Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 04.09.2025 – AN 1 K 24.50807
Titel:

Abgelehnter Antrag auf Durchführung einer Videoverhandlung bei Eingang am Abend vor terminierter mündlicher Verhandlung, Unzulässige Klage gegen Abschiebungsanordnung nach erfolgter Dublin-Überstellung nach Polen, Wiederaufnahmepflicht Polens nach Art. 12 Abs. 1 Dublin-III-VO, Keine systemischen Mängel des polnischen Asylsystems, Erfolgreiche Klage gegen die Anordnung eines auf 60 Monate befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbots ohne Vorliegen besonderer Umstände

Normenketten:
VwVfG § 43 Abs. 2
VwGO § 102a
VwGO § 114 Satz 1
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a
AsylG § 34a
(Dublin-III-VO) Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 und 3 Verordnung (EU) Nr. 604/2013
(Dublin-III-VO) Art. 12 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 Verordnung (EU) Nr. 604/2013
AufenthG § 11 Abs. 1 Satz 1
AufenthG § 11 Abs. 3 Satz 1 und 2
AufenthG § 11 Abs. 4
AufenthG § 11 Abs. 5 bis 5b
Schlagworte:
Abgelehnter Antrag auf Durchführung einer Videoverhandlung bei Eingang am Abend vor terminierter mündlicher Verhandlung, Unzulässige Klage gegen Abschiebungsanordnung nach erfolgter Dublin-Überstellung nach Polen, Wiederaufnahmepflicht Polens nach Art. 12 Abs. 1 Dublin-III-VO, Keine systemischen Mängel des polnischen Asylsystems, Erfolgreiche Klage gegen die Anordnung eines auf 60 Monate befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbots ohne Vorliegen besonderer Umstände
Fundstelle:
BeckRS 2025, 25853

Tenor

1. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 6. Dezember 2024 wird in Ziffer 4. aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens trägt die Klägerin ¾, die Beklagte ¼.

Tatbestand

1
Die am … 2006 in … geborene Klägerin ist belarussische Staatsangehörige.
2
Die Klägerin reiste nach ihren Angaben am 5. September 2024 über Litauen und Polen und mit ihrem belarussischen Reisepass und einem ihr am 22. November 2023 durch die polnischen Behörden ausgestellten Visum vom Typ D zur mehrfachen Einreise mit Gültigkeit vom 2. Dezember 2023 bis 29. September 2024 in das Bundesgebiet ein.
3
Am 7. Oktober 2024 formulierte sie ein Asylgesuch in der Bundesrepublik Deutschland und stellte am 21. Oktober 2024 einen förmlichen Asylantrag.
4
In einer Erstbefragung über die Zulässigkeit ihres Asylantrags am 21. Oktober 2024 durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) erklärte die Klägerin insbesondere, ihr Vater und ihre Mutter seien in Deutschland.
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In ihrer Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags am 8. November 2024 durch das Bundesamt erklärte die Klägerin, ihre Familie, ihre Mutter, ihr Stiefvater und ihr Bruder, lebten in Deutschland. Befragt zu ihrem polnischen Visum erklärte die Klägerin, sie glaube, es handele sich um ein touristisches Visum. Ihr Vater habe sich darum gekümmert, sie sei zum damaligen Zeitpunkt noch nicht volljährig gewesen.
6
Das Bundesamt richtete am 12. November 2024 ein auf Art. 12 Abs. 4 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin-III-VO) gestütztes Rückübernahmeersuchen an die polnischen Behörden. Die polnischen Behörden nahmen mit Schreiben vom 18. November 2024 das Rücknahmeersuchen hinsichtlich der Klägerin gestützt auf Art. 12 Abs. 4 der Dublin-III-VO an.
7
Mit Bescheid vom 6. Dezember 2024 lehnte das Bundesamt den Asylantrag der Klägerin als unzulässig ab (1.), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1  AufenthG nicht vorliegen (2.), ordnete die Abschiebung nach Polen an (3.) und ordnete gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG ein auf 60 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot an (4.).
8
Zur Begründung führte das Bundesamt insbesondere aus, der Asylantrag sei gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG unzulässig, da Polen auf Grund des ausgestellten und vor weniger als sechs Monaten ausgelaufenen Visums gemäß Art. 3 Abs. 2 i.V.m. Art. 12 Abs. 4 Dublin-III-VO für die Behandlung des Asylantrages zuständig sei. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG lägen nach Erkenntnissen des Bundesamtes nicht vor. Bezüglich ihres Wunsches, ohne stichhaltige Begründung in Deutschland bleiben zu dürfen, sei festzuhalten, dass ein Wahlrecht der Klägerin darüber, welcher Staat für ihr Asylverfahren zuständig sein solle, europarechtlich explizit nicht vorgesehen sei. Ein zielstaatsbezogenes Überstellungshindernis könne überhaupt nur bei systemischen Mängeln des Asylsystems in Betracht kommen. Gründe zur Annahme von systemischen Mängeln im polnischen Asylverfahren lägen jedoch nicht vor.
9
Gegen den ihr am 16. Dezember 2024 zugestellten Bescheid ließ die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten am 23. Dezember 2024 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach erheben.
10
Der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig und verletze die Klägerin in ihren Rechten aus Art. 3 EMRK, Art. 3 GRCh. Die Klägerin weise darauf hin, dass ihre Mutter und ihr Stiefvater seit dem 15. Juni 2022 im Landkreis … wohnhaft seien. Es seien die einzigen Angehörigen der Klägerin. Ausgehend vom „weiten Familienbegriff“ des Europäischen Gerichtshofs hätte die Beklagte dies bei ihrer Entscheidung berücksichtigen müssen. Trotz des Regierungswechsels habe sich die Situation für Flüchtlinge in Polen im Vergleich zu den letzten Jahren nicht verbessert, sondern eher verschlechtert. Der Klägerin drohe im Falle einer Rückführung nach Polen die Gefahr, dass sie von dort weiter nach Belarus abgeschoben werden würde. Die Unzulässigkeitsentscheidung sei vorliegend aus Gründen vorrangigen Unionsrechts ausnahmsweise ausgeschlossen.
11
Der Bevollmächtigte der Klägerin wies zudem auf eine während des laufenden Verfahrens geänderte Rechtslage in Polen hin. Das Recht auf Asyl sei in Polen ausgesetzt. Die aktuelle Gesetzgebung in Polen gehe über systemische Mängel im Asylsystem weit hinaus. Die Klägerin beziehe sich dabei auf eine vorgelegte Stellungnahme des Gesetzgebungsbüros des Senats des Parlaments der Republik Polen zum Gesetzesentwurf zur Änderung des Gesetzes über die Gewährung von Schutz für Ausländer auf dem Gebiet der Republik Polen sowie auf eine von Asyl in der Kirche Berlin-Brandenburg e.V. veröffentlichte Stellungnahme vom 26. Juli 2025.
12
Die Klägerin beantragte,
den Bescheid der Beklagten vom 6. Dezember 2024 aufzuheben,
hilfsweise, Abschiebungsverbote gem. §§ 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG hinsichtlich Polen festzustellen.
13
Die Beklagte beantragte,
die Klage abzuweisen.
14
Zur Begründung bezog sich die Beklagte sich auf die angefochtene Entscheidung. Zur Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots führte die Beklagte ergänzend aus, nachdem überstellte Antragsteller in die Bundesrepublik wiedereingereist seien, sei eine „Dublin-Taskforce“ eingerichtet worden. Auf Grundlage eines Beschlusses dieser Dublin-Taskforce habe die Beklagte ihre Verwaltungspraxis zu § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG angepasst: Soweit keine schutzwürdigen Belange für eine abweichende Entscheidung vorgetragen würden oder ersichtlich seien, erfolge die Festsetzung eines Einreise- und Aufenthaltsverbotes auf 60 Monate. Wie sich § 11 Abs. 4 S. 1 AufenthG entnehmen lasse, sollten ausschließlich schutzwürdige Belange zur Verkürzung bzw. Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes berechtigen. In diesem Sinne dürfe die Beklagte bei der Bemessung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auch regelmäßig von einer Frist von 60 Monaten ausgehen, die bei Vorliegen schutzwürdiger Belange entsprechend reduziert werden dürfe. Entsprechende schutzwürdige Belange seien von der volljährigen Klägerin nicht vorgetragen worden. Dies stehe auch in Übereinstimmung mit den unionsrechtlichen Vorgaben von Art. 11 Abs. 2 Satz 1 der RL 2008/115, wonach die Mitgliedstaaten bei dem Erlass eines Einreiseverbotes lediglich fünf Jahre nicht überschreiten dürften und ihnen im Übrigen ein weiter Umsetzungsspielraum zugestanden werde. Schließlich zeige gerade auch der Umkehrschluss zu Art. 11 Abs. 2 Satz 2 der RL 2008/115, der die Mitgliedstaaten bei erschwerenden Belangen zur Verlängerung der 60 Monate berechtige, dass die Mitgliedstaaten bei der Bemessung eines Einreiseverbotes im Hinblick auf einen Normalfall (keine schutzwürdigen und keine erschwerenden Belange) von einer Ausgangsfrist von 60 Monaten ausgehen dürften. Ziffer 4. des streitgegenständlichen Bescheids sei rechtmäßig, da mit der vorgenannten Neujustierung im Bereich des Einreise- und Aufenthaltsverbots eine Frist von 60 Monaten insoweit als die (neue) Regelfrist in derartigen Konstellationen heranzuziehen sei. Dies decke sich mit der Erkenntnis des BVerwG (BVerwG, Urteil v. 13.12.2012 – 1 C 14.12), wonach im Regelfall nach § 11 Abs. 3 Satz 2, Abs. 5 bis 5b AufenthG für diese Fälle eine Obergrenze von 10 Jahren für das Einreise- und Aufenthaltsverbot anzunehmen sei.
15
Einen mit Klageerhebung gestellten Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung unter Ziffer 3. des angefochtenen Bescheids anzuordnen, hat das Gericht mit Beschluss vom 30. Januar 2025 abgelehnt (AN 1 S 24.50806).
16
Einen am 11. Mai 2025 gestellten Antrag, die aufschiebende Wirkung gemäß § 80 Abs. 7 VwGO anzuordnen, hat das Gericht mit Beschluss vom 21. Mai 2025 abgelehnt (AN 1 S 25.50335).
17
Am 5. Juni 2025 wurde die Klägerin nach Polen überstellt.
18
Mit Beschluss vom 19. August 2025 hat die Kammer den Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
19
In der mündlichen Verhandlung vor dem Einzelrichter am 4. September 2025 erschien weder die Klägerin noch die Beklagte.
20
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Behördenakten im hiesigen Klageverfahren wie in den Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (AN 1 S 24.50806 und AN 1 S 25.50335) sowie auf die über die mündliche Verhandlung gefertigte Niederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

21
Über die Klage konnte auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 4. September 2025 trotz des Ausbleibens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden (§ 102 Abs. 2 VwGO). Sowohl die Klägerin, über ihren Bevollmächtigten, als auch die Beklagte sind jeweils mit der Ladung vom 19. August 2025 form- und fristgerecht geladen und darauf hingewiesen worden, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann. Die fristgerechte Zustellung der Ladung ergibt sich hinsichtlich der Beklagten aus dem elektronischen Empfangsbekenntnis vom 19. August 2025, hinsichtlich der Klägerin aus dem am 3. September 2025 bei Gericht eingegangenem elektronischen Empfangsbekenntnis ihres Bevollmächtigten, das ebenfalls den 19. August 2025 als Tag der Zustellung ausweist. Der Antrag des Bevollmächtigten der Klägerin vom 3. September 2025, der erst nach Dienstschluss eingegangen ist und daher erst unmittelbar vor Aufruf der Sache zur Kenntnis genommen werden konnte, die mündliche Verhandlung als Videoverhandlung stattfinden zu lassen, wurde mit Beschluss vom 4. September 2025 abgelehnt, insbesondere weil die Bereitstellung der technischen Möglichkeit zur Durchführung einer Videoverhandlung i.S.d. § 102a Abs. 1 VwGO nicht mehr rechtzeitig möglich gewesen wäre und eine Verzögerung auch zu weiteren Verzögerungen im Hinblick auf die weiteren für den Verhandlungstag geladenen mündlichen Verhandlungen geführt hätte. Zudem war die späte Antragstellung, die der Bevollmächtigte der Klägerin auf nicht weiter genannte technische Probleme zurückführte, nicht nachvollziehbar.
22
Die Klage ist bereits unzulässig (geworden), soweit die Klägerin weiterhin die Aufhebung der Abschiebungsanordnung in Ziffer 3. des streitgegenständlichen Bescheids begehrt.
23
Insoweit fehlt es der Klägerin am für die Zulässigkeit der Klage erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis. Denn infolge der Überstellung der Klägerin nach Polen am 5. Juni 2025 hat sich die Abschiebungsanordnung nach § 43 Abs. 2 VwVfG erledigt; sie entfaltet keinerlei weitere Rechtswirkungen (vgl. VGH BW, U.v. 24.2.2022 – A 4 S 162/22 – juris Rn. 17; ausführlich VG Sigmaringen, Gerichtsbescheid v. 17.6.2021 – A 13 K 6550/17 – juris Rn. 31 ff. m.w.N.). Die gerichtliche Aufhebung eines bereits erledigten Verwaltungsaktes kommt nicht in Betracht. Die hier angefochtene Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylG setzt voraus, dass aktuell „feststeht“, dass die Rückführung in den anderen Dublin-Staat „durchgeführt werden kann“. Die Klägerin hält sich derzeit nicht in Deutschland auf, weshalb im Sinne von § 34a Abs. 1 AsylG offenkundig nicht hinreichend feststeht, dass eine Abschiebung nach Polen durchgeführt werden kann. Sie könnte auch bei einer erneuten Einreise in das Bundesgebiet nicht noch einmal auf Grundlage der Ziffer 3. des streitgegenständlichen Bescheids abgeschoben werden, denn diese Abschiebungsanordnung wäre durch die am 5. Juni 2025 erfolgte Überstellung verbraucht (VGH BW, U.v. 24.2.2022 – A 4 S 162/22 – juris Rn. 19; VG Sigmaringen, GB.v. 17.6.2021 – A 13 K 6550/17 – juris Rn. 31; VG Karlsruhe, U.v. 18.8.2020 – A 9 K 4171/19 – juris Rn. 33 f.). Da zudem auch keine Abschiebungskosten geltend gemacht werden können, weil diese im Dublin-Verfahren gemäß Art. 30 Abs. 1 und 3 Dublin-III-VO von der Beklagten zu tragen sind, gehen von der Abschiebungsanordnung keinerlei relevante Rechtswirkungen mehr aus (anders bei einer ausländerrechtlichen Abschiebungsanordnung, vgl. BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 11.15 – juris Rn. 29).
24
Soweit sich die Klage gegen die Unzulässigkeitsentscheidung und die Feststellung des Nichtvorliegens von Abschiebungsverboten in den Ziffern 1. und 3. richtet, ist sie zwar zulässig, aber nicht begründet.
25
Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 6. Dezember ist insoweit nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 und 5 VwGO). Auch nach der nach § 77 Abs. 1 AsylG maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte den Asylantrag der Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland als unzulässig abgelehnt, einen Rechtsanspruch auf die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG hat die Klägerin nicht.
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Zutreffend hat die Beklagte die Ablehnung des Asylantrags der Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland auf § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a AsylG gestützt. Danach ist Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Dublin-III-VO für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Dies ist hier der Fall, denn nach Maßgabe der Dublin-III-VO ist die Republik Polen für den Asylantrag der Klägerin zuständig.
27
Art. 3 Abs. 1 Dublin-III-VO sieht vor, dass der Asylantrag von dem Mitgliedsstaat geprüft wird, der nach den Kriterien des Kapitels III, somit der Art. 7 ff., der Dublin-III-VO als zuständiger Staat bestimmt wird. Nach diesen Kriterien ist Polen für die Durchführung des Asylverfahrens der Klägerin zuständig.
28
Gemäß Art. 12 Abs. 4 UAbs. 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 bis 3 Dublin-III-VO ist derjenige Mitgliedsstaat für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz zuständig, der dem Antragsteller ein Visum ausgestellt hat, auf Grund dessen der Antragsteller in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates einreisen konnte und das seit weniger als sechs Monaten abgelaufen ist, solange der Antragsteller das Hoheitsstaat der Mitgliedsstaaten nicht verlassen hat. Nach Art. 7 Abs. 2 Dublin-III-VO ist dabei bei der Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates von der Situation auszugehen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der mit der Durchführung des Asylverfahrens betrauten Behörde, in der Bundesrepublik Deutschland dem Bundesamt, ein Schriftstück zugegangen ist, das von einer Behörde erstellt wurde und bescheinigt, dass ein Drittstaatsangehöriger um internationalen Schutz ersucht hat, und, gegebenenfalls, wenn ihr nur die wichtigsten in einem solchen Schriftstück enthaltenen Informationen, nicht aber das Schriftstück oder eine Kopie davon, zugegangen sind (EuGH, U.v. 26.7.2017 – C-670/16 Rn. 103). Dies bezieht sich auf den Eingang des Asylgesuchs der Klägerin vom 7. Oktober 2024.
29
Vorliegend ist auf der Grundlage der Angaben der Klägerin und den sich aus ihrem Pass ersichtlichen Sichtvermerken davon auszugehen, dass die Klägerin am 5. September 2024 zuletzt über Litauen in das Gebiet der Mitgliedsstaaten eingereist ist und dies auf Grund des ihr von den polnischen Behörden am 22. November 2022 ausgestellten Visum vermochte. Dieses Visum hatte eine Gültigkeitsdauer vom 2. Dezember 2023 bis zum 29. September 2024, war somit zum Zeitpunkt des erstmaligen Asylantrags der Klägerin, wobei hierbei von der Formulierung ihres Asylgesuchs am 7. Oktober 2024 auszugehen ist, weniger als sechs Monate abgelaufen. Folglich ergibt sich daraus die Zuständigkeit Polens für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz der Klägerin.
30
Vorrangige Kriterien im Sinne des Art. 7 Abs. 1 Dublin-III-VO sind dagegen nicht ersichtlich. Insbesondere ist Art. 8 der Dublin-III-VO auf die Klägerin nicht anwendbar, da sie zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht mehr minderjährig war, nachdem sie bereits am 13. Juli 2024 volljährig geworden war (vgl. Art. 2 lit. i Dublin-III-VO). In gleicher Weise kommen auch die Art. 9, 10 und 11 der Dublin-III-VO nicht zur Anwendung, weil – ungeachtet der Frage nach der Zuerkennung bzw. Beantragung internationalen Schutzes – keine Familienangehörigen ersichtlich sind, die zu einer Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland führen würden. Denn Familienangehörige im Sinne der Verordnung sind nach Art. 2 lit. g der Dublin-III-VO der Ehegatte eines Antragstellers oder sein nicht verheirateter Partner, der mit ihm eine dauerhafte Beziehung führt, soweit nach dem Recht oder den Gepflogenheiten des betreffenden Mitgliedsstaates nicht verheiratete Paare ausländerrechtlich vergleichbar behandelt werden wie verheiratete Paare, die minderjährigen Kinder eines im vorbeschriebenen Sinne genannten Paares oder des Antragstellers sowie bei einem minderjährigen und unverheirateten Antragsteller der Vater, die Mutter oder ein anderer Erwachsener, der in näherbezeichneter Weise für den Minderjährigen verantwortlich ist und bei einem unverheirateten, minderjährigen Begünstigten internationalen Schutzes der Vater, die Mutter oder ein anderer Erwachsener, der nach näherbezeichneter Art und Weise für den Begünstigten verantwortlich ist. Da die Klägerin als Bezugspersonen, die eine Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland begründen sollten, ihre Mutter, ihren Stiefvater und ihren Bruder angegeben hat, ist damit eine Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland nicht gegeben, da diese – angesichts dessen, dass die Klägerin zum maßgeblichen Zeitpunkt bereits keine Minderjährige mehr war – keine Familienangehörigen mehr im Sinne des Art. 2 lit. g der Dublin-III-VO darstellen.
31
Die sich daraus ergebende Zuständigkeit Polens ist auch nicht infolge Zeitablaufs auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen. So hat das Bundesamt sein Rückübernahmeersuchen vom 12. November 2024 innerhalb der dreimonatigen Frist des Art. 21 Abs. 1 UAbs. 1 Dublin-III-VO nach der Antragstellung (Art. 20 Abs. 2 Dublin-III-VO) an die polnischen Behörden gerichtet. Ein Übergang der Zuständigkeit nach Art. 21 Abs. 1 UAbs. 3 Dublin-III-VO ist damit nicht erfolgt. Die polnischen Behörden haben mit Schreiben vom 18. November 2024 ihre Zustimmung zur Übernahme der Klägerin fristgerecht innerhalb von zwei Monaten nach Erhalt des Gesuchs erklärt, Art. 22 Abs. 1 Dublin-III-VO. Das Rückübernahmeersuchen war auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Insbesondere war den polnischen Behörden mit den dort getätigten Angaben die Prüfung der Zuständigkeit nach den Kriterien der Dublin-III-VO möglich, was sich letztlich auch darin widerspiegelt, dass sie ihre Zustimmung explizit auf Art. 12 Abs. 4 Dublin-III-VO gestützt haben.
32
Die Zuständigkeit ist auch nicht nach Art. 29 Abs. 2 Dublin-III-VO auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen, denn die Überstellungsfrist, die nach Art. 29 Abs. 1 Dublin-III-VO zunächst sechs Monate nach der Annahme der Aufnahme oder Wiederaufnahmegesuchs beträgt, die aber vorliegend, nachdem die Klägerin einen Rechtsbehelf gegen ihre Überstellung nach Polen eingelegt hatte, nach Art. 29 Abs. 1 i.V.m. Art. 27 Abs. 3 Dublin-III-VO sechs Monate nach Abschluss der Prüfung ihres Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage beträgt, war bis zur tatsächlich erfolgten Überstellung nicht abgelaufen.
33
Die Zuständigkeit ist auch nicht gemäß Art. 3 Abs. 2 UAbs. 3 Dublin-III-VO auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen, weil eine Überstellung nach Polen als dem zuständigen Mitgliedsstaat an Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin-III-VO scheitern würde. Danach hat der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedsstaat die Prüfung (der Zuständigkeit) fortzusetzen, wenn es sich als unmöglich erweist, einen Antragsteller an den zunächst zuständigen Mitgliedsstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedsstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh mit sich bringen. Kann unter diesen Voraussetzungen an keinen anderen zuständigen Mitgliedstaat überstellt werden, wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig.
34
Das polnische Asylverfahren und die dortigen Aufnahmebedingungen weisen entgegen der Ansicht der Klägerin keine systemischen Schwachstellen auf, die für sie die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh, Art. 3 EMRK mit sich brächten.
35
Nach dem System der normativen Vergewisserung (siehe dazu BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93 – juris Rn. 181 ff.) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (siehe dazu EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10 u. C-493/10 – juris Rn. 75 ff.; U.v. 19.3.2019 – C-163/17 – juris Rn. 80 ff.) gilt die Vermutung, dass die Behandlung von Asylbewerbern in jedem Mitgliedstaat der Europäischen Union den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention, der Europäischen Menschenrechtskonvention sowie der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entspricht. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine unwiderlegliche Vermutung; vielmehr obliegt es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte, einen Antragsteller nicht an den zuständigen Mitgliedstaat zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Schwachstellen des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass ein Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigen-den Behandlung ausgesetzt zu werden (EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10 und C-493/10 – juris Rn. 105 f.; U.v. 19.3.2019 – C-163/17 – juris Rn. 84 f.). An die Feststellung systemischer Mängel sind hohe Anforderungen zu stellen. So fallen Schwachstellen nur dann unter Art. 4 GRCh, der Art. 3 EMRK entspricht und nach Art. 52 Abs. 3 GRCh die gleiche Bedeutung und Tragweite hat, wie sie ihm in der genannten Konvention verliehen wird, wenn sie eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreichen, die von sämtlichen Umständen des Falls abhängt. Dies wird indessen erst dann anzunehmen sein, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung ab-hängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre (EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-163/17 – juris Rn. 91 f.).
36
Bei Anlegung dieses Maßstabs ergeben sich insbesondere auch mit Blick auf das dem Gericht gegenwärtig vorliegende Erkenntnismaterial keine durchgreifenden Anhaltspunkte dafür, dass der Klägerin bei einer Überstellung nach Polen wegen dort bestehender systemischer Schwachstellen im Asylverfahren oder in den Aufnahmebedingungen oder im Falle einer etwaigen Anerkennung als international Schutzberechtigte eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GRCh drohen würde.
37
Hierzu wird zunächst gemäß § 77 Abs. 3 AsylG auf die Feststellungen und die Begründung des angefochtenen Bescheids vom 6. Dezember 2024 Bezug genommen, denen das Gericht folgt.
38
Ergänzend wird auch im Hinblick auf die sich zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ergebende aktuelle Auskunftslage für Polen wie folgt ausgeführt:
39
In Polen besteht ein mehrstufiges Asylverfahren mit gerichtlichen Beschwerdemöglichkeiten. Befindet sich ein Dublin-Rückkehrer in einem laufenden Asylverfahren oder stellt er einen weiteren Asylantrag oder wurde sein Verfahren zwar eingestellt, kann aber wiedereröffnet werden, kann der Rückkehrer an ein offenes Unterbringungszentrum verwiesen werden. Stellt der Rückkehrer einen Erstantrag auf internationalen Schutz, durchläuft er zunächst die Erstaufnahme. Im Falle der Rücküberstellung von Ausländern aus anderen Mitgliedsstaaten nach Polen im Rahmen der Dublin-III-VO werden diese, wenn ihr Asylverfahren noch läuft, meist an eine offene Aufnahmestelle des Fremdenamtes weitergeleitet, wo sie versorgt werden. Bei u. a. erheblicher Fluchtgefahr, zur Vollstreckung der Außerlandesbringung, oder aus Gründen der öffentlichen Sicherheit, kann der Rückkehrer auch festgenommen werden und in einem bewachten Flüchtlingszentrum oder in einer Hafteinrichtung für Ausländer untergebracht oder alternative Maßnahmen zur Inhaftierung angewendet werden. Dublin-Rückkehrer nach Polen haben Zugang zum Asylverfahren, sowie zu Unterbringung und Versorgung. Wurde ohne Schuld des Antragstellers nach sechs Monaten noch keine Entscheidung in seinem Asylverfahren getroffen, hat dieser zudem unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt. Das polnische Ausländeramt ist zuständig für die Versorgung der Asylwerber in Polen. Auf der Webseite der Behörde ist eine Liste mit mehr als 20 Organisationen verfügbar, welche Asylwerbern verschiedenste Hilfestellung bieten. Das Recht auf Versorgung entsteht mit der Registrierung in einem Erstaufnahmezentrum (lediglich das Recht auf medizinische Versorgung besteht ab Antragstellung). Es gibt zwei Formen von materiellen Aufnahmebedingungen. Die Asylwerber können in einem Aufnahmezentrum wohnen oder finanzielle Unterstützung erhalten, welche die Kosten für die private Unterbringung decken soll. Asylwerber, die in einem Zentrum leben, erhalten Unterkunft, Mahlzeiten (oder PLN 11,- (EUR 2,58)/Tag für Selbstverpflegung), Taschengeld (PLN 50,- (EUR 11,72)/Monat), Geld für Hygieneartikel (PLN 20,- (EUR 4,69)/Monat) und eine Einmalzahlung (bzw. Coupons) für Bekleidung (PLN 140,- (EUR 32,83). Asylwerber, die außerhalb der Zentren leben, erhalten PLN 25,- (EUR 5,86)/Tag für eine Einzelperson bis hin zu PLN 12,50 (EUR 2,93) pro Tag und Person für Familien mit vier oder mehr Familienmitgliedern als finanzielle Beihilfe. Beide Gruppen erhalten einen Polnisch-Sprachkurs und Unterrichtsmaterialien, Unterstützung für Schulkinder (und außerschulische Aktivitäten), Geld für notwendige Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln und medizinische Versorgung. NGOs kritisieren immer wieder die finanziellen Zuwendungen für Asylwerber in den Zentren als zu niedrig, weswegen NGOs und Privatpersonen in den Zentren kontinuierlich humanitäre Hilfe leisten. Offiziell gibt es keine Einschränkung der Bewegungsfreiheit von Asylwerbern. Wenn jedoch das Zentrum grundlos für mehr als zwei Tage verlassen wird, wird die Unterstützung bis zur Rückkehr einbehalten. Die Asylbehörde entscheidet, in welche Aufnahmeeinrichtung Asylsuchende aufgenommen werden. In der Praxis bleiben Kernfamilien generell im selben Zentrum. Auch Vulnerabilität oder die Fortsetzung der medizinischen Behandlung wird bei dieser Entscheidung berücksichtigt. Aus dem Erstaufnahmezentrum werden Asylwerber nach einigen Tagen in andere Zentren verlegt. In Polen gibt es neun Unterbringungszentren mit insgesamt 1.479 Plätzen. 2023 dienten die Zentren Podkowa Leśna-Dębak und Biała Podlaska als Erstaufnahmezentren (für Registrierung, medizinische Untersuchungen usw.). Die Unterbringungsbedingungen in den Zentren sind unterschiedlich. Gewisse Grundlagen müssen vertraglich erfüllt werden, der Rest ist abhängig vom Willen und den finanziellen Möglichkeiten des Vertragspartners. Die Unterbringungsbedingungen haben sich in den letzten Jahren verbessert, werden laut NGOs von den Untergebrachten selbst aber als eher dürftig bewertet. Alle diese Zentren sind offen, das bedeutet, sie dürfen bis 23.00 Uhr frei verlassen und betreten werden. Antragsteller mit besonderen Bedürfnissen sind entsprechend unterzubringen. Spezielle Unterbringungsbedürfnisse bestehen, wenn eine behindertengerechte Unterbringung, eine Unterbringung in einem Einzelzimmer für alleinstehende Frauen mit Kindern, eine Unterbringung in einer medizinischen (Pflege-)Einrichtung (auch aus psychologischen Gründen) oder die Beachtung angepasster Ernährung erforderlich ist. Die Identifizierung von vulnerablen Gruppen geschieht durch die Grenzwache bei der Registrierung des Asylantrags bzw. durch die Asylbehörde. Als vulnerabel gelten in Polen laut Gesetz Minderjährige, Behinderte, Alte, Schwangere, Alleinerziehende, Opfer von Menschenhandel, ernsthaft Kranke, psychisch Beeinträchtigte, Folteropfer und Opfer psychischer, physischer bzw. sexueller Gewalt. Die Behörde ist verpflichtet, bei Verfahren von Angehörigen dieser Gruppen unmittelbar nach Antragstellung, bzw. zu jedem Zeitpunkt im Verfahren, zu prüfen, ob sie spezielle Bedürfnisse haben. Dazu kann die Behörde eine medizinische oder psychologische Untersuchung des Antragstellers veranlassen. Seit Juni 2019 wird jeder Asylwerber, der den sogenannten epidemiologischen Filter (medizinische Eingangsuntersuchung) durchläuft, auch einem Vulnerabilitätsscreening unterzogen. Das Zentrum für alleinstehende Frauen und solche mit Kindern in Warschau wurde im August 2021 geschlossen und Frauen mit Kindern daher seither im Aufnahmezentrum Podkowa Leśna-Debak in einem separaten, eigens für diesen Zweck renovierten Gebäude mit 138 Plätzen, untergebracht. Ein weiteres Zentrum für alleinstehende Frauen und solche mit Kindern in Jachranka ist in Planung. Das Gesetz fördert für alleinstehende Frauen das Leben außerhalb des Zentrums. Wenn nötig wird eine finanzielle Unterstützung gewährt. Seit 2008 hat die Behörde eine spezielle Vereinbarung mit der Polizei, UNHCR, der Stiftung „La Strada“ und dem Rechtshilfezentrum Halina Niec getroffen, um geschlechtsspezifische Gewalt in Aufnahmezentren besser zu erkennen, zu verhindern und darauf zu reagieren. Für alle Aufnahmezentren wurden spezielle Teams gebildet. Ihre Aufgabe ist es, Gewalttaten in den Aufnahmezentren wirksam zu verhindern und schnell zu reagieren, wenn es zu solchen kommt. UNHCR berichtete, dass es in den Zentren für Asylwerber keine größeren oder anhaltenden Probleme mit Missbrauch gab. In den Zentren kam es zu einigen Vorfällen von geschlechtsspezifischer Gewalt, die aber von lokalen Teams aus Ärzten, Psychologen, Polizisten und Sozialarbeitern behandelt wurden. Derzeit verfügt Polen über sechs geschlossene Unterbringungszentren (guarded centers) mit zusammen 877 Plätzen und ein sogenanntes rigoroses Haftzentrum mit 24 Plätzen. Geschlossene Zentren sind für Asylwerber und Migranten gleichermaßen verwendbar. Ein rigoroses Haftzentrum ist gefängnisähnlicher und dient etwa der Unterbringung von Personen, welche die Regeln in geschlossenen Zentren verletzt haben. Geschlossene Unterbringung ist für Asylwerber in Polen prinzipiell in jeglichem Verfahren aus einer Reihe von Gründen (z. B. Identitätsabklärung, Fluchtgefahr, Sicherheitsgründe) für maximal sechs Monate möglich. Aufnahmebedingungen werden gewährt bis zwei Monate nach einer endgültigen positiven Asylentscheidung; oder bis 14 Tage nach einer rechtskräftigen Entscheidung über die Einstellung des Asylverfahrens (z. B. in Zulassungsverfahren); oder bis 30 Tage nach einer endgültigen negativen Asylentscheidung der Asylbehörde oder der ersten Beschwerdeinstanz, nicht aber während weiterer Beschwerden vor einem Woiwodschaftsverwaltungsgericht und dem Verwaltungsgerichtshof, außer das Gericht erkennt dieses Recht wieder zu. Asylwerber in Polen haben ab Registrierung ihres Asylantrags (in Notfällen schon ab Asylantragstellung) das gesetzlich garantierte Recht auf medizinische Versorgung im selben Ausmaß wie für versicherte polnische Staatsbürger. Dieses Recht besteht auch dann weiter, wenn die materielle Versorgung, aus welchen Gründen auch immer, reduziert oder eingestellt wird. Die medizinische Versorgung von Asylwerbern wird öffentlich finanziert. Sie wird über die Krankenreviere der Unterbringungszentren gewährleistet, in denen Ärzte und Krankenschwestern medizinische Hilfe leisten und umfasst auch spezialisierte Behandlungen, psychologische Betreuung und zahnärztliche Versorgung. Petra Medica ist gemäß Vertrag mit der Ausländerbehörde UDSC für die Organisation des medizinischen Versorgungssystems für Asylwerber in Polen zuständig. Für Ausländer, die einen Flüchtlingsstatus beantragen und sich beim Sozialamt gemeldet haben, ist die medizinische Versorgung kostenlos, unabhängig davon, ob sie in einem Zentrum für Ausländer oder außerhalb des Zentrums leben. Die von Petra Medica koordinierten Gesundheitsdienste umfassen medizinische Versorgung in Aufnahmezentren, einschließlich eines epidemiologischen Filters, der die Implementierung von Früherkennung für Tuberkulose-, Infektions-, Geschlechts- und Parasitenkrankheiten gewährleistet; medizinische Versorgung in den Unterbringungseinrichtungen durch den Betrieb medizinischer Reviere, in denen grundlegende Gesundheits- und psychologische Betreuung geboten werden; medizinische Versorgung von Asylwerbern, die außerhalb eines Zentrums leben, auf der Grundlage eigener Ressourcen und eines Netzwerks an Partnerinstitutionen. Bei gesundheitlichen Problemen meldet sich der Patient beim Medical Center des nächstgelegenen Ausländerzentrums oder vereinbart einen Termin in einer kooperierenden Einrichtung. Dort werden gegebenenfalls Überweisungen an Fachärzte ausgestellt bzw. autorisiert. Nach Erhalt der Entscheidung über die Schutzgewährung dürfen die Betroffenen für die Dauer von höchstens zwei Monaten in einer Unterbringungseinrichtung für Asylbewerber verbleiben. Sie genießen volle Niederlassungsfreiheit in ganz Polen, wenngleich sich die Wohnungssuche aufgrund des generellen, d.h. sowohl für Schutzberechtigte wie auch für polnische Staatsbürger bestehenden, Mangels an Wohnraum und Sozialwohnungen oftmals schwierig gestaltet und die Situation im Jahr 2022 zusätzlich durch den Zuzug von Menschen aus der Ukraine im Rahmen des Ukrainekonflikts erschwert wurde. Die Stadt Warschau, in der die meisten Schutzberechtigten leben, unterhält neben der Möglichkeit, sich im herkömmlichen Wege um eine Kommunalwohnung zu bewerben, ein spezielles Programm „geschützter Wohnungen“ für Fremde in Integrationsprogrammen, welche in der Regel für 12 Monate vergeben werden. Schutzberechtigte haben in Polen vollen Zugang zum Arbeitsmarkt, es besteht keine Differenzierung zwischen anerkannten Flüchtlingen oder subsidiär Schutzberechtigten, wobei sich in der Praxis die mangelnde Sprachkompetenz und Qualifikation vieler Schutzberechtigter als Problem darstellt. Innerhalb von 60 Tagen ab Statuszuerkennung besteht die Möglichkeit, die Teilnahme an dem zwölfmonatigen „Individual Integration Program“ (IPI), welches verschiedene Integrationshilfen wie etwa eine Beihilfe für die Teilnahme an Sprachkursen, die Übernahme der Kosten für eine Krankenversicherung, Sozialberatung, Unterstützung bei der Wohnungs- und Arbeitssuche sowie finanzielle Unterstützungsleistungen – 1.376 PLN/318,79 EUR/Monat für eine Einzelperson in den ersten sechs Monaten und 1238 PLN/286,82 EUR/Monat für eine Einzelperson in den zweiten sechs Monaten – umfasst, zu beantragen. Sozialarbeiter bieten im Rahmen des IPI Unterstützung bei der Zusammenstellung der erforderlichen Unterlagen für die Registrierung als arbeitssuchend, der Suche nach Arbeitsmöglichkeiten sowie der Kontaktaufnahme zu potentiellen Arbeitgebern an. Schutzberechtigte verfügen des Weiteren im selben Maße wie auch polnische Staatsbürger über Zugang zum polnischen Sozialsystem und können Sozialhilfe erhalten, wenn gewisse Einkommensgrenzen nicht überschritten werden. Ebenfalls besteht Zugang zu verschiedenen Familienbeihilfen, wie finanzielle Unterstützung zu Beginn des Schuljahres oder für kinderreiche Familien. Im Hinblick auf die medizinische Versorgung stehen Schutzberechtigten dieselben Leistungen wie polnischen Staatsbürgern zu, was allerdings in der Regel das Bestehen einer Krankenversicherung voraussetzt. International Schutzberechtigte (und deren Familienangehörige) besitzen eine befristete Aufenthaltserlaubnis und erhalten somit auch unversichert Zugang zu den öffentlichen Gesundheitsdiensten, solange ihr Einkommen den Vorgaben des Gesetzes über Sozialhilfe entspricht. Schutzberechtigte im Integrationsprogramm IPI sind zudem im Rahmen dieses Programms für die Dauer des IPI durch die öffentliche Hand in der Nationalen Krankenkasse versichert; anschließend muss die Krankenversicherung durch den Arbeitgeber, ein regionales Jobcenter des Sozialhilfezentrums oder aber durch den Betroffenen selbst bezahlt werden. Personen unter 18 Jahren haben stets Zugang zu medizinischer Versorgung, die in ihrem Fall voll vom Staat übernommen wird. Schülern unter 19 Jahren steht zudem Zugang zur präventiven Gesundheitsvorsorge zu. Die polnische Krankenversicherung deckt – mit Ausnahme einiger Zahnbehandlungen und bestimmter Medikamentenkosten sowie der Altenpflege – die meisten medizinischen Behandlungen, unter anderem medizinische Grund- und Spezialbehandlungen, Impfungen, diagnostische Tests (Labor oder andere), Rehabilitation, Krankenhausbetreuung und medizinische Rettungsdienste, Notfallambulanz und Krankentransport ab. Als größte Hürde für den Zugang zu medizinischer Versorgung gelten sprachliche und kulturelle Barrieren. Andere Herausforderungen – wie etwa lange Wartezeiten bei Fachärzten sowie teure Privatleistungen und Medikamente – treffen Schutzberechtigte und polnische Staatsangehörige gleichermaßen (vgl. zum Ganzen: Republik Österreich – BFA, Länderinformationsblatt Polen, 8.5.2025, S. 2 ff.; Republik Österreich – BFA, Länderinformationsblatt Polen, 28.6.2024, S. 3 ff.; Republik Österreich – BFA, Länderinformationsblatt Polen, 5.7.2023, S. 13 ff.; AIDA, Country Report Poland, 2023 Update, S. 129 ff.).
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Zudem hat Polen vorliegend mit Schreiben vom 18. November 2024 das Rückübernahmeersuchen des Bundesamtes fristgerecht beantwortet und der Aufnahme der Klägerin ausdrücklich zugestimmt. Es gilt somit zur Überzeugung des Gerichts nach wie vor die Vermutungswirkung des Prinzips des gegenseitigen Vertrauens (vgl. auch VG Bremen, U.v. 12.12.2023 – 3 K 107/23 – juris Rn. 32 ff; VG München, B.v. 10.10.2023 – M 10 S 23.50893 – juris Rn. 20; OVG SH, U.v. 22.6.2023 – 4 LB 6/22 – juris Rn. 80).
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Auch ist – entgegen der Ansicht des Bevollmächtigten der Klägerin – nicht ersichtlich, dass die Klägerin im Fall einer Überstellung nach Polen von sog. „Pushbacks“, pauschalen Zurückschiebungen an den Außengrenzen, betroffen sein könnte. Zwar sind zwei Gesetzesänderungen, welche den Zugang zum Asylrecht für irregulär eingereiste Personen einschränken und als Reaktion auf die Krise an der belarussischen Grenze im Jahr 2021 eingeführt worden, mit Stand Mai 2024 noch in Kraft, obwohl diese Bestimmungen vor inländischen Gerichten angefochten wurden. Bei der ersten handelt es sich um die Verordnung über den grenzüberschreitenden Verkehr, die den Grenzschutz ermächtigt, Drittstaatsangehörige allein auf der Grundlage einer mündlichen Anweisung an der Grenzlinie zurückzuweisen; bei der zweiten geht es um das im Oktober 2021 geänderte Ausländergesetz (insbesondere Artikel 303b des Ausländergesetzes), das es dem Grenzschutz erlaubt, Drittstaatsangehörigen, die nach einem irregulären Grenzübertritt aufgegriffen werden, eine sofort vollstreckbare „Anordnung zum Verlassen der Republik Polen“ zu erteilen. Menschenrechtsorganisationen äußerten Bedenken, dass Asylwerber und andere gefährdete Personen an der Grenze zu Belarus keinen angemessenen Zugang zu Schutz und Hilfe hätten. Es gab Berichte über verbale und physische Gewalt durch Grenzschutzbeamte gegen Migranten. Bis Ende Januar 2024 übermittelte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) 11 Fälle betreffend 23 Antragsteller und 84 Drittstaatsangehörige bezüglich sogenannter „Pushbacks“ an der polnisch-belarussischen Grenze. Soweit die Klägerin „Pushbacks“ befürchtet ist bei der Beurteilung der Frage, ob die Klägerin Gefahr läuft, einer gegen Art. 4 GRCh verstoßenden Behandlung ausgesetzt zu sein, die Situation zu berücksichtigen, in der sich der betreffende Antragsteller bei der Überstellung oder nach der Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat zu befinden droht (vgl. EuGH, U.v. 29.2.2024 – C-392/22 – juris Rn. 62 ff.). Da eine nach Maßgabe der Art. 29 ff. Dublin-III-VO erfolgende Überstellung als legale Einreise zu werten ist, gilt die Klägerin demnach nicht als illegal eingereister Ausländer. Den Erkenntnismitteln sind keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass auch Asylantragsteller, die sich bereits im Landesinneren befinden oder Dublin-Rückkehrer unter Verweis auf eine ursprünglich illegale Einreise über die belarussisch-polnische Grenze nach Belarus zurückgedrängt werden könnten oder ohne inhaltliche Prüfung ihrer Asyl-(Folge-)Anträge in ihr Herkunftsland abgeschoben werden würden (vgl. auch die Entscheidung des niederländischen Raad van State in der Folge des Urteils des EuGH in der Rechtssache C-392/22 vom 4.9.2024 – 202402084/1/V3 – curia).
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Auch unter Berücksichtigung der von Seiten der Klägerin angeführten neuen nationalen polnischen Rechtslage ist nicht ersichtlich, dass das polnische Asylverfahren und die dortigen Aufnahmebedingungen systemische Schwachstellen aufweisen, die für die Klägerin die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh, Art. 3 EMRK mit sich brächten. Soweit vorgetragen und auch sonst ersichtlich beinhalten die Änderungen des nationalen polnischen Rechts keine Änderungen der Verfahren selbst, ihrer Abläufe oder der Aufnahmebedingungen. Vielmehr zielen die Änderungen darauf, dass Personen, die illegal über die polnisch-belarussische Grenze nach Polen einreisen, nur noch in Ausnahmefällen Asyl in Polen beantragen können sollen. Dies betrifft aber, wie bereits ausgeführt, die Klägerin nicht, weil diese nicht illegal über die polnisch-belarussische Grenze nach Polen überstellt werden soll, sondern – im Rahmen einer von den polnischen Behörden konsentierten Überstellung – über die deutsch-polnische Grenze. Zudem kann in zweifacher Hinsicht nicht von einem illegalen Grenzübertritt der Klägerin gesprochen werden. Zum einen stellt eine Überstellung im Rahmen des Dublin-Systems keine illegale Einreise dar, zum anderen verfügte die Klägerin über ein (die Zuständigkeit Polens begründendes) nationales polnisches Visum, das ihr auch seinerzeit die legale Einreise nach Polen ermöglicht hätte. Vor diesem Hintergrund geht das Gericht weiterhin von der nach dem System der normativen Vergewisserung (siehe dazu BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93 – juris Rn. 181 ff.) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (siehe dazu EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10 u. C-493/10 – juris Rn. 75 ff.; U.v. 19.3.2019 – C-163/17 – juris Rn. 80 ff.) anzunehmenden (widerleglichen) Vermutung aus, dass die Behandlung von Asylbewerbern in jedem Mitgliedstaat der Europäischen Union den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention, der Europäischen Menschenrechtskonvention sowie der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entspricht. Dies gilt auch soweit der Bevollmächtigte der Klägerin geltend macht, die neue nationale polnische Rechtslage legalisiere die bisherige Pushback-Praxis. Auch unterstellt dies träfe uneingeschränkt zu, ändert dies nichts an der bereits dargestellten Situation der Klägerin. Denn auch wenn die bisherigen Pushbacks nun eine neue Grundlage im nationalen polnischen Recht finden sollten, betrifft dies – wie auch bereits im Beschluss vom 31. Januar 2025 ausgeführt – nicht die Klägerin. Insbesondere vor diesem Hintergrund kommt es auch auf die von der Klägerin in Zweifel gezogenen – im Übrigen durch die polnische Justiz nach polnischem Recht zu beurteilende – Vereinbarkeit der neuen polnischen nationalen Rechtslage mit der polnischen Verfassung nicht an.
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Auch die derzeit fortdauernde Kriegslage in der Ukraine und die sich hieraus ergebenden Flüchtlingsbewegungen nach Polen führen zu keiner anderen Betrachtung. Zwar hat sich die Situation für Flüchtlinge nach Beginn des Ukrainekrieges infolge des Zustroms einer Vielzahl ukrainischer Flüchtlinge nach Polen verschärft; dennoch geht das Gericht davon aus, dass die Aufnahmebedingungen in Polen nicht regelhaft so defizitär sind, dass Flüchtlingen dort eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. So ist nicht ersichtlich, dass Polen seine Pflichten im Rahmen des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen nicht mehr ordnungsgemäß erfüllen könnte, zumal Polen wie auch andere Mitgliedstaaten Unterstützung bei der Deckung des Bedarfs für Flüchtlinge erhält. Zudem müssen Schutzsuchende aus der Ukraine aufgrund des Durchführungsbeschlusses (EU) 2022/382 des Rates der Europäischen Union vom 4. März 2022 zur Feststellung des Bestehens eines Massenzustroms von Vertriebenen aus der Ukraine im Sinne des Art. 5 der RL 2001/55/EG und zur Einführung eines vorübergehenden Schutzes kein üblicherweise vorgesehenes Asylverwaltungsverfahren durchlaufen, sondern können in einem vereinfachten Verwaltungsverfahren einen europaweit gültigen vorübergehenden Schutz mit entsprechendem Zugang zum Arbeitsmarkt und etwaigen Sozialleistungen erhalten. Nach der aktuellen Länderinformation des österreichischen Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl sieht das am 27. Juni 2023 überarbeitete Gesetz zur Unterstützung ukrainischer Bürger im Zusammenhang mit bewaffneten Konflikten vor, dass Ukrainer legal im Land bleiben können und gewährt das Recht auf Arbeit und freien Zugang zur Gesundheitsversorgung und Bildung. Mit Stand 12. Dezember 2023 waren ca. 950.000 Ukrainer registriert, die sich im Rahmen des EU-Mechanismus für vorübergehenden Schutz in Polen befanden. Im Mai 2024 wurde der vorübergehende Schutz für ukrainische Staatsangehörige bis zum 30. September 2025 verlängert (Republik Österreich – BFA, Länderinformation der Staatendokumentation Polen, 28.6.2024, S. 1). Überdies haben im Rahmen einer vom UNHCR durchgeführten und am 25. Mai 2023 veröffentlichten Befragung von Flüchtlingen aus der Ukraine lediglich 7% der Befragten erklärt, eine der staatlich angebotenen Unterkünfte in Polen in Anspruch zu nehmen (vgl. UNHCR, Refugee Arrivals from Ukraine into Poland, 25.5.2022), stattdessen leben die meisten der aus der Ukraine vertriebenen Personen privat in Polen (Republik Österreich – BFA, Länderinformation der Staatendokumentation Polen, 5.7.2023, S. 1).
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Nach alledem bestehen keine Anhaltspunkte, dass der Klägerin bei einer Überstellung nach Polen wegen dort bestehender systemischer Schwachstellen im Asylverfahren, in den Aufnahmebedingungen oder im Falle einer etwaigen Anerkennung als international Schutzberechtigter eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung drohen würde (vgl. zur Einschätzung ebenso VG München, B.v. 5.3.2025 – M 3 S 25.50086 – juris; VG Potsdam, B.v. 1.8.2024 – VG 1 L 652/24.A – juris; VG Kassel, U.v. 22.4.2024 – 7 K 1423/23.KS.A – juris Rn. 23 ff.; VG Ansbach, B.v. 22.1.2024 – AN 18 S 22.50404 – juris; VG Bremen, U.v. 12.12.2023 – 3 K 107/23 – juris Rn. 27 ff.; VG München, B.v. 10.10.2023 – M 10 S 23.50893 – juris Rn. 19 f.; VG Berlin, B.v. 6.4.2023 – 33 L 54/23 A – juris).
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Eine abweichende Betrachtung ergibt sich auch im Einzelfall der Klägerin sowie unter Berücksichtigung ihrer individuellen Umstände und ihres Vortrags nicht. Die Klägerin, die sich nach ihrem Vortrag nur zur Durchreise in Polen aufhielt, hat keine Belange vorgetragen, die systemische Mängel in Polen aufzeigen könnten. Soweit sie geltend macht, ihr drohe die Gefahr, dass sie von Polen weiter nach Belarus abgeschoben werden würde, ist der aktuellen Länderinformation der Staatendokumentation des Österreichisches Bundesamtes zu entnehmen, dass keine Berichte oder Anschuldigungen bestehen, dass Polen belarussische Staatsbürger, die in Polen Asyl beantragen, nach Belarus oder Personen aus Drittländern in ihre Verfolgerländer zurückschickt (vgl. Republik Österreich – BFA, Länderinformation der Staatendokumentation Polen, 28.6.2024, S. 7).
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Auch aus Art. 16 Abs. 1 Dublin-III-VO ergibt sich nichts Anderes. Danach entscheiden die Mitgliedstaaten in der Regel, einen Antragsteller und ein Kind, ein Geschwister oder Elternteil nicht zu trennen bzw. sie zusammenzuführen, wenn ein Antragsteller wegen Schwangerschaft, eines neugeborenen Kindes, schwerer Krankheit, ernsthafter Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung seines Kindes, eines seiner Geschwister oder eines Elternteils, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, angewiesen oder sein Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, auf die Unterstützung des Antragstellers angewiesen ist. Derartiges hat die Klägerin nicht vorgebracht und ist auch sonst nicht ersichtlich. Die dagegen vorgebrachte familiäre Verbundenheit der volljährigen Klägerin mit ihrer Mutter, ihrem Stiefvater und ihrem Bruder allein reicht – ohne die genannten qualifizierten Voraussetzungen – nicht.
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Individuelle, außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO notwendig machen würden, sind ebenso weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Dabei ist davon auszugehen, dass die Dublin-III-VO nicht darauf ausgelegt ist, subjektive Rechte der Antragsteller gegenüber einem bestimmten Mitgliedsstaat auf Durchführung eines Asylverfahrens gerade durch diesen zu begründen (VG Ansbach, B.v. 5.3.2015 – AN 14 S 15.50026 – juris Rn. 22). Stimmt, wie hier, der nach den Kriterien der Dublin-III-VO zuständige Mitgliedsstaat der Übernahme eines Asylbewerbers zu, kann dieser der Heranziehung der die (anhaltende) Zuständigkeit dieses Mitgliedsstaates begründenden Kriterien nur damit entgegentreten, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedsstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu werden (EuGH, U.v. 10.12.2014 – C-394/12 – Rn. 60). Dies ist, wie ausgeführt, nicht der Fall.
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Die Beklagte hat auch zu Recht festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen.
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Nach den obigen Feststellungen liegen die Voraussetzungen für ein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 5 AufenthG, nach dem ein Ausländer nicht abgeschoben werden darf, soweit sich aus der europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist, nicht vor. Auch aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ergibt sich kein Abschiebungsverbot hinsichtlich der Klägerin. Nach § 60 Abs. 7 Satz 1
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AufenthG soll von einer Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht, wobei nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen vorliegt, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Erforderlich, aber auch ausreichend für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist damit, dass sich die vorhandene Erkrankung des Ausländers auf Grund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib und Leben führt, d.h., dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht (BVerwG, B.v. 17.8.2011 – 10 B 13.11 – juris Rn. 3). Nach diesen Maßstäben ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass hinsichtlich der Klägerin ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorläge.
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Im Übrigen sieht das Gericht nach § 77 Abs. 3 AsylG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, da es insoweit den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Bescheids folgt.
52
Zulässig und begründet ist die Klage, soweit sie sich gegen die Anordnung und Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots in Ziffer 4. des streitgegenständlichen Bescheids richtet.
53
Insoweit ist der Bescheid der Beklagten rechtswidrig und verletzt die Klägerin ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
54
Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist oder gegen den eine Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG erlassen wurde, ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Dieses ist nach § 11 Abs. 2 Satz 3 AufenthG bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen, wobei nach § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG über die Länge der Frist nach Ermessen entschieden wird. Die Frist darf nach § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG – außer in den Fällen der § 11 Abs. 5 bis 5b AufenthG – fünf Jahre nicht überschreiten. Zuständig ist nach § 75 Nr. 12 AufenthG im Fall einer Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG, wie vorliegend, das Bundesamt.
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Nach § 114 Satz 1 VwGO prüft das Gericht bei Ermessensentscheidungen auch, ob der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Letzteres ist hier der Fall, so dass sich die Anordnung des befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbots als rechtswidrig erweist. Die im vorliegenden Fall vom Bundesamt vorgenommene Befristung auf 60 Monate stellt sich nach diesem Maßstab als ermessensfehlerhaft dar, weil von dem Ermessen nicht in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde. Dies führt zur Rechtswidrigkeit der Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbost insgesamt.
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Denn die Anordnung und Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist als ein einheitlicher, auch in sich nicht teilbarer belastender Verwaltungsakt anzusehen (vgl. nur: BVerwG, U.v. 7.9.2021 – 1 C 47.20 – juris Rn. 10; OVG Greifswald, U.v. 19.2.2024 – 4 LB 179/23 OVG – juris Rn. 17; auch bereits OVG Lüneburg, U.v. 6.5.2020 – 13 LB 190/19 – juris Rn. 54). Folglich führt ein Ermessensfehler bei der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots zur Rechtswidrigkeit des einheitlichen Verwaltungsaktes insgesamt (BVerwG, U.v. 7.9.2021 – 1 C 47.20 – juris Rn. 10).
57
Bei der Ermessensausübung im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ist speziell in asylrechtlichen Verfahren nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts durch das Bundesamt in einem ersten Schritt eine Prognose anzustellen, wie lange das Verhalten des Betroffenen das öffentliche Interesse an einer Gefahrenabwehr durch Fernhaltung des Ausländers von dem Bundesgebiet zu tragen vermag (BVerwG, U.v. 7.9.2021 – 1 C 47.20 – juris Rn. 16). Das Gewicht des gefahrenabwehrrechtlich geprägten öffentlichen Interesses an einem befristeten Fernhalten des abgeschobenen Ausländers wird maßgeblich durch den Zweck des § 11 Abs. 1 AufenthG geprägt, mit dem der Gesetzgeber gewichtige spezial- und generalpräventive Zwecke verfolgt. Das unter der aufschiebenden Bedingung einer Abschiebung zu erlassende Einreise- und Aufenthaltsverbot ist zum einen in Bezug auf den betroffenen ausreisepflichtigen Ausländer zur Durchsetzung des Vorrangs der freiwilligen Ausreise vor der Abschiebung und zum anderen auch in Bezug auf sonstige ausreisepflichtige Ausländer zur Förderung der freiwilligen Ausreise zu dienen bestimmt (BVerwG, U.v. 7.9.2021 – 1 C 47.20 – juris Rn. 16). In spezialpräventiver Hinsicht soll der Ausländer aus dem Unionsgebiet ferngehalten werden, weil er Anlass zu Vollstreckungsmaßnahmen gegeben hat und die Besorgnis besteht, dass selbige bei einem künftigen Aufenthalt erneut erforderlich werden. Zugleich soll in generalpräventiver Hinsicht verhindert werden, dass sich andere Ausländer in dem Vorhaben, ebenfalls nicht freiwillig auszureisen, ohne ein an die erforderlich gewordene Vollstreckungsmaßnahme anknüpfendes Einreise- und Aufenthaltsverbot bestärkt fühlen könnten (BVerwG, U.v. 7.9.2021 – 1 C 47.20 – juris Rn. 16). Dem gefahrenabwehrrechtlich geprägten öffentlichen Interesse sind in einem zweiten Schritt die Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die private Lebensführung des Ausländers gegenüberzustellen (BVerwG, U.v. 7.9.2021 – 1 C 47.20 – juris Rn. 17). Dieser zweite Prüfungsschritt zielt im Lichte von Art. 6 und Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK und Art. 7 GRCh sowie des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auf eine Begrenzung der einschneidenden Folgen eines Einreise- und Aufenthaltsverbots für das Familien- und Privatleben des Betroffenen (BVerwG, U.v. 7.9.2021 – 1 C 47.20 – juris Rn. 17). Es bezweckt zudem, dem Interesse des Ausländers an einer „angemessenen Rückkehrperspektive“ bei aufenthaltsbeendenden Maßnahmen Rechnung zu tragen, weshalb zwar weder die Gründe für die Beendigung eines vormals bestehenden Aufenthaltsrechts noch die Erfüllung der Voraussetzungen für die Erteilung eines neuerlichen Aufenthaltstitels, wohl aber das Gewicht des individuellen Interesses, sich wieder im Bundesgebiet aufhalten zu dürfen, bei der Bemessung der Frist zu berücksichtigen ist (BVerwG, U.v. 7.9.2021 – 1 C 47.20 – juris Rn. 17 m.w.N.).
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Gemessen an diesen Maßstäben stellt sich die Befristung auf 60 Monate, mithin auf die nach § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG zulässige Höchstfrist, als ermessensfehlerhaft dar.
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Weder den Gerichts- und Behördenakten noch dem streitgegenständlichen Bescheid sind Umstände zu entnehmen, die es aus gefahrenabwehrrechtlichen, spezial- oder generalpräventiven Gründen angezeigt erscheinen ließen, die Höchstfrist des § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG auszuschöpfen, um die Klägerin für diesen Zeitraum nach ihrer Abschiebung aus dem Bundesgebiet fernzuhalten. Zwar weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass keine wesentlichen persönlichen, wirtschaftlichen oder sonstigen Bindungen der Klägerin ersichtlich sind, die zu Gunsten der Klägerin zu berücksichtigen wären. Gleichwohl vermag dies die Verfügung der maximal zulässigen Frist nicht zu tragen. Denn hierfür reicht es nicht aus, dass keine besonderen zu Gunsten der Klägerin sprechenden Umstände gegeben sind, sondern es müssten demgegenüber positive Anhaltspunkte dafür vorliegen, die Klägerin nach ihrer Abschiebung so lange wie es gesetzlich im höchsten Fall möglich ist vom Bundesgebiet fernzuhalten. Dies ist aber, wie die Beklagte selbst im streitgegenständlichen Bescheid ausführt, nicht der Fall. Andernfalls würde die Höchstfrist des § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG entgegen der gesetzlichen Zielsetzung der Ermächtigungsgrundlage zur Ausübung von behördlichem Ermessen zu einer Regelfrist (vgl. so schon: OVG Koblenz, U.v. 8.11.2016 – 7 A 11058/15 – juris Rn. 38 f.; VG Würzburg, Gerichtsbescheid v. 14.1.2025 – W 6 K 24.50466 – juris Rn. 28 f.; VG Würzburg, U.v. 29.1.2025 – W 5 K 25.50003 – juris Rn. 38 ff.; VG Ansbach, B.v. 7.3.2025 – AN 18 S 25.50061 – juris Rn. 57 ff.; VG Aachen, U.v. 26.3.2025 – 4 K 207/25.A – juris Rn. 76 ff.; VG Hannover, Beschluss vom 10.4.2025 – 15 B 2388/25 – juris Rn. 61 ff.; VG Gelsenkirchen, U.v. 23.6.2025 – 2a K 749/25.A – juris Rn. 37 ff.). Davon geht selbst die Beklagte aus, wenn sich von einer „(neuen) Regelfrist“ spricht. Gerade dies lässt sich den gesetzlichen Grundlagen aber nicht entnehmen. Unbehelflich ist zum einen, dass die Beklagte ausführt, nach § 11 Abs. 4 Satz 1  AufenthG könne zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Denn diese Norm bezieht sich ersichtlich nicht auf die erstmalige Befristung, sondern auf eine spätere Berücksichtigung (neuer) Umstände zugunsten des Ausländers. Soweit die Beklagte zum anderen auf § 11 Abs. 5 bis 5b AufenthG hinweist, verkennt sie, dass insoweit andere tatbestandliche Voraussetzungen einschlägig sind. Dass unter diesen Voraussetzungen, somit in anderen Fällen, andere Fristen gelten, ist entgegen der Ansicht der Beklagten für den vorliegenden Fall, in dem sich die Frist mangels Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen der § 11 Abs. 5 bis 5b AufenthG gerade nicht nach diesen Normen, sondern allein nach § 11 Abs. 3 AufenthG richtet, irrelevant. Entgegen der Ansicht der Beklagten findet ihre Ansicht auch in der RL 2008/115/EG keine Stütze. Art. 11 Abs. 2 Satz 1 der RL 2008/115/EG sieht – die nationale Rechtslage in § 11 Abs. 3 AufenthG setzt dies zutreffend um – vor, dass das Einreiseverbot in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls festgesetzt wird und grundsätzlich nicht fünf Jahre überschreitet. Nach Art. 11 Abs. 2 Satz 2 der RL 2008/115/EG kann sie jedoch fünf Jahre überschreiten, wenn der Drittstaatsangehörige eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung, die öffentliche Sicherheit oder die nationale Sicherheit darstellt, was der nationale Gesetzgeber differenziert in § 11 Abs. 5 bis 5b AufenthG umgesetzt hat, hier aber, wie ausgeführt, unstreitig nicht einschlägig ist. Nichts Anderes ergibt sich aus der von der Beklagten herangezogenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Denn dort war – nach damaliger Rechtslage – gerade ein Fall des § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG a.F. vorgelegen, so dass die tatbestandliche Voraussetzung für ein Überschreiten der für andere Fälle geltenden Höchstfrist von fünf Jahren gegeben war (s. BVerwG, U.v. 13.12.2012 – 1 C 14.12 – juris Rn. 16).
60
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO.
61
Das Verfahren ist nach § 83b AsylG gerichtskostenfrei.