Titel:
Zwangsgeld zur Durchsetzung einer Pflanzenrückschnittanordnung
Normenketten:
BNatSchG § 39 Abs. 5 S. 1 Nr. 2
VwGO § 124 Abs. 1 Nr. 1, § 124a Abs. 4 S. 4, Abs. 5 S. 2
BayVwZVG Art. 29 Abs. 3, Art. 31, Art. 36
Leitsätze:
1. Dem Gebot, verhältnismäßig zu handeln, kommt in der Verwaltungsvollstreckung eine herausgehobene Bedeutung zu. Dies zeigt sich auch darin, dass der bereits unmittelbar verfassungsrechtlich geltende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zusätzlich vollstreckungsrechtlich in Art. 29 Abs. 3 VwZVG festgelegt und von den Vollstreckungsbehörden in jedem Stadium des Verfahrens zu beachten ist. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. § 39 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 Hs. 1 BNatSchG verbietet es insbesondere zum Schutz brütender Vogelarten, Bäume, Hecken, lebende Zäunen, Gebüsche und andere Gehölze in der Zeit vom 1. März bis zum 30. September zu schneiden. Ausdrücklich zulässig bleiben demgegenüber schonende Form- und Pflegeschnitte zur Beseitigung des Zuwachses der Pflanzen oder zur Gesunderhaltung von Bäumen. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Berufungszulassung (abgelehnt), isolierte Zwangsgeldandrohung, Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, Vollstreckungshindernis, Isolierte Zwangsgeldandrohung, Pflanzenrückschnittanordnung, Form- und Pflegeschnitt
Vorinstanz:
VG Ansbach, Urteil vom 21.03.2024 – AN 10 K 23.1141
Fundstelle:
BeckRS 2025, 25579
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 250,00 € festgesetzt.
Gründe
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Die Klägerin wendet sich als Eigentümerin eines Grundstücks gegen eine Zwangsgeldandrohung, die zur Durchsetzung einer Verpflichtung zum Pflanzenrückschnitt erlassen wurde.
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Der Beklagte verpflichtete die Klägerin mit bestandskräftigem Bescheid vom 17. März 2022, den vor ihrem Anwesen in die öffentliche Verkehrsfläche hineinragenden Bewuchs zurückzuschneiden (Ziffer I) und drohte der Klägerin für den Fall der Nichterfüllung dieser Verpflichtung zunächst ein Zwangsgeld i.H.v. 250,- € an (Ziffer III). Die gegen diesen Bescheid erhobene Klage wurde zurückgenommen und das Zwangsgeld von der Klägerin bezahlt.
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Nach einer erneuten Ortskontrolle gab die Beklagte mit Bescheid vom 9. Mai 2023 der Klägerin unter Bestimmung einer Nachfrist auf, die Verpflichtung aus Ziffer I des Bescheids vom 17. März 2022 innerhalb von vier Wochen ab Zustellung des aktuellen Bescheids zu erfüllen (Ziffer I), und drohte zugleich ein Zwangsgeld von nunmehr 500,- € an (Ziffer II). Hiergegen erhob die Klägerin am 5. Juni 2023 Klage zum Verwaltungsgericht (Az. AN 10 K 23.1141) und beantragte die Aufhebung des Bescheids vom 9. Mai 2023.
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Mit Schreiben vom 28. Dezember 2023 mahnte die Beklagte die Klägerin zur Zahlung des mit Bescheid vom 9. Mai 2023 angedrohten Zwangsgeldes in Höhe von 500,00 € an. Dagegen wandte sich die Klägerin mit einer weiteren Klage an das Verwaltungsgericht (Az. AN 10 K 24.262) und beantragte die Feststellung, dass das mit Bescheid vom 9. Mai 2023 angedrohte Zwangsgeld nicht zur Zahlung fällig geworden ist.
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Das Verwaltungsgericht hat beide Klagen mit Urteil vom 21. März 2024 abgewiesen.
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Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung macht die Klägerin ernstliche Zweifel nur an der Richtigkeit des im Verfahren AN 10 K 23.1141 ergangenen Urteils geltend. Dabei trägt sie hinsichtlich der mit Bescheid vom 9. Mai 2023 ausgesprochenen Zwangsgeldandrohung vor, dass zum Zeitpunkt der Androhung von Vollstreckungsmaßnahmen die tatsächlichen Gegebenheiten und Umstände nochmals im Rahmen der Verhältnismäßigkeit zur berücksichtigen seien.
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
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Der von der Klägerin allein geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist nicht hinreichend dargelegt oder liegt nicht vor (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO).
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1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinne dieser Vorschrift bestehen nur, wenn einzelne tragende Rechtssätze oder einzelne erhebliche Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts durch schlüssige Gegenargumente infrage gestellt werden (BVerfG, B.v. 13.5.2020 – 1 BvR 1521/17 – juris Rn. 10; B.v. 16.7.2013 – 1 BvR 3057/11 – BVerfGE 134, 106 Rn. 36). Der Rechtsmittelführer muss darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht unrichtig ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Ersturteils auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (vgl. OVG NW, B.v. 15.04.2020 – 1 A 2501/18 – juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 6.8.2025 – 8 ZB 25.878 – juris Rn. 8; Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124a Rn. 206). „Darlegen“ im Sinne der § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO erfordert mehr als einen nicht näher spezifizierten Hinweis auf das behauptete Vorliegen eines Zulassungsgrundes. Erforderlich ist eine substantiierte Auseinandersetzung mit dem Ersturteil, durch die der Streitstoff durchdrungen und aufbereitet wird (vgl. BayVGH, B.v. 15.6.2020 – 8 ZB 19.1426 – juris Rn. 13 m.w.N.; Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 63).
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Nach diesem Maßstab bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung. Die Einwendungen der Klägerseite, die sich inhaltlich allein gegen die mit Bescheid vom 9. Mai 2023 ausgesprochene Zwangsgeldandrohung richten, greifen nicht durch. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die erneute Androhung von Zwangsgeld zur Durchsetzung der Verpflichtung zum Pflanzenrückschnitt nach Art. 31, Art. 36 VwZVG rechtmäßig ist, da im Zeitpunkt des Bescheiderlasses sowohl die allgemeinen als auch die besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen vorlagen (vgl. Urteilsabdruck [UA] S. 5 ff.).
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Die Zulassungsbegründung, die hauptsächlich Einwendungen gegen die Verhältnismäßigkeit der erneuten Zwangsgeldandrohung enthält, zeigt keine ernstlichen Zweifel an den diesbezüglichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts auf (vgl. UA S. 10).
12
Dem Gebot, verhältnismäßig zu handeln, kommt in der Verwaltungsvollstreckung eine herausgehobene Bedeutung zu. Dies zeigt sich auch darin, dass der bereits unmittelbar verfassungsrechtlich geltende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zusätzlich vollstreckungsrechtlich in Art. 29 Abs. 3 VwZVG festgelegt und von den Vollstreckungsbehörden in jedem Stadium des Verfahrens zu beachten ist (vgl. Tillmanns in Sadler/Tillmanns, VwVG/VwZG, 11. Auflage 2025, Rn. 40 zum inhaltsgleichen § 9 Abs. 2 VwVG). Insofern weist die Klägerin richtigerweise darauf hin, dass die Durchsetzung der Rechtsordnung mit Zwangsmaßnahmen nicht zum Selbstzweck werden darf. Alle Zwangsmaßnahmen sind Beugemittel und daher ausschließlich auf die Durchsetzung des mit dem Verwaltungsakt auferlegten Ge- oder Verbotes auszurichten (vgl. Giehl/Adolph/Käß, Verwaltungsverfahrensrecht in Bayern, Stand Mai 2025, Art. 29 VwZVG Rn. 13). Insofern muss sich die zuständige Behörde bei der in ihrem pflichtgemäßen Ermessen (Art. 40 BayVwVfG) stehenden Entscheidung über die Androhung von Zwangsgeld im jeweiligen Einzelfall ein Bild darüber machen, mit welchem Nachdruck sie die Erfüllung der angeordneten Maßnahmen durchsetzen will (vgl. BVerwG, U.v. 20.4.2021 – 6 C 6.20 – juris Rn. 22).
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Gemessen an diesen Grundsätzen zieht der Zulassungsantrag die Verhältnismäßigkeit des angedrohten Zwangsgelds nicht ernstlich in Zweifel.
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a) Mit ihrem Hinweis auf die sich auf ihrem Grundstück befindende Buche, die unter den Geltungsbereich der Baumschutzverordnung fällt und deren Rückschnitt mit Bescheid des Umweltamtes der beklagten Stadt vom 17. Februar 2021 gemäß § 3 Abs. 1 und § 4 BaumSchVO genehmigt wurde, stellt die Klägerin die Verhältnismäßigkeit des angedrohten Zwangsgeldes nicht infrage.
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Das Verwaltungsgericht hat zutreffend nicht im Rahmen der Verhältnismäßigkeit der Zwangsgeldandrohung, sondern bei der Frage möglicher Vollstreckungshindernisse ausführlich dargelegt, warum der Bescheid des Umweltamtes der Beklagten vom 17. Februar 2021, der mit Bescheid vom 18. Januar 2023 erneut um ein Jahr verlängert worden und im maßgeblichen Zeitpunkt wirksam war, einem Rückschnitt nicht entgegenstand (vgl. UA S. 7 f.). Mit der Begründung hat sich die Klägerin nicht substantiiert auseinandergesetzt.
16
Ihr Vorhalt, die Beklagte habe stets anerkannt, dass der Verkehrssicherungsschnitt nicht exakt bis zur Grundstücksgrenze gehen müsse, sondern auch abgeschrägt verlaufen könne, führt zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Dieser Einwand richtet sich nicht gegen die streitgegenständliche Zwangsgeldandrohung, sondern gegen die ihr zugrundeliegende und zu vollstreckende Verpflichtung zum Pflanzenrückschnitt aus dem Bescheid vom 17. März 2022. Die isolierte Zwangsgeldandrohung im angefochtenen Bescheid kann demgegenüber nach Art. 38 Abs. 1 Satz 3 VwZVG nur insoweit angefochten werden, als eine Rechtsverletzung durch die Androhung selbst behauptet wird (vgl. BayVerfGH, E.v. 24.1.2007 – Vf. 50-VI-05 – juris Rn. 53). Die Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 17. März 2022 ist deshalb nicht Prüfgegenstand (vgl. BVerwG, U.v. 25.9.2008 – 7 C 5.08 – juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 7.11.2017 – 20 ZB 16.991 – juris Rn. 17). Im Übrigen ist der Verweis auf den vom Umweltamt der Beklagten akzeptierten Zustand und den diesbezüglichen Schriftverkehr einschließlich Fotos unbeachtlich, da die Untere Naturschutzbehörde den Baumbestand allein unter dem Aspekt der erteilten Genehmigung nach der Baumschutzverordnung und in diesem Zusammenhang zu prüfender naturschutzrechtlicher Vorschriften zu beurteilen hatte und nicht in Bezug auf eine mögliche Beeinträchtigung des Gemeingebrauchs.
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b) Keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen weiteren Zwangsgeldandrohung kann die Klägerin ferner auf den Umstand stützen, dass der Bescheid mitten in der Vogelbrutzeit erging und das Vorhandensein von Nistplätzen vor Erlass nicht geprüft worden sei.
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Der Klägerin ist zwar zuzustimmen, dass § 39 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 1 BNatSchG es insbesondere zum Schutz brütender Vogelarten verbietet, Bäume, Hecken, lebende Zäunen, Gebüsche und andere Gehölze in der Zeit vom 1. März bis zum 30. September zu schneiden (BT-Drs. 16/12274 S. 67). Ausdrücklich zulässig bleiben demgegenüber schonende Form- und Pflegeschnitte zur Beseitigung des Zuwachses der Pflanzen oder zur Gesunderhaltung von Bäumen (vgl. BayVGH, B.v. 6.9.2022 – 8 ZB 22.1093 – juris Rn. 16; Gläß in BeckOK, Umweltrecht, Stand April 2025, Rn. 20 zu § 39 BNatSchG). Zudem hat das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt, dass das Schneideverbot den Erlass der streitgegenständlichen Androhung nicht hinderte, da es gemäß § 39 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BNatSchG nicht für behördlich angeordnete Maßnahmen gilt (vgl. UA S. 9). Im Übrigen dient der Rückschnitt der Verkehrssicherheit. Für einen solchen gilt das Verbot nach § 39 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2c BNatSchG ebenfalls nicht.
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Das Erstgericht hat in diesem Zusammenhang weiterhin zu Recht darauf verwiesen, dass auch sonst keine natur- oder artenschutzrechtlichen Verstöße durch einen Rückschnitt des Bewuchses (§§ 39, 44 BNatSchG) erkennbar oder vorgetragen worden sind (vgl. UA S. 9). Der Zulassungsantrag trägt Gegenteiliges ebenfalls nicht substantiiert vor.
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c) Die Anmerkung der Klägerin, bislang habe sich nie jemand darüber beschwert, dass er am Durchgang entlang des Grundstückes oder beim Parken von Fahrzeugen behindert worden sei, kann die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Zwangsgeldandrohung nicht in Frage stellen, da sich der Einwand dem Grunde nach gegen den zu vollstreckenden Verwaltungsakt richtet, bei dem die Behörde sicherheitsrechtliche Gesichtspunkte berücksichtigt hat.
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d) Das Verwaltungsgericht hatte bei Erlass der Zwangsgeldandrohung daher auch nicht zu prüfen, ob nach der Straßenverkehrsordnung Fahrzeuge den an das klägerische Grundstück angrenzenden Gehweg zum Parken nutzen dürfen. Denn auch mit dieser Rüge wird keine Rechtsverletzung durch die Androhung selbst behauptet, sondern sie richtet sich allein gegen den zu vollstreckenden Verwaltungsakt, der nicht Streitgegenstand ist. Abgesehen davon ist im Bescheid vom 17. März 2022 dargelegt, dass sich entlang der Grundstücksgrenze kein Gehweg, sondern eine ca. 2,00 m breite Parkbucht befindet (vgl. Bescheid vom 17.3.2022 S. 2, eBA-SÖR S. 184).
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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3. Die Streitwertfestsetzung für das Zulassungsverfahren beruht auf § 47 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.7.1 Satz 2 des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Der Beschränkung des Streitgegenstands auf das Verfahren AN 10 K 23.1141 im Berufungszulassungsverfahren wurde Rechnung getragen.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).