Titel:
Erledigung eines Widerspruchs gegen Zustimmung des Integrationsamts zur Kündigung: Kein Anspruch auf Bescheidung
Normenketten:
VwGO § 161 Abs. 2
SGB X § 63
VwVfG § 80
Leitsätze:
1. Erledigt sich die Zustimmung des Integrationsamtes zu einer Schwerbehindertenkündigung dadurch, dass der Arbeitgeber die Kündigung nicht innerhalb der notwendigen Frist (§ 171 Abs. 3 SGB IX) ausspricht, hat der Schwerbehinderte während des laufenden Widerspruchsverfahrens grundsätzlich kein subjektives Recht auf Erlass eines Widerspruchsbescheids mit einer für ihn günstigen Kostengrundentscheidung. (Rn. 24)
2. Einer solchen Klage fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, da der Schwerbehinderte seine rechtliche Position hierdurch auch hinsichtlich der Kostenentscheidung des begehrten Widerspruchsbescheids nicht mehr verbessern kann. (Rn. 25)
Schlagworte:
Ersatz von Anwaltskosten aus Vorverfahren, Erledigung der Zustimmung zur Schwerbehindertenkündigung durch Nichtausspruch der, Kündigung durch den Arbeitgeber, Anspruch auf Erlass eines Widerspruchsbescheids, Verbescheidungsklage im Verwaltungsprozess, Erledigung, Widerspruchsverfahren, Kündigung, Schwerbehindert, Zustimmung, Integrationsamt, Bescheidung
Fundstelle:
BeckRS 2025, 25867
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Die Klägerin begehrt vom Beklagten den Erlass eines Widerspruchsbescheids betreffend den Widerspruch der Klägerin vom 24.10.2023 gegen die erklärte Zustimmung zur Kündigung der schwerbehinderten Klägerin durch ihren Arbeitgeber.
2
Die am … geborene Klägerin ist mit einem Grad der Behinderung von 60 schwerbehindert. Der Arbeitgeber der Klägerin beantragte beim Zentrum Bayern Familie und Soziales am 21.07.2023 die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin. Mit Bescheid vom 19.10.2023 wurde die Zustimmung erteilt. Die Arbeitgeberin sprach die Kündigung des Arbeitsverhältnisses binnen einen Monats nach Zustellung dieses Bescheids allerdings nicht aus. Gegen den Bescheid vom 19.10.2023 erhob die anwaltlich vertretene Klägerin Widerspruch am 24.10.2023. Eine Entscheidung über den Widerspruch erging nicht.
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Mit Schriftsatz vom 21.04.2024, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am gleichen Tag, erhob der Prozessbevollmächtigte der Klägerin Klage mit dem Antrag:
Die Beklagte wird verurteilt, über den Widerspruch der Klägerin vom 24.10.2023 gegen den Bescheid des Beklagten vom 19.10.2023 zu entscheiden.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass eine Untätigkeit seitens des Beklagten anzunehmen sei. Ein zureichender Grund sei nicht erkennbar. § 88 SGG ermögliche es, eine sog. Bescheidungsklage geltend zu machen, also, die Verbescheidung des Widerspruchs zu beantragen. Rechtlich möge in der Hauptsache das Rechtsschutzziel wegen Erledigung des Bescheides durch Zeitablauf und Nichtkündigungserklärung nicht hinreichend zu erreichen sein. Jedoch habe der Beklagte auch über die Kosten des Widerspruchsverfahrens nach § 63 SGB X zu entscheiden. Würde der Widerspruch zurückgenommen werden, läge kein Verfahren mehr zu Grunde, über das der Beklagte eine Kostenentscheidung zu treffen hat. Werde der Widerspruch zurückgenommen, sei dieser der Klägerin verlustig gegangen, wie eine Rechtsmittelrücknahme. Der Beklagte müsse aber eine Kostenentscheidung treffen. Dies könne er nur, wenn er zugleich über den Widerspruch als zulässig / unzulässig / begründet / unbegründet entscheide.
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Mit Schriftsatz vom 03.05.2024 beantragte der Beklagte
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Zur Begründung wurde in tatsächlicher Hinsicht ergänzend ausgeführt, dass die Arbeitgeberin mit Antrag vom 21.07.2023 die Zustimmung zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin beantragte habe. Im Gespräch vom 25.07.2023 habe die Klägerin erstmals Fristverlängerung zur Stellungnahme bis 31.08.2023 erhalten (vgl. Bl. 35 d. A.). Mit Schreiben vom 31.08.2023 habe der Prozessbevollmächtigte der Klägerin erneute Fristverlängerung für die Stellungnahme bis zum 21.09.2023 beantragt (vgl. Bl. 57 d. A.).
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In Telefongesprächen vom 07.09.2023 (Bl. 60 d. A.) und 26.09.2023 (Bl. 65 d. A.) habe die Klägerin persönlich mitgeteilt, dass Sie nicht mehr an den Arbeitsplatz zurückkehren möchte und vielmehr eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses wünsche. Dennoch habe der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom 02.10.2023 erneut Fristverlängerung bis zum 16.10.2023 beantragt, insbesondere, um mit der Beigeladenen eine gütliche Einigung zu verhandeln. Mit Schreiben vom 09.10.2023 habe der Beklagte die beantragte Fristverlängerung unter Hinweis auf mögliche Folgen einer unterbleibenden Stellungnahme gewährt. Bis zum 16.10.2023 habe der Prozessbevollmächtigte jedoch keinerlei Kontakt zur Beigeladenen aufgenommen (vgl. Bl. 74 d. A.) und auch keinerlei Stellungnahme beim Beklagten abgegeben.
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Die Klage sei unzulässig.
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Es bestünden aus mehreren Gründen Zweifel an der ordnungsgemäßen Bevollmächtigung des Rechtsanwaltes der Gegenseite.
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Es bestünde zudem kein Rechtsschutzbedürfnis für die Klage.
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Es bestünde kein Rechtsschutzbedürfnis für die beantragte Verpflichtungsklage. Eine auf Erlass eines Widerspruchsbescheids gerichtete Klage sei entsprechend der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung regelmäßig unzulässig. Schon § 68 Abs. 2 VwGO verdeutliche, dass die Verpflichtungsklage sich nicht auf den Erlass eines Widerspruchsbescheides beziehe, sondern vielmehr die Vornahme eines abgelehnten Verwaltungsaktes bewirken solle. Die Vorschriften zum Widerspruchsverfahren nach den §§ 68 ff. VwGO enthielten insoweit also keine isoliert einklagbaren Rechte. Die rechtlichen Interessen des Widerspruchsführers bzw. Klägers seien durch die Regelungen zur Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO ausreichend geschützt. Dieser bestimme allerdings nur, dass im Fall der Untätigkeit der Widerspruchsbehörde nach Ablauf der dort genannten Frist der Anspruch unmittelbar, also ohne Zuwarten des Vorverfahrens, mit der entsprechenden Klage verfolgt werden dürfe. Der § 75 VwGO stelle dabei aber keine eigene (den Katalog der VwGO erweiternde) Klageart auf Erlass eines Widerspruchsbescheides dar. Die Untätigkeitsklage sei somit lediglich eine Ausprägung der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage und könne im Falle eines Verpflichtungsbegehrens nur auf Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts gerichtet sein. In der Folge sprächen prozessökonomischen Erwägungen gegen die Zulässigkeit einer Verpflichtungsklage auf Erlass des Widerspruchsbescheides. Im Rahmen des § 75 VwGO könne ein Widerspruchsführer bzw. Kläger ohne weitere Verzögerung eine gerichtliche Entscheidung über sein Anfechtungsbegehren herbeiführen. Die vorherige Verpflichtungsklage auf Erlass des Widerspruchsbescheides würde insofern lediglich eine zeitliche Verschleppung und keinen Mehrwert leisten. Dies gelte auch dann, wenn die angefochtene Entscheidung keine gebundene, sondern eine Ermessenentscheidung darstelle. Die Frage der Ausgestaltung des gesetzlichen Klagekatalogs und die prozessuale Zulässigkeit einer Klage hingen insoweit nicht von der dem materiellen Recht zuzuordnenden Frage ab, ob die maßgebliche Norm eine gebundene oder eine Ermessensentscheidung erfordere. Bei einer Ermessensentscheidung könne die Zulässigkeit einer isolierten Verpflichtungsklage also allenfalls dann vorliegen, wenn der Kläger hierdurch ein „Mehr an Rechtsschutz“ erreichen könne. Dies sei jedoch vorliegend nicht der Fall. Wie der Klägerbevollmächtigte selbst darlege, sei bezüglich der Hauptsache (Zustimmung zur Kündigung der Klägerin) rechtlich bereits Erledigung eingetreten. D.h. eine Ermessenentscheidung darüber, ob dem Antrag der Beigeladenen auf Zustimmung zur Kündigung entsprochen werde, werde im gegenständlichen Verfahren ohnehin nicht mehr getroffen. Entschieden werde allenfalls noch über die Kosten des Vorverfahrens nach § 63 SGB X. Dies stelle jedoch eine gebundene und keine Ermessensentscheidung dar. Das Gericht könne hierüber nach § 161, 162 Abs. 2 VwGO entscheiden. Die Notwendigkeit, vor Anfechtung des Bescheides die Verpflichtung zum Erlass eines Widerspruchsbescheides auszusprechen, bestehe demnach nicht.
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Auch eine mögliche Anfechtungsklage sei mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Gegenstand einer solchen Klage wäre die von der Klägerin bereits im Widerspruchsverfahren angegriffene Zustimmung zur Kündigung mit Bescheid des Beklagten vom 19.10.2023.
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Die Beigeladene habe von dieser Zustimmung allerdings nicht innerhalb der Frist des § 171 Abs. 3 SGB IX Gebrauch gemacht. Der angegriffene Bescheid entfalte demnach keinerlei rechtliche Wirkung mehr. Eine Aufhebung würde der Klägerin somit keine rechtlichen Vorteile verschaffen.
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Die Klage sei außerdem unzulässig, da ein Widerspruchsverfahren anhängig ist. Nach § 68 Abs. 1 VwGO i.V.m. Art. 12 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 AGVwGO könne gegen einen Verwaltungsakt im Bereich des Scherbehindertenrechts entweder Widerspruch oder unmittelbar Klage erhoben werden. Das heiße, dass grundsätzlich vor Klageerhebung kein Widerspruch notwendig wäre. Sei aber Widerspruch eingelegt worden, so sei vor Abschluss des Widerspruchverfahrens eine Klageerhebung unzulässig. Etwas Anderes könne sich nur unter den Voraussetzungen des § 75 VwGO ergeben. Insbesondere dürfe demnach nur ohne zureichenden Grund über den Widerspruch in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden sein.
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Ob ein zureichender Grund für die Verzögerung vorliege, sei nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen. Bei dieser Beurteilung seien neben den vielfältigen Umständen, die eine verzögerte behördliche Entscheidung dem Grunde nach zu rechtfertigen geeignet seien, auch eine etwaige besondere Dringlichkeit einer Angelegenheit für den Antragsteller zu berücksichtigen. Es liege keine besondere Dringlichkeit für die Widerspruchsführerin vor. Hierbei sei vorliegend insbesondere zu berücksichtigen, dass sich das Widerspruchsverfahren, wie vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin richtig ausgeführt, bereits rechtlich erledigt habe. Die Beigeladene habe von der angefochtenen Zustimmung nicht innerhalb der Frist des § 171 Abs. 3 SGB IX Gebrauch gemacht. Der angegriffene Bescheid entfalte demnach keinerlei rechtliche Wirkung mehr. Eine Aufhebung im Widerspruchsverfahren würde der Klägerin somit keine rechtlichen Vorteile verschaffen. Der Widerspruch habe sich demnach erledigt und sei jedenfalls mangels Rechtsschutzbedürfnis als unzulässig zurückzuweisen. Auch für eine Kostenentscheidung im Widerspruchsverfahren bestehe keine Dringlichkeit, da im vorliegenden Fall der Erledigung gem. § 63 SGB X keine Kosten ersetzt würden. Nach § 63 SGB X habe, soweit der Widerspruch erfolgreich ist, der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen habe, demjenigen, der Widerspruch erhoben habe, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Nach dem Wortlaut regele § 63 SGB X nicht die Kostenerstattung für den Fall der Erledigung des Widerspruchs, da die Vorschrift den Erfolg des Widerspruchs voraussetze. Auch die §§ 72 und 73 Abs. 3 S. 3 VwGO würden eine Entscheidung über die Kosten des Widerspruchsverfahrens nur für die Fälle vorsehen, in denen die Behörde den Widerspruch für begründet halte und ihm abhelfe oder die Widerspruchsbehörde durch Widerspruchsbescheid entscheide.
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Auch eine analoge Anwendung von § 161 Abs. 2 VwGO komme nicht in Betracht. In seinem Urteil vom 11.05.1981 (Az: 6 C 121/80) habe das Bundesverwaltungsgericht zu § 80 VwVfG ausgeführt, dass § 80 VwVfG als abschließende Regelung anzusehen sei, so dass für eine analoge Anwendung des § 161 Abs. 2 VwGO kein Raum sei. Diese Auffassung sei auch auf § 63 SGB X übertragbar, der inhaltsgleich mit § 80 VwVfG sei.
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Schließlich komme eine Kostenerstattung auch nicht nach Art. 80 Abs. 1 S. 5 BayVwVfG in Betracht. Eine entsprechende Regelung wie in Art. 80 Abs. 1 S. 5 BayVwVfG fehle in § 63 SGB X. Die Regelung in Art. 80 Abs. 1 S. 5 VwVfG könne grundsätzlich auch nicht analog angewandt werden, da das Vorliegen dieser zusätzlichen Regelung im Landesgesetz darauf schließen lasse, dass im Rahmen des Bundesgesetzes eine derartige Regelung bewusst nicht vorgenommen worden sei. Der Klägerin stehe demnach kein Kostenersatz zu. Eine möglichst baldige Entscheidung würde ihr demnach keinerlei rechtliche Vorteile bringen.
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Weiterhin sei anzumerken, dass sich das Verfahren bereits durch das Verhalten des Prozessbevollmächtigten der Klägerin erheblich verzögert habe. Schon im Ausgangsverfahren seien dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin drei großzügige Fristverlängerungen gewährt worden. Insbesondere im Hinblick darauf, dass die Klägerin selbst offensichtlich kein großes Interesse mehr daran gehabt habe, für die Arbeitgeberin tätig zu werden, hätte Kontakt zur Beigeladenen gesucht werden können, um eine gütliche und schnelle Lösung zu verhandeln. Trotz Ankündigung dessen sei die Zeit aber nicht genutzt worden, was eine unkomplizierte und schnelle Erledigung des Zustimmungsverfahrens ermöglicht hätte. Ebenso wenig sei in dieser Zeit eine Erwiderung auf die Ausführungen der Beigeladenen abgegeben worden, um das Verfahren möglichst zügig fortzuführen. Darüber hinaus habe es der Prozessbevollmächtigte der Klägerin auch im Widerspruchsverfahren verpasst, eine zügige Entscheidung über den Widerspruch herbeizuführen.
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Zum Zeitpunkt der Begründung des Widerspruches (30.11.2023) sei bereits bekannt gewesen, dass die Beigeladene von der angefochtenen Zustimmung keinen Gebrauch gemacht habe. Schon zu diesem Zeitpunkt hätte eine (sachliche) Erledigung des Widerspruchs mitgeteilt werden können. Auch das Schreiben des Prozessbevollmächtigten vom 02.02.2024 sei nicht genutzt worden, um die Erledigung des Rechtsstreits mitzuteilen und eine entsprechende Erklärung hierzu oder über die Rücknahme des Widerspruches abzugeben. Auch eine weitere Nachfrage vom 13.02.2024 sei bis heute unbeantwortet geblieben. Darüber hinaus sei eine Verzögerung durch die besonderen Verfahrensvorschriften des Widerspruchsverfahrens der Inklusionsämter unumgänglich. Nach § 201 Abs. 1 S. 1 SGB IX erlasse den Widerspruchsbescheid bei Verwaltungsakten der Inklusionsämter der Widerspruchsausschuss nach § 202 SGB IX. Dieses Gremium tage regelmäßig in Abständen von ca. sechs Wochen. Die Behandlung der Fälle erfolge dabei nach Dringlichkeit.
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Im vorliegenden Fall sei der letzte Kontakt zum Prozessbevollmächtigten der Klägerin das Schreiben vom 13.02.2024 gewesen. Da hierauf unmissverständlich eine Antwort erwartet worden sei, sei ein Zuwarten bis jedenfalls Mitte März notwendig. Die (zu diesem Zeitpunkt) nächste Sitzung des Widerspruchsausschusses habe am 24.04.2024 stattgefunden. Im Hinblick auf die rechtliche Erledigung der streitgegenständlichen Sache, sei diese dort nicht vorgelegt, sondern dringenderen Angelegenheiten Vorzug gegeben worden.
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Für die Einzelheiten wird auf die Behördenakte und die Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Das Gericht konnte gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt haben.
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Die Klage ist bereits unzulässig und daher ohne Erfolg.
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1. Die auf bloße Bescheidung gerichtete Klage ist unstatthaft, §§ 42 Abs. 1, 75 VwGO. § 88 Abs. 2 SGG ist entgegen der Auffassung der Klägerin auf den Verwaltungsprozess nicht anwendbar. Nach § 62 SGB X gilt vorliegend für den Widerspruch und das Rechtsbehelfsverfahren grundsätzlich das Rechtsregime der VwGO und damit § 75 VwGO. Im Rahmen der Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO gibt es nur die Möglichkeit, unmittelbar auf den Erlass eines Verwaltungsakts mit einem bestimmten Inhalt zu klagen (unechte Untätigkeitsklage; s. B. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, § 88 Rn. 2; Porsch in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, 46. EL August 2024, § 75 VwGO Rn. 4). Ein Fall, dass ausnahmsweise auf den Erlass des Widerspruchsbescheids geklagt werden kann, liegt aufgrund der Erledigung des Ausgangsbescheids nicht vor (hierzu etwa Wöckel in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 73 Rn. 18).
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2. Es fehlt auch am Rechtsschutzinteresse der Klägerin, da die Klägerin ihre Position selbst im Falle einer erfolgreichen Verpflichtung des Beklagten zur Verbescheidung ihres Widerspruchs nicht verbessern können wird. Da sich der Verwaltungsakt nach Erhebung des Widerspruchs durch die Nichtausübung der Kündigung durch die Arbeitgeberin der Klägerin erledigt hat, müsste die Widerspruchsbehörde das Widerspruchsverfahren ohnehin einstellen; eine Entscheidung in der Sache wäre unzulässig (BVerwG, U.v. 20.1.1989 – 8 C 30/87 – juris Rn. 10). Einen „Fortsetzungsfeststellungswiderspruch“ gibt es nach höchstrichterlicher Rechtsprechung auch dann nicht, wenn sich der Verwaltungsakt während des laufenden Widerspruchsverfahrens erledigt (BVerwG, U.v. 9.2.1967 – I C 49.64 – juris Rn. 16 ff.; Riese in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, 46. EL August 2024, § 113 VwGO Rn. 148; Wolff in: NK-VwGO, 5. Aufl. 2018, § 113 Rn. 318). Die Kostengrundentscheidung nach § 63 SGB X würde in diesem Fall zulasten der Klägerin ausgehen, da der Widerspruch dann nicht erfolgreich wäre, wie es von der Norm vorausgesetzt wird (vgl. VG Düsseldorf, U.v. 21.3.2014 – 13 K 3877/13 – juris Rn. 28). Eine analoge Anwendung des § 161 Abs. 2 VwGO ist in Ermangelung einer planwidrigen Regelungslücke im Rahmen des Widerspruchsverfahrens nicht möglich (VG Schwerin, U.v. 25.01.2018 – 6 A 1255/16 SN – juris Rn. 22 f.). Auch ein Anspruch unter Anwendung von Treu und Glauben (analog § 242 BGB), der zum Teil bei einer Verschleppung des Widerspruchsverfahrens durch das Integrationsamt bis zu einer arbeitsgerichtlichen Entscheidung angedacht wird (VG Schwerin, U.v. 25.1.2018 – 6 A 1255/16 SN – juris Rn. 25; VG Köln, U.v. 1.8.2017 – 7 K 2941/15 – juris Rn. 50 ff.), hilft nicht weiter. Derartiges ist nicht ersichtlich, vielmehr lag hier die Erledigung allein in der Hand des Arbeitgebers. Da die Kostengrundentscheidung stets zulasten der Klägerin ausgehen würde, hätte sich auch die Frage erledigt, ob die Beiziehung eines Anwalts im Vorverfahren notwendig war. Der Erlass des Widerspruchsbescheids ist für die Klägerin daher objektiv nutzlos.
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3. Dass die Klägerin letztlich ihre Kosten für das Widerspruchsverfahren tragen muss, geht auf den Umstand zurück, dass aufgrund der Erledigung des angegriffenen Verwaltungsakts ein im Ergebnis erfolgloser Rechtsbehelf eingelegt wurde. Dies mag unbillig erscheinen, ist jedoch die gesetzliche Konzeption (VG Köln, U.v. 1.8.2017 – 7 K 2941/15 – juris Rn. 42).
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Die Kosten folgen §§ 154 Abs. 1, 188 S. 2 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).