibt:
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(1) Der Kläger möchte nach seinen eigenen Angaben das Bürgerhaus der Beklagten für eine Wahlkampfveranstaltung nutzen, bei der er über sein Wahlprogramm informieren und Wähler zur Stimmabgabe motivieren möchte. Es handelt sich insoweit also um eine öffentliche parteipolitische Veranstaltung mit werbendem Charakter.
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Nach dem von Klägerseite nicht substantiell in Zweifel gezogen Vortrag der Beklagten hat die letzte in ihrer Art vergleichbare öffentliche Veranstaltung politischer Parteien im Bürgerhaus der Beklagten mit der „Auftaktveranstaltung“ der … des Landkreises … am 8. Februar 2008 stattgefunden. Die anlässlich der Kommunalwahl 2014 dort abgehaltenen Podiumsdiskussionen wurden zum einen nicht von einer Partei, sondern von der Beklagten bzw. deren ersten Bürgermeister veranstaltet. Sie hatten zudem auch nicht den Charakter einer parteipolitischen Veranstaltung, sondern dienten der Vorstellung der Kandidaten der Bürgermeisterwahl aller Parteien und Wählergruppen, also gerade nicht einzelnen parteipolitischen Interessen. Die im November 2020 im Bürgerhaus abgehaltenen Fraktionssitzungen des Stadtrates der Beklagten waren schon keine öffentlichen parteipolitischen Veranstaltungen.
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Andere, in ihrer Qualität mit der vom Antragsteller geplanten Nutzung vergleichbare Veranstaltungen sind aus dem von Beklagtenseite vorgelegten Auszug aus dem Belegungsplan nicht ersichtlich. Insbesondere haben die von Klägerseite angeführten kirchlichen oder sonstigen gesellschaftlichen Veranstaltungen im Bürgerhaus der Beklagten einen anderen Charakter. Sie dienen nicht dem Zweck einer Veranstaltung einer politischen Partei, die nach Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG an der politischen Willensbildung des Volkes mitwirkt und dabei im Wettkampf mit anderen Parteien steht und darauf angewiesen ist, durch öffentliche Veranstaltungen wie sie der Kläger hier plant, Aufmerksamkeit und Unterstützung im politischen Meinungskampf zu generieren (vgl. zur – zulässigen – Differenzierung zwischen parteipolitischen Veranstaltungen und Veranstaltungen mit allgemeinen politischen Bezügen NdsOVG, B.v. 28.2.2007 – 10 ME 74/07 – juris Rn. 20 m.w.N.). Insoweit liegt ein hinreichend bestimmtes und sachlich begründbares Differenzierungskriterium vor. Auch von Klägerseite wurde nicht vorgetragen, dass es nach dem 8. Februar 2008 nochmals vergleichbare Veranstaltungen im Bürgerhaus der Beklagten gegeben hätte. Mithin liegt im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts ein Zeitraum von über 17 Jahren vor, in dem das Bürgerhaus der Beklagten nicht für öffentliche parteipolitische Veranstaltungen, wie sie der Kläger plant, genutzt wurde.
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(2) Für die Entscheidung über den Umfang der Widmung des Bürgerhauses als öffentlicher Einrichtung der Beklagten ist hier mangels anderweitiger Regelungen deren Stadtrat nach Art. 29 GO zuständig. Die Einschränkung der Vergabepraxis war dem Stadtrat der Beklagten auch bekannt. Dies ergibt sich aus dem einstimmig gefassten Beschluss des Stadtrates vom 18. März 2024. Dieser wurde zwar erst zu einem Zeitpunkt gefasst, in dem der konkrete Nutzungsantrag des Klägers bereits vorlag. Allerdings ist in diesem Beschluss ausgeführt, „dass sich die im Stadtrat vertretenen Parteien und Gruppierungen seit den letzten Jahrzehnten einig sind und keine Nutzung bzw. Überlassung vom Kultur- und Bürgerhaus zu einzelparteipolitischen Zwecken vornehmen und anfragen, weder für ortsbezogene noch für überregionale parteien- bzw. gruppierungsbezogene Veranstaltungen.“ Daraus ergibt sich, dass jedenfalls die in den letzten 17 Jahren praktizierte Vergabe, die eine Nutzung für parteipolitische Veranstaltungen wie die des Klägers ausschließt, mit Wissen und Billigung der Stadtratsmehrheit geschehen ist. Im Ergebnis ist daher ausgehend von der Vergabepraxis spätestens ab dem Jahr 2009 von einer Beschränkung der Widmung des Bürgerhauses der Beklagten dahingehend auszugehen, dass dort öffentliche Veranstaltungen einzelner politischer Parteien nicht stattfinden dürfen.
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(3) Gemeinden sind nicht von vorneherein zur Überlassung von Räumlichkeiten zur Durchführung parteipolitischer Veranstaltungen verpflichtet. Eine Widmungsbeschränkung dahingehend, solche Veranstaltungen von der Zugangsberechtigung generell auszuschließen, ist rechtlich unbedenklich. Eine solche Beschränkung ist jedenfalls zulässig, soweit nicht der allgemeine Zulassungsanspruch von Gemeindeangehörigen beeinträchtigt wird oder die Beschränkung zu einer anderen sachlich nicht gerechtfertigten Differenzierung führt sowie nicht gemeindliche Pflichtaufgaben beeinträchtigt werden (Glaser in Widtmann/Grasser/Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, Stand Januar 2024, Art. 21 Rn. 19a; Bauer/Böhle/Ecker/Kuhne, Bayerische Kommunalgesetze, Stand Oktober 2024, Art. 21 GO Rn. 14). Weder Art. 21 GG noch § 5 PartG verpflichten Gemeinden, öffentliche Einrichtungen für Parteien zu errichten oder bereit zu stellen (vgl. BVerfG, B.v. 7.3.2007 – 2 BvR 447/07 – juris Rn. 5; BVerwG, U.v. 18.7.1969 – VII C 56.68 – juris Rn. 35; BayVGH, B.v. 17.2.2011 – 4 CE 11.287 – juris Rn. 23; VGH BW, B.v. 11.5.1995 – 1 S 1283/95 – juris Rn. 15; NdsOVG, B.v. 28.2.2007 – 10 ME 74/07 – juris Rn. 20; ThürOVG, B.v. 16.9.2008 – 2 EO 490/08 – juris Rn. 31 ff.). Als Einrichtungsträger können die Gemeinden auch festlegen, dass die Räumlichkeiten nur für bestimmte, nach objektiven Kriterien abgrenzbare Arten von Parteiveranstaltungen zur Verfügung gestellt werden (BVerfG, B.v. 7.3.2007 – 2 BvR 447/07 – juris Rn. 5 f.; BayVGH, B.v. 13.6.2008 – 4 CE 08.726 – juris Rn. 11; BayVGH, B.v. 17.2.2011 – 4 CE 11.287 – juris Rn. 21). Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass es im Gebiet der Beklagten möglicherweise keine anderen für die vom Kläger geplante Veranstaltung geeigneten Räumlichkeiten gibt, denn dieser Umstand betrifft alle politischen Parteien gleichermaßen und vermag es nicht, die grundgesetzlich gewährte Satzungsautonomie des Beklagten zu beschränken.
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b) Dementsprechend kann sich der Kläger nicht auf die verfassungsrechtlich gewährleistete Chancengleichheit politischer Parteien nach Art. 21 Abs. 1 i.V.m. 3 Abs. 1 GG, die durch das Gleichbehandlungsgebot in § 5 Abs. 1 PartG konkretisiert wird, berufen. Denn da die Beklagte alle politischen Parteien von der Nutzung des Bürgerhauses für öffentliche Veranstaltungen in rechtmäßiger Weise ausgeschlossen hat, stellt die Verweigerung der Nutzung gegenüber dem Kläger denklogisch keine Ungleichbehandlung dar.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, der Kläger hat als unterliegender Teil die Kosten zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).