Titel:
Erfolglose Normenkontrolle gegen einen im beschleunigten Verfahren erlassenen Änderungsbebauungsplan
Normenketten:
VwGO § 47 Abs. 2 S. 1
BauGB § 1 Abs. 3 S. 1, Abs. 4, Abs. 6 Nr. 2, Nr. 3, Abs. 7, § 2 Abs. 1 S. 2, Abs. 3, § 8 Abs. 2 S. 1, § 9 Abs. 3 S. 2, § 12 Abs. 6 S. 1, § 13a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 S. 1 Nr. 1, Abs. 4, § 215 Abs. 1 S. 1 Nr. 3
BauNVO § 1 Abs. 7 Nr. 1
GG Art. 14 Abs. 1 S. 2
Leitsätze:
1. Allein der Wille eines Grundstückseigentümers, die Realisierung einer bestimmten Festsetzung zu verhindern, ist regelmäßig nicht geeignet, diese Festsetzung außer Kraft treten zu lassen. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. § 12 Abs. 6 S. 1 BauGB, wonach die Gemeinde den Bebauungsplan aufheben soll, wenn der Vorhaben- und Erschließungsplan nicht innerhalb der Frist nach § 12 Abs. 1 BauGB durchgeführt wird, ist auf Angebotsbebauungspläne weder direkt noch entsprechend anwendbar. (Rn. 28 – 29) (redaktioneller Leitsatz)
3. Besondere städtebauliche Gründe iSd § 1 Abs. 7 BauNVO sind solche, die für das Gebiet, in dem die Festsetzung gelten soll, eine Gliederung von Nutzungsarten gerade nach Geschossen, Ebenen oder sonstigen Teilen baulicher Anlagen und damit ein in bestimmter Weise geordnetes Vorhandensein von Nutzungen auch verschiedener Art jeweils auf den einzelnen Grundstücken rechtfertigen können. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
4. Bei einer fremd- oder gemeinnützigen Überplanung privater Grundstücke durch eine Gemeinbedarfsfläche sind an die Abwägung besonders hohe Anforderungen zu stellen. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Normenkontrolle, Änderung eines Bebauungsplans, Erforderlichkeit, Vertikale Gliederung, Bestimmung der Nutzung als Anlage für soziale Zwecke, Abwägung, Änderungsbebauungsplan, Grundstückseigentümer, städtebauliche Erforderlichkeit, Angebotsplanung, vorhabenbezogener Bebauungsplan, zulässiger Planinhalt, vertikale Gliederung, besondere städtebauliche Gründe, Anpassungsgebot, allgemeines Wohngebiet, Berichtigung Flächennutzungsplan, Abwägungsgebot, Gemeinbedarfsfläche, Eigentümerinteressen, gewichtige städtebaulich beachtliche Allgemeinwohlbelange, Wertschöpfung, fremdnützige Überplanung, gemeinnützige Überplanung, Kindertagesstätte, Standortsuche, Abwägungsfehler
Fundstelle:
BeckRS 2025, 25632
Tenor
I.Der Normenkontrollantrag wird abgelehnt.
II.Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV.Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Die Antragstellerin wendet sich gegen die im beschleunigten Verfahren nach § 13a BauGB erfolgte 1. Änderung des Bebauungsplans mit integriertem Grünordnungsplan Nr. 20 „Steinweg“ der Antragsgegnerin, die am 10. Mai 2023 als Satzung beschlossen und am 22. Juni 2023 bekannt gemacht wurde.
2
Das ca. 1,42 ha große Plangebiet umfasst die Grundstücke FlNrn. … … … … … … … … … … … … … … … … … … … Die Antragstellerin ist Eigentümerin der im Plangebiet liegenden Grundstücke FlNrn. … … … … … … … mit einer Größe von insgesamt ca. 1,25 ha.
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Mit dem am 27. Juni 2019 bekannt gemachten Bebauungsplan mit integriertem Grünordnungsplan Nr. 20 „Steinweg“ hatte die Antragsgegnerin ein sonstiges Sondergebiet mit der Zweckbestimmung „Einzelhandel mit Wohnungen, Büros und Dienstleistungen“ festgesetzt. Am 28. Juli 2021 fasste der Stadtrat der Antragsgegnerin den Beschluss, den Bebauungsplan zu ändern. Im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung machte die Antragstellerin geltend, die Änderungsplanung schränke die baulichen Nutzungsmöglichkeiten auf ihren Grundstücken erheblich ein. Die Grundstücksverhandlungen mit dem potenziellen Erwerber bzw. Vorhabenträger könnten – zumindest derzeit – nicht mit Erfolg zum Abschluss geführt werden. Die Änderungsplanung sei nicht erforderlich, da das zugrundeliegende städtebauliche Konzept auf absehbare Zeit nicht realisiert werde. Die beabsichtigte Festsetzung einer Kinderbetreuungseinrichtung decke sich nicht mit ihren Nutzungsabsichten. Vielmehr wolle sie sich auch künftig alle Nutzungsmöglichkeiten für ihre Grundstücke vorbehalten. Mit Beschluss des Stadtrats vom 10. Mai 2023 wurden die eingegangenen Einwendungen und Bedenken gewürdigt und abgewogen sowie die 1. Änderung des Bebauungsplans als Satzung beschlossen. Nach Ausfertigung durch die erste Bürgermeisterin wurde der Satzungsbeschluss am 22. Juni 2023 im Amtsblatt der Antragsgegnerin bekannt gemacht.
4
Mit der 1. Änderung des Bebauungsplans mit integriertem Grünflächenplan Nr. 20 „Steinweg“ setzte die Antragsgegnerin ein Allgemeines Wohngebiet mit zwei Teilbaugebieten (WA 1.1 und WA 1.2), einer Grundflächenzahl (GRZ) von 0,4 und einer Geschossflächenzahl (GFZ) von 1,2 fest. Zudem traf die Antragsgegnerin unter anderem Festsetzungen hinsichtlich der Zahl der zulässigen Vollgeschosse, der maximal zulässigen Gebäudeoberkante, der Baugrenzen, der Bauweise und der Verkehrsflächen. Für das Teilbaugebiet WA 1.1 wurde festgesetzt, dass im Erdgeschoss und im ersten Obergeschoss nur Anlagen für soziale Zwecke, hier: Einrichtungen zur Kinderbetreuung (insbesondere Kinderkrippe, Kindergarten und Kinderhort), zulässig sind.
5
Zur Begründung der 1. Änderung des Bebauungsplans Nr. 20 „Steinweg“ führte die Antragsgegnerin im Wesentlichen aus, bei dem Plangebiet handele es sich um eine innerörtliche Brachfläche, die in der Vergangenheit intensiv gewerblich genutzt worden sei (Produktion und Logistik), aber bereits seit mehreren Jahren untergenutzt sei. Bis auf das ehemalige Lager- und Bürogebäude sei die Fläche bereits vollständig leergeräumt und für die Nutzung durch einen großflächigen Einzelhandel / Lebensmittelvollsortimenter vorbereitet worden. Nachdem diese Nutzung nicht mehr angedacht sei und ein Gesamtkonzept mit unterschiedlichen, der innerstädtischen Lage entsprechend verdichteten und bedarfsgemäßen Wohnformen sowie einer Kindertagesstätte vorliege, solle der vorhandene städtebauliche Missstand durch Änderung des Planungsrechts für die geänderten Planungsabsichten behoben werden. Vorgesehen sei die Entstehung unterschiedlicher Wohnungstypen sowie die Ermöglichung der Errichtung einer Kindertagesstätte in zentraler und fußläufig sowie mit dem Rad gut angebundener Lage. Das Baugebiet werde gemäß seinen künftigen Nutzungen als allgemeines Wohngebiet (WA) festgesetzt. Im Teilbaugebiet WA 1.1 solle ein Gebäude mit zwei Vollgeschossen und einem zurückversetzten Staffelgeschoss entstehen. Hier sei eine vertikale Gliederung vorgesehen, wonach im Erdgeschoss und im ersten Obergeschoss nur Anlagen für soziale Zwecke, konkret Einrichtungen zur Kinderbetreuung, zulässig seien. Diese Gliederung sei zur Schaffung und Sicherung eines Standortes für eine neue Kindertagesstätte erforderlich. Die Antragsgegnerin habe ein gesamtstädtisches Kindergartenkonzept beschlossen, nach dem insbesondere in zentraler, integrierter Lage im Hauptort ein weiterer Standort für eine Kindertagesstätte entwickelt werden solle. Die Fläche sei hierfür sehr gut geeignet, da sie sich in gut erreichbarer, integrierter Stadtlage befinde. Im Teilbaugebiet WA 1.2 werde das vorhandene Bestandsgebäude zu Wohnraum umgebaut und durch ein zurückversetztes Staffelgeschoss ergänzt. Des Weiteren sei eine Erweiterung des Gebäudes durch zwei Anbauten nach Norden vorgesehen, die maximal drei Vollgeschosse aufweisen und nach Norden terrassenförmig in ihrer Geschossigkeit abgestuft würden. Im westlichen Plangebiet sollen Mehrfamilienhäuser mit jeweils drei Vollgeschossen und einem zurückversetzten Staffelgeschoss errichtet werden. Die überbaubare Grundstücksfläche ergebe sich durch Baufenster, die durch die Festsetzung von Baugrenzen definiert würden.
6
Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 24. April 2024 stellte die Antragstellerin einen Normenkontrollantrag gegen die 1. Änderung des Bebauungsplans Nr. 20 „Steinweg“. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, die Änderungsplanung sei städtebaulich nicht erforderlich, da das zugrundeliegende Konzept nicht mehr realisiert werden könne. Anlass für die Änderungsplanung sei das zwischen dem Vorhabenträger und der Antragsgegnerin entwickelte Gesamtkonzept mit unterschiedlichen Wohnformen und einer Kindertagesstätte gewesen. Sie selbst sei in die Verhandlungen zwischen Vorhabenträger und Antragsgegnerin nicht eingebunden, sondern lediglich am Verkauf der Grundstücke interessiert gewesen. Zwischenzeitlich habe der Vorhabenträger von der Weiterverfolgung des Projekts endgültig Abstand genommen. Ein Verkauf der Grundstücke an einen anderen Vorhabenträger zur Realisierung der Änderungsplanung sei auszuschließen. Im Kern entspreche der Änderungsbebauungsplan einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan. Mit dem Ausfall des Vorhabenträgers bestehe keine Durchführungsverpflichtung mehr. Damit fehle dem Bebauungsplan die Grundlage, so dass er entsprechend § 12 Abs. 6 BauGB aufzuheben sei. Die Antragstellerin habe kein Interesse an der Realisierung der Änderungsplanung, vielmehr wolle sie sich auch künftig alle möglichen Nutzungsarten auf der Grundlage des bisher rechtsverbindlichen Planungsrechts vorbehalten. Ohne ihre Zustimmung werde sich die Änderungsplanung auf Dauer nicht realisieren lassen. Zudem liege ein beachtlicher Abwägungsfehler vor. So schränke die Änderungsplanung die baulichen Nutzungsmöglichkeiten ihrer Grundstücke erheblich ein, insbesondere stelle die geplante vertikale Gliederung der zulässigen Nutzungen im Teilgebiet WA 1.1 einen schweren und nicht gerechtfertigten Eingriff in ihr Grundeigentum dar. Dem Gebot, die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander interessensgerecht abzuwägen, werde die Änderungsplanung nicht gerecht. Insbesondere die Festsetzung einer Nutzungseinschränkung (Einrichtungen zur Kinderbetreuung) decke sich nicht mit ihren Nutzungsabsichten. Von der Antragstellerin könne nicht verlangt werden, den Änderungsbebauungsplan mit den vorhandenen Festsetzungen umzusetzen, auch bestehe kein Zwang zum Abschluss eines städtebaulichen Vertrags zur Absicherung der Kindertagesstätte. Überdies habe es die Antragsgegnerin versäumt, ihr das Ergebnis der Prüfung ihrer Stellungnahme mitzuteilen.
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Die Antragstellerin beantragt,
8
Die Satzung über die 1. Änderung des Bebauungs- und Grünordnungsplans Nr. 20 „Steinweg“ ist unwirksam.
9
Die Antragsgegnerin beantragt,
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Der Antrag wird abgelehnt.
11
Zur Begründung führt die Antragsgegnerin im Wesentlichen aus, ihr stehe hinsichtlich Aufstellung, Änderung und Aufhebung eines Bebauungsplans ein weites planerisches Ermessen zu. Allein der Wille eines Grundstückseigentümers, die Realisierung einer bestimmten Festsetzung zu verhindern, führe regelmäßig nicht zur Rechtswidrigkeit der Festsetzung. Der Änderungsbebauungsplan, auch die Nutzung des Erdgeschosses und des ersten Obergeschosses des Teilbaugebiets WA 1.1 als Kinderbetreuungseinrichtung, beruhe auf einem von der Antragstellerin entwickelten Konzept und trage den damaligen Interessen der Antragstellerin Rechnung. Die Antragstellerin sei in die Planung eingebunden und zu Beginn des Verfahrens auch mit der geplanten Kindertagesstätte einverstanden gewesen. Später habe die Antragstellerin ihre Meinung geändert, da sie die Grundstücke nicht zum angestrebten Zeitpunkt an den beabsichtigten Geschäftspartner habe verkaufen können. Das Nicht-Zustandekommen eines Grundstücksgeschäfts habe keinen Einfluss auf die städtebauliche Erforderlichkeit des Bebauungsplans, zumal zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses aus Sicht der Antragsgegnerin nicht ausgeschlossen gewesen sei, dass der Grundstücksverkauf noch zu einem späteren Zeitpunkt erfolge. Eine entsprechende Anwendung des § 12 BauGB scheide aus, da es sich nicht um einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan handele und keine Bauverpflichtung bestehe. Auch existiere kein städtebaulicher Vertrag bezüglich der Kindertagesstätte. Laut Kaufvertrag vom 23. Dezember 1985 stehe der Antragsgegnerin für das Grundstück, auf dem die Kinderbetreuungseinrichtung festgesetzt sei, ein Rückkaufsrecht für den Fall zu, dass die Antragstellerin das Grundstück im unbebauten Zustand weiterveräußert. Der städtebauliche Bedarf an zusätzlichem Wohnraum und an einer Kindertagesstätte im Stadtgebiet der Antragsgegnerin sei nach wie vor gegeben. Die 1. Änderung des Bebauungsplans führe nicht zu einer Nutzungseinschränkung der Grundstücke der Antragstellerin, sondern ermögliche ein deutliches Mehr an Baurecht im Vergleich zum Vorgängerbebauungsplan, der auf … … … … … lediglich eine Nutzung für Stellplätze vorsah. Die Antragsgegnerin habe die Einwendungen der Antragstellerin und deren private Belange in der Stadtratssitzung vom 10. Mai 2023 umfassend berücksichtigt und ordnungsgemäß abgewogen. Dabei sei unter anderem ausgeführt worden, dass die nunmehrige Planung eine intensivere und umfassendere Nutzbarkeit der Grundstücke vorsehe sowie dass ein städtebauliches Bedürfnis für eine Kindertagesstätte bestehe (vgl. S. 42 ff. der Abwägungstabelle vom 10.5.2023). Das Ergebnis der Prüfung ihrer Einwendung sei der Antragstellerin mit Schreiben vom 2. August 2024 mitgeteilt worden.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die vorgelegte Normaufstellungsakte sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Der Normenkontrollantrag bleibt ohne Erfolg.
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Der Antrag ist zulässig.
15
Die Antragstellerin hat den Antrag innerhalb der Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO gestellt und ist antragsbefugt, da sie sich als Eigentümerin im Plangebiet liegender Grundstücke gegen bauplanerische Festsetzungen wendet, die ihre Grundstücke unmittelbar betreffen (vgl. BVerwG, B.v. 31.1.2018 – 4 BN 17.17 – juris Rn. 5).
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Der Antrag ist jedoch unbegründet. Die 1. Änderung des Bebauungsplans Nr. 20 „Steinweg“ leidet weder in formeller noch in materieller Hinsicht an beachtlichen Fehlern, die zu ihrer Unwirksamkeit führen.
17
1. Der Änderungsbebauungsplan ist formell rechtmäßig.
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Die Voraussetzungen des § 13a Abs. 1, 4 BauGB für ein beschleunigtes Verfahren liegen vor. Das Plangebiet liegt innerhalb des Siedlungsbereichs und umfasst eine Gesamtfläche von 1,42 ha, für die eine GRZ von 0,4 festgesetzt wurde. Die Planung bezweckt die Wiedernutzbarmachung von Flächen. Ein Ausschlussgrund ist nicht ersichtlich. Der Hinweis nach § 13a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB ist im Rahmen der Bekanntmachung des Aufstellungsbeschlusses nach § 2 Abs. 1 Satz 2 BauGB erfolgt.
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Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin das Ergebnis der Prüfung ihrer Einwendung mit Schreiben vom 2. August 2024 mitgeteilt und damit der Anforderung des § 3 Abs. 2 Satz 6 BauGB Rechnung getragen. Das Ergebnis der Prüfung kann auch noch nach Inkrafttreten des Bebauungsplans mitgeteilt werden; die Mitteilung nach § 3 Abs. 2 Satz 6 BauGB ist mithin nicht Voraussetzung für die Wirksamkeit des Bebauungsplans (vgl. BVerwG, B.v. 3.12.2008 – 4 BN 25.08 – juris Rn. 6).
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Darüber hinaus sind formelle Mängel des Änderungsbebauungsplans und Verfahrensverstöße im Hinblick auf Auslegung, Satzungsbeschluss, Ausfertigung und Bekanntmachung weder vorgetragen noch ersichtlich.
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2. Der Änderungsbebauungsplan leidet auch nicht an einem beachtlichen materiellen Fehler.
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a) Dem Änderungsbebauungsplan fehlt es nicht an der städtebaulichen Erforderlichkeit i.S.d. § 1 Abs. 3 BauGB.
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Nach § 1 Abs. 3 BauGB haben Gemeinden Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist; die Aufstellung kann insbesondere bei der Ausweisung von Flächen für den Wohnungsbau in Betracht kommen. Dies gilt auch für die Änderung von Bauleitplänen, § 1 Abs. 8 BauGB.
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aa) Das fehlende Interesse der Antragstellerin als Grundstückseigentümerin an der Umsetzung des Änderungsbebauungsplans lässt die städtebauliche Erforderlichkeit i.S.d. § 1 Abs. 3 BauGB nicht entfallen.
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Was städtebaulich erforderlich i.S.d. § 1 Abs. 3 BauGB ist, bestimmt sich nach der planerischen Konzeption der Gemeinde. Der Gesetzgeber ermächtigt die Gemeinden, diejenige Städtebaupolitik zu betreiben, die ihren städtebaulichen Ordnungsvorstellungen entspricht. Im Rahmen des § 1 Abs. 3 BauGB besitzen die Gemeinden ein breites Entscheidungsermessen (vgl. BVerwG, B.v. 25.7.2017 – 4 BN 2.17 – juris Rn. 3; B.v. 22.4.1997 – 4 BN 1.97 – juris Rn. 4). Gegen das Gebot des § 1 Abs. 3 BauGB verstößt ein Bebauungsplan, der aus tatsächlichen oder Rechtsgründen der Vollzugsfähigkeit entbehrt. Daher ist ein Bebauungsplan unwirksam, dessen Verwirklichung im Zeitpunkt seines In-Kraft-Tretens dauerhafte Hindernisse tatsächlicher oder rechtlicher Art entgegenstehen würden. Allein der Wille eines Grundstückseigentümers, die Realisierung einer bestimmten Festsetzung zu verhindern, ist indes regelmäßig nicht geeignet, diese Festsetzung außer Kraft treten zu lassen. Insbesondere Flächenfestsetzungen tragen in aller Regel schon dadurch eine Vollzugswahrscheinlichkeit in sich, dass die Zulässigkeit neuer Vorhaben an ihnen zu messen ist und sich so zumindest langfristig ein Gebietswandel einstellen wird. Dabei können und müssen unter Umständen auf längere Dauer andere als die festgesetzten Nutzungen hingenommen werden (vgl. BVerwG, U.v. 23.11.2016 – 4 CN 2.16 – BVerwGE 156, 336 = juris Rn. 10). Auch kann die Mitwirkungsbereitschaft der aktuellen Grundeigentümer an der Umsetzung der planerischen Vorhaben nicht zum Maßstab der Erforderlichkeit einer Planung gemacht werden, ohne zugleich die kommunale Planungshoheit in weiten Bereichen ins Leere laufen zu lassen (vgl. BayVGH, U.v. 13.11.2013 – 1 N 11.2263 – juris Rn. 26).
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Dies zugrunde gelegt, verstößt die Änderung des Bebauungsplans nicht gegen das Gebot der städtebaulichen Erforderlichkeit i.S.d. § 1 Abs. 3 BauGB. Der Änderungsbebauungsplan stellt eine Angebotsplanung dar und ist auf die nächsten Jahrzehnte ausgerichtet. Solange keine neuen Bauvorhaben verwirklicht werden, verpflichtet er die Antragstellerin nicht zur Umsetzung der Festsetzungen. Erst wenn die derzeit leerstehenden Flächen einer Bebauung oder das ehemalige Lager- und Bürogebäude einer neuen Nutzung zugeführt werden, sind die neue Bebauung und Nutzung an den Festsetzungen des geänderten Bebauungsplans zu messen. Auch wenn die Antragstellerin das Plangebiet nicht selbst entwickeln möchte, sondern lediglich an einem Verkauf der Grundstücke interessiert ist, und derzeit nach eigenem Vorbringen keinen Interessenten an der Hand hat, der die Grundstücke erwerben und entwickeln möchte, erscheint es angesichts der zentralen Lage nicht unwahrscheinlich, dass die Grundstücke im Laufe der nächsten Jahre einer intensiveren Nutzung zugeführt werden, da sich ein weiteres Brachliegenlassen der Flächen demgegenüber als unwirtschaftlicher darstellen dürfte. Angesichts des bestehenden Bedarfs an zusätzlichem Wohnraum sowie der Möglichkeit einer im Vergleich zur Umgebung verdichteten Wohnbebauung, die der Änderungsbebauungsplan eröffnet, erscheint die Verwirklichung einer Wohnbebauung entsprechend dem geänderten Bebauungsplan auch für einen potentiellen Grundstückserwerber nicht von vornherein unwirtschaftlich. Soweit die Antragstellerin geltend macht, die Festsetzung der Nutzungsbeschränkung hinsichtlich der Kindertagesstätte könne angesichts ihrer entgegenstehenden Interessen nicht realisiert werden, ist darauf hinzuweisen, dass der Antragsgegnerin für das betreffende Grundstück im Falle des Verkaufs im unbebauten Zustand ein vertragliches Rückkaufsrecht zusteht und dass vor dem Hintergrund des Bedarfs einer Kindertagesstätte im Stadtgebiet auch eine Realisierung durch die Antragsgegnerin denkbar erscheint.
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bb) Auch führt der Ausfall des ursprünglichen Investors nicht dazu, dass der Änderungsbebauungsplan von der Antragsgegnerin wegen fehlender Grundlage aufzuheben ist.
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§ 12 Abs. 6 Satz 1 BauGB, wonach die Gemeinde den Bebauungsplan aufheben soll, wenn der Vorhaben- und Erschließungsplan nicht innerhalb der Frist nach § 12 Abs. 1 BauGB durchgeführt wird, ist weder direkt noch entsprechend anwendbar.
29
§ 12 BauGB gilt nach Wortlaut und Gesetzessystematik für vorhabenbezogene Bebauungspläne. Da es sich bei dem Änderungsbebauungsplan der Antragsgegnerin mangels eines Vorhaben- und Erschließungsplans sowie eines Durchführungsvertrags nicht um einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan, sondern um eine Angebotsplanung handelt, ist § 12 Abs. 6 Satz 1 BauGB nicht direkt anwendbar. Auch eine entsprechende Anwendung des § 12 Abs. 6 Satz 1 BauGB vor dem Hintergrund, dass die Planung aus Anlass eines von einem Investor entwickelten Konzepts erfolgte, kommt nicht in Betracht. § 12 BauGB stellt eine Sonderregelung für vorhabenbezogene Bebauungspläne dar. Diese kann nicht auf Angebotsbebauungspläne übertragen werden, da es nicht zu einer Vermischung des Planungsinstruments des vorhabenbezogenen Bebauungsplans mit dem Angebotsbebauungsplan kommen soll (vgl. OVG NW, U.v. 4.5.2012 – 2 D 11/11.NE – juris Rn. 53 f. unter Bezugnahme auf die Gesetzgebungsmaterialien zu § 12 Abs. 4 BauGB in BT-Drs. 13/6392, S. 132 f.). Hintergrund der Regelung des § 12 Abs. 6 BauGB ist, dass der Vorhaben- und Erschließungsplan auf Umsetzung angelegt ist und damit bei einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan im Fall der Nichtdurchführung des Vorhaben- und Erschließungsplans regelmäßig die Geschäftsgrundlage für Plan und Satzung entfällt. Dabei handelt es sich um eine von der Gemeinde gegenüber einem säumigen Vorhabenträger regelmäßig zu ergreifende Sanktion. Diese Sanktion nach § 12 Abs. 6 BauGB rechtfertigt sich jedoch nur bei vorhabenbezogenen Bebauungsplänen, bei denen eine Durchführungsverpflichtung des Vorhabenträgers besteht. Hingegen fehlt es bei einem Angebotsbebauungsplan wie dem Änderungsbebauungsplan der Antragsgegnerin gerade an einer solchen Durchführungsverpflichtung. Auch bei Wegfall des Anlasses eines Angebotsbebauungsplans ist die Gemeinde nicht zur Aufhebung des Bebauungsplans verpflichtet. Ein Anspruch auf Aufhebung eines Bebauungsplans besteht nach § 1 Abs. 3 Satz 2, Abs. 8 BauGB gerade nicht.
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b) Bei den im Änderungsbebauungsplan getroffenen Festsetzungen handelt es sich um einen nach § 9 BauGB i.V.m. BauNVO zulässigen Planinhalt. Dies gilt auch hinsichtlich der festgesetzten vertikalen Gliederung mit der Nutzungseinschränkung auf Einrichtungen zur Kinderbetreuung im Erdgeschoss und im ersten Obergeschoss des Teilbaugebiets WA 1.1.
31
Gemäß § 9 Abs. 3 Satz 2 BauGB können Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 BauGB für übereinanderliegende Geschosse und Ebenen und sonstige Teile baulicher Anlagen gesondert getroffen werden. Nach § 1 Abs. 7 Nr. 1 BauNVO kann in Bebauungsplänen für Baugebiete nach den §§ 4 bis 9 BauNVO festgesetzt werden, dass in bestimmten Geschossen, Ebenen oder sonstigen Teilen baulicher Anlagen nur einzelne oder mehrere der in dem Baugebiet allgemein zulässigen Nutzungen zulässig sind, wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen. Besondere städtebauliche Gründe i.S.d. § 1 Abs. 7 BauNVO sind solche, die für das Gebiet, in dem die Festsetzung gelten soll, eine Gliederung von Nutzungsarten gerade nach Geschossen, Ebenen oder sonstigen Teilen baulicher Anlagen und damit ein in bestimmter Weise geordnetes Vorhandensein von Nutzungen auch verschiedener Art jeweils auf den einzelnen Grundstücken rechtfertigen können. Es muss sich um ein städtebauliches Ziel handeln, das speziell eine bestimmte Verteilung und/oder Mischung von Nutzungsarten auf jedem der davon betroffenen Grundstücke im Auge hat und deshalb nach der konkreten örtlichen Planungssituation durch das Instrument der vertikalen Gliederung verwirklicht werden soll (vgl. BVerwG, B.v. 4.6.1991 – 4 NB 35.89 – BVerwGE 88, 268 = juris Rn. 34).
32
Die diese Festsetzung rechtfertigenden besonderen städtebaulichen Gründe ergeben sich aus der Begründung des Änderungsbebauungsplans (vgl. Begründung zum Änderungsbebauungsplan vom 10.5.2023, S. 13). Danach ist die vertikale Gliederung zur Schaffung und Sicherung eines Standortes für eine neue Kindertagesstätte erforderlich. Die Antragsgegnerin hat ein gesamtstädtisches Kindergartenkonzept aufgestellt und beschlossen, nach dem insbesondere in zentraler, integrierter Lage im Hauptort ein weiterer Standort für eine Kindertagesstätte entwickelt werden soll. Nach Auffassung der Antragsgegnerin ist die Fläche im Bereich des Änderungsbebauungsplans eine hierfür sehr gut geeignete Fläche, da sie sich in gut erreichbarer, integrierter Stadtlage befindet. Der Flächenbedarf der geplanten fünfgruppigen Kindertagesstätte erschöpft sich in der Fläche des Erdgeschosses und des ersten Obergeschosses, so dass im zweiten Obergeschoss Wohnungen entstehen sollen. Es handelt sich mithin um spezifische Gründe, die aus der jeweiligen städtebaulichen Situation resultieren und eine bestimmte Verteilung der Nutzungen gewährleisten sollen. Dabei wahrt die Kinderbetreuungseinrichtung als Anlage für soziale Zwecke die allgemeine Zweckbestimmung des allgemeinen Wohngebiets nach § 4 BauNVO.
33
c) Ein Verstoß gegen das Anpassungsgebot aus § 1 Abs. 4 BauGB oder das Entwicklungsgebot aus § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB ist nicht ersichtlich.
34
Gemäß § 1 Abs. 4 BauGB sind die Bauleitpläne den Zielen der Raumordnung anzupassen. Der Regionalplan 8 … … weist das Stadtgebiet der Antragsgegnerin als „Zentralen Ort (Unterzentrum)“ aus. Laut Ziel 3.2.2 des Regionalplans soll in der Regel in den zentralen Orten verdichteter Wohnungsbau (Geschosswohnungsbau) bedarfsgerecht angestrebt werden. Nach Ziel 8.3.1 des Regionalplans ist das bestehende Netz an Kindergärten, Kinderkrippen und Tagesbetreuungseinrichtungen mindestens in den zentralen Orten bedarfsgerecht zu erhalten und auszubauen. Mit dem Zweck, verdichteten Wohnraum und eine Kindertagesstätte zu schaffen, passt sich der Änderungsbebauungsplan diesen Zielen des Regionalplans an.
35
Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB sind Bebauungspläne aus dem Flächennutzungsplan zu entwickeln. Zwar wich die Festsetzung des Änderungsbebauungsplans als allgemeines Wohngebiet im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses von der Darstellung des Flächennutzungsplans als gemischte und gewerbliche Baufläche ab. Jedoch kann im beschleunigten Verfahren nach § 13a Abs. 2 Nr. 2 BauGB ein Bebauungsplan, der von Darstellungen des Flächennutzungsplans abweicht, auch aufgestellt werden, bevor der Flächennutzungsplan geändert oder ergänzt wird, wobei die geordnete städtebauliche Entwicklung des Gemeindegebiets nicht beeinträchtigt werden darf und der Flächennutzungsplan im Wege der Berichtigung anzupassen ist. Eine Beeinträchtigung der geordneten städtebaulichen Entwicklung durch die Festsetzung als allgemeines Wohngebiet ist nicht ersichtlich. Die Berichtigung des Flächennutzungsplans war im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses laut Begründung des Änderungsbebauungsplans bereits vorgesehen (vgl. Begründung zum Änderungsbebauungsplan vom 10.5.2023, S. 7) und ist mit Beschluss des Stadtrats vom 29.11.2023 inzwischen auch erfolgt.
36
d) Der Bebauungsplan leidet auch nicht an einem beachtlichen Ermittlungs- oder Abwägungsmangel, insbesondere hat die Antragsgegnerin die Eigentümerbelange der Antragstellerin fehlerfrei ermittelt, bewertet und abgewogen.
37
Gemäß § 1 Abs. 7 BauGB sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Dieses materiell-rechtliche Abwägungsgebot wird um die Verfahrensanforderung des § 2 Abs. 3 BauGB ergänzt, wonach bei der Aufstellung der Bauleitpläne die Belange, die für die Abwägung von Bedeutung sind (Abwägungsmaterial), zu ermitteln und zu bewerten sind.
38
Das Abwägungsgebot ist gerichtlich nur darauf zu überprüfen, ob eine Abwägung überhaupt stattgefunden hat, ob in die Abwägung an Belangen eingestellt worden ist, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden musste, ob die Bedeutung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange verkannt und ob der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belange in einer Weise vorgenommen worden ist, der zur objektiven Gewichtung einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot jedoch nicht verletzt, wenn sich die Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung des anderen entscheidet (vgl. BVerwG, B.v. 15.5.2013 – 4 BN 1.13 – juris Rn. 18).
39
Ein (wirksamer) Bebauungsplan bestimmt Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Gemeinde darf durch ihre Bauleitplanung die (bauliche) Nutzbarkeit von Grundstücken verändern und dabei auch die privaten Nutzungsmöglichkeiten einschränken oder gar aufheben. Allerdings setzt eine wirksame städtebauliche Planung voraus, dass hinreichend gewichtige städtebaulich beachtliche Allgemeinbelange für sie bestehen. Diese städtebaulich beachtlichen Allgemeinbelange müssen umso gewichtiger sein, je stärker die Festsetzungen eines Bebauungsplans die Befugnisse des Eigentümers einschränken oder Grundstücke von einer Bebauung ganz ausschließen, denn das durch Art. 14 GG gewährleistete Eigentumsrecht gehört in hervorgehobener Weise zu den von der Bauleitplanung zu berücksichtigenden Belangen. Es umfasst neben der Substanz des Eigentums auch die Beachtung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des allgemeinen Gleichheitssatzes. Die Beschränkung der Nutzungsmöglichkeiten eines Grundstücks muss daher von der Gemeinde als ein wichtiger Belang privater Eigentümerinteressen in der nach § 1 Abs. 7 BauGB gebotenen Abwägung der öffentlichen und der privaten Belange beachtet werden (vgl. BVerwG, B.v. 15.5.2013 – 4 BN 1.13 – juris Rn. 17).
40
Bei einer fremd- oder gemeinnützigen Überplanung privater Grundstücke durch eine Gemeinbedarfsfläche sind an die Abwägung besonders hohe Anforderungen zu stellen. Dabei ist dem Grundsatz des geringstmöglichen Eingriffs als Element des Verhältnismäßigkeitsprinzips in besonderer Weise Geltung zu verschaffen. Es ist also stets zu prüfen, ob es ein milderes Mittel gibt, das zur Zweckerreichung gleich geeignet ist, den Eigentümer aber weniger belastet. Dabei muss der Plangeber die schutzwürdigen Interessen der Eigentümer und die Belange des Gemeinwohls in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis bringen. Insbesondere muss er prüfen, ob das Planungsziel nicht auch unter weitgehender Schonung des Grundbesitzes der Betroffenen – insbesondere durch Inanspruchnahme von Flächen im gemeindlichen Eigentum – zu erreichen wäre, welche baurechtliche Qualität die betroffenen Flächen aufweisen und ob die Planung ein Mindestmaß an Lastengleichheit zwischen allen betroffenen Eigentümern gewährleistet (vgl. BVerwG, U.v. 6.6.2002 – 4 CN 6.01 – juris Rn. 13; BayVGH, U.v. 27.6.2019 – 1 N 16.220 – juris Rn. 31).
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Ausweislich der Begründung zur Abwägung der Einwendung der Antragstellerin (vgl. Abwägungstabelle vom 10.5.2023, S. 42 ff.) hat die Antragsgegnerin erkannt, dass sich durch den Änderungsbebauungsplan die bauliche Nutzbarkeit der Grundstücke der Antragstellerin ändert. So waren nach dem Bebauungsplan Nr. 20 „Steinweg“, mit dem ein sonstiges Sondergebiet mit der Zweckbestimmung „Einzelhandel mit Wohnungen, Büros und Dienstleistungen“ und eine GFZ von 1,0 festgesetzt wurden, auf dem Grundstück FlNr. … im Teilbereich „großflächiger Einzelhandel“ ein Lebensmittelvollsortimenter mit einem branchenüblichen Randsortiment und einer maximalen Verkaufsfläche von 1.300 m² sowie eine Bäckerei/Café mit einer maximalen Verkaufsfläche von 150 m² und im Teilbereich „Wohnungen, Büros, Dienstleistungen“ Wohnnutzung sowie die Nutzung als Geschäfts- und Bürogebäude und als Räume für freie Berufe zulässig. Auf den Grundstücken FlNrn. … … … war die Nutzung für Stellplätze zulässig. Hingegen wurde mit der Änderung des Bebauungsplans für alle drei Grundstücke der Antragstellerin ein allgemeines Wohngebiet mit den Nutzungsmöglichkeiten des § 4 BauNVO und eine GFZ von 1,2 festgesetzt, wobei für das Grundstück FlNr. … die Nutzungseinschränkung gilt, dass im Erdgeschoss und im ersten Obergeschoss nur Einrichtungen zur Kinderbetreuung zulässig sind.
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Diese durch den Änderungsbebauungsplan bedingte Veränderung der baulichen Nutzbarkeit der Grundstücke der Antragstellerin hat die Antragsgegnerin mit gewichtigen städtebaulich beachtlichen Allgemeinbelangen begründet (vgl. Begründung zum Änderungsbebauungsplan vom 10.5.2023, S. 11 f.). So verfolgt die Antragsgegnerin laut ihrer Begründung zum Änderungsbebauungsplan insbesondere das Planungsziel, die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung zu berücksichtigen, sozial stabile Bewohnerstrukturen zu schaffen und zu erhalten und den Anforderungen kostensparenden Bauens sowie der Bevölkerungsentwicklung Rechnung zu tragen (vgl. § 1 Abs. 6 Nr. 2 BauGB), indem sie ein Wohngebiet mit Wohnraum für unterschiedliche Bevölkerungsgruppen ausweist. Auch zielt die Antragsgegnerin mit ihrer Planung darauf ab, die sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere die Bedürfnisse der Familien, der jungen, alten und behinderten Menschen, und die unterschiedlichen Auswirkungen auf Frauen und Männer sowie die Belange des Bildungswesens und von Sport, Freizeit und Erholung zu berücksichtigen (vgl. § 1 Abs. 6 Nr. 3 BauGB) durch die fußläufige Anbindung des Plangebietes zur Altstadt sowie zu vorhandenen Bildungs- und Sporteinrichtungen. Des Weiteren berücksichtigt die Antragstellerin bei der Planung die Ergebnisse eines von ihr beschlossenen städtebaulichen Entwicklungskonzepts (vgl. § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB), namentlich des integrierten städtebaulichen Entwicklungskonzepts (ISEK) vom 5. November 2014, in dem aus stadtplanerischer Sicht empfohlen wird, das Firmengelände des ehemaligen textilverarbeitenden Betriebs am Steinweg mittelfristig im Sinne einer Innenentwicklung einer für das Gebiet typischen Wohnnutzung zuzuführen (vgl. ISEK, Bericht vom 22.10.2014, S. 75).
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Der Abwägung der Eigentümerbelange der Antragstellerin hat die Antragsgegnerin in nicht zu beanstandender Weise zugrunde gelegt, dass die mit der Planung verbundene Änderung der baulichen Nutzbarkeit der Grundstücke keine Einschränkung darstellt, sondern vielmehr zu einer höheren Nutzbarkeit und Wertschöpfung führt (vgl. Abwägungstabelle vom 10.5.2023, S. 42 ff.). So sieht der Änderungsbebauungsplan für den südlichen Teil des Plangebiets, auf dem bislang ein Nutzungsmix mit Einzelhandel, Wohnen und sonstigen Nutzungen zulässig war, hinsichtlich der Flächenausnutzung sowie der zulässigen nutzbaren Geschossfläche insgesamt eine intensivere und umfassendere Nutzbarkeit vor. Für den nördlichen Planbereich, der bislang nur sehr eingeschränkt als Parkplatz genutzt werden konnte, ermöglicht der Änderungsbebauungsplan eine umfassende Bebauung mit einer Kindertagesstätte und ergänzender Wohnnutzung. Folglich erhält die Antragstellerin als Grundstückseigentümerin durch die Änderung des Bebauungsplans gegenüber dem bisherigen Bebauungsplan ein intensiver nutzbares Baurecht für das gesamte Plangebiet.
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Die Abwägung ist auch nicht wegen der Festsetzung der Nutzungseinschränkung auf dem Grundstück FlNr. … wonach im Erdgeschoss und im ersten Obergeschoss nur Einrichtungen zur Kinderbetreuung zulässig sind, zu beanstanden. Die Antragsgegnerin hat den besonders hohen Anforderungen, die bei einer fremd- oder gemeinnützigen Überplanung privater Grundstücke durch Festsetzung einer Gemeinbedarfsfläche an die Abwägung zu stellen sind, Rechnung getragen und sowohl das Planungsziel der Schaffung eines neuen Standorts für eine Kindertagesstätte in zentraler, integrierter Lage zur Deckung des festgestellten Betreuungsbedarfs als auch die Eigentumsbelange der Antragstellerin in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht. Ausweislich der Begründung zum Änderungsbebauungsplan hat sich die Antragsgegnerin damit auseinandergesetzt, welcher Anteil gemessen an der gesamten, auf den Grundstücken der Antragstellerin geplanten Geschossfläche von der Nutzungseinschränkung als Kinderbetreuungseinrichtung betroffen ist und dargelegt, dass durch die festgesetzte vertikale Gliederung für die beiden unteren Geschosse im WA 1.1 eine Beschränkung für ca. 15% der zulässigen Geschossfläche im gesamten allgemeinen Wohngebiet erfolgt, wohingegen für 85% der zulässigen Geschossfläche der Nutzungskatalog der BauNVO für ein allgemeines Wohngebiet unverändert gilt (vgl. Begründung zum Änderungsbebauungsplan vom 10.5.2023, S. 13). In Anbetracht dieses geringen flächenmäßigen Anteils der Gemeinbedarfsfläche an dem durch die Bauleitplanung insgesamt geschaffenen, großzügigen Baurecht auf den Grundstücken der Antragstellerin erweist sich die festgesetzte Nutzungseinschränkung als Kinderbetreuungseinrichtung als verhältnismäßig, zumal damit das Eigentum – im Unterschied zu einer Festsetzung als Grünfläche – nicht vollständig entwertet wird, sondern für den Eigentümer Mietzahlungen generiert werden können. Auch hat sich die Antragsgegnerin mit der Frage auseinandergesetzt, ob für die Kindertagesstätte Standortalternativen auf gemeindlichen Eigentumsflächen bestehen. So führt die Antragsgegnerin in der Begründung zur Abwägung der Einwendung der Antragstellerin aus, der Standort im Stadtgebiet sei Ergebnis eines umfassenden Analyseprozesses und mit Beschluss des Stadtrats als priorisierter und gut geeigneter Standort für eine Kindertagesstätte bewertet worden (vgl. Abwägungstabelle vom 10.5.2023, S. 43.). Nach den Ausführungen der Antragsgegnerin ist der Entscheidung für die Festsetzung der Kinderbetreuungseinrichtung auf dem Grundstück FlNr. … ein langjähriger Prozess der Standortsuche für eine neue Kindertagesstätte vorausgegangen. Soweit die Antragsgegnerin zunächst mit der Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 21 „KiTa an der … Straße“ am 24. Juli 2019 einen Standort auf gemeindlichen Grundstücken als geeignetsten Standort für eine neue Kindertagesstätte angesehen hatte, hat der Stadtrat am 28. Oktober 2020, somit vor dem Beschluss zur Änderung des Bebauungsplans Nr. 20 „S.weg“, beschlossen, diese Planung nicht mehr weiterzuverfolgen, da dieser aufgrund seiner Lage am Stadtrand als nicht so gut geeignet bewertet wurde und auch der avisierte Betreiber der Einrichtung Bedenken gegen den Standort vorgebracht hatte. Hingegen stellt sich das Grundstück FlNr. … als Standort in zentraler und gut angebundener Lage in unmittelbarer Nachbarschaft zum avisierten Betreiber der Einrichtung dar, mit dem der von der Antragstellerin festgestellte Betreuungsbedarf im Westen des Stadtgebiets gedeckt werden kann. Auch steht der Antragsgegnerin für das betreffende Grundstück im Falle des Verkaufs im unbebauten Zustand ein vertragliches Rückkaufsrecht zu.
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Ohnehin wäre ein etwaiger Abwägungsmangel, der darauf beruht, dass für die Kindertagesstätte Standortalternativen auf gemeindlichen Eigentumsflächen unzureichend ermittelt und berücksichtigt wurden, als Mangel im Abwägungsvorgang nach § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB unbeachtlich. Die Antragstellerin hat innerhalb der Jahresfrist gegenüber der Antragsgegnerin zwar einen Eingriff in ihr Grundeigentum durch die Festsetzung der Kinderbetreuungseinrichtung geltend gemacht, sich allerdings nicht auf eine unterbliebene oder fehlerhafte Ermittlung und Berücksichtigung von Standortalternativen berufen. § 215 Abs. 1 BauGB erlegt dem Einwender eine Mitwirkungslast auf und verlangt eine substantiierte und konkretisierte Rüge. Durch die Darstellung des maßgebenden Sachverhalts soll es der Gemeinde ermöglicht werden, auf dieser Grundlage begründeten Anlass zu haben, in die Frage einer Fehlerbehebung einzutreten. Das schließt eine nur pauschale Rüge – wie sie hier vorliegt – aus (vgl. BVerwG, B.v. 16.12.2014 – 4 BN 25.14 – juris Rn. 6).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
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Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 132 Abs. 2 VwGO.