Inhalt

VGH München, Beschluss v. 05.09.2025 – 15 ZB 25.1185
Titel:

Nachbarklage gegen Baugenehmigung für Einfamilienhauses mit Einliegerwohnung und Pkw-Doppelgarage

Normenkette:
BauNVO § 12 Abs. 1, Abs. 2
Leitsätze:
1. § 12 Abs. 2 BauNVO bewirkt für den privaten Bedarf auf einem Baugrundstück keine Kontingentierung der Parkplätze. Für den Fall, dass § 12 Abs. 2 BauNVO nicht anwendbar ist, kommt die großzügigere, allgemeine Regelung des § 12 Abs. 1 BauNVO zur Anwendung. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Gebot ausreichender Erschließung hat weder in bauplanungsrechtlicher noch in bauordnungsrechtlicher Hinsicht nachbarschützende Funktion. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Anforderungen an das Einfügen in die Eigenart der näheren Umgebung nach dem Maß der baulichen Nutzung sind höchstgerichtlich geklärt und das Maß der baulichen Nutzung ist grundsätzlich nicht drittschützend. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Nachbarklage, Einfamilienhaus mit Einliegerwohnung, keine unzumutbare Lärmbeeinträchtigung, Gebietsprägungserhaltungsanspruch (verneint)., Baugenehmigung, Drittschutz, Einfamilienhaus, Einliegerwohnung, Gebietsprägungserhaltungsanspruch, Lärmbelastung, Stellplatz, Erschließung, Stellplätze, Stellplatzbedarf
Vorinstanz:
VG Regensburg, Urteil vom 20.05.2025 – RN 6 K 24.1522
Fundstelle:
BeckRS 2025, 25605

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen als Gesamtschuldner.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 9.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Kläger wenden sich gegen die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zum Neubau eines Einfamilienhauses mit Einliegerwohnung und Pkw-Doppelgarage.
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Gegen die den Beigeladenen mit Bescheid vom 12. Juni 2024 erteilte Baugenehmigung erhoben die Kläger Klage und stellten einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Den Antrag lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 25. September 2025 (RN 6 S 24.2060) ab; die Beschwerde hiergegen blieb erfolglos (BayVGH, B.v. 22.11.2024 – 15 CS 24.1771).
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Die Klage der Kläger gegen die Baugenehmigung vom 12. Juni 2024 wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 20. Mai 2025 ab. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass das Bauvorhaben weder den Gebietserhaltungsanspruch der Kläger verletze, noch ein Umschlagen von Quantität in Qualität zu besorgen sei. In Bezug auf das Einfügen in die Eigenart der näheren Umgebung nach dem Maß der baulichen Nutzung und die Beeinträchtigung des Ortsbildes seien keine drittschützenden Rechte geltend gemacht. Das Bauvorhaben verstoße auch nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Es habe insbesondere keine erdrückende Wirkung gegenüber dem klägerischen Gebäude und eine von dem Vorhaben ausgehende unzumutbare Lärmbelastung sei nicht erkennbar. Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
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1. Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ob solche bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was die Kläger als Rechtsmittelführer innerhalb offener Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) haben darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Aus dem Zulassungsvorbringen ergeben sich solche hier allerdings nicht.
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a) Soweit die Kläger unzumutbare verkehrliche Verhältnisse und eine unzumutbare Lärmbelastung durch das Vorhaben der Beigeladenen geltend machen, bleibt der Antrag erfolglos. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, dass es sich bei den von den Bewohnern verursachten Wohngeräuschen um als sozialadäquat hinzunehmende Wohnimmissionen handelt, was auch für die mit Errichtung von Garagen und Stellplätzen für ein Wohnbauvorhaben und die mit ihrem Betrieb üblicherweise verbundenen Belastungen durch zu- und abfahrende Kraftfahrzeuge des Anwohnerverkehrs sowohl tagsüber als auch nachts gelte (UA S. 11). Dies ist nicht ernstlich zweifelhaft (vgl. BayVGH, B.v. 19.5.2022 – 15 CS 22.1033 – juris Rn. 20. Die gegenteilige Auffassung der Kläger allein genügt nicht, um ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts darzulegen, zumal es hier um den Neubau eines Einfamilienhauses mit Einliegerwohnung, d.h. maximal zwei Wohneinheiten, geht.
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b) Die Kläger können ernstliche Zweifel auch nicht daraus ableiten, dass die Anwendbarkeit des § 12 Abs. 2 BauNVO ungeklärt sei und eine Einzelfallprüfung fehle. Eine von den Klägern behauptete, nachbarrechtsrelevante Unbestimmtheit i.S.d. Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG (vgl. BayVGH, B.v. 14.1.2025 – 15 ZB 24.782 – juris Rn. 8 f.) ist hieraus nicht ersichtlich, da sich die Zahl der Stellplätze eindeutig aus der angefochtenen Baugenehmigung ergibt.
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Im Übrigen ist die Frage der Anwendbarkeit des § 12 Abs. 2 BauNVO nicht entscheidungserheblich. Das Verwaltungsgericht hat zwar darauf abgestellt, dass § 12 Abs. 2 BauNVO auch für einen durch Wohnnutzungen in einem Misch- oder Dorfgebiet ausgelösten Stellplatzbedarf gilt (UA S. 11 f.). Es kommt aber dann zu dem Ergebnis, dass ein besonderer Ausnahmefall, der hier zu einer Unzumutbarkeit der geplanten Garagen führen würde, unter Berücksichtigung der genehmigten Pläne sowie der zur Verfügung stehenden Lagepläne und Luftbilder nicht erkennbar und auch nicht dargelegt sei (UA S. 12). Dies ist angesichts des genehmigten Einfamilienhauses mit Einliegerwohnung nicht zu beanstanden, zumal § 12 Abs. 2 BauNVO für den privaten Bedarf auf dem Baugrundstück keine Kontingentierung der Parkplätze bewirkt und für den Fall, dass § 12 Abs. 2 BauNVO nicht anwendbar ist, die großzügigere, allgemeine Regelung des § 12 Abs. 1 BauNVO zur Anwendung kommen würde (vgl. Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand 11/2024, § 12 BauNVO Rn. 43, 44). Hiermit setzt sich das Zulassungsvorbringen nicht auseinander und legt auch nicht dar, dass der genehmigte Stellplatzbedarf nicht dem des genehmigten Einfamilienhauses mit Einliegerwohnung entsprechen würde.
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c) Eine Verkehrsverdrängung zu Lasten der Kläger und eine unzumutbare Beeinträchtigung aufgrund der Erschließungssituation ist weder ersichtlich noch dargelegt. Die von den Klägern geltend gemachte (mögliche) Beschädigung öffentlichen Grundes und der Mauer eines (weiteren) Nachbarn, zeigt schon keine subjektive Rechtsverletzung der Kläger auf. Soweit die Kläger ein Rückwärtsrangieren von Lastkraftwagen aus dem W. weg in die O. Straße und ein Passieren ihres Zaunes in wenigen Zentimetern Abstand beanstanden, ist nicht ersichtlich, inwieweit dies der Errichtung des genehmigten Bauvorhabens zuzurechnen ist. Das Gebot ausreichender Erschließung hat zudem weder in bauplanungsrechtlicher noch in bauordnungsrechtlicher Hinsicht nachbarschützende Funktion (vgl. BayVGH, B.v. 17.7.2025 – 15 ZB 25.1163 – juris Rn. 6).
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d) Die bloße Behauptung, das Bauvorhaben verletze das Abstandsflächenrecht, genügt nicht, um ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts darzulegen. Eine Auseinandersetzung mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts (UA S. 12 f.) erfolgt insoweit nicht. Gleiches gilt für den nicht weiter ausgeführten Einwand, die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zum Gebietsprägungserhaltungsanspruch (UA S. 8 f.) seien zweifelhaft. Im Übrigen kommt das Verwaltungsgericht – unabhängig davon – zu dem Ergebnis, es sei fernliegend, dass das genehmigte Bauvorhaben die Art der baulichen Nutzung derart erfasst oder berührt, dass bei typisierender Betrachtung im Ergebnis ein Widerspruch zur Eigenart des Baugebiets angenommen werden müsste (UA S. 9). Hiermit setzt sich das Zulassungsvorbringen nicht auseinander.
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e) Soweit die Kläger anführen, das Verwaltungsgericht „spreche“ von einem Vorbescheid (UA S. 13, Abs. 2), weshalb davon auszugehen sei, dass die Genehmigung nicht am strengeren Maßstab, der für Baugenehmigungen gelte, geprüft worden sei, führt dies ebenfalls nicht zur Zulassung der Berufung. Abgesehen davon, dass es sich bei der Formulierung um ein offensichtliches Schreibversehen handelt, da das Verwaltungsgericht im Übrigen durchgehend zutreffend von der angefochtenen Baugenehmigung vom 12. Juni 2024 ausgeht (vgl. UA S. 2 f., S. 6), zeigen die Kläger nicht auf, inwieweit der Prüfungsmaßstab des Art. 59 BayBO in Bezug auf die sie allein betreffenden nachbarschützenden Rechte unzulässig beschränkt worden sein sollte.
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2. Die Rechtssache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
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Das ist der Fall, wenn die Beantwortung der für die Entscheidung erheblichen Fragen in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht voraussichtlich das durchschnittliche Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten bereitet, wenn sie sich also wegen der Komplexität und abstrakten Fehleranfälligkeit aus der Mehrzahl der verwaltungsgerichtlichen Verfahren heraushebt und die im Zulassungsverfahren erforderliche kursorische Prüfung der Rechtssache anhand des verwaltungsgerichtlichen Urteils keine hinreichend sichere Prognose über den voraussichtlichen Ausgang des Rechtsstreits zulässt (vgl. BayVGH, B.v. 8.1.2025 – 15 ZB 24.1768 – juris Rn. 10). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
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a) In Bezug auf den von den Klägern behaupteten Gebietsprägungserhaltungsanspruch tragen diese nichts über das zu § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO Dargelegte hinaus vor. Aus dem Zulassungsvorbringen ergeben sich keine besonderen Schwierigkeiten im Sinne offener Erfolgsaussichten eines Berufungsverfahrens. Die unterschiedliche Bewertung des vorliegenden Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht und die Kläger genügt hierfür nicht (vgl. BayVGH, B.v. 8.1.2025 – 15 ZB 24.1768 – juris Rn. 11).
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b) Der Vortrag, die Frage, ob Dreistöckigkeit eine unzumutbare Sprengung der Gebietsprägung nach sich ziehen kann, sei rein tatsächlich äußerst komplex und architektonisch anhand von Einzelfällen zu klären, zeigt keine über dem Durchschnitt liegenden Schwierigkeiten im oben genannten Sinn auf. Die Frage, ob sich ein Vorhaben nach dem Maß der baulichen Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt, ist regelmäßig Gegenstand erstinstanzlicher verwaltungsgerichtlicher Verfahren. Eine besondere Komplexität ist unter Berücksichtigung der vorhandenen näheren Umgebung, wie sich den Akten entnehmen lässt, weder dargelegt noch ersichtlich.
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3. Die Rechtssache hat auch nicht die von den Klägern geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
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Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete, noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr eine allgemeine, über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zugemessen wird (vgl. BVerwG, B.v. 22.1.2019 – 5 B 1.19 D – juris Rn. 2; BayVGH, B.v. 16.1.2024 – 15 ZB 23.1894 – juris Rn. 15). Dem wird das Zulassungsvorbringen nicht gerecht.
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a) Die Frage, „ob nicht die Regelung des § 12 Abs. 2 BauNVO, die Stellplätze in Wohngebieten betrifft, schon gar nicht auf Misch- oder Dorfgebiete anwendbar ist“, ist weder klärungsbedürftig noch entscheidungserheblich.
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Der Anwendungsbereich des § 12 Abs. 2 BauNVO ergibt sich bereits eindeutig aus dessen Wortlaut, wonach in Kleinsiedlungsgebieten, reinen Wohngebieten und allgemeinen Wohngebieten sowie Sondergebieten, die der Erholung dienen, Stellplätze und Garagen nur für den durch die zugelassene Nutzung verursachten Bedarf zulässig sind. Im Übrigen ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass die genehmigten Stellplätze für ein Einfamilienhaus mit Einliegerwohnung bei Anwendung der großzügigeren, allgemeineren Regelung des § 12 Abs. 1 BauNVO unzulässig sein könnten. Die Frage ist aber auch nicht entscheidungserheblich, da das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis gekommen ist, dass unter Berücksichtigung der genehmigten Pläne sowie der zur Verfügung stehenden Lagepläne und Luftbilder eine Unzumutbarkeit der genehmigten Garagen weder erkennbar noch dargelegt ist (UA S. 12). Damit kommt es auf die Frage der Anwendung des § 12 Abs. 2 BauNVO hier nicht weiter an.
21
b) Die von den Klägern aufgeworfene Frage, „ob alleine Dreistöckigkeit eine unzumutbare Sprengung der Gebietsprägung nach sich ziehen kann“, ist nicht klärungsbedürftig. Die Anforderungen an das Einfügen in die Eigenart der näheren Umgebung nach dem Maß der baulichen Nutzung sind höchstgerichtlich geklärt (vgl. BVerwG, B.v. 3.4.2014 – 4 B 12.14 – juris Rn. 3) und das Maß der baulichen Nutzung ist grundsätzlich nicht drittschützend (BayVGH, B.v. 22.11.2024 – 15 CS 24.1771 – juris Rn. 17). Einen darüberhinausgehenden Regelungsbedarf zeigen die Kläger nicht auf. Im Übrigen ergibt sich zudem eine fehlende Verallgemeinerungsfähigkeit bereits aus den Ausführungen der Kläger, die auf die Notwendigkeit der Klärung anhand von Einzelfällen abstellen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO. Da die Beigeladenen im Zulassungsverfahren einen die Sache förderlichen Beitrag geleistet haben, entspricht es der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten erstattet erhalten (§ 162 Abs. 3 VwGO).
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Die Streitwertfestsetzung für das Zulassungsverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (vgl. BayVGH, B.v. 23.1.2015 – 15 C 14.508 – juris Rn. 5). Sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Entscheidung wird das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).