Inhalt

VGH München, Beschluss v. 02.09.2025 – 11 CS 25.984
Titel:

Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens wegen Zweifeln an der Fahreignung infolge der Einnahme von Psychopharmaka                   

Normenketten:
FeV § 11 Abs. 3 S. 1 Nr. 1, Abs. 5, Abs. 6, Abs. 8, § 46 Abs. 1 S. 1
BayVwVfG Art. 28 Abs. 1
Leitsatz:
Auch wenn sich das Grundleiden eines Betroffenen nicht (mehr) auf seine Anpassungs- und Leistungsfähigkeit auswirkt, können bei der Behandlung mit höheren Dosen psychoaktiv wirkender Arzneimittel, darunter Psychopharmaka, unter Umständen Auswirkungen auf das sichere Führen von Kraftfahrzeugen erwartet werden. Es ist nicht zwangsläufig davon auszugehen, dass alle Patienten nach einer medikamentösen Einstellungsphase (wieder) fahrgeeignet sind. Zur Beantwortung der Fragen, ob verkehrsrelevante Auswirkungen von Krankheit und/oder Therapie vorliegen und ob etwa bestehende Leistungsdefizite kompensiert werden können, werden im Regelfall auch eine psychologische Leistungstestung sowie ggf. daran anschließend eine entsprechende Fahrverhaltensbeobachtung notwendig sein. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Nichtvorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens (psychophysische Leistungstestung), Vergiftung durch Arzneimittel, Dauerbehandlung mit Arzneimitteln, Fahreignungszweifel durch ärztliche Begutachtung nicht ausgeräumt, Fahrerlaubnis, Fahreignung, medizinisch-psychologisches Gutachten, Psychopharmaka, Medikamente, Leistungsfähigkeit, Leistungstest
Vorinstanz:
VG Würzburg, Beschluss vom 06.05.2025 – W 6 S 25.478
Fundstelle:
BeckRS 2025, 25577

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. In Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 6. Mai 2025 wird der Streitwert für beide Rechtszüge auf jeweils 5.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung ihrer Fahrerlaubnis der Klassen A (79.03, 79.04), A1 (79.05), AM, B, BE (79.06), L (174, 175) und T.
2
Am 8. August 2023 streifte sie auf einem Parkplatz mit ihrem Fahrzeug beim Ausparken (vorwärts) mit der kompletten rechten Seite einen daneben abgestellten Pkw. Nach dem polizeilichen Bericht über die Unfallaufnahme wirkte sie stark verwirrt und völlig teilnahmslos und konnte nicht erklären, wie es zu dem Unfall gekommen ist. Die Frage, ob sie Alkohol oder Medikamente zu sich genommen habe, habe sie zunächst verneint. Sie sei mehrfach zum falschen Fahrzeug gegangen, um ihre Dokumente zu holen und habe auf wiederholte Nachfrage nur sehr zögerlich angegeben, diverse Medikamente hinsichtlich psychischer Erkrankungen einzunehmen. Die Rücksprache mit einem Medizinalrat habe ergeben, dass die eingenommenen Medikamente bei korrekter Einnahme und Einstellung nicht die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigten. Schlaganfalltests seien ergebnislos verlaufen. Bei der Vornahme von neurologischen Fahrtüchtigkeitstests sei aufgefallen, dass die Antragstellerin massive Schwierigkeiten gehabt habe, rückwärts zu zählen. Das Fahrzeug habe diverse Kratzer und Streifschäden aufgewiesen, die keinem gemeldeten Unfall hätten zugeordnet werden können.
3
Auf Anforderung der Fahrerlaubnisbehörde des Landratsamts Würzburg legte die Antragstellerin zunächst ärztliche Atteste vor, wonach sie u.a. an einer rezidivierenden depressiven Erkrankung (F 33.2 der ICD-10; gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome) litt. Nach einem ärztlichen Kurzbrief des Universitätsklinikums Würzburg vom 21. September 2023 befindet sie sich seit 1999 deshalb in Behandlung. Im August 2023 sei es infolge der Medikation, bedingt durch eine Veränderung des Stoffwechsels bzw. der Nierenfunktion, zu einem Anstieg des Lithiumspiegels über den therapeutischen Bereich hinaus gekommen. Die Überdosierung habe sehr wahrscheinlich die Konzentration und das räumliche Orientierungsvermögen akut beeinträchtigt, was zu dem Blechschaden geführt habe. Vom 30. August bis 13. September 2023 sei die Antragstellerin zu einer medikamentösen Anpassung stationär behandelt worden. Im Verlauf der Neueinstellung hätten sich die kognitiven Defizite rasch und vollständig zurückgebildet. Bei stabil eingestellter Medikation sei bei zuletzt stabilem Krankheitsverlauf nicht von einer eingeschränkten Fahreignung auszugehen. Auch führe die Psychopharmakamedikation der Antragstellerin nicht prinzipiell zu einer Einschränkung der Fahrtauglichkeit. Nach einer ergänzenden Stellungnahme des Universitätsklinikums vom 12. Januar 2024 zeigte sich die depressive Störung nach der erfolgreichen Behandlung zuletzt remittiert (ICD-10 F33.4).
4
Sodann brachte die Antragstellerin auf entsprechende Anordnung ein ärztliches Gutachten eines Facharztes für Psychiatrie/Psychologie und Neurologie vom 5. Mai 2024 bei, demzufolge sie trotz einer Erkrankung nach Nr. 7.5 der Anlage 4 zur FeV in der Lage sei, den Anforderungen zum Führen eines Kraftfahrzeugs der Gruppe 1 gerecht zu werden. Nach einer ergänzenden Stellungnahme des Gutachters vom 23. August 2024 bestehen im Hinblick auf die psychophysische Leistungsfähigkeit der Antragstellerin keine Gründe, die ihrer aktiven Teilnahme am Straßenverkehr entgegenstünden, insbesondere nicht in Bezug auf die eingenommene Medikation. Im Mini-Mental-Status-Test (MMST) habe sie 26 von 30 Punkten erzielt. Im Rahmen des DemTect-Tests hätte sie nur einen Punkt mehr gebraucht, um einen Normalbefund zu erreichen. Sie sei während der Testung sehr aufgeregt gewesen und es hätten sich ein paar Flüchtigkeitsfehler eingeschlichen. Nach seiner Überzeugung würde die Antragstellerin, wenn sie öfter eine Begutachtung machen würde, sich schnell an die Situation gewöhnen und nicht mehr Fehler als der Durchschnitt der Bevölkerung machen. Die angewandten Testverfahren seien ausreichend, um entscheiden zu können, ob der Verdacht auf verkehrsbedeutsame kognitive Defizite bestehe. Dies sei bei der Antragstellerin nicht der Fall.
5
Mit Schreiben vom 22. November 2024 ordnete das Landratsamt die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens bis zum 24. Februar 2025 zur Klärung der Fragen an, ob bei der Antragstellerin eine ausreichende psychophysische Leistungsfähigkeit zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 vorliegt, ob sie in der Lage ist, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 gerecht zu werden, und ggf. unter welchen Beschränkungen und/oder welcher Auflage die Kraftfahreignung für die Gruppe 1 gewährleistet ist, und ob eine Nachbegutachtung im Sinne einer erneuten medizinisch-psychologischen Untersuchung erforderlich ist. Im Hinblick auf die dauerhafte, teils langjährige Einnahme psychoaktiv wirkender Arzneimittel und die auf kognitive Beeinträchtigungen hindeutenden Testergebnisse im MMST und DemTect-Test bestünden Zweifel an der psychophysischen Leistungsfähigkeit der Antragstellerin. Die im Rahmen der ärztlichen Begutachtung angewandten Testverfahren könnten eine computergestützte Leistungsuntersuchung nicht ersetzen. Am 8. August 2023 sei es zu Auffälligkeiten bei der Teilnahme am Straßenverkehr gekommen. Die Antragstellerin habe sich „völlig teilnahmslos“ und „stark verwirrt“ gezeigt und Tests seien auffällig gewesen. Ein Arzt sei von einer „Überdosierung“ des Lithiums, mutmaßlich durch Veränderungen im Stoffwechsel bzw. der Nierenfunktion ausgegangen. Stelle man diese Tatsache der Regelvermutung der Nr. 9.6.1 der Anlage 4 zur FeV (Vergiftung durch Arzneimittel) gegenüber, sei seinerzeit von fehlender Kraftfahreignung auszugehen gewesen. In der Gesamtschau seien die Zweifel an der Kraftfahreignung durch das ärztliche Gutachten und die nachfolgende Stellungnahme nicht schlüssig und nachvollziehbar ausgeräumt worden.
6
Mit Schreiben vom 11. Februar 2025 räumte das Landratsamt der Antragstellerin die Gelegenheit ein, sich bis 25. Februar 2025 zur beabsichtigten Entziehung ihrer Fahrerlaubnis zu äußern. Sie habe bis heute keine Erklärung zur Vorlage des Gutachtens abgegeben. Nach der Gutachtensanordnung vom 22. November 2024 habe sie diese Erklärung innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Anordnung abgeben sollen. Hieran sei sie mit Schreiben vom 21. Januar 2025 nochmals erinnert worden.
7
Die Antragstellerin legte kein medizinisch-psychologisches Gutachten vor, sondern ließ durch ihren Bevollmächtigten mit Schreiben vom 24. Februar 2025 beim Verwaltungsgericht Würzburg gemäß § 123 VwGO beantragen, dass sie bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Widerspruchs- und/oder Klageverfahrens nicht verpflichtet sei, sich auf der Grundlage der Beibringungsanordnung vom 22. November 2024 medizinisch-psychologisch begutachten zu lassen. Diesen Antrag lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 6. März 2025 ab. Die hiergegen gerichtete Beschwerde (11 CE 25.519) hatte keinen Erfolg.
8
Mit Bescheid vom 11. März 2025 entzog das Landratsamt der Antragstellerin die Fahrerlaubnis und verpflichtete sie, ihren Führerschein spätestens eine Woche nach Zustellung des Bescheids abzuliefern. Ferner ordnete es die sofortige Vollziehung dieser Verfügungen an.
9
Am 26. März 2025 gab die Antragstellerin ihren Führerschein bei der Fahrerlaubnisbehörde ab. Am 27. März 2025 ließ sie durch ihren Bevollmächtigten beim Verwaltungsgericht beantragen, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs insoweit wiederherzustellen, als ihr die Fahrerlaubnis entzogen worden sei. Am 1. April 2025 Klage gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis, die Auferlegung der Verfahrenskosten und die Festsetzung der Gebühr erheben. Am 4. April 2025 korrigierte ihr Bevollmächtigter den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes dahin, dass die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis beantragt werde.
10
Mit Beschluss vom 6. Mai 2025 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ab, weil sich der angegriffene Bescheid nach summarischer Prüfung als rechtmäßig erweise. Vor der Entziehung der Fahrerlaubnis sei die Antragstellerin gemäß Art. 28 BayVwVfG angehört worden. Die ihr gesetzte Frist bis zum 25. Februar 2025 habe ausgereicht. Es erschließe sich nicht, weshalb sie erst nach Ablauf der Beibringungsfrist habe Stellung nehmen können. Die Ablehnung des Verlängerungsantrags nach Art. 31 Abs. 7 BayVwVfG durch den Antragsgegner sei nicht zu beanstanden. Die Fahrerlaubnisbehörde habe nach Maßgabe von § 11 Abs. 8 FeV auf eine fehlende Fahreignung der Antragstellerin schließen dürfen, da sie ein zu Recht gefordertes medizinisch-psychologisches Gutachten nicht fristgerecht beigebracht habe. Nach § 46 Abs. 3 FeV i.V.m. § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FeV könne zur Klärung von Eignungszweifeln für die Zwecke nach § 11 Abs. 1 und 2 FeV die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung angeordnet werden, wenn dieses nach Würdigung der Gutachten gemäß § 11 Abs. 2 oder Abs. 4 FeV zusätzlich erforderlich sei. Ob der Gutachter dies empfohlen habe, sei unerheblich, da sich die Fahrerlaubnisbehörde eine eigene Meinung bilden müsse. Die Voraussetzungen für deren Anordnung mit Schreiben vom 22. November 2024 hätten vorgelegen. Sie sei anlassbezogen und verhältnismäßig gewesen. Trotz Vorlage des ärztlichen Gutachtens und der ergänzenden Stellungnahme vom 23. August 2024 habe die Fahrerlaubnisbehörde davon ausgehen dürfen, dass zusätzlicher Aufklärungsbedarf bestehe. Die Einschätzung des ärztlichen Gutachters, der eine neuropsychologische Begutachtung für nicht notwendig erachtet habe, binde die Behörde nicht per se. Es sei auch nicht entscheidungserheblich, ob sie sich hinsichtlich des Ergebnisses der Antragstellerin beim DemTect-Test über die Fachkompetenz des Arztes hinweggesetzt habe. Denn die angeführten kognitiven Beeinträchtigungen ergäben sich sowohl aus den Ergebnissen des Mini-Mental-Status-Tests (MMST) als auch des DemTect-Tests. Nur bezüglich des DemTect-Tests sei der Arzt davon überzeugt gewesen, dass sich die Antragstellerin, wenn sie des Öfteren eine Begutachtung machen würde, an die Situationen gewöhnen und nicht mehr Fehler als der Durchschnitt der Bevölkerung machen würde. Diese Ausführungen deuteten darauf hin, dass ein besseres Ergebnis durch Gewöhnung und Wiederholung zu erzielen sei, nicht jedoch darauf, dass das erreichte Ergebnis, das einen Punkt außerhalb des Normbereichs liege, nicht zutreffe. Auch beim MMST habe sie ein Ergebnis (26 Punkte) erreicht, das auf eine leichte Demenz hindeute. Hierzu verhalte sich die ergänzende ärztliche Stellungnahme nicht. Anders als beim DemTect-Test werde nicht ausgeführt, dass das Ergebnis nicht signifikant für die psychophysische Leistungsfähigkeit sei. Die Behörde habe auch nicht eine weitere ergänzende Stellungnahme des Arztes anfordern müssen. Sie habe der Antragstellerin bereits mit Schreiben vom 1. August 2024 die Gelegenheit eingeräumt, eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme des Arztes beizubringen. Unter Punkt II (psychophysische Leistungstestung) werde explizit auf die Testergebnisse hingewiesen sowie, dass aus behördlicher Sicht nicht eindeutig dargelegt und nachprüfbar sei, inwieweit die durchgeführten Verfahren ausreichend und objektiv messbar über die psychofunktionalen Leistungsbereiche Belastbarkeit, Orientierung, Konzentration, Aufmerksamkeit und Reaktionsfähigkeit Auskunft geben könnten. Hierdurch sei der Antragstellerin Gelegenheit eingeräumt worden, eine umfassende Stellungnahme zu den einzelnen Punkten abzugeben, was mit dem Schreiben vom 23. August 2024 geschehen sei. Die Behörde sei unter Verhältnismäßigkeitspunkten nicht verpflichtet gewesen, eine nochmalige Nachbesserung hinsichtlich des Ergebnisses des MMST zu fordern. Es sei nicht ihre Aufgabe, solange ergänzende Stellungnahmen anzufordern, bis ein positives Ergebnis für einen Fahrerlaubnisinhaber vorliege. Vielmehr sei es Sache des Fahrerlaubnisinhabers, eine umfassende Stellungnahme zu den relevanten Aspekten vorzulegen. Somit sei nicht zu beanstanden, dass die Behörde im Rahmen der Ermessensausübung ein medizinisch-psychologisches Gutachten gefordert habe. In der Beibringungsanordnung vom 22. November 2024 habe sie explizit dargelegt, dass die Antragstellerin in mindestens zwei Testverfahren auffällige Ergebnisse erzielt habe, u.a. im MMST, und dass daher – selbst wenn man die durchgeführten Testverfahren als ausreichend im Hinblick auf die psychophysische Leistungsfähigkeit ansähe – eine Testung mit dem nach den Begutachtungsleitlinien vorgesehenen computergestützten Testverfahren erforderlich sei. Auch die Gutachtensfrage sei anlassbezogen. Anders als behauptet erfolge hierdurch weder eine Kriminalisierung der Antragstellerin noch eine Untersuchung wegen einer Depression. Gegenstand der medizinisch-psychologischen Untersuchung sei allein die Frage, ob eine ausreichende psychophysische Leistungsfähigkeit vorliege, um Kraftfahrzeuge der Gruppe 1 zu führen, bzw. ob Beschränkungen oder Auflagen bzw. eventuell eine Nachbegutachtung erforderlich seien. Die Gutachtensfrage gehe damit nicht über das erforderliche Maß hinaus. Darüber hinaus berücksichtige die Behörde, dass eine Untersuchung der psychophysischen Leistungsfähigkeit nur im Rahmen einer medizinisch-psychologischen Untersuchung, nicht einer ärztlichen Begutachtung, erfolgen könne und wäge dies mit dem Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Antragstellerin ab. Sonst spreche nichts gegen die Rechtmäßigkeit der Gutachtensanordnung. Insbesondere sei der nach § 11 Abs. 6 Satz 2 Hs. 2 FeV erforderliche Hinweis auf eine mögliche Akteneinsicht enthalten. Da die Entziehung der Fahrerlaubnis keine Ermessensentscheidung sei, könnten hiermit etwa verbundene private Konsequenzen für die Antragstellerin (z.B. Schwierigkeiten bei Arztbesuchen) nicht berücksichtigt werden. Auch bei einer erfolgsunabhängigen Abwägung der gegenseitigen Interessen sei kein überwiegendes Interesse der Antragstellerin an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage festzustellen. Es sei nicht verantwortbar, sie bis zur eventuellen Bestandskraft der Fahrerlaubnisentziehung am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen zu lassen. Es bestehe ein erhebliches Interesse der Allgemeinheit, vor nicht fahrgeeigneten Kraftfahrern geschützt zu werden. Eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung käme nur dann in Betracht, wenn hinreichend gewichtige Gründe dafür sprächen, dass die Antragstellerin nicht (mehr) fahrungeeignet sei und sich abschätzen ließe, dass das von ihr ausgehende Gefahrenpotenzial nicht nennenswert über dem des Durchschnitts aller motorisierten Verkehrsteilnehmer liege. Dafür bestünden keine Anhaltspunkte.
11
Auch hiergegen ließ die Antragstellerin Beschwerde einlegen. Sie macht zunächst geltend, die Beweislast für eine fehlende Fahreignung liege beim Antragsgegner. Es habe keine hinreichende Anhörung stattgefunden, da sie sei bereits am 11. Februar 2025, also vor Ablauf der Beibringungsfrist, als noch nicht bekannt gewesen sei, ob ein Gutachten vorgelegt werde, zur Stellungnahme zur Entziehung ihrer Fahrerlaubnis aufgefordert worden sei. Hierdurch werde entweder die Beibringungsfrist widerrufen oder die Anhörung erscheine als nicht ernsthaft. Ferner seien die Angaben zur Anhörung unvollständig gewesen. Das Verwaltungsgericht und der Antragsgegner hätten unterschiedliche Gründe genannt. Der Fahrerlaubnisbehörde sei es nicht auf die Ergebnisse der Testverfahren angekommen. Sie habe in jedem Fall eine „computergestützte Leistungsuntersuchung“ gewollt. Nach den Ausführungen des Gerichts habe sich der Antragsgegner auf die Tests gestützt und der Arzt hierzu keine Auskunft gegeben. Zudem habe die Behörde die Antragstellerin nicht persönlich angehört. Für die Annahme von Leistungsbeeinträchtigungen wäre der persönliche Eindruck jedoch entscheidend gewesen. Der Bevollmächtigte könne mit der Antragstellerin, die nicht vom Durschnitt Gleichaltriger zu unterscheiden sei, umfangreich und detailliert kommunizieren, ohne dass jemals Symptome einer Demenzerkrankung aufgefallen wären. Ihr sei auch nicht mitgeteilt worden, welche Unterstützungsmöglichkeiten bei einem Verzicht auf die Fahrerlaubnis oder deren Entziehung bestünden. Ihr sei keine hinreichende Frist eingeräumt, sondern die gesetzte Frist durch eine verfrühte Anhörung widerrufen worden. Es fehlten hinreichende Anhaltspunkte für die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens. Die Fahrerlaubnisbehörde gehe ohne zureichenden Grund von Zweifeln an der psychischen Leistungsfähigkeit der Antragstellerin aus. Sie führe nicht aus, inwiefern das ärztliche Gutachten nicht ausreiche, sondern argumentiere ergebnisorientiert. Es werde ausgeführt, die ärztliche Stellungnahme reiche nicht aus, weil sie nicht das gewünschte Ergebnis habe, das nun mit einer „computergestützten Leistungsuntersuchung“ erreicht werden solle, deren Einsatz häufig nicht nachvollziehbar instruiert werde und deren Durchführung von Unterbrechungen und Ablenkungen in einer nicht in jedem Fall hinreichend vergleichbaren Umgebung stattfinde. Eine medizinisch-psychologische Begutachtung, deren Notwendigkeit im Entziehungsbescheid nicht begründet werde, sei auch nicht erforderlich. Soweit die Behörde auf die auffälligen Ergebnisse hinweise, habe der Arzt auf Nachfrage mit Schreiben vom 23. August 2024 dazu Stellung genommen. Soweit sie der Ansicht sei, die angewandten Testverfahren könnten eine computergestützte Leistungsuntersuchung nicht ersetzen und dazu auf Anlage 5 zur FeV (Kapitel 2.5 der Begutachtungsrichtlinien) verweise, gehe dies fehl, weil diese Anlage „Eignungsuntersuchungen für Bewerber und Inhaber der Klassen C, C1, D, D1 und der zugehörigen Anhängerklassen E sowie der Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung“ betreffe. Die Angaben der Fahrerlaubnisbehörde stellten in einer Gesamtschau keine ausreichende Begründung dar. Es werde nicht einmal dargelegt, warum die „computergestützte Leistungsuntersuchung“ die Expertise von drei fachspezifischen ärztlichen Untersuchungen übersteigen solle. Es sei zu akzeptieren, dass ein medizinisch-psychologisches Gutachten nach dem Willen des Gesetzgebers nur notwendig sei, wenn es auch von einer intensiv ausgebildeten und besonders qualifizierten Person gefertigt werde. Bei der Anordnung des medizinisch-psychologischen Gutachtens habe die Behörde die im Rahmen der Ermessensausübung eingestellten Gründe nicht genannt und die konkrete Abwägung der einzelnen Belange nicht ausgeführt, weshalb ein Ermessensdefizit vorliege. Auch die weiteren Möglichkeiten würden nicht in Betracht gezogen. Die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens sei unverhältnismäßig, weder erforderlich noch angemessen gewesen. Es fehle ein legitimer Zweck und werde nicht ausgeführt, inwiefern das ärztliche Gutachten nicht ausreiche, ferner keine weitere Nachfrage bei dem Arzt gestellt oder vorgetragen, warum dies nicht erfolgversprechend wäre. Scheinbar sei Grund für die Anforderungen zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens, eine erneute Überprüfung herbeizuführen, da keine eigene Fachkunde vorliege. Das wären allerdings unzureichende, sachfremde Interessen. Die Behörde dürfe ein medizinisch-psychologisches Gutachten nicht schon dann fordern, wenn sie mit dem Ergebnis der fachärztlichen Untersuchung nicht einverstanden sei. Sei das fachärztliche Gutachten aus ihrer Sicht nicht nachvollziehbar oder unvollständig, müsse dieses nachgebessert oder neu erstellt werden. Es werde bestritten, dass eine Begutachtungsstelle geeignet sei, einen jahrelang praktizierenden Facharzt zu widerlegen. Auch formell sei die Anordnung rechtswidrig. Die Fragestellung sei zu weit gefasst. Insbesondere die Frage 2 beziehe sich nicht auf die Leistungsfähigkeit der Antragstellerin, sondern auf ihren Charakter. Andererseits habe die Behörde bestritten, dass der Charakter geprüft werden solle. Auch das Gericht berücksichtige nicht, dass hier ohne Begründung und hinreichende Tatsachengrundlage eine ausdrückliche Frage zum Charakter gestellt werde. Der Antragsgegner weise die eigene Sachkunde nicht nach, obwohl er von der Einschätzung des ärztlichen Gutachtens abweiche. In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass im Fall der Abweichung von einem Sachverständigengutachten eine hinreichende Sachkunde nachgewiesen werden müsse.
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Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
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Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
14
Aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, ergibt sich nicht, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu ändern und die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen wäre.
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1. Die Beschwerde kann schon deshalb keinen Erfolg haben, weil die Antragstellerin mit ihrer Beschwerdebegründung nicht der vom Gericht vorgenommenen reinen Interessenabwägung auf Seite 19 f. des angefochtenen Beschlusses entgegengetreten ist, die unabhängig von der materiell-rechtlichen Bewertung des Bescheids die Ablehnung des Antrags gemäß § 80 Abs. 5 VwGO trägt. Hierbei geht es um eine erfolgsunabhängige Abwägung zwischen dem schutzwürdigen Suspensivinteresse des Betroffenen und dem öffentlichen Vollzugsinteresse in der Annahme offener Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs (Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 93; Schoch in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand August 2024, § 80 Rn. 373 ff.; zur Verfassungsmäßigkeit dieses Stufensystems BVerfG, B.v. 11.6.2008 – 2 BvR 2062/07 – NVwZ-RR 2008, 657 = juris Rn. 14; B.v. 29.5.2007 – 2 BvR 695/07 – NVwZ 2007, 1176 = juris Rn. 31). Ist die Entscheidung – wie hier – auf mehrere selbstständig tragende Gründe gestützt, kann die Beschwerde nur Erfolg haben, wenn der Beschwerdeführer im Hinblick auf jeden der für das Verwaltungsgericht entscheidungserheblichen Gründe in der Beschwerde etwas Durchgreifendes vorträgt (stRspr vgl. BayVGH, B.v. 11.7.2024 – 6 CE 24.829 – juris Rn. 5; B.v. 15.1.2024 – 10 CS 23.2320 – juris Rn. 4; B.v. 31.7.2023 – 11 CS 23.1229 – juris Rn. 12; Rudisile in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, § 146 VwGO Rn. 13c; Kaufmann in BeckOK VwGO, Stand 1.1.2020, § 146 Rn. 14; Guckelberger, a.a.O. § 146 Rn. 77 f. jeweils m.w.N.).
16
2. Abgesehen davon ist der angefochtene Bescheid vom 11. März 2025 formell- und materiell-rechtlich nicht zu beanstanden.
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2.1. Insbesondere hat das Landratsamt die Antragstellerin mit dem Schreiben vom 11. Februar 2025, also knapp zwei Wochen vor dem Ende der bis zum 24. Februar 2025 laufenden Beibringungsfrist, zur beabsichtigten Entziehung ihrer Fahrerlaubnis ordnungsgemäß angehört. Die zeitliche Gestaltung des Verfahrens kann entgegen der Ansicht ihres Bevollmächtigten nach den auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsätzen (§ 133, § 157 BGB) für eine aus der objektiven Empfängersicht am erklärten behördlichen Willen orientierte Auslegung von Willenserklärungen nicht als Widerruf der Beibringungsfrist ausgelegt werden. Nachdem das Landratsamt eine Äußerungsfrist bis zum 25. Februar 2025 gesetzt hatte, war klar, dass es der Antragstellerin nicht die Möglichkeit abschneiden wollte, das bis 24. Februar 2025 beizubringende medizinisch-psychologische Gutachten vorzulegen. Zudem lag nach dem gemäß § 11 Abs. 6 Satz 3 und 4 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980), im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Entziehungsbescheids zuletzt geändert durch Verordnung vom 2. Oktober 2024 (BGBl I Nr. 299), einzuhaltenden Verfahren und nach der üblichen Auslastung und Arbeitsweise der amtlich anerkannten Begutachtungsstellen bereits am 11. Februar 2025 auf der Hand, dass die Antragstellerin die Beibringungsfrist nicht mehr würde einhalten können, selbst wenn sie die Erklärung zur Vorlage des Gutachtens nach § 11 Abs. 6 Satz 3 FeV noch sehr kurzfristig abgeben würde. Nach § 11 Abs. 6 Satz 3 FeV hat der Betroffene die Fahrerlaubnisbehörde darüber zu unterrichten, welche Stelle er mit der Untersuchung beauftragt hat. Sodann teilt die Fahrerlaubnisbehörde der untersuchenden Stelle nach § 11 Abs. 6 Satz 4 FeV mit, welche Fragen im Hinblick auf die Eignung des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen zu klären sind und übersendet ihr die vollständigen Unterlagen, soweit sie unter Beachtung der gesetzlichen Verwertungsverbote verwendet werden dürfen. Hieran schließen sich die Vergabe eines Untersuchungstermins durch die Begutachtungsstelle, die Untersuchung selbst und die Fertigung des Gutachtens an. Das entsprechende Verfahren war der Antragstellerin aus der vorangegangenen Einholung eines ärztlichen Gutachtens auch bekannt.
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2.2. Das Landratsamt war auch nicht verpflichtet, in Ausübung pflichtgemäßen Ermessen nach Art. 31 Abs. 7 BayVwVfG die Äußerungs- oder gar die Beibringungsfrist zu verlängern, nachdem der Bevollmächtigte mit seinem vorsorglichen Verlängerungsantrag vom 18. Februar 2025 nichts mitgeteilt hatte, was die Antragstellerin daran hätte hindern können, sich zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis zu äußern, die zur Einleitung einer Begutachtung erforderliche Erklärung nach § 11 Abs. 6 Satz 3 FeV abzugeben oder sich der Begutachtung zu unterziehen, und auch nicht, dass und ggf. wann sie das geforderte Gutachten vorlegen würde. Aus dem vorangegangenen Schriftwechsel ergab sich vielmehr, dass sie mit Leistungstests im Rahmen einer medizinisch-psychologischen Untersuchung nicht einverstanden war, weil sie meinte, das Landratsamt hätte der fachlichen Meinung des ärztlichen Gutachters folgen müssen. Es ist auch nicht erkennbar, welcher entscheidungserhebliche Vortrag ihr durch die konkrete zeitliche Ausgestaltung abgeschnitten gewesen sein könnte.
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2.3. Ebenso wenig war das Landratsamt verpflichtet, die Antragstellerin persönlich anzuhören. Die Form der Anhörung steht im Ermessen der Behörde. Es herrscht Formfreiheit. In der Regel genügt die Behörde der Anhörungspflicht, wenn sie dem Beteiligten Gelegenheit gibt, sich schriftlich zu äußern (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 25. Aufl. 2024, § 28 Rn. 39, Kallerhoff/Mayen in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl. 2023, § 28 Rn. 44). Eine mündliche Anhörung ist zwingend nur dann geboten, wenn sich das Verfahrensermessen der Behörde insoweit auf Null reduziert hat, wenn etwa aus besonderen Gründen bei einer Erläuterung von Plänen nur mündliche Ausführungen den Zweck des rechtlichen Gehörs voll erfüllen können (Ramsauer, a.a.O. Rn. 40). Vorliegend geht es um die psychophysische Leistungsfähigkeit der Antragstellerin nach vor-angegangener schwerer depressiver Episode und einer Medikamentenüberdosierung, um die potentiell beeinträchtigende Wirkung mehrerer teils jahrelang eingenommener Medikamente und die in der ärztlichen Begutachtung erzielten Testergebnisse, also keineswegs „nur“ bzw. hauptsächlich um eine beginnende Demenz. Dies ist im Rahmen einer behördlichen Vorsprache für einen medizinischen Laien weitestgehend nicht zu beurteilen. Unabhängig davon, ob das Landratsamt in einem Anhörungsgespräch greifbare Anhaltspunkte für eine fehlende Leistungsfähigkeit gewonnen hätte oder nicht, hätte es bei dieser Sachlage seinen persönlichen Eindruck nicht an die Stelle einer nur mit der erforderlichen medizinischen und psychologischen Fachkunde zu treffenden Prognose setzen dürfen, sondern ein Gutachten einholen lassen müssen. Im Übrigen hätte es der Antragstellerin freigestanden, aus eigener Initiative bei der Fahrerlaubnisbehörde vorzusprechen.
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2.4. Ferner war das Landratsamt im Rahmen der Anhörung nicht verpflichtet, die Antragstellerin über Unterstützungsmöglichkeiten nach der Entziehung der oder dem Verzicht auf die Fahrerlaubnis zu beraten oder weitere Nachfragen bei dem ärztlichen Gutachter zu stellen. Der Bevollmächtigte hat schon nicht ansatzweise dargelegt, woraus sich entsprechende Verpflichtungen ergeben sollten. Dies ist auch nicht ersichtlich.
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2.5. Die Antragstellerin war auch ausreichend über den Gegenstand des Verfahrens und den beabsichtigten Verwaltungsakt unterrichtet. Sie hatte demgemäß eine ernstliche Gelegenheit zur Stellungnahme. Diese besteht dann, wenn für den Beteiligten hinreichend erkennbar ist, dass, weshalb und wozu er sich äußern kann und mit welcher Entscheidung er zu rechnen hat. Dazu muss er von dem Sachverhalt und dem Verfahren, in dem dieser verwertet werden soll, überhaupt Kenntnis erhalten; ferner muss deutlich werden, dass eine Anhörung im Sinne von Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG erfolgt und dass Gelegenheit zur Äußerung gegeben wird (Kallerhoff/Mayen a.a.O. § 28 Rn. 35). Die Behörde muss den beabsichtigten Verwaltungsakt nach Art und Inhalt mit der geforderten Handlung, Duldung oder Unterlassung so konkret umschreiben, dass für den Beteiligten hinreichend klar oder erkennbar ist, weshalb und wozu er sich äußern können soll und mit welcher eingreifenden Entscheidung er zu welchem ungefähren Zeitpunkt zu rechnen hat (Kallerhoff/Mayen a.a.O. § 28 Rn. 35).
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Dem genügt das Schreiben vom 11. Februar 2025. Danach war Gegenstand der Anhörung die beabsichtigte Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Nichtvorlage des geforderten medizinisch-psychologischen Gutachtens gemäß § 11 Abs. 8 FeV. Ferner nimmt das Anhörungsschreiben Bezug auf das Schreiben vom 3. Januar 2025, mit dem das Landratsamt nochmals dargelegt hatte, aus welchen rechtlichen Gründen es an der Forderung nach einem medizinisch-psychologischen Gutachten festhielt. Es verwies insofern erneut auf die Beibringungsanordnung vom 22. November 2024 und Nr. 2.1. und 2.5. der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung. Aus der Beibringungsanordnung (S. 4 ff.) wie bereits aus dem Schreiben vom 1. August 2024 (S. 2 ff.) ergibt sich, dass die Zweifel an der Fahreignung der Antragstellerin durch die ärztliche Begutachtung mit ergänzender Stellungnahme nach Meinung des Landratsamts nicht ausgeräumt waren, weil es die gutachtlichen Ausführungen zum Teil für nicht nachvollziehbar und schlüssig hielt. Entgegen der Darstellung des Bevollmächtigten hat das Landratsamt damit durchaus ausgeführt, „was an dem Gutachten nicht ausreichen soll“.
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2.6. Die vom Landratsamt angeführten Gründe tragen die Entscheidung auch in der Sache.
24
Auch wenn sich das Grundleiden eines Betroffenen nicht (mehr) auf seine Anpassungs- und Leistungsfähigkeit auswirkt, können bei der Behandlung mit höheren Dosen psychoaktiv wirkender Arzneimittel, darunter Psychopharmaka, unter Umständen Auswirkungen auf das sichere Führen von Kraftfahrzeugen erwartet werden (vgl. Nr. 3.14.2 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung vom 27.1.2014 [Vkbl S. 110] in der Fassung vom 17.2.2021 [Vkbl S. 198], die nach § 11 Abs. 5 FeV i.V.m. Anlage 4a zur FeV Grundlage für die Eignungsbeurteilung sind). In Zweifelsfällen ist eine testpsychologische Abklärung des aktuellen psychophysischen Leistungsvermögens anzustreben. Es ist nicht zwangsläufig davon auszugehen, dass alle Patienten nach einer medikamentösen Einstellungsphase (wieder) fahrgeeignet sind. In Abhängigkeit von der Grunderkrankung und den medikamentösen Nebenwirkungen ist ein nicht unerheblicher Teil der Patienten unter Therapie mit Psychopharmaka nicht fahrgeeignet (Graw/Brenner-Hartmann/Haffner/Musshoff in Schuber/Huetten/Reimann/ Graw, Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, 3. Aufl. 2018, S. 308 f.). Zur Beantwortung der Fragen, ob verkehrsrelevante Auswirkungen von Krankheit und/oder Therapie vorliegen und ob etwa bestehende Leistungsdefizite kompensiert werden können, werden im Regelfall auch eine psychologische Leistungstestung sowie ggf. daran anschließend eine entsprechende Fahrverhaltensbeobachtung notwendig sein (Graw/Brenner-Hartmann/Haffner/Musshoff, a.a.O. S. 309).
25
Fahreignungsgutachten sind ein Hilfsmittel zur Entscheidungsfindung. Das bedeutet, dass die Behörde sie nicht ungeprüft übernehmen darf, sondern vielmehr einer eigenen – kritischen – Würdigung zu unterziehen hat (Geiger, NZV 2002, 20). Nach § 11 Abs. 3 Nr. 1 FeV kann die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angeordnet werden, wenn nach Würdigung der Gutachten gemäß § 11 Abs. 2 oder 4 FeV ein medizinisch-psychologisches Gutachten zusätzlich erforderlich ist. Dabei hat der Gesetzgeber entgegen der Behauptung des Bevollmächtigten nicht zu erkennen gegeben, dass der ärztliche Gutachter die Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens empfohlen haben muss. Dies ist vielmehr unerheblich (Derpa in Hentschel/König, Straßenverkehrsrecht, 48. Aufl. 2025, § 11 FeV Rn. 31), wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat. Kommt die Behörde der ihr obliegenden Aufgabe nach, hat das nichts mit einem „nicht näher begründeten deutlichen Misstrauen“ gegenüber fachkundigen Ärzten zu tun.
26
Die an das Gutachten zu stellenden Anforderungen ergeben sich aus Anlage 4a zur FeV (§ 11 Abs. 5 FeV). Nach Nr. 2 Buchst. a dieser Anlage betrifft die Nachvollziehbarkeit die logische Ordnung (Schlüssigkeit) des Gutachtens. Sie erfordert die Wiedergabe aller wesentlichen Befunde und die Darstellung der zur Beurteilung führenden Schlussfolgerungen. Die Nachprüfbarkeit betrifft die Wissenschaftlichkeit der Begutachtung. Sie erfordert, dass die Untersuchungsverfahren, die zu den Befunden geführt haben, angegeben und, soweit die Schlussfolgerungen auf Forschungsergebnisse gestützt sind, die Quellen genannt werden. Dabei braucht das Gutachten aber nicht im Einzelnen die wissenschaftlichen Grundlagen für die Erhebung und Interpretation der Befunde wiederzugeben (vgl. Geiger, NVZ 2002, 20/21). Jedenfalls muss die ärztliche Einschätzung für die nachprüfende Behörde verständlich sein. Sie ist nicht verpflichtet, ein nicht substantiiertes Ergebnis ärztlicher Überlegungen einfach zu übernehmen. Die (kritische) Würdigung setzt entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten keine eigene medizinische oder psychologische Sachkunde voraus. Kommt die Behörde zu dem Ergebnis, dass das Gutachten nicht schlüssig ist, ersetzt sie dieses nicht durch ihre eigene (medizinische) Einschätzung, sondern gibt dem Betroffenen auf, eine klarstellende oder ergänzende Stellungnahme des Gutachters beizubringen. Ist dies nicht möglich, hat sie zuletzt nach § 11 Abs. 8 FeV zu verfahren.
27
Für die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Begutachtung war für das Landratsamt ausschlaggebend, dass die Antragstellerin zum Teil seit vielen Jahren mehrere Medikamente einnehmen muss, die geeignet sind, die psychophysische Leistungsfähigkeit herabzusetzen (vgl. https://www.gelbe-liste.de/wirkstoffe/Lithium_ 41883; https://www.gelbe-liste.de/wirkstoffe/Venlafaxin_ 22560), dass sie in zwei Testverfahren der ärztlichen Begutachtung auffällig niedrige Ergebnisse erzielt hat und nach Nr. 3.3 der Kommentierung der Begutachtungsleitlinien (Schuber/Huetten/Reimann/Graw, Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, S. 234 f.) auch bei (teil) remittierten Patienten mit psychischen Störungen eine computergestützte Leistungstestung empfohlen wird und der ärztliche Gutachter nicht nachvollziehbar und nachprüfbar dargelegt hat, inwieweit die durchgeführten Verfahren ausreichend und messbar Auskunft über die in Anlage 5 zur FeV spezifizierten psycho-funktionalen Leistungsbereiche Belastbarkeit, Orientierung, Konzentration, Aufmerksamkeit und Reaktionsfähigkeit geben (vgl. Schmidt-Atzert/Strohbeck-Kühnert/Schubert in Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, S. 52).
28
Diese Einschätzung ist nicht zu beanstanden. Im ärztlichen Gutachten vom 5. Mai 2024 hatte der Facharzt zunächst nichts zur Leistungsfähigkeit der Antragstellerin ausgeführt, sondern lediglich zusammenfassend festgestellt, sie habe im ausführlichen Gespräch und in der ausführlichen Diagnostik keine verkehrsbedeutsamen Auffälligkeiten gezeigt. Die durchgeführten Tests hatten, soweit ersichtlich, lediglich kognitive Beeinträchtigungen, Angst und Depression zum Gegenstand, nicht jedoch die Erhebung von Leistungsmerkmalen wie Belastbarkeit, Orientierungsleistung, Konzentrationsleistung, Aufmerksamkeitsleistung und Reaktionsfähigkeit. Weiter wies der Gutachter auf die regelmäßige psychiatrische Überwachung des Lithiumspiegels sowie der Schilddrüsen- und Nierenwerte hin. Die ergänzende Stellungnahme des Arztes vom 23. August 2024 hat sich im Wesentlichen auf die Feststellungen beschränkt, er halte die von ihm durchgeführten Tests für ausreichend, um über verkehrsbedeutsame kognitive und mnestische Defizite zu entscheiden, und eine zusätzliche Leistungstestung nicht für erforderlich. Dieses Ergebnis wird jedoch zumindest mit Blick auf das jahrzehntelang eingenommene Lithium, das nach Herstellerangaben zu Müdig- und Schläfrigkeit, Schwindel und Halluzinationen führen kann, nicht nachvollziehbar erläutert (vgl. auch die Angaben zur Fahrsicherheit der mit Stimmungsstabilisierern behandelten Patienten bei Laux/Brunnauer in Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, Nr. 3.12 S. 239). Auch zu additiven bzw. potenzierenden Wirkungen mehrerer eingenommener Medikamente, die die Verkehrstüchtigkeit beeinträchtigen können, wird nichts ausgesagt. Soweit der Gutachter Venlafaxin als aufmerksamkeitsfördernd beschreibt, ist dem Eintrag in der öffentlich zugänglichen Medikamente-Datenbank Gelbe Liste Pharmindex zu entnehmen, dass das Medikament zumindest auch die Verkehrstüchtigkeit einschränken kann, weil es das Urteilsvermögen, das Denkvermögen und die motorischen Fähigkeiten beeinträchtigen kann. Hinsichtlich Levodopa/Benserazid, das nach Herstellerangaben einen großen Einfluss auf die Verkehrstüchtigkeit und die Fähigkeit zum Bedienen von Maschinen haben kann, verweist der ärztliche Gutachter auf die niedrige Dosierung und darauf, dass sehr viele Patienten diese Medikamente einnähmen, ohne Probleme bei der Teilnahme am Straßenverkehr zu haben; hinsichtlich Quetiapin auf die Einnahme nur zur Nacht. Bis auf die niedrige Dosierung und den Einnahmezeitpunkt handelt es sich hierbei um Wahrscheinlichkeitsannahmen und nicht um eine Bewertung der individuellen Leistungsfähigkeit der Antragstellerin. Die niedrigen Testergebnisse führt der Arzt auf Aufregung und ihr Bildungsniveau zurück, ebenfalls ohne dies näher darzulegen. Zur individuellen Leistungsfähigkeit wird lediglich darauf verwiesen, dass sie seit der medikamentösen Neueinstellung unfallfrei und umsichtig aktiv am Straßenverkehr teilnehme. Dabei handelt es sich offensichtlich um eine nicht selbst überprüfte Information, die ohne nähere Kenntnis über die gefahrenen Strecken jedoch keine Schlussfolgerungen auf die Leistungsfähigkeit zulässt. Auch wenn im allgemeinen davon auszugehen sein mag, dass die Fahreignung mit Antidepressiva behandelter Fahrzeugführer günstiger einzuschätzen ist als die unbehandelter Fahrzeugführer (Laux/Brunnauer, a.a.O. Nr. 3.12 S. 238), lässt sich daraus wegen der der Antragstellerin verschriebenen Medikamentenkombination, der jahrelangen Einnahme, den erheblichen individuellen Abweichungen psychomotorischer Leistungen derart behandelter Patienten und der allgemein spärlichen Datenlage (vgl. dazu Graw/Brenner-Hartmann/Haffner/Musshoff, a.a.O. S. 309 a.E.) keine belastbare Aussage über die Fahreignung der Antragstellerin herleiten.
29
2.7. Mit der in einem wörtlichen Zitat von Laux/Brunnauer (Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, Nr. 3.3 „Relevanz für die körperliche und geistige Eignung“, S. 235) enthaltenen Bezugnahme auf Anlage 5 zur FeV hat das Landratsamt entgegen der Darstellung des Bevollmächtigten nicht verlangt, dass die Antragstellerin eine Eignungsuntersuchung für Fahrzeugklassen (C, C1, D, D1) absolviert, die sie nicht innehat. Vielmehr wird mit diesem Zitat lediglich der unter Nr. 2 Anlage 5 zur FeV näher wiedergegebene Umfang und Inhalt der Leistungsuntersuchung beschrieben, die die Kommentatoren Laux/Brunnauer auch bei affektiven Psychosen, insbesondere Depressionen und manischen Erkrankungen, für erforderlich halten. Danach sind die Leistungsmerkmale Belastbarkeit, Orientierungsleistung, Konzentrationsleistung, Aufmerksamkeitsleistung und Reaktionsfähigkeit zu untersuchen, was durch die weitere Bezugnahme auf Nr. 2.5 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung bestätigt wird (vgl. Schmidt-Atzert/Strohbeck-Kühner/Schubert, a.a.O., S. 48 ff.).
30
Weiter wird behördlicherseits entgegen der Behauptung des Bevollmächtigten nicht „angenommen, dass die Antragstellerin eine beginnende Demenz hat, die entweder biologisch oder durch Medikamente verursacht wurde“, wobei der Begriff der „leichten Demenz“ für das von der Antragstellerin erzielte MMST-Testergebnis von 26 Punkten in einschlägigen Veröffentlichungen ebenso verwendet wird (vgl. https://www.netdoktor.de/krankheiten/demenz/mmst/#:~:text=MMST%3A%20Auswertung) wie der Begriff einer „möglichen leichten kognitiven Beeinträchtigung“ (vgl. https://www.alzheimerforschung.de/demenz/diagnose/psychometrische-tests/mmst/). Die Entziehung der Fahrerlaubnis beruht allein darauf, dass sie das angeforderte Gutachten über ihre psychophysische Leistungsfähigkeit nicht vorgelegt und die verbliebenen Zweifel an ihrer Fahreignung nicht ausgeräumt hat. Nach der Vorschrift des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV, die der Antragstellerin in einem Telefongespräch am 11. April 2024 auch persönlich erläutert worden ist, darf die Fahrerlaubnisbehörde bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn sich dieser weigert, sich untersuchen zu lassen oder wenn er das geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt. Ob tatsächlich eine fahreignungsausschließende Erkrankung vorliegt, bleibt dann ungeklärt. Deshalb ist zu dieser Frage auch nicht, wie beantragt, Beweis durch Sachverständigengutachten zu erheben. Vielmehr wäre sie im Rahmen der angeordneten medizinisch-psychologischen Untersuchung Gegenstand einer erneuten ärztlichen Begutachtung.
31
Das Ergebnis der Leistungstestung steht entgegen den unbegründeten Vermutungen ihres Bevollmächtigten in keiner Weise fest, sondern kann ebenso gut ihre Fahreignung bestätigen (vgl. die bei Laux/Brunnauer, a.a.O. Nr. 3.12 S. 239 geschilderten Untersuchungsergebnisse bei der Einnahme von Stimmungsstabilisierern wie Lithiumsalzen). Ergebnisse, die andere Mandanten des Bevollmächtigten bei Leistungstests in der Vergangenheit erzielt haben, sagen nichts über die Leistungsfähigkeit der Antragstellerin aus. Entgegen der Darstellung des Bevollmächtigten hat das Landratsamt auch nicht ausgeführt, die ärztliche Stellungnahme reiche nicht aus, weil sie nicht das gewünschte Ergebnis habe, das nun im Wege einer computergestützten Leistungsuntersuchung erreicht werden solle. Dabei handelt es sich um eine durch nichts begründete Unterstellung.
32
Soweit der Bevollmächtigte den Ablauf der Tests beim ärztlichen Gutachter und die Reaktion der Antragstellerin darauf schildert und die erzielten Ergebnisse auf ihre Nervosität zurückführt, handelt es sich um eine mögliche Ursache, was tatsächlich kaum zu klären sein dürfte und auch nicht geklärt worden ist. Damit hätten die fachärztlich durchgeführten Tests letztlich keine belastbaren Ergebnisse erbracht und wären ggf. zu wiederholen oder zu ergänzen gewesen. Die Frage der Leistungsfähigkeit wäre letztlich offengeblieben. Auch dies hätte aber die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Leistungstestung gerechtfertigt.
33
Wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, genügte es, dass das Landratsamt der Antragstellerin einmal die Gelegenheit eingeräumt hat, das ärztliche Gutachten ergänzen zu lassen. Nachdem es seine Bedenken im Schreiben vom 1. August 2024 verständlich und ausführlich dargelegt hatte, durfte es eine nachvollziehbare Erläuterung der offenen Punkte erwarten. In Anbetracht der sicherheitsrechtlichen Zielsetzung des Verfahrens muss die Behörde dieses nicht nur im Interesse des Fahrerlaubnisinhabers fair und verhältnismäßig gestalten, sondern auch eine effiziente und zeitlich straffe Verfahrensgestaltung im Blick haben (vgl. Art. 10 Satz 2 BayVwVfG).
34
2.8. Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich auch, dass die Anordnung einer weiteren, diesmal medizinisch-psychologischen Begutachtung zur Klärung der Restzweifel erforderlich, verhältnismäßig und ermessensgerecht war.
35
Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 und 2 i.V.m. Abs. 3 FeV genügt es für die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens, wenn Tatsachen bekannt werden, die auf eine Erkrankung oder einen Mangel nach Anlage 4 oder 5 zur FeV hinweisen, bzw. wenn ein diesbezüglicher „Anfangsverdacht“ besteht (vgl. BayVGH, B.v. 24.1.2022 – 11 CS 21.1897 – juris Rn. 13; B.v. 16.10.2019 – 11 CS 19.1434 – juris Rn. 21 m.w.N.). Dies ist der Fall, da das ärztliche Gutachten die aus dem Vorfall vom 8. August 2023 und dem Inhalt des ärztlichen Kurzbriefs des Universitätsklinikums Würzburg vom 21. September 2023 herrührenden Bedenken gegenüber der Fahreignung der Antragstellerin nicht ausgeräumt hat. Diese Bedenken rühren nicht allein aus „abstrakten Medikamentenlisten“ oder einer abstrakten „Medikamentenwirkung“ her. Allerdings darf die Behörde diese durchaus berücksichtigen, da sie eben keinen Sachverhalt anführen muss, nach dem die erst noch zu untersuchenden Leistungseinbußen bereits konkret feststünden. Im Übrigen hat das Landratsamt entgegen der Behauptung des Bevollmächtigten auch durch Bezugnahme auf Nr. 9.6. der Anlage 4 zur FeV die Frage eingegrenzt (vgl. Begutachtungsanordnung, S. 4, 7).
36
Die psychische Leistungsfähigkeit wird mit geeigneten objektivierbaren psychologischen Testverfahren (Nr. 2.5 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung), deren Ergebnisse von einer fachkundigen Person zu interpretieren sind, und daher regelmäßig im Rahmen einer medizinisch-psychologischen Begutachtung untersucht. Der Verordnungsgeber hat nicht vorgesehen, dass die Fahrerlaubnisbehörde nur die Beibringung eines psychologischen Gutachtens bzw. des psychologischen Teils einer medizinisch-psychologischen Untersuchung anordnet. Die medizinisch-psychologische Begutachtung stellt eine ganzheitliche gutachterliche Befunderhebung dar, die teilweise nur im Wechselbezug erfassbare medizinische und psychologische Aspekte behandelt. Es ist nicht Aufgabe der Fahrerlaubnisbehörde, selbst gutachterlich tätig zu werden und ein medizinisches Gutachten mit dem psychologischen Gutachten zwecks Gesamtbewertung zusammenzuführen (vgl. Derpa, a.a.O. § 11 FeV Rn. 29 m.w.N.).
37
Der Untersuchungsumfang richtet sich nach dem Anlass und wird durch ihn beschränkt. Gegenstand der Untersuchung sind nach Nr. 1 Buchst. b der Anlage 4a zur FeV nicht die gesamte Persönlichkeit des Betroffenen, sondern nur solche Eigenschaften, Fähigkeiten und Verhaltensweisen, die für die Kraftfahreignung von Bedeutung sind (Relevanz zur Kraftfahreignung). Gegenstand der Begutachtung ist hier die Frage, ob die Antragstellerin trotz des Vorliegens einer rezidivierenden depressiven Störung und der damit einhergehenden Dauermedikation mit psychoaktiv wirksamen Arzneimitteln den Anforderungen zum sicheren Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 gerecht werden kann (vgl. Begutachtungsanordnung, S. 7). Da es somit insbesondere um ihre psychophysische Leistungsfähigkeit geht, ist eine umfassende Exploration ihrer Persönlichkeit bzw. ihres „Charakters“ nicht zu erwarten. Das ergibt sich auch nicht aus der weiter formulierten zweiten Frage, die nicht losgelöst von der ausführlichen Begründung der Beibringungsanordnung vom 22. November 2024 zu verstehen ist. Sie eröffnet dem Gutachter lediglich die Möglichkeit, auch auf Aspekte einzugehen, die nicht unmittelbar Ergebnis der Leistungstests sind, aber mit ihnen, dem Grundleiden oder der Wirkung der eingenommenen Medikamente in Zusammenhang stehen. Der Gutachter hat sich an die gemäß § 11 Abs. 6 Satz 1 FeV vorgegebenen Fragen zu halten.
38
Entgegen der Darstellung des Bevollmächtigten hat das Landratsamt nicht zum Ausdruck gebracht, dass die Leistungstests zur Klärung der Eignungszweifel nicht geeignet sind, sondern lediglich weitergehende Hinweise zum Vorgehen gegeben, falls deren Grenzwerte unterschritten werden sollten. Werden die Grenzwerte nicht unterschritten, erübrigt sich eine weitere Aufklärung.
39
Wie bereits ausgeführt, war das Landratsamt nicht zu einer weiteren Nachfrage beim ärztlichen Gutachter verpflichtet und wäre eine persönliche Anhörung der Antragstellerin kein geeignetes milderes Aufklärungsmittel gewesen.
40
2.9. Die anlassbezogene und hinreichend bestimmte Fragestellung ist nicht zu beanstanden.
41
Sie bezieht sich ganz offensichtlich allein auf die Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr. Nur wer auf öffentlichen Straßen ein Kraftfahrzeug führt, bedarf gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 4 Abs. 1 Satz 1 FeV der Fahrerlaubnis, über die im Falle von Eignungsbedenken ggf. nach bestimmten Aufklärungsmaßnahmen eine Entscheidung zu treffen ist.
42
Das Landratsamt hätte dem an die einschlägigen rechtlichen Vorgaben, insbesondere an Anlage 4a zur FeV, gebundenen Gutachter auch keine weiteren Vorgaben zur Erstellung des Gutachtens machen müssen. Der ärztliche Gutachter verfügt über eine verkehrsmedizinische Qualifikation (§ 65 FeV), die Begutachtungsstellen sind amtlich anerkannt (§ 66 FeV, Anlage 14 zur FeV). Somit ist davon auszugehen, dass sie ihrer gesetzlichen Aufgabe gerecht werden.
43
Soweit die Kritik des Bevollmächtigten an der Eignungsprüfung eine Lösung von den einschlägigen rechtlichen Vorgaben erfordern würde, führt dies in einem an Recht und Gesetz gebundenen behördlichen oder gerichtlichen Verfahren nicht weiter.
44
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
45
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit den Empfehlungen in Nr. 1.5, 46.2, 46.3 und 46.9 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2025. Maßgebend sind die mit dem einfachen bzw. halben Auffangwert anzusetzenden Fahrerlaubnisklassen A1, B und T, erteilt am 28. Februar 1975. Die Fahrerlaubnisklasse AM ist in der Klasse A1 und B, die Fahrerlaubnisklasse L in der Klasse B enthalten (§ 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 und 4 FeV). Für die mit der Schlüsselzahl 79.05 versehene Klasse A1 ist ein Streitwert von 2.500,- EUR (halber Auffangwert) anzusetzen, nicht hingegen für die mit den Schlüsselzahlen 79.03 und 79.04 (Begrenzung auf dreirädrige Fahrzeuge und Fahrzeugkombinationen) versehene Klasse A (vgl. BayVGH, B.v. 21.3.2023 – 11 CS 23.273 – Blutalkohol 60, 427 = juris Rn. 29; B.v. 15.12.2014 – 11 CS 14.2202 – juris Rn. 7). Die Klasse E wirkt sich nicht streitwerterhöhend aus (vgl. BayVGH, B.v. 30.1.2014 – 11 CS 13.2342 – BayVBl 2014, 373 = juris Rn. 23). Die Befugnis zur Änderung des Streitwerts in der Rechtsmittelinstanz von Amts wegen folgt aus § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG.
46
5. Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).