Inhalt

VGH München, Beschluss v. 08.09.2025 – 3 ZB 25.95
Titel:

Anspruch auf Reaktivierung eines in den Ruhestand versetzten Beamten, Wiederherstellung der Dienstfähigkeit, Beweiswürdigung

Normenketten:
BeamtStG § 29
BayBG Art. 65 Abs. 4
Schlagworte:
Anspruch auf Reaktivierung eines in den Ruhestand versetzten Beamten, Wiederherstellung der Dienstfähigkeit, Beweiswürdigung
Vorinstanz:
VG Würzburg, Urteil vom 10.12.2024 – W 1 K 23.1681
Fundstelle:
BeckRS 2025, 25652

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 64.998,10 Euro festgesetzt.

Gründe

1
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist zulässig, aber in der Sache unbegründet.
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Die innerhalb der Rechtsmittelbegründungsfrist geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils), § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache) und § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache) liegen nicht vor.
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1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens nicht. Solche sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
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Das Verwaltungsgericht, auf dessen Sachverhaltsdarstellung im Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen wird, ist auch in Ansehung des Zulassungsvorbringens zurecht davon ausgegangen, dass der mit Ablauf des Monats August 2021 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzte Kläger (geb. 1974; Regierungsamtsrat a.D.; BesGr. A 12) keinen Anspruch auf erneute Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit gemäß § 29 Abs. 1 BeamtStG, Art. 65 Abs. 4 BayBG hat (sog. Reaktivierung).
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Es ist davon überzeugt, dass sich die im Urteil zur Ruhestandsversetzung vom 7. Dezember 2021 (W 1 K 21.1189) festgestellten erheblichen Leistungseinschränkungen – insbesondere im Bereich der Fähigkeit zum Erlernen neuer Informationen sowie beim Erkennen und Umsetzen effizienter Lösungsstrategien bei ungewohnten Aufgaben, in den Bereichen Durchhaltefähigkeit, Anwendung fachlicher Kompetenzen, Flexibilität, Interaktions-/Kommunikationsfähigkeit, Umstellungsfähigkeit sowie hinsichtlich Stressresistenz und Konfliktverarbeitung – nicht durch reinen Zeitablauf ohne eine intensive Therapie, die vom Kläger nicht durchgeführt wurde, verbessert haben.
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Soweit der Kläger geltend macht, das Verwaltungsgericht sei fehlerhaft auf der Grundlage des amtsärztlichen Gutachtens des Dr. V. vom 9. Juli 2024 von einer weiter bestehenden Dienstunfähigkeit ausgegangen, greift er primär die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts an und rügt einen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Nach dieser Vorschrift entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Es darf bei seiner Überzeugungsbildung nicht in der Weise verfahren, dass es einzelne erhebliche Tatsachen oder Beweisergebnisse nicht zur Kenntnis nimmt oder nicht in Erwägung zieht. Soweit eine fehlerhafte Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts gerügt wird, liegt der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nur dann vor, wenn die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts ersichtlich nicht zutreffen oder wenn deren Würdigung gegen Denk- und Naturgesetze verstoßen, wenn also ein Schluss aus Gründen der Logik schlechthin nicht gezogen werden kann, nicht jedoch schon dann, wenn das Gericht andere Schlüsse gezogen hat, als sie nach Auffassung eines Verfahrensbeteiligten hätten gezogen werden müssen (vgl. BVerwG, U.v. 20.3.2012 – 5 C 1.11 – juris Rn. 32; BayVGH, B.v. 8.2.2018 – 3 ZB 16.434 – juris Rn. 18; B.v. 23.5.2022 – 3 ZB 21.2958 – juris Rn. 8 jeweils m.w.N.).
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Das Zulassungsvorbringen legt nicht dar, dass das Gutachten des Amtsarztes unvollständig, widersprüchlich oder sonst mangelhaft wäre oder von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausginge. Auch steht weder die Sachkunde des begutachtenden Amtsarztes in Zweifel noch bestehen Anhaltspunkte, dass er nicht unparteiisch ist. Schließlich ist weder dargelegt noch erkennbar, dass die amtsärztlichen Feststellungen, auf die das Verwaltungsgericht seine Annahme der weiter bestehenden Dienstunfähigkeit primär gestützt hat, nicht zutreffen oder dass deren Würdigung durch das Verwaltungsgericht unvertretbar oder nicht nachvollziehbar wäre.
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1.1 Soweit die Zulassungsbegründung (unter Nrn. 3.1.2.1 und 3.1.2.2) meint, die dem amtsärztlichen Gutachten zugrunde gelegten Erkenntnisse (aus dem neuropsychologischen Zusatzgutachten vom März 2021, der in der Vergangenheit fehlenden längerfristigen Belastbarkeit des Klägers und dessen gescheitetem Wiedereingliederungsversuch, vgl. UA S. 19) seien im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (10.12.2024) nicht mehr hinreichend aktuell gewesen, verkennt sie, dass Ausgangspunkt der Prognose über die Wiedererlangung der Dienstfähigkeit zunächst der Gesundheitszustand des Klägers zum Zeitpunkt seiner Ruhestandsversetzung bzw. der daraufhin im Rechtsbehelfsverfahren ergangenen letzten Verwaltungsentscheidung ist. Denn die Wiederherstellung der Dienstfähigkeit erfordert grundsätzlich eine Veränderung der körperlichen bzw. gesundheitlichen Verhältnisse gegenüber diesem Zeitpunkt (vgl. OVG NW, U.v. 4.11.2015 – 6 A 208/12 – juris Rn. 33). Zur Beurteilung der Frage, ob eine solche eingetreten ist, berücksichtigt das amtsärztliche Gutachten auch zwischenzeitlich angefallene Befunde, insbesondere die vom Kläger vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen sowie das Ergebnis einer am 21. Juni 2024 durchgeführten persönlichen Untersuchung, und kommt zum Ergebnis, dass die medizinischen Voraussetzungen für eine Reaktivierung nicht vorliegen.
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Die Feststellung im amtsärztlichen Gutachten (S. 2), dass beim Kläger „kein pathologischer Befund“ zu erheben sei, bezieht sich ersichtlich auf die „körperliche Seite“ seines Gesundheitszustands. Soweit sich der Amtsarzt den privatärztlichen Einschätzungen anschließt (S. 5) beschränkt sich dies auf den „unter Alltagsbedingungen/ohne dienstliche Anforderungen fachärztlich erhobenen psychischen Befund“.
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1.2 Das amtsärztliche Gutachten wird auch nicht – wie der Kläger meint (Nr. 3.1.2.4 der Zulassungsbegründung) – durch die privatärztlichen Bescheinigungen (Prof. Dr. M., Dr. Sch und der Ärztin L.) erschüttert. Dass die Zulassungsbegründung die Schlussfolgerungen des Verwaltungsgerichts „zumindest für äußerst zweifelhaft“ hält, genügt nicht den eingangs erwähnten Anforderungen, um die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts erfolgreich anzugreifen. Das Verwaltungsgericht hat sich dabei auch nicht eigene medizinische Kompetenzen angemaßt, sondern sein Urteil nach Überzeugungsbildung und Würdigung der vorliegenden Beweise auf der Grundlage des amtsärztlichen Gutachtens getroffen, das sich mit der Plausibilität bzw. Richtigkeit der privatärztlichen Aussagen nachvollziehbar auseinandersetzt (S. 1 f., 4 f.; UA S. 19 ff.) und die weiter bestehende Dienstunfähigkeit des Klägers festgestellt hat. Dabei weist es insbesondere darauf hin, dass Prof. Dr. M. die individuelle Krankheitsvorgeschichte – insbesondere das kurzfristige Scheitern des Wiedereingliederungsversuchs aus dem Zustand der Alltagsbelastbarkeit – in seinen Stellungnahmen nicht ausreichend berücksichtigt und nur aufgrund weniger probatorischer Einzelsitzungen über die Durchführung allgemeiner Beratung/Psychoedukation auf die Dienstfähigkeit des Klägers geschlossen habe. Zudem sei die amtsärztlich-gutachterliche Empfehlung zur (zunächst) weitergehenden stationären Diagnostik (als Voraussetzung für eine sozialmedizinisch optimale Behandlungsplanung) inhaltlich nicht aufgegriffen worden. In diesem Zusammenhang stellt das Verwaltungsgericht (UA S. 20) zutreffend fest, dass Prof. Dr. M. einen „Belastungstest (…) nicht durchgeführt“ hat. Damit bezieht es sich auf die amtsärztliche Auffassung (Gutachten S. 5, 8), dass die von Prof. Dr. M. festgestellte aktuelle Beschwerdefreiheit „unter Alltagsbedingungen“ vorliegen mag, sich die Krankheitszeichen typischerweise jedoch (erneut) erst wieder bei relevanter/auslösender reaktiver Belastung im dienstlichen Kontext manifestierten.
11
Auch die Beweiswürdigung der fachärztlichen Stellungnahme des Herrn L. (v. 22.8.2024, VG-Akte S. 222) ist rechtlich nicht zu beanstanden. Inhaltlich beschränkt sich die Stellungnahme vornehmlich auf die Beantwortung der vom Kläger gestellten Frage, ob die amtsärztlich empfohlene stationäre Rehabilitationsbehandlung in der Klinik, an der L. tätig ist, durchgeführt werden kann. Daher ist es nur konsequent, wenn Herr L. abschließend darauf verweist, dass eine Beurteilung der Dienstfähigkeit dem amtsärztlichen Gutachter obliege.
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Auf den vermeintlichen Widerspruch, den der Kläger darin sieht, dass der Amtsarzt im Ruhestandsversetzungsverfahren 2021 noch die Einholung eines neuropsychologischen Zusatzgutachtens für erforderlich gehalten habe, im Reaktivierungsverfahren jedoch nicht mehr, geht der Amtsarzt in seinem Gutachten (S. 8) aufgrund des seiner Auffassung nach unveränderten Gesundheitszustands des Klägers nachvollziehbar mit dem Hinweis ein, dass die Therapieempfehlung („mehrwöchige stationäre psychosomatische Rehablilitationsmaßnahme mit der Möglichkeit einer ganzheitlicheren Erkennung notwendiger Behandlungen und Maßnahmen, als dies im ambulanten Rahmen möglich ist“, „insbesondere der gruppenspezifisch-interaktionelle Ansatz“) weiterhin Gültigkeit besitze.
13
Daneben führt das Verwaltungsgericht zu Recht aus, dass es der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entspricht (BVerwG, U.v. 13.7.1999 – 1 D 81.97 – juris Rn. 36; U.v. 15.2.2010 – 2 B 126.09 – juris Rn. 16 ff.), dass amtsärztlichen Beurteilungen grundsätzlich ein Vorrang und größerer Beweiswert beigemessen wird. Für Gutachten, in denen die Dienstfähigkeit zu beurteilen ist, bedarf es eines speziellen zusätzlichen Sachverstandes, der einerseits auf der Kenntnis der Belange der öffentlichen Verwaltung, andererseits auf der Erfahrung aus einer Vielzahl von gleich- oder ähnlich liegenden Fällen beruht. In rechtlich nicht zu beanstandender Weise ist hiervon auch das Verwaltungsgericht ausgegangen (UA S. 16), ohne dass es – wie es die Zulassungsbegründung unter 3.1.2.3 unterstellt – angenommen hätte, dass die allgemein vorhandene dienstliche Erfahrung des Amtsarztes die konkrete Einschätzung über das Vorliegen einer Dienstunfähigkeit bzw. Dienstfähigkeit ersetzen könnte. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht ausdrücklich festgestellt (UA S. 19), dass sich der Amtsarzt nicht pauschal auf seine Erfahrung bezieht, sondern vergleichend auf den Kläger Bezug nimmt, wobei als wesentlicher Unterschied ausgemacht wird, dass beim Kläger eine starke dienstlich-reaktive konflikthafte Beteiligung/Belastung vorliegt.
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1.3 Der Kläger ist ferner der Auffassung, das Verwaltungsgericht hätte wegen der entgegenstehenden privatärztlichen Stellungnahmen ein neues Gutachten einholen müssen. Damit macht der Antrag auf Zulassung der Berufung im Kern nicht nur eine dem sachlichen Recht zuzuordnende fehlerhafte Sachverhalts- und Beweiswürdigung geltend (vgl. dazu Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124 Rn. 19; Kautz in Fehling/Kastner/Störmer, VerwR, 5. Aufl. 2021, § 124 VwGO Rn. 70), sondern auch eine unzureichende Ermittlung und Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts. Insoweit gilt, dass ernstliche Zweifel an der Richtigkeit einer Entscheidung zwar auch aus einer unzureichenden Ermittlung und Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts resultieren können (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 30. Aufl. 2024, § 124 Rn. 7b m.w.N.). Werden die ernstlichen Zweifel mit einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht begründet, gelten allerdings die Grundsätze für die Darlegung eines Verfahrensmangels i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 67) und ist mit Blick auf die Gewährleistung der Konsistenz der Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO eine Zulassung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nur möglich, wenn auch eine entsprechende Verfahrensrüge zum Erfolg führen würde (Rusidile in Schoch/Schneider, VwGO, Stand August 2024, § 124 Rn. 26g; HessVGH, B.v. 1.11.2012 – 7 A 1256/11.Z – NVwZ-RR 2013, 417 = juris Rn. 9; VGH BW, B.v. 17.2.2009 – 10 S 3156/08 – juris Rn. 5). Dies ist vorliegend indes nicht der Fall, da ein Verstoß gegen den in § 86 Abs. 1 VwGO enthaltenen Untersuchungsgrundsatz nicht vorliegt.
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Ein Gericht verletzt seine Pflicht zur erschöpfenden Aufklärung des Sachverhalts (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) grundsätzlich nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die ein anwaltlich vertretener Beteiligter in der mündlichen Verhandlung nicht ausdrücklich beantragt hat. Die Aufklärungsrüge dient nicht dazu, Beweisanträge zu ersetzen, die ein Beteiligter hätte stellen können, jedoch zu stellen unterlassen hat. Dass ein Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung – wie vorliegend – nicht gestellt wurde, ist nur dann unerheblich, wenn sich dem Gericht auch ohne ausdrücklichen Beweisantrag eine weitere Ermittlung des Sachverhalts hätte aufdrängen müssen (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 16.3.2011 – 6 B 47.10 – juris Rn. 12). Dies war vorliegend nicht der Fall, da belastbare Anhaltspunkte dafür, dass die sachverständige Bewertung des Amtsarztes zur Dienstfähigkeit des Klägers unzureichend oder unrichtig sein könnte, nicht hinreichend dargelegt worden sind. In der Sache erschöpft sich die Zulassungsbegründung insoweit in einer bloßen Kritik an der Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts, der die Klägerseite lediglich ihre eigene, davon abweichende Würdigung entgegensetzt. Dies gilt insbesondere für den Einwand, der Kläger habe gelernt, mit im Dienst auftretenden etwaigen Schwierigkeiten inzwischen gut umzugehen. Dies genügt nicht, um die amtsärztliche Einschätzung ernsthaft in Zweifel zu ziehen.
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1.4 Vorliegend kann dahinstehen, ob die aus Gründen der Verhältnismäßigkeit erforderlichen formellen und inhaltlichen Anforderungen an die Untersuchungsanordnung, die für die ärztliche Untersuchung aktiver Beamter, über deren Dienstunfähigkeit Zweifel bestehen (§ 26 Abs. 1 BeamtStG), entwickelt wurden bzw. in Abschnitt 8 der VV-BeamtR geregelt sind, in vollem Umfang auf die Fälle der Reaktivierung eines wegen Dienstunfähigkeit bereits im Ruhestand befindlichen Beamten zu übertragen sind (Nr. 3.1.2.5 der Zulassungsbegründung). Denn nach Erstellung und Bekanntgabe eines (amtsärztlichen) Gutachtens ist die Rechtmäßigkeit einer Untersuchungsanordnung grundsätzlich ohne Bedeutung (vgl. BayVGH, B.v. 20.4.2022 – 3 CE 22.604 – juris).
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1.5 Entgegen der Zulassungsbegründung (Nr. 3.1.2.5), die das Fehlen einer konkreten Diagnose im amtsärztlichen Gutachten moniert, hat der erkennende Senat wiederholt entschieden, dass es der Benennung einer Diagnose im amtsärztlichen Gutachten nicht bedarf (vgl. BayVGH, B.v. 15.4.2021 – 3 ZB 20.2241 – juris Rn. 8; B.v. 13.3.2020 – 3 ZB 19.2443 – juris Rn. 12; B.v. 9.7.2013 – 3 CS 13.302 – juris Rn. 31; B.v. 7.11.2023 – 3 ZB 23.1266 – Rn. 12 [n.v.]). Denn Gegenstand der Beurteilung der Wiedererlangung der Dienstfähigkeit ist nicht die konkrete Diagnose nach ICD-10, sondern die Frage, ob der Beamte den gesundheitlichen Anforderungen des ihm zuletzt übertragenen Statusamtes wieder genügt. Der Amtsarzt hat nicht die Aufgabe, ein Behandlungsverfahren einzuleiten, sondern die dienstlich relevanten Funktionseinbußen zu beurteilen. Damit reicht es aus, dass Dr. V. auf die fortbestehenden psychischen Beeinträchtigungen, wie etwa die reduzierte Fähigkeit zum Erlernen neuer Informationen sowie beim raschen Erkennen und Umsetzen effizienter Lösungsstrategien bei ungewohnten Aufgaben, Bezug nimmt.
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Vorliegend folgt auch nicht aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn die Notwendigkeit der Benennung einer konkreten Diagnose. Die Behauptung, dass ohne eine konkrete Diagnose (in dem amtsärztlichen Gutachten), die vom Amtsarzt „geforderte“ Therapie und damit die Wiedererlangung der Dienstfähigkeit unmöglich wäre, trifft nicht zu. Denn das Gutachten spricht lediglich eine „Therapieempfehlung“ aus (S. 7 f.). Soweit nach Ansicht des Amtsarztes eine Nachuntersuchung erst nach Durchführung der Therapieempfehlung „sinnvoll und zielführend“ erscheint (S. 8), koppelt er zwar die zeitliche Planung der Nachuntersuchung an die vorherige Umsetzung der Empfehlung, legt damit aber nicht zwingend fest, dass diese Maßnahme Voraussetzung für die Wiedererlangung der Dienstfähigkeit ist. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass er zunächst eine weitergehende stationäre Diagnostik für erforderlich hält (Gutachten S. 5). In diesem Rahmen soll – gegebenenfalls mit Hilfe eines gruppenpsychotherapeutischen Ansatzes – geprüft werden, welche Diagnose festzustellen ist und welche Therapiemaßnahmen folglich angezeigt und erfolgversprechend sind. In diesem Zusammenhang weist das Verwaltungsgericht (UA S. 25) zu Recht daraufhin, dass es in den Verantwortungsbereich des Klägers fällt, sich um eine konkrete Therapie und einen Therapieplatz zu bemühen. Das Gutachten des Amtsarztes schließt andere Genesungswege auch nicht kategorisch aus. Die Formulierung „einzig realistische Annäherung … Nur im Rahmen einer ausreichend intensiven stationären Therapie“ (Gutachten S. 6) beschreibt eine (immer mit Unsicherheiten behaftete) medizinische Prognose, nicht aber rechtlich bindende Voraussetzungen für die Wiedererlangung der Dienstfähigkeit, über die letztlich der Dienstherr (unter Zuhilfenahme des Amtsarztes) zu entscheiden hat.
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Dass die Umsetzung der Therapieempfehlung nur unter Benennung einer konkreten Diagnose durch den Amtsarzt möglich sei, ergibt sich im Übrigen auch nicht aus dem Antwortschreiben des Herrn L. vom 22. August 2024, wonach die empfohlene stationäre Rehabilitationsbehandlung in der Psychosomatischen Klinik B.N. eine nach ICD-10 klassifizierte Erkrankung voraussetze. Die Feststellung des Herrn L., dass aktuell weder die diagnostischen Kriterien einer affektiven Störung (ICD- 10 F.3) noch einer neurotischen Störung (ICD-10 F.4) erfüllt seien noch die „dienstliche Anpassungsstörung“ der Anpassungsstörung (ICD-10 F 43.2) entspreche, beruhten allein auf der Sichtung der ihm vorliegenden Unterlagen. Ob der Kläger seiner Anfrage auch die psychosomatischen Befundberichte von Herrn Dr. Sch vom 10. November 2020 mit den dortigen konkreten ICD-10 Diagnosen (F 43.0 Akute Belastungsreaktion und F 32.2 Schwere depressive Episode) und das neuropsychologische Zusatzgutachten (mit detaillierter Beschreibung der Krankheitszeichen) vorgelegt hat, bleibt dabei offen. Das Antwortschreiben des Herrn L. berücksichtigt zudem lediglich die Aufnahmekriterien einer bestimmten Klinik, ohne dass sich daraus schließen ließe, dass die Umsetzung der Therapieempfehlung (fachmedizinisch) unmöglich sei.
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2. Aus den unter 1. dargelegten Gründen liegt auch der geltend gemachte Zulassungsgrund der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) nicht vor.
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Besondere tatsächliche Schwierigkeiten i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO entstehen bei einer Rechtssache durch einen besonders unübersichtlichen und/oder einen schwierig zu ermittelnden Sachverhalt. Keine besonderen tatsächlichen Schwierigkeiten bestehen daher regelmäßig bei Sachverhalten, die sich durch Beweiserhebung zuverlässig klären lassen (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Auflage 2022, § 124 Rn. 33). Besondere rechtliche Schwierigkeiten i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO weist eine Rechtssache auf, wenn das Zulassungsvorbringen gegen das erstinstanzliche Urteil Rechtsfragen von solcher Schwierigkeit aufwirft, dass sie sich wegen ihrer Komplexität nicht im Zulassungsverfahren klären lassen. Keine besonderen Schwierigkeiten weist eine Rechtssache auf, wenn die rechtlichen Fragen ohne Weiteres aus dem Gesetz zu lösen oder in der Rechtsprechung geklärt sind (vgl. BayVGH, B.v. 21.12.2021 – 23 ZB 17.2446 – juris Rn. 65 m.w.N.).
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2.1 Soweit der Kläger ausführt, eine besondere tatsächliche Schwierigkeit ergebe sich aus dem Umstand, dass er nach übereinstimmender Auffassung sowohl des Amtsarztes wie auch der Privatärzte aktuell beschwerdefrei sei, also kein pathologischer Befund erhoben worden sei, kann hieraus nicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO geschlossen werden. Zum einen geht der Vortrag bereits von einem verkürzten Sachverhalt aus. Wie unter 1.1 dargestellt ist nach dem amtsärztlichen Gutachten (S. 2) (nur) „von körperlicher Seite“ beim Kläger „kein pathologischer Befund“ zu erheben; zudem besteht die Übereinstimmung des amtsärztlichen Gutachtens mit den privatärztlichen Einschätzungen allein in Bezug auf den „unter Alltagsbedingungen/ohne dienstliche Anforderungen fachärztlich erhobenen psychischen Befund“ (S. 5). Zum anderen wird schon nicht dargelegt, worin die tatsächliche Schwierigkeit liegen sollte, wenn Privatarzt und Amtsarzt (hinsichtlich seiner Alltagsbelastbarkeit) eine übereinstimmende Auffassung vertreten. Allein daraus, dass der Kläger die Schlussfolgerung des amtsärztlichen Gutachtens nicht teilt, folgt keine besondere Schwierigkeit der Rechtssache.
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2.2 Soweit der Kläger die besondere Schwierigkeit der Rechtssache darin erblickt, dass ihn die Beweislast trifft und der Amtsarzt die vom Kläger eingeholten fachärztlichen (privatärztlichen) Stellungnahmen für nicht aussagekräftig genug erachtet, weil hierin der dienstliche Kontext nicht ausreichend berücksichtigt sei, und das Verwaltungsgericht das Vorgehen des Amtsarztes in keiner Weise beanstande, hinterfrage oder in sonstiger Weise kritisiere und damit der Kläger vor einer für ihn nicht lösbaren Aufgabe stehe, werden keine rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO dargelegt.
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In der vorgetragenen Schwierigkeit der Beweisführung durch den Kläger liegt keine besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeit der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO. Ob eine solche vorliegt, beurteilt sich aus der Sicht des Berufungsgerichts (vgl. Kuhlmann, in: Wysk, VwGO, 4. Aufl. 2025, § 124 Rn. 32). Für deren Darlegung ist es erforderlich, eine Begründung dafür zu geben, weshalb die Rechtssache an den entscheidenden Richter deutlich höhere Anforderungen stellt als im Normalfall (OVG Hamburg, B.v. 27.5.2019 – 5 Bf 225/18.Z – juris Rn. 35). Die Notwendigkeit einer Ermittlung medizinischer Sachverhalte und der Bewertung unterschiedlicher ärztlicher Stellungnahmen und Sachverständigengutachten stellt sich – über die Verfahren der Reaktivierung eines Beamten hinaus – in einer Vielzahl verwaltungsgerichtlicher Rechtsstreite. Soweit medizinische Fragen, wie andere naturwissenschaftliche Fragen auch, durch Einholung von Sachverständigengutachten ohne größere Probleme zu beantworten sind, ergibt sich hieraus keine besondere Schwierigkeit des Verfahrens. Dies gilt umso mehr, wenn es sich – wie hier – um eine in der Rechtsordnung vorgesehene, weitgehend standardisierte medizinische Begutachtung handelt, die zudem noch durch einen Amtsarzt mit Spezialkenntnissen vorgenommen wird.
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2.3 Die besondere tatsächliche Schwierigkeit im Fall des Klägers ergibt sich schließlich weder aus dem Umstand, dass der Amtsarzt eine ganz bestimmte Therapiemaßnahme zur Wiederherstellung der Dienstfähigkeit für erforderlich halte, noch daraus, dass das amtsärztliche Gutachten keine eindeutige Diagnose enthalte und daher der Kläger die vom Amtsarzt geforderte Therapieempfehlung nicht in die Wege leiten könne. Denn wie unter 1.5 bereits ausgeführt hat der Amtsarzt dem Kläger über eine Therapieempfehlung hinaus weder eine (einzige) bestimmte Therapiemaßnahme abverlangt noch ist die Schwierigkeit des Klägers, eine geeignete Therapie zu finden, eine besondere Schwierigkeit „der Rechtssache“ im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO.
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3. Der Rechtssache fehlt auch die behauptete grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Eine Rechts- oder Tatsachenfrage ist dann grundsätzlich bedeutsam, wenn sie für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich ist, höchstrichterlich oder durch die Rechtsprechung des Berufungsgerichts noch nicht geklärt und über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam ist. Die Frage muss ferner im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts einer berufungsgerichtlichen Klärung zugänglich sein und dieser Klärung auch bedürfen (vgl. BVerwG, B.v. 16.11.2010 – 6 B 58.10 – juris Rn. 3; B.v. 17.12.2010 – 8 B 38.10 – juris Rn. 7 f.).
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Die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob es zulässig ist, dass ein amtsärztliches Gutachten eine bestimmte Therapiemaßnahme als zwingende Voraussetzung für die Wiederherstellung der Dienstfähigkeit vorsieht und damit der Amtsarzt gegenüber dem untersuchten Beamten Weisungen im Hinblick auf bestimmte Therapiemaßnahmen erteilt, ist nicht entscheidungserheblich. Sie geht bereits von der unzutreffenden Annahme aus, dass das amtsärztliche Gutachten eine bestimmte Therapiemaßnahme zwingend für die Wiederherstellung der Dienstfähigkeit vorsieht (s.o.) und der Amtsarzt gegenüber dem Beamten eine Weisung nach § 29 Abs. 4 Halbsatz 2 BeamtStG erteilt hat. Hiervon geht auch das Verwaltungsgericht (UA S. 25) nicht aus, wenn es zur Begründung der Eigenverantwortung des Beamten hinsichtlich seines Bemühens um eine konkrete Therapie darauf verweist, dass sich aus der Wertung dieser Vorschrift ergebe, dass die zuständige Behörde zwar Weisungen für Rehabilitationsmaßnahmen erteilen könne, dazu aber nicht verpflichtet sei.
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Auch die weiter vom Kläger als grundsätzlich aufgeworfene Frage, ob es mit der Fürsorgepflicht des Dienstherrn vereinbar ist, den Beamten bestimmte Therapiemaßnahmen aufzuerlegen, ohne die für die Einleitung der geforderten Therapiemaßnahmen notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, erfordert mangels Entscheidungserheblichkeit nicht die Durchführung eines Berufungsverfahrens. Denn wie bereits ausgeführt hat der Dienstherr dem Kläger weder eine bestimmte Therapiemaßnahme auferlegt noch obliegt es dem Dienstherrn, die notwendigen Voraussetzungen (durch Vorgabe einer konkreten Diagnose in einem amtsärztlichen Gutachten) für die Einleitung einer Therapiemaßnahme zu schaffen. Denn das Bemühen und die Umsetzung konkreter Therapiemaßnahmen liegt im Verantwortungsbereich des Beamten.
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4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 40, § 47, § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 und 3 GKG.
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Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).