Inhalt

OLG München, Beschluss v. 07.01.2025 – 23 U 6735/22
Titel:

Schadensberechnung, Entscheidungsgründe, Unzulässige Berufung, Streithelfer, Berufungserwiderung, Kosten des Berufungsverfahrens, Kosten der Nebenintervention, Angefochtenes Urteil, Verjährung, Kostenentscheidung, Landgerichte, Streitwert, Anspruchsgrundlage, Klageabweisung, Hilfserwägung, Zulässigkeit des Rechtsmittels, Rechtsprechung des BGH, Gesetzliche Anforderungen, Versicherungsnehmer, Fehlende Fälligkeit

Schlagworte:
Berufungsbegründung, Unzulässigkeit der Berufung, Klageabweisung, Anspruchsgrundlage, Schadensberechnung, Entscheidungsgründe, Prozesskostenentscheidung
Vorinstanz:
LG Landshut, Endurteil vom 26.10.2022 – 1 HK O 391/21
Fundstelle:
BeckRS 2025, 25855

Tenor

1. Die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 26.10.2022, Aktenzeichen 1 HK O 391/21, wird verworfen.
2. Die Klagepartei hat die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Nebeninterventionen zu tragen.
3. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 36.158,26 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts Landshut vom 26.10.2022, mit dem die Klage abgewiesen wurde, Bezug genommen.
2
Im Berufungsverfahren beantragt die Klägerin, die Beklagte – unter Aufhebung des der Klägerin am 27.10.2022 zugestellten Urteils des Landgerichts Landshut vom 26.10.2022, Az. 1 HK O 39/21 zu verurteilen, an die Klägerin € 36.158,26 nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über den Basiszins seit dem 04.11.2020 zu bezahlen.
3
Die Beklagte und die Streithelferin zu 2) beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
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Der Senat hat die Klägerin mit Beschluss vom 22.11.2024 (Bl. 82/85 der OLG-Akte) darauf hingewiesen, dass er beabsichtigt, die Berufung als unzulässig zu verwerfen, weil die Berufungsbegründung nicht den gesetzlichen Anforderungen genügt.
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Hierzu hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 02.12.2024, auf den umfassend Bezug genommen wird, Stellung genommen. Weitere – zustimmende – Stellungnahmen haben die Beklagte und deren Streithelferin zu 2) abgegeben.
II.
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1. Die Berufung der Klägerin ist gem. § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen, weil die Berufungsbegründung vom 27.12.2022 (Bl. 15/23 der OLG-Akte) nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 und 4 ZPO genügt.
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Zur Begründung wird auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 22.11.2024 Bezug genommen. Die hiergegen im Schriftsatz der Klägerin vom 02.12.2024 vorgebrachten Ausführungen geben nicht zu einer abweichenden Bewertung Anlass:
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1.1 Nicht durchgreifend ist der Einwand, mit Blick auf die Abweisung der Klage insgesamt dem Grunde (Ziff. 1 der Entscheidungsgründe des Landgerichts) seien die Ausführungen unter Ziff. 2 des angefochtenen Urteils nur noch Hilfserwägungen zur Höhe, die überdies nicht zur vollständigen Abweisung der Klage, sondern nur zur Teilabweisung führen würden.
9
Zum einen verkennt die Berufungsbegründung damit, dass das Landgericht unmissverständlich die Abweisung der Klage insgesamt sowohl auf die fehlende Anspruchsgrundlage (Ziff. 1) als auch darauf gestützt hat, dass der geltend gemachte Schaden an Hand der Verkaufspreise der Versicherungsnehmerin und nicht an Hand ihrer Einkaufspreise errechnet wurde, obwohl die Voraussetzungen für einen Ersatz der Handelsspanne nicht dargetan seien (Ziff. 2). Dass das Landgericht die Klage (auch) aus diesem Grunde insgesamt als abweisungsreif ansieht, wird nicht zuletzt durch den Obersatz der Entscheidungsgründe (“Die zulässige Klage ist weder dem Grunde noch der Höhe nach begründet.“ [Hervorhebungen nicht im Original] – ohne „teilweise“ o. Ä.) und die klare Gliederung in „1.“ und „2.“ (vgl. dazu BGH NJW-RR 2015, 511 Rn. 10) unmissverständlich klar. Dies ist auch rechtlich leicht einzusehen – ohne dass es auf der Stufe der Zulässigkeit des Rechtsmittels hierauf ankäme: Wenn nach dem Standpunkt des Landgerichts kein Anspruch auf die Handelsspanne besteht, kann die Schadensberechnung anhand der Verkaufspreise nicht den ersatzfähigen Schaden darlegen; ohne Parteivortrag zu den Einkaufspreisen kann die Klage auch nicht teilweise zugesprochen werden.
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1.2 Unbehelflich ist die vor diesem Hintergrund auch die Behauptung der Klägerin, die Ausführungen in Ziff. 2 seien nur „eine für die Entscheidung nicht erhebliche Hilfserwägung“. Diese Behauptung findet zum einen schon keine Stütze im Wortlaut und im Aufbau der Entscheidungsgründe (siehe schon zuvor). Im Übrigen wäre selbst eine Einleitung des Abschnitts Nr. 2 mit „nur der Vollständigkeit halber“ (BGH NJW-RR 2015, 511 Rn. 10) oder mit „lediglich weiterführend“ (BGH NJW-RR 2020, 503 Rn. 7) unschädlich, weil die Erwägungen zur Anspruchshöhe sich wie vorliegend (siehe dazu auch Nr. 1.1) nicht in einem kurzen Hinweis erschöpfen, sondern nach der Gedankenführung der Entscheidungsgründe selbständig vollumfänglich die Klageabweisung tragen.
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1.3 Die Klagepartei kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Abweisungsgründe in den Ziff. 1 und 2 nicht gleichwertig im Sinne der Rechtsprechung des BGH (NJW 2000, 590 [591]) seien. Nach der Urteilsbegründung des Landgerichts ist die Klage aus jedem der beiden genannten Gründe gleichermaßen endgültig und vollumfänglich abzuweisen. Der hiesige Rechtsstreit ist deshalb mit der in der vorzitierten Entscheidung zugrundeliegenden Konstellation, dass das Ausgangsgericht eine Abweisung mit Verjährung (mit der Folge der endgültigen Abweisung) und zusätzlich mit fehlender Fälligkeit (mit der Folge, dass die Klage derzeit unbegründet ist) begründet hat, nicht vergleichbar.
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1.4 Ebenso wenig verfängt die klägerische Rüge, dass es nach der Abweisung des Anspruchs dem Grunde nach in Ziff. 1 nicht mehr auf die Erwägungen zur Anspruchshöhe unter Ziffer 2 angekommen sei. Eine (vermeintliche) gedankliche Reihenfolge in der Anspruchsprüfung, dass zunächst der Anspruchsgrund und erst in zweiter Linie die Anspruchshöhe zu prüfen sei, rechtfertigt nicht, dass deshalb auf den zweiten Aspekt in der Berufungsbegründung nicht eingegangen wird. Vergleichbar ist der vorliegende Rechtsstreit vielmehr mit der Konstellation, dass das Erstgericht nach Verneinung der Anspruchsvoraussetzungen außerdem begründet hat, dass etwaige Ansprüche auch verjährt wären; eine zulässige Berufungsbegründung erfordert hier wie dort ein Eingehen auf sämtliche selbständig tragenden Aspekte (BGH NJW-RR 2015, 511 Rn. 10; BGH NJW-RR 2020, 503 Rn. 7).
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1.5 Aus BGH NJW-RR 2022, 347 Rn. 8 und NJW 2002, 682 (683) kann die Klagepartei keine für sie günstigen Schlüsse für den hier zu entscheidenden Einzelfall ableiten, zumal sie selbst erkennt, dass die dort zur Entscheidung gestellten Sachverhalte vom hiesigen abweichen.
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1.6 Soweit die Klägerin auf Seite 7 Abs. 4 der Berufungsbegründung hinweist, wo sie ausgeführt hat, dass „ein Schaden in streitgegenständlicher Höhe entstanden“ sei, ist dies, worauf der Senat bereits im Beschluss vom 22.11.2024 hingewiesen hat, nicht die gebotene konkrete Auseinandersetzung mit den Erwägungen des angefochtenen Urteils. Dies gilt a minore ad maius für den von der Klägerin ins Feld geführten letzten Absatz auf S. 2 der Berufungsbegründung, wonach die angefochtene Entscheidung „rechtlich und tatsächlich falsch“ sei und „zudem … die Entscheidung des Landgerichts widersprüchlich“ sei und „die Klägerin in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör“ verletze. Schließlich ist auch die Bezugnahme der Klägerin auf ihren gesamten erstinstanzlichen Vortrag, der sich u. a. auf die Schadenshöhe beziehe, nebst Beweisangeboten nicht ausreichend (BGH NJW 2013, 174 Rn. 10 m. w. N.).
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1.7 Die unzulässige Berufung ist von Amts wegen zu verwerfen, ohne dass es auf eine entsprechende Rüge oder einen dahingehenden Antrag des Prozessgegners ankäme. Daher ist es nicht von Belang, ob die Berufungserwiderung die Frage der Zulässigkeit thematisiert oder selbst auf alle Aspekte der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils eingeht (siehe aber ohnehin Berufungserwiderung, S. 4 – Bl. 34 der OLG-Akte).
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 101 Abs. 1 ZPO.
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3. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.