Inhalt

VGH München, Beschluss v. 19.09.2025 – 13a ZB 25.30906
Titel:

Ablehnung eines (bedingten) Beweisantrags

Normenketten:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 3
VwGO § 86 Abs. 3, § 138 Nr. 3
GG Art. 103 Abs. 1
Leitsatz:
Die Ablehnung eines (bedingten) Beweisantrags führt nicht zur Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, wenn sie eine Stütze im Prozessrecht findet. (Rn. 8)
Schlagworte:
bedingter Beweisantrag, rechtliches Gehör, Beweisantrag, Gehörsrüge, Überraschungsentscheidung
Vorinstanz:
VG Würzburg, Urteil vom 23.06.2025 – W 7 K 24.32325
Fundstelle:
BeckRS 2025, 25590

Tenor

I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 23. Juni 2025 – W 7 K 24.32325 – wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

1
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 23. Juni 2025 bleibt ohne Erfolg. Gründe nach § 78 Abs. 3 AsylG, aus denen die Berufung zuzulassen ist, sind nicht dargelegt.
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Zur Begründung des Zulassungsantrags hat der Kläger vorgebracht, die Berufung sei zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG), sowie aufgrund einer Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO). Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) wird nur benannt, ohne dass hierzu Ausführungen gemacht würden. Dies ist zwar bezüglich des Anspruchs auf rechtliches Gehör der Fall, jedoch wird mit dem Vorbringen der Zulassungsgrund eines Verfahrensfehlers nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO nicht dargelegt.
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Das rechtliche Gehör als prozessuales Grundrecht (Art. 103 Abs. 1 GG) sichert den Parteien ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können, insbesondere, dass sie mit ihren Ausführungen und Anträgen gehört werden (BVerfG, B.v. 30.4.2003 – 1 PBvU 1/02 – BVerfGE 107, 395/409 = NJW 2003, 1924; BayVGH, B.v. 14.3.2018 – 13a ZB 18.30454 – juris Rn. 5). Es gewährleistet im Sinn der Wahrung eines verfassungsrechtlich gebotenen Mindestmaßes, dass ein Kläger die Möglichkeit haben muss, sich im Prozess mit tatsächlichen und rechtlichen Argumenten zu behaupten (BVerfG, B.v. 21.4.1982 – 2 BvR 810/81 – BVerfGE 60, 305/310). Daran gemessen hat der Kläger mit seinem Vorbringen im Zulassungsantrag keinen Gehörsverstoß dargelegt (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG).
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Dass das Verwaltungsgericht einen Vortrag nicht zur Kenntnis genommen hätte, trägt schon der Kläger selbst nicht vor. Insbesondere hat das Verwaltungsgericht das Verfolgungsschicksal in der mündlichen Verhandlung eingehend erörtert sowie Nachfragen gestellt (s. SP S. 2 ff.) und sich in seinen Entscheidungsgründen neben dem Verweis auf den angefochtenen Bescheid (§ 77 Abs. 3 AsylG) ausführlich mit dem Vortrag des Klägers befasst (UA S. 6 ff.).
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Zunächst macht der Kläger geltend, das Verwaltungsgericht habe zu hohe Anforderungen an den Sachvortrag gestellt. Die Wertung, der Vortrag sei unglaubhaft, überrasche ihn, weil er sowohl den fluchtauslösenden Einsatz als auch seine Flucht ausführlich geschildert habe. Eine gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör verstoßende unzulässige Überraschungsentscheidung liegt vor, wenn das Gericht in seiner Entscheidung auf einen rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt abstellt, der weder im Verwaltungsverfahren noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erörtert wurde, auch unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen als fernliegend anzusehen war und damit dem Rechtsstreit eine unerwartete Wendung gab, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (BVerwG, B.v. 15.7.2016 – 5 P 4.16 – juris Rn. 3 m.w.N.; B.v. 27.7.2015 – 9 B 33.15 – NJW 2015, 3386; B.v. 19.7.2010 – 6 B 20.10 – NVwZ 2011, 372). Das ist vorliegend nicht im Ansatz erkennbar, denn die fluchtauslösenden Umstände des Klägers waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Dort wurde der Kläger gezielt zu den Militäreinsätzen befragt (SP S. 3 ff.). Er schilderte insbesondere den Anlass, der Auslöser für die Flucht gewesen sei. Von einer Überraschungsentscheidung kann deshalb keine Rede sein. Wenn der Kläger meint, das Gericht hätte zu bestimmten Themenkomplexen konkrete Nachfragen stellen bzw. weitere Ermittlungen zu der Auskunft aus der Visa-Datei, die sich in der Akte des Bundesamts befindet (BAMF-Akte S. 32), anstrengen müssen, ergibt sich eine solche Pflicht nicht aus dem Prozessgrundrecht des Art. 103 Abs. 1 GG, denn hieraus folgt keine allgemeine Frage- und Aufklärungspflicht des Gerichts (vgl. BVerwG, B.v. 15.7.2016 a.a.O. Rn. 3 m.w.N.; B.v. 16.8.2011 – 6 B 18.11 – juris Rn. 9). Insbesondere muss ein Gericht die Beteiligten grundsätzlich nicht vorab auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffs hinweisen, weil sich die tatsächliche und rechtliche Würdigung regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Beratung bzw. Entscheidungsfindung ergibt (BVerwG, B.v. 15.7.2016 a.a.O. Rn. 3 m.w.N.). Dies gilt auch für den Tatsachenvortrag des Asylbewerbers, der selbst für die Darlegung seiner Asylgründe verantwortlich ist (BVerwG, B.v. 9.3.2007 – 1 B 171.06 – juris Rn. 6; BayVGH, B.v. 16.10.2018 – 1 ZB 18.32333 – juris Rn. 3). Das Gericht kann deshalb zu Lasten des Asylbewerbers berücksichtigen, dass dieser unter Verletzung der ihn treffenden Mitwirkungspflicht seine guten Gründe für seine Furcht vor politischer Verfolgung nicht in schlüssiger Form vorträgt. Fehlt es an einem solchen Sachvortrag, kann das Gericht verfahrensfehlerfrei nicht nur von einer weiteren Sachaufklärung, sondern regelmäßig auch von einem entsprechenden Hinweis nach § 86 Abs. 3 VwGO absehen (BVerwG, B. v. 15.8.2003 – 1 B 107.03, 1 PKH 28.03 – juris Rn. 5; B.v. 28.12.1999 – 9 B 467.99 – Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 51). Dass es im Asylverfahren stets auch um die Glaubwürdigkeit des Asylbewerbers und die Glaubhaftigkeit seines Vortrags geht, ist selbstverständlich und bedarf grundsätzlich nicht des besonderen Hinweises durch das Gericht (BVerwG, B.v. 26.11.2001- 1 B 347.01 – juris Rn. 5).
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Weiter macht der Kläger geltend, das rechtliche Gehör sei dadurch verletzt worden, dass das Verwaltungsgericht trotz entsprechender Beweisanträge seinen Cousin nicht gehört und kein Sachverständigengutachten zur rechtlichen Situation in der Türkei eingeholt habe.
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Hinsichtlich seines Cousins stellte der Kläger folgenden bedingten Beweisantrag: „Zum Beweis der Tatsache, dass der Cousin des Klägers nach dessen Ausreise bei dessen Familie war und dort von der Polizei ergriffen wurde, weil sie ihn für den Kläger gehalten haben, beantragen wir, den Cousin … als Zeugen zu vernehmen.“ Das Verwaltungsgericht hat den Beweisantrag in den Entscheidungsgründen abgelehnt, weil es hierauf nicht entscheidungserheblich ankomme (UA S. 9 f.). Angesichts der zahlreichen Umstände, die deutlich gegen die Wahrheit der Schilderungen des Klägers sprächen, sei die Einvernahme des Cousins ein unbrauchbares Beweismittel. Die Ablehnung stützt sich auf die vorangegangenen Erwägungen zum Vortrag des Klägers hinsichtlich der Desertation (UA S. 9 ff.). Ferner hat das Verwaltungsgericht auf den angefochtenen Bescheid Bezug genommen (UA S. 6), wonach selbst bei Wahrunterstellung des Sachvortrages eine eventuell drohende Bestrafung wegen Verstößen gegen das Militärstrafgesetzbuch keine flüchtlingsschutzrelevante Verfolgung darstelle, sondern Ahndung kriminellen Unrechts sei.
8
Ob die Ablehnung eines bedingten Beweisantrags überhaupt eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör zu begründen vermag, ist umstritten (siehe hierzu im Einzelnen BayVGH, B.v. 29.4.2019 – 13a ZB 18.32127 – juris Rn. 9 ff. m.w.N.). Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu in früheren Entscheidungen die Auffassung vertreten, dass ein Kläger dem Erfordernis für eine begründete Gehörsrüge, sich durch die (erfolglose) vorherige Ausschöpfung sämtlicher verfahrensrechtlich eröffneter und nach Lage der Dinge tauglicher Möglichkeiten, sich rechtliches Gehör zu verschaffen, nur gerecht werde, wenn er einen unbedingten Beweisantrag im Sinn des § 86 Abs. 2 VwGO gestellt habe (so etwa BVerfG, B.v. 5.2.2002 – 2 BvR 1399/01 – juris Rn. 3; B.v. 28.1.2002 – 2 BvR 1563/01 – juris Rn. 2). In neueren Entscheidungen hingegen (BVerfG, B.v. 4.12.2012 – 2 BvR 2954/09 – NVwZ 2013, 500 – juris Rn. 22; B.v. 22.9.2009 – 1 BvR 3501/08; – juris Rn. 13; siehe auch schon BVerfG, B.v. 20.2.1992 – 2 BvR 633/91 – NVwZ 1992, 659) rückt das Bundesverfassungsgericht hiervon ab: Um sich rechtliches Gehör zu verschaffen, könne nicht die Stellung eines durch Beschluss zu bescheidenden unbedingten Beweisantrags verlangt werden. Die hilfsweise Stellung des Beweisantrags reiche aus, da sie das Gericht nicht von der Verpflichtung enthebe, die Erheblichkeit des Beweisangebots zu beurteilen. Art. 103 Abs. 1 GG werde auch verletzt, wenn (bedingten) Beweisanträgen nicht nachgegangen werde, obgleich dies im Prozessrecht keine Stütze finde. Dass Beweisanträge nicht unbedingt gestellt seien, entbinde das Gericht lediglich von der verfahrensrechtlichen Pflicht des § 86 Abs. 2 VwGO, über sie vorab durch Gerichtsbeschluss zu entscheiden, nicht aber von den sonst für die Behandlung von Beweisanträgen geltenden verfahrensrechtlichen Bindungen. Letztendlich kann dies vorliegend dahingestellt bleiben, denn auch nach der neueren, strengeren Auffassung fehlt jedenfalls im Zulassungsantrag jegliche Darlegung (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG), dass die Ablehnung des Beweisantrags keine Stütze im Prozessrecht finden sollte. Der Kläger führt hierzu im Zulassungsantrag nur aus, die Annahme des Gerichts, es gebe keinen Grund zu glauben, er wäre desertiert, wäre nicht damit vereinbar, dass sein Cousin bei dem Familienbesuch verhaftet worden sei. Mit der Begründung des Verwaltungsgerichts, dass das Beweismittel nicht entscheidungserheblich und nicht brauchbar sei, setzt er sich in keiner Weise auseinander. Er befasst sich insbesondere nicht mit der Feststellung, dass die befürchtete Bestrafung keine flüchtlingsschutzrelevante Verfolgung darstelle, sondern Ahndung kriminellen Unrechts sei. Damit fehlt im Zulassungsantrag die Darlegung, dass und warum die Ablehnung des Beweisantrags keine Stütze im Gesetz finden sollte. Auch führt der Kläger nicht aus, inwiefern die Aussage seines Cousins für ihn eine asylrelevante Verfolgung im Sinn von § 3 AsylG bestätigen könnte. Selbst wenn man mit dem Bundesamt die Desertation und auch die unter Beweis gestellte Tatsache, dass der Cousin des Klägers nach dessen Ausreise bei dessen Familie gewesen und dort von der Polizei ergriffen worden sei, als wahr unterstellt, würde dies noch nicht bedeuten, dass beim Kläger eine Verfolgung im Sinn von § 3 AsylG vorliegt. Zudem könnte die Einvernahme des Cousins nur bestätigen, dass dieser verhaftet worden sei, aber keine Aussage zum Verfolgungsschicksal des Klägers treffen.
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Weiter rügt der Kläger eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör im Hinblick auf die Ablehnung des folgenden in der mündlichen Verhandlung unbedingt gestellten Beweisantrags Nummer 1: „… beantragen wir, zum Beweis der Tatsache, dass die Umwidmung eines Arbeitsplatzes als,ziviler Beamter‘ bei der türkischen Armee in die eines Soldaten, also Beamten mit Kampfbeteiligung, grundsätzlich möglich ist […] die Einholung eines rechtswissenschaftlichen Sachverständigengutachtens zum Militärrecht sowie zum Militärstrafrecht in der Türkei.“ Diesen Beweisantrag lehnte das Verwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung durch Beschluss ab. Dabei hat es nicht in Zweifel gezogen, dass die Umwidmung eines Arbeitsplatzes als ziviler Beamter bei der türkischen Armee in die eines Soldaten grundsätzlich möglich sei (SP S. 6). Der weiteren Begründung zufolge kommt es aus Sicht des Verwaltungsgerichts vielmehr darauf an, ob der vom Kläger geschilderte Ablauf im konkreten Fall tatsächlich geschehen ist. Damit hat es die zu Beweis gestellte Tatsache (ob „die Umwidmung eines Arbeitsplatzes als,ziviler Beamter‘ … in die eines Soldaten … grundsätzlich möglich ist“) als wahr unterstellt und eine Beweiserhebung als nicht entscheidungserheblich erachtet. Warum diese Begründung im Prozessrecht keine Stütze finden sollte, legt der Kläger nicht dar. Soweit er rügt, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht das Gegenteil des Beweisantrages angenommen, trifft das nicht zu. Zwar ist dem Kläger beizupflichten, dass die protokollierte Formulierung lautet: „… weil das Gericht nach Sichtung der Erkenntnismittel nicht in Zweifel zieht, dass das mit den Angaben des Klägers prinzipiell rechtlich nicht möglich ist“. Wörtlich genommen mag dies den Schluss nahelegen, dass das Verwaltungsgericht vom Gegenteil des Beweisantrags ausgegangen ist. Aus dem Gesamtkontext, insbesondere dem nächsten Satz („Entscheidungserheblich wird vielmehr sein, ob das im Fall des Klägers tatsächlich geschehen ist.“) ergibt sich jedoch eindeutig, dass im Protokoll versehentlich ein „nicht“ mit aufgenommen wurde. Unabhängig davon setzt die Berufung auf eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör voraus, dass die im konkreten Fall gegebenen Möglichkeiten, sich Gehör zu verschaffen, genutzt werden (allgemeiner Grundsatz; vgl. BVerfG, B. v. 10.2.1987 – 2 BvR 314/86 – BVerfGE 74, 220/225 – NJW 1987, 1191; BVerwG, B. v. 21.7.2016 – 10 BN 1.15 – juris Rn. 8; U. v. 3.7.1992 – 8 C 58.90 – NJW 1993, 3185; BayVGH, B.v. 14.11.2024 – 13a ZB 24.30803 – juris Rn. 7; B. v. 1.12.2015 – 13a ZB 15.30224 – juris Rn. 7). Ein Beteiligter, der von der Möglichkeit, sich im Rahmen des Zumutbaren rechtliches Gehör zu verschaffen, nicht Gebrauch gemacht hat, kann sich später nicht darauf berufen, ihm sei das rechtliche Gehör versagt worden (vgl. BayVGH, B.v. 15.6.2020 – 6 ZB 20.980 – juris Rn. 17 m.w.N.). Sowohl der Kläger als auch sein Bevollmächtigter waren in der mündlichen Verhandlung anwesend. Wenn aus deren Sicht, wie der Kläger im Zulassungsantrag rügt, nicht klar gewesen sei, wie die Begründung für die Ablehnung gemeint war, hätte er sich durch eine entsprechende Nachfrage Klarheit verschaffen müssen. Das ist hier nicht geschehen, sondern nur im Fall der Nummer 2 des Beweisantrags, zu der eine Gegenvorstellung abgegeben wurde (SP S. 6). Bei entsprechender Nachfrage hätte der Kläger bzw. sein Bevollmächtigter den Beweisantrag Nummer 1 entsprechend anpassen und präzisieren oder weitere prozessuale Maßnahmen ergreifen können. Selbst wenn das „nicht“ gewollt gewesen wäre und das Verwaltungsgericht zu Unrecht das Gegenteil des Beweisantrages angenommen hätte, würde dies zu keinem anderen Ergebnis führen: Denn für das Verwaltungsgericht war die Frage, ob die Umwidmung eines Arbeitsplatzes als ziviler Beamter in die eines Soldaten grundsätzlich rechtlich möglich ist, nicht entscheidungserheblich, sondern aus dessen Sicht kam es allein darauf an, ob der vom Kläger geschilderte Ablauf im konkreten Fall tatsächlich geschehen ist.
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Den weiter in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag Nummer 2 (Verfolgung wegen Desertation) bzw. dessen Ablehnung greift der Kläger im Zulassungsantrag nicht auf.
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Schließlich rügt der Kläger, das Verwaltungsgericht habe für seine Entscheidung, die UYAP-Daten nicht für relevant zu halten, Bezug auf die BFA-Anfragebeantwortung vom 14. Mai 2025 genommen, die nicht in der vom Gericht übersandten Erkenntnismittelliste vom März 2025 enthalten gewesen sei. Hätte er Kenntnis von dem Dokument gehabt, dann hätte er dies ausdrücklich mit dem Verwaltungsgericht thematisiert und Gegenargumente vortragen können. Der Kläger trägt richtig vor, dass die BFA-Anfragebeantwortung vom 14. Mai 2025 nicht in der vor der mündlichen Verhandlung übersandten Erkenntnismittelliste enthalten war, denn diese ist überschrieben mit „Stand: März 2025“ (VG-Akte Bl. 52). Allerdings führt eine nicht ordnungsgemäße Einführung von Erkenntnismitteln nicht automatisch zur Zulassung der Berufung wegen eines Verfahrensfehlers im Sinn des § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i. V. m. § 138 Nr. 3 VwGO. Denn die Verletzung rechtlichen Gehörs setzt voraus, dass die angegriffene Entscheidung auf dem Fehlen des rechtlichen Gehörs beruht. Das ist nur dann der Fall, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Anhörung des Beteiligten zu einer anderen und für ihn günstigeren Entscheidung geführt hätte. Der Anspruch auf rechtliches Gehör bezieht sich nämlich nur auf entscheidungserhebliches Vorbringen (vgl. NdsOVG, B.v. 8.1.2024 – 9 LA 233/21 – juris Rn. 25 m.w.N.; B.v. 10.7.2019 – 10 LA 35/19 – juris Rn. 7 m. w. N.). Daran fehlt es hier. Das Verwaltungsgericht zieht die genannte Anfragebeantwortung nämlich als Beleg für im Einzelnen genannte nicht entscheidungserhebliche Punkte heran, insbesondere für den klägerischen Vortrag zu den Haftbedingungen in der Türkei und die hier maßgebliche Einsichtnahme in den e-Devlet-Zugang des Klägers (UA S. 9). Lediglich ergänzend dazu, dass es auf die Einsichtnahme aus Sicht des Verwaltungsgerichts schon nicht entscheidungserheblich ankommt, führt es unter Bezugnahme auf die Anfragebeantwortung aus, dass Fälle beobachtet worden seien, in denen im Wege der Korruption gefälschte Dokumente in das UYAP- bzw. e-Devlet-System hochgeladen worden seien (UA S. 9 f.). Unabhängig davon müsste vom Zulassungsantragsteller auch dargelegt werden, was er bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs vorgetragen hätte, mithin weshalb der geltend gemachte Gehörsverstoß entscheidungserheblich ist (vgl. NdsOVG, B.v. 8.1.2024 – 9 LA 233/21 – juris Rn. 25 m.w.N.; B.v. 10.7.2019 – 10 LA 35/19 – juris Rn. 7 m. w. N.; vgl. auch BVerwG, B.v. 29.12.2004 – 1 B 91.04 – juris Rn. 3). Bei nicht ordnungsgemäßer Einführung von Erkenntnismitteln ist auszuführen, in welchem Zusammenhang das Verwaltungsgericht das jeweilige Erkenntnismittel herangezogen hat, inwieweit die in dem Erkenntnismittel enthaltenen Tatsachen oder die hieraus von dem Verwaltungsgericht gezogenen Schlüsse unzutreffend sind und was – bei ordnungsgemäßer Einführung – in Bezug auf die in diesem Erkenntnismittel enthaltenen Tatsachen vorgetragen worden wäre. Denn nur auf dieser Grundlage kann geprüft und entschieden werden, ob auszuschließen ist, dass die Gewährung rechtlichen Gehörs zu einer anderen, für den Kläger günstigeren Entscheidung geführt hätte (vgl. NdsOVG, B.v. 8.1.2024 – 9 LA 233/21 – juris Rn. 25 m.w.N.; B.v. 10.7.2019, a. a. O., Rn. 7, m. w. N.; OVG NW, B.v. 9.2.2022 – 19 A 544/21.A – juris Rn. 19). Verfahrensfehlerhaft nicht eingeführte Erkenntnismittel muss der Rechtsmittelführer – wenn sie ihm nicht ohne weiteres zugänglich sind – innerhalb der Rechtsmittelfrist anfordern, überprüfen und dann im Einzelnen darlegen, was er zu den darin enthaltenen Feststellungen ausgeführt hätte (vgl. BVerwG, B.v. 14.4.2005 – 1 B 161.04 – juris Rn. 3; NdsOVG, B.v. 8.1.2024 – 9 LA 233/21 – juris Rn. 25 m.w.N.; OVG LSA, B.v. 29.11.2021 – 2 L 54/20.Z – juris Rn. 12). Vorliegend hat der Kläger nicht hinreichend dargelegt (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG), was er bei – aus seiner Sicht – ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs vorgetragen hätte. Vielmehr führt er nur aus, er hätte „dies ausdrücklich mit dem Verwaltungsgericht thematisiert und Gegenargumente vortragen können, warum eine Frist zur Vorlage von Dokumenten aus UYAP sinnvoll gewesen wäre und die darin enthaltenen Beweismittel durchaus relevant gewesen wären“. Das kann die Darlegungsanforderungen (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG) nicht ansatzweise erfüllen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.