Inhalt

VG Ansbach, Beschluss v. 06.02.2025 – AN 1 S 24.32356
Titel:

Unglaubhafter Vortrag zur Konversion zum Christentum im Iran

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
RL 2011/95/EU Art. 9 Abs. 1 lit. a
RL 2013/32/EU Art. 31 Abs. 8 lit. d
AsylG § 3a Abs. 1 Nr. 1, § 4 Abs. 1, § 30 Abs. 1 Nr. 4, § 34 Abs. 1, § 36 Abs. 1, Abs. 3, Abs. 4
Leitsätze:
1. Zum Christentum konvertierte Muslime können zwar durch die Glaubensausübung im Iran im Einzelfall einer beachtlichen Gefahr von Verfolgungshandlungen ausgesetzt sein, die die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder von Abschiebungsverboten rechtfertigen. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
2. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs hängt die Beurteilung, wann eine Verletzung der Religionsfreiheit die erforderliche Schwere aufweist, um die Voraussetzungen einer Verfolgungshandlung iSv § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG (Art. 9 Abs. 1 lit. a) der RL 2011/95/EU) zu erfüllen, von objektiven wie auch subjektiven Gesichtspunkten ab. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Tatsache, dass er die unterdrückte religiöse Betätigung seines Glaubens für sich selbst als verpflichtend empfindet, um seine religiöse Identität zu wahren, muss der Asylbewerber zur vollen Überzeugung des Gerichts nachweisen Die religiöse Identität als innere Tatsache lässt sich nur aus dem Vorbringen des Asylbewerbers sowie im Wege des Rückschlusses von äußeren Anhaltspunkten auf die innere Einstellung des Betroffenen feststellen. (Rn. 40 – 41) (redaktioneller Leitsatz)
4. Es gibt keine Erkenntnisse dahingehend, dass allein wegen einer bisherigen religiösen Betätigung im Ausland oder in Deutschland oder gar schon wegen eines bloß formalen Glaubenswechsels zum christlichen Glauben einem Übergetretenen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bei einer Rückkehr in den Iran – selbst unter dem Recht der Scharia – eine asylrechtlich relevante Verfolgung drohen könnte. (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unbegründet nach vorgetragener Zerstörung des Reisepasses durch Onkel im Bundesgebiet, unglaubhafter Vortrag zu Konversion, Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unbegründet, religiöse Betätigung des Glaubens, unglaubhafter Vortrag zur Konversion, Zuwendung zum Christentum im Iran, religiöse Identität, zum Christentum konvertierte Muslime, formaler Glaubenswechsel, ernsthafter religiöser Einstellungswandel, dauerhafte und identitätsprägende feste innere Glaubensüberzeugung, Zerstörung des Reisepasses durch Onkel im Bundesgebiet
Fundstelle:
BeckRS 2025, 2540

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
3. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Gründe

I.
1
Der am … 1986 geborene Antragsteller ist iranischer Staatsangehöriger persischer Volkszugehörigkeit und christlichen Glaubens. Seine Angaben im Asylverfahren nach ist er ledig.
2
Seinen Angaben nach reiste der Antragsteller am 16. Juni 2022 mit einem ihm am 11. Mai 2022 von den italienischen Behörden für den Zeitraum vom 29. Mai 2022 bis zum 22. Juni 2022 ausgestellten italienischen Visum über Italien und Belgien in das Bundesgebiet ein.
3
Am 14. Juli 2022 formulierte der Antragsteller ein Asylgesuch und stellte am 23. August 2022 einen förmlichen Asylantrag.
4
In einer Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 18. Oktober 2022 erklärte der Antragsteller insbesondere, er sei zur Beantragung des italienischen Visums selber mit einem anderen bei der Antragstellung gewesen. Er habe den Visumantrag selbst unterschrieben. Er habe ausreisen wollen. Ihm sei es egal gewesen, ob er nach Italien fliehe oder in ein anderes Land. Er habe nicht die Absicht gehabt, sich in Italien etwas anzuschauen. Sein Leben sei in Gefahr gewesen.
5
Bereits am 1. September 2022 richtete das Bundesamt ein auf Art. 12 Abs. 4 der Dublin-III-Verordnung gestütztes Rückübernahmeersuchen hinsichtlich des Antragstellers an die italienischen Behörden, das diese nicht beantworteten.
6
Aus den vom Bundesamt am 12. Oktober 2022 angeforderten Visumantragsunterlagen des Antragstellers ergibt sich insbesondere, dass der Antragsteller über einen ihm am 6. Februar 2021 ausgestellten iranischen Reisepass verfügte, seit … 2021 verheiratet sei und, ausweislich einer Arbeitgeberbescheinigung vom 16. April 2022 bei der … als IT-Experte beschäftigt sei. Vorgelegt wurden zudem unter anderem eine Flugbuchung von … nach … über … am 29. Mai 2022 und zurück am 6. Juni 2022 sowie eine Buchung für ein Zimmer im … in … für den Zeitraum.
7
Mit Bescheid vom 7. November 2022 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Antragstellers als unzulässig ab und ordnete seine Abschiebung nach Italien an. Hiergegen erhob der Antragsteller Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach, die unter dem Aktenzeichen AN 14 K 22.50408 geführt wurde. Nachdem die Überstellungsfrist abgelaufen war, übernahm das Bundesamt das Verfahren des Antragstellers in das nationale Verfahren und hob den Bescheid vom 7. November 2022 auf. Das Klageverfahren wurde mit Beschluss vom 15. Mai 2023 eingestellt.
8
In seiner Anhörung nach § 25 AsylG vor dem Bundesamt am 6. Juni 2023 gab der Antragsteller insbesondere an, er habe seinen Reisepass noch gehabt, als er in Deutschland angekommen sei. Der Mann seiner Tante habe ihn vernichtet. Dieser habe ihm gesagt, dass er seinen Reisepass vernichten solle. Der Antragsteller habe ihm gesagt, er solle das sein lassen, aber er habe darauf bestanden; sonst würden sie ihn zurückschicken. Nachdem der Antragsteller nach … transferiert worden sei, habe der Mann seiner Tante gesagt, er habe keinen Zugang zum Antragsteller gehabt, er habe seinen Pass vernichtet. Auf die Frage, warum der Antragsteller seinen Pass nicht mitgenommen habe, erwiderte er, der Mann seiner Tante habe gesagt, wenn er das mitnehme, möglicherweise schickten sie ihn zurück. Der Mann seiner Tante habe ihm Angst gemacht.
9
Vor seiner Ausreise, am 7. Juni 2022, habe sich der Antragsteller ca. zwei oder drei Monate, auf Nachfrage seit dem 16. März 2022, in … versteckt. Den Iran verlassen habe er direkt über den Flughafen … in … nach Italien. Irgendwelche Schwierigkeiten bei der Ausreisekontrolle habe es nicht gegeben.
10
Zu seinem Verfolgungsschicksal führte der Antragsteller insbesondere aus, er habe im Iran die Neigung zum Christentum gehabt. In diesem Bereich sei er aktiv gewesen. Die Regierung habe davon erfahren. Sie seien zu ihnen gekommen, um ihn zu verhaften. Bevor die Regierung gekommen sei, sei er geflohen. Er habe Schwierigkeiten bekommen. Er habe in einer Zeit der Depression mit schweren Gewissensbissen gelebt. Ein armenischer Freund habe ihn mit dem Christentum bekannt gemacht. Der Antragsteller habe eine Frau kennengelernt, die wiederholt einen Heiratsantrag abgelehnt habe. Sie sei verheiratet gewesen. Der Antragsteller habe zwei schlechte Gefühle gehabt: Niederlage in der Liebe und Gewissensbisse, weil er mit ihr schon Geschlechtsverkehr gehabt habe. Der Freund habe festgestellt, dass irgendetwas mit dem Antragsteller sei. Der Antragsteller habe ihm von seinem Erlebnis erzählt. Dieser habe versucht, mehr Zeit mit ihm zu verbringen und mit ihm über die Güte und Vergebung im Christentum zu reden. Er habe ihm einen Artikel über Sünde und Vergebung im Christentum gegeben. Der Antragsteller habe ihm gesagt, er möchte mit ihm in die Kirche kommen und zusehen, wie das sei. Der Freund habe ihm gesagt, dass er nicht in die Kirche dürfe, aber er kenne eine Gruppe Iraner, die neulich zum Christentum konvertiert seien. Er habe ihn dieser Gruppe vorgestellt. Der Pfarrer habe den Antragsteller zunächst sehen wollen. Mit seinem Freund sei er zu ihm gegangen. Der Pfarrer habe gefragt, was der Grund sei und welche Probleme er habe. Der Pfarrer habe dann den Vers der unehelichen Frau vorgelesen und habe ihm Hoffnung gegeben, dass Gott ihm vergeben werde und seine Liebe auch ihn treffen werde. Danach habe er an diesen Treffen teilgenommen. Sieben Mal sei er in der Hauskirche gewesen. In der ersten Sitzung habe der Pfarrer ein Gebet für den Antragsteller gesprochen. Der Pfarrer sei Protestant gewesen, der Freund des Antragstellers sei auch Protestant gewesen. Am 16. März 2022 habe den Antragsteller ein Mitglied der Gruppe kontaktiert und gesagt, dass ein Mitglied der Hauskirche verhaftet worden sei. Er habe ihn aufgefordert unterzutauchen. Die Hauskirchenmitglieder hätten eine WhatsApp-Gruppe gehabt. Der ihn Kontaktierende sei der Chef dieser Gruppe gewesen und habe daher die Nummern der Mitglieder gehabt. Sie seien zu ihnen nach Hause gekommen. Sie hätten die Wohnung durchsucht und seine Computer mitgenommen. Sie hätten seine Eltern bedroht. Das sei vier Tage, nachdem der Antragsteller nach … umgezogen sei, gewesen. Sie seien zwei Mal gekommen. Das zweite Mal sei drei Tage später gewesen.
11
Konfrontiert mit seinen Angaben in seinem Visumsantrag verwies der Antragsteller auf den Schleuser. Dieser habe das Bestätigungsschreiben seines Arbeitgebers vom 16. April 2022 gemacht; ihn habe er nur nach den Namen der Firma gefragt. Zu der Übersetzung einer Geburtsurkunde auf den Namen des Antragstellers, wonach er seit dem … 2021 verheiratet sei, erklärte der Antragsteller, davon wisse er nichts. Das sei wahrscheinlich der Schleuser selbst gewesen. Er habe ihm die Personalien dieser Frau gesagt und gemeint, wenn sie ihn fragen würden, solle er sagen, dass sie seine Frau sei. Auch von den mit dem Visumsantrag vorgelegten Flugtickets für den 29. Mai 2022 wisse er nichts. Konfrontiert mit der Möglichkeit, visumsfrei nach Armenien zu reisen, erklärte der Antragsteller, der einzige Weg, den der Schleuser ihm vorgeschlagen habe, sei dieser gewesen.
12
Befragt nach den wichtigsten Glaubensinhalten erklärte der Antragsteller, was ihn zum Christentum gezogen habe, sei etwas gewesen, was er vorher nicht gehabt habe. Dies sei die Ruhe. Auf die Frage, ob ihm noch mehr christliche Inhalte einfielen, antwortete der Antragsteller: Liebe, die in Gott sei. Wenn er die Bibel lese, nirgendwo sei dort die Rede von Rache oder Gewalt. Es sei nur Liebe, Vergebung und Hingabe. Auf das Alte Testament angesprochen erklärte der Antragsteller, er habe mehr das Neue Testament gelesen. Früher sei er ein sehr wütender Mensch gewesen. Er könne jetzt sagen, dass er nun genau das Gegenteil davon sei, und das spüre er. Auf die Frage, wie er, würde er in den Iran zurückkehren, dort sein Leben verbringen würde, erklärte der Antragsteller, er könne nicht in den Iran zurückkehren. Wenn es keine Islamische Republik mehr gäbe und Rede- und Religionsfreiheit gäbe, würde er versuchen zu missionieren. Die Missionierung habe Jesus Christus von ihnen gefordert. Wenn er ein gutes Restaurant besuche, warum solle er das nicht weitersagen, sondern für sich behalten. Seine Schwestern habe er schon versucht zu missionieren. Er habe ihr von der Güte des Christentums erzählt. Er habe auch einige in der Unterkunft versucht zu missionieren.
13
Der Antragsteller legte zur Anhörung sein Taufzeugnis vom … 2023 vor, wonach er an diesem Tag in der … in … nach der Ordnung der evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern getauft worden sei vor. Zudem legte er ein Bestätigungsschreiben der evangelischlutherischen Kirchengemeinde … vom 4. Juni 2023 vor, wonach er der unterzeichnenden Pfarrerin seit September 2022 gut bekannt sei. Er habe dort die ca. 14-tägig stattfindenden Abende für den Taufkurs besucht und sei nach einer Vorbereitungszeit von fünf Monaten von ihr getauft worden. Fast jeden Sonntag besuche er den Gemeindegottesdienst und komme zum ca. 14-tägigen Sprachcafé, das im April begonnen habe. Aus tiefer Überzeugung sei er Christ geworden und wolle seinen Glauben weiter vertiefen und praktisch ausüben.
14
Mit Bescheid vom 26. November 2024 lehnte das Bundesamt den Antrag des Antragstellers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (1.), den Antrag auf Asylanerkennung (2.) sowie den Antrag auf subsidiären Schutz (3.) jeweils als offensichtlich unbegründet ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (4.), drohte dem Antragsteller unter Setzung einer Frist von einer Woche zur freiwilligen Ausreise die Abschiebung insbesondere in die Islamische Republik Iran an, wobei die Vollziehung der Abschiebungsandrohung und der Lauf der Ausreisefrist bis zum Ablauf der einwöchigen Klagefrist und, im Falle einer fristgerechten Stellung eines Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage, bis zur Bekanntgabe des Eilantrags durch das Verwaltungsgericht ausgesetzt wurde (5.) und ordnete gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG ein auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot an (6.).
15
Zur Begründung führte das Bundesamt insbesondere aus, zweifelhaft sei bereits, wie der Antragsteller überhaupt zur Hauskirche gefunden haben wolle. Der Antragsteller habe nicht vermocht, nachvollziehbar darzustellen, inwiefern ihn seine Gewissensnöte derart geplagt hätten, dass er sich nach spirituellen Alternativen umgesehen habe. Der Antragsteller habe nicht davon überzeugen können, allein durch die letztlich glücklose Affäre in derart große Gewissensnot gelangt zu sein, dass er für religiöse Alternativen empfänglich geworden sei. Sein Vortrag zu den Treffen der Hauskirche bleibe überdies detailarm und oberflächlich. Auch der gemächliche Ablauf seiner Ausreisevorbereitungen unterstütze das Ergebnis, dass der Antragsteller den Iran nicht auf Basis eines akuten Verfolgungsdrucks verlassen habe, sondern aus nicht asylrelevanten Motiven nach Deutschland gekommen sei. Der Antragsteller sei schon bei der Vorbereitung seiner Ausreise in Besitz eines gültigen Reisepasses gewesen. Hätte er sich in einer derartigen Gefahr gewähnt, so hätte es nahegelegen, insbesondere als angeblich bekennender Christ, nach Armenien auszureisen, wo iranische Staatsangehörige visumfrei einreisen könnten. Gerade während der mehrwöchigen Wartezeit auf das Visum hätte der Antragsteller trotz seines Verstecks jederzeit seine Festnahme riskiert. Hinzu komme, dass für das Visum im Vorfeld noch verschiedene Nachweise über Bindungen an das Herkunftsland eingeholt hätten werden müssen, hier beginnend mit dem Schreiben des Arbeitgebers vom 16. April 2022, während das Visum erst am 28. April 2022 elektronisch beantragt worden sei. Aber auch dann, als das Visum mit dem aktenkundigen Flugticket für den 29. Mai 2022 schon hätte verwendet werden können, habe der Antragsteller es offenbar nicht eilig mit der Ausreise gehabt, die nach seinen Angaben erst mehr als eine Woche später am 7. Juni 2022 stattgefunden habe. Auch könne dem Antragsteller nicht abgenommen werden, dass er vom Inhalt der Unterlagen in seinem Visumvorgang keine Kenntnis gehabt habe, da er mit seiner Unterschrift die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben auf dem Visumsantrag bestätigt habe. Abschließend habe dem Antragsteller bewusst sein müssen, dass zwischen Entdeckung der Hauskirche und seiner Ausreise in dem mehr als zweieinhalbmonatigen Zeitraum, in dem auch seine Wohnung durchsucht worden sein solle, genug Gelegenheit für die iranischen Behörden bestanden hätte, den Antragsteller zur Fahndung auszuschreiben. Die dennoch problemlose legale Ausreise über einen Flughafen sei stattdessen ein deutlicher Hinweis für fehlendes staatliches Interesse am Antragsteller. Die Unglaubhaftigkeit der Angaben des Antragstellers zum angeblich fluchtauslösenden Geschehen habe zur Folge, dass ihm auch im Übrigen sein Vorbringen nicht geglaubt werden könne. Vorliegend sei die Behauptung einer Konversion oder zumindest einer Hinwendung zum christlichen Glauben inhaltlich derart mit dem vermeintlich ausreiseursächlichen Geschehen verschränkt, dass insofern eine Aufspaltung in einem glaubhaft und in einen unglaubhaften Teil nicht mit der erforderlichen Überzeugungsgewissheit möglich sei. Der Antragsteller könne sich durch seinen in Deutschland erfolgten Religionswechsel auch nicht auf einen beachtlichen Nachfluchtgrund berufen. Mangels glaubhafter Darstellung der Konversionsumstände sei der Unterzeichner auch nicht davon überzeugt, dass der Antragsteller nach seiner Ausreise aus dem Iran aufgrund eines ernstgemeinten religiösen Einstellungswandel vom Islam zum Christentum übergetreten und die Betätigung dieses Glaubens nunmehr prägender Bestandteil seiner religiösen Identität sei. Der Unterzeichner gehe davon aus, dass dem formalen Glaubensübertritt des Antragstellers kein ernsthafter religiöser Einstellungswandel zugrunde liege, sondern er sich aus reinen asylverfahrenstaktischen Gründen habe taufen lassen. Der Asylantrag werde zudem als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Die Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 Nr. 4 AsylG lägen vor, weil der Antragsteller seinen Reisepass zur Überzeugung des Unterzeichners mutwillig beseitigt habe. Die Angaben des Antragstellers zu den Umständen der Passvernichtung seien nicht glaubhaft. Es sei nicht nachvollziehbar, warum der angeheiratete Onkel des Antragstellers einen bei ihm zurückgelassenen Pass einfach so vernichtet haben sollte, nur, weil er einige Zeit keinen Kontakt mehr zum Antragsteller gehabt habe. Einen Beleg dafür, dass der Reisepass ohne Wissen und Wollen des Antragstellers vernichtet worden sei, habe der Antragsteller nicht vorgelegt. Die Umstände des Einzelfalls rechtfertigten hier die Annahme, dass der Antragsteller die Beseitigung des Passes zu vertreten habe. Dem Antragsteller sei vorzuwerfen, dass er auf dem Weg zu seiner Registrierung als Asylsuchender in … nicht sämtliche Personaldokumente, insbesondere nicht seinen Reisepass, mitgenommen und vorgelegt habe, sondern den Pass bei einer dritten Person zurückgelassen habe, um seine Abschiebung zu verhindern. Dieser Bewertung stehe nicht entgegen, dass der Antragsteller andere Dokumente zu seiner Person vorgewiesen habe, womit sich letztliche auch seine Identität habe belegen lassen. Die Zerstörung des Reisepasses sei vorliegend auch mutwillig im Sinne der Norm erfolgt.
16
Gegen diesen Bescheid ließ der Antragsteller am 12. Dezember 2024 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach erheben und zugleich beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin, mit dem der Antragsteller aufgefordert wird, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche zu verlassen und die Abschiebung angedroht wird, anzuordnen.
17
Zugleich wurde beantragt,
dem Antragsteller Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von … zu bewilligen.
18
Zur Begründung wurde insbesondere ausgeführt, eine Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unbegründet sei nach der Rechtsprechung nur dann rechtmäßig, wenn nach vollständiger Erforschung des Sachverhalts an der Richtigkeit der getroffenen tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise kein Zweifel bestehe und bei einem solchen Sachverhalt nach dem Stand der Rechtsprechung und Lehre die Abweisung des Asylantrags sich geradezu aufdränge. Die Offensichtlichkeitsentscheidung sei dann nicht gerechtfertigt, wenn der Asylbewerber entweder Umstände vortrage, die nahelegten, dass er in seinem Heimatsland bereits nach Art und Intensität asylerhebliche staatliche Verfolgungsmaßnahmen erlitten habe oder, wenn sich der Asylbewerber erkennbar auf einem Merkmal in seiner Person berufe, dass allein oder zusammen mit weiteren Umständen, geeignet sei, in seinem Heimatland eine asylrechtliche Verfolgung auszulösen. Nach Ansicht der Bevollmächtigten des Antragstellers lägen die Voraussetzungen für die Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet nicht vor.
19
Die Antragsgegnerin beantragte,
den Antrag abzulehnen.
20
Zur Begründung bezog sie sich auf die angefochtene Entscheidung.
21
Wege der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Behördenakten im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes wie im Klageverfahren (AN 1 K 24.32357) Bezug genommen.
II.
22
Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, der sich ausdrücklich auf Ziffer 5 des Bescheides der Antragsgegnerin vom 26. November 2024 bezieht, durch die der Antragsteller aufgefordert worden ist, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche zu verlassen, und ihm die Abschiebung insbesondere in den Iran angedroht wurde (vgl. auch § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG), ist zulässig.
23
Der Antrag ist insbesondere statthaft, weil der Klage nach § 75 Abs. 1 i.V.m. §§ 38 Abs. 1, 36 AsylG keine aufschiebende Wirkung zukommt.
24
Der Antrag, der nach § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen war, ist auch nicht verfristet. Zwar findet sich in der vorgelegten Behördenakte kein Zustellnachweis für den streitgegenständlichen Bescheid, jedoch nennt die Bevollmächtigte des Antragstellers den 10. Dezember 2024 ausdrücklich als Zeitpunkt der Zustellung. Auch ist auf dem von der Bevollmächtigten des Antragstellers vorgelegten Bescheid dieses Datum handschriftlich genannt. Ausgehend von diesem 10. Dezember 2024 ist die Antragstellung am 12. Dezember 2024 innerhalb der Wochenfrist des § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG erfolgt.
25
Der Antrag ist aber nicht begründet.
26
Die nach § 80 Abs. 5 VwGO durch das erkennende Gericht zu treffende Ermessensentscheidung fällt zu lasen des Antragstellers aus. Von besonderem Gewicht im Rahmen der Abwägung der wiederstreitenden Interessen, des Suspensivinteresses des Antragstellers und des Vollzugsinteresses der Antragsgegnerin, sind dabei die an Hand einer summarischen Prüfung zu beurteilenden Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache (vgl. BVerwG, B.v. 7.7.10 – 7 VR 2.10 – juris Rn. 20; auch zum allgemeinen Maßstab BVerwG, B.v. 23.1.15 – 7 VR 6.14 – juris Rn. 8). Dieser allgemeine Maßstab wird im Rahmen einer Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unbegründet nach § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG dahingehend modifiziert, dass die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden darf, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Abschiebungsandrohung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris Rn. 99).
27
Ernstliche Zweifel an der Rechtsmäßigkeit der Aufforderung zur Ausreise innerhalb einer Woche und der zur Durchsetzung der Ausreisepflicht verfügten Abschiebungsandrohung bestehen vorliegend nicht.
28
Rechtsgrundlage der Abschiebungsandrohung ist § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. §§ 36 Abs. 1 AsylG, 59 AufenthG. Danach erlässt das Bundesamt eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird, ihm nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird, ihm kein subsidiärer Schutz gewährt wird, die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 des AufenthG nicht vorliegen, der Abschiebung weder das Kindeswohl noch familiäre Bindungen, noch der Gesundheitszustand des Ausländers entgegenstehen und der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt. In den Fällen der offensichtlichen Unbegründetheit des Asylantrages beträgt die dem Ausländer zusetzende Ausreisefrist abweichend von § 59 Abs. 1 AufenthG eine Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG).
29
Auch wenn Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nach § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG in erster Linie die unter Setzung einer Ausreisefrist von einer Woche ausgesprochene Abschiebungsandrohung ist, ist im Hinblick auf den durch Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen effektiven Rechtschutz im Regelfall auch zu prüfen, ob das Bundesamt zu Recht davon ausgegangen ist, dass der geltend gemachte Anspruch auf Asylanerkennung bzw. auf Zuerkennung internationalen Schutzes offensichtlich nicht besteht, wobei eine nur summarische Prüfung nicht ausreicht (BVerfG, B.v. 2.5.1984 – 2 BvR 1413/83 – juris Rn. 40; BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris Rn. 94). Denn die mit dieser Verwaltungsentscheidung intendierte umgehende Beendigung des Aufenthalts des Asylbewerbers im Bundesgebiet stützt sich auf die Ablehnung des Asylantrages als offensichtlich unbegründet und ist deren Folge (vgl. BVerfG, B.v. 2.5.1984 – 2 BvR 1413/83 – juris Rn. 37 f.). Dabei bleiben nach § 36 Abs. 4 Satz 2 AsylG Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, unberücksichtigt, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig.
30
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Asylantrages des Antragstellers bestehen auch zum nach § 77 Abs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht.
31
Der Antragsteller ist nicht Flüchtling i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylG, denn er konnte seine begründete Furcht vor Verfolgung (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) nicht glaubhaft machen.
32
Zu Recht hat die Antragsgegnerin den Vortrag des Antragstellers die von diesem behauptete Zuwendung zum Christentum im Iran betreffend als nicht nachvollziehbar bzw. detailarm und oberflächlich und damit im Ergebnis als nicht überzeugend bewertet. Hinsichtlich der vom Antragsteller behaupteten Gewissensnöte weist die Antragsgegnerin zurecht darauf hin, dass der Antragsteller – seinen eigenen Angaben nach – zwar als schiitischer Moslem geboren gewesen sei, aber vor seiner behaupteten Konversion zum Christentum religionslos gewesen sei. Zudem vermochte der Antragsteller nicht nachvollziehbar zu machen, warum der vom Antragsteller behauptete Geschlechtsverkehr mit einer verheirateten Frau bei ihm Gewissensnöte ausgelöst haben soll, während sich seinem Vortrag entnehmen lässt, dass er mit dem außerehelichen Verkehr als solchem offensichtlich keine Probleme gehabt habe. Zu Recht weist die Antragsgegnerin auch darauf hin, dass die Schilderungen des Antragstellers von seinen Hauskirchenbesuchen in der Anhörung zum einen erst auf Nachfrage erfolgt sind, zum anderen ohne jegliche Details an der Oberfläche verblieben sind, so dass sie nicht den Eindruck erwecken, tatsächlich Erlebtes zu schildern. Zudem ist auch unplausibel, dass der armenische Freund des Antragstellers, diesen an eine protestantische Hauskirche vermittelt haben soll. Widersprüchlich ist dabei schon, dass der Freund selbst Protestant gewesen sein soll, dabei aber die Teilnahme des Antragstellers in der Kirche, die er selbst besucht, abgelehnt haben soll, die – anders als die im Iran verfassungsrechtlich geschützte armenische Kirche – denselben Status gehabt haben müsste wie die protestantische Hauskirche, die er freimütig angeboten haben soll.
33
Weiter erweist sich die Darstellung der fluchtauslösenden Ereignisse durch den Antragsteller, worauf die Antragsgegnerin ebenfalls zu Recht hingewiesen hat, auch vor dem Hintergrund, dass dem Antragsteller nicht geglaubt werden kann, er habe den Iran aus einer akuten Gefährdungswahrnehmung verlassen, als unglaubhaft. Denn, wie die Antragsgegnerin im angefochtenen Bescheid zutreffend ausführt, verfügte der Antragsteller über einen ihm bereits im Februar 2021 ausgestellten Reisepass, mit dem er auch jederzeit visumfrei nach Armenien hätte ausreisen können. Doch selbst mit dem ihm letztendlich von den italienischen Behörden erteilten Visum hätte der Antragsteller den Iran signifikant früher verlassen können, als er dies seinen Angaben nach tatsächlich getan hat. Hätte sich der Antragsteller einer Verfolgungsgefahr ausgesetzt gesehen, wie er behauptet, wäre, da dies wie dargestellt jederzeit möglich gewesen wäre, eine deutlich frühere Ausreise zu erwarten gewesen. Weiter weist die Antragsgegnerin ebenfalls zu Recht darauf hin, dass der Umstand, dass der Antragsteller seinem eigenen Vorbringen nach mit seinem Reisepass und ohne jegliche Probleme offiziell über den Flughafen … auf dem Luftweg hat ausreisen können, gegen ein Verfolgungsinteresse des iranischen Staates hinsichtlich des Antragstellers – und gegen die Glaubhaftigkeit des diesbezüglichen Vortrags des Antragstellers spricht. Gerade wenn man die vom Antragsteller behauptete, sogar wiederholte Durchsuchung seiner Wohnung noch im März 2022 zugrunde legt, ist eine derartige problemlose reguläre Ausreise im Juni 2022 als äußerst unwahrscheinlich einzustufen.
34
Die Antragsgegnerin ist vor diesem Hintergrund zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass der Antragsteller den Iran unverfolgt verlassen hat.
35
Auch zum nach § 77 Abs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung hat die Antragsgegnerin zu Recht auch die Annahme eines beachtlichen Nachfluchtgrundes abgelehnt.
36
Anhand der nach § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG zu berücksichtigen Tatsachen und Beweismittel die von den Beteiligten angegeben worden sind und die gerichtsbekannt oder auch offenkundig sind, ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Einschätzung der Antragsgegnerin, dass das dem Antragsteller wegen seiner Konversion zum Christentum im Falle einer Rückkehr in den Iran nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine asylrechtliche relevante Verfolgung drohen sollte. Denn, wie die Antragsgegnerin im angefochtenen Bescheid ausgeführt hat, vermochte der Antragsteller nicht glaubhaft vorzutragen, dass er aus fester, innerer Überzeugung zum Christentum konvertiert ist.
37
Zum Christentum konvertierte Muslime können zwar durch die Glaubensausübung im Iran im Einzelfall einer beachtlichen Gefahr von Verfolgungshandlungen ausgesetzt sein, die die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder von Abschiebungsverboten rechtfertigen (vgl. hierzu: VG Kassel, U.v. 18.11.2009 – 6 A 2105/08.A; OVG Münster, B.v. 30.7.2007 – 5 A 1999/07.A; OVG Bautzen, U.v. 3.4.2008 – A 2 B 36/06; BayVGH, U.v. 23.10.2007 – 14 B 06.30315). Der Europäische Gerichtshof sieht in dem in Art. 10 Abs. 1 GRCh verankerten Recht auf Religionsfreiheit ein grundlegendes Menschenrecht, das eines der Fundamente einer demokratischen Gesellschaft darstellt und Art. 9 EMRK entspricht. Ein Eingriff in das Recht auf Religionsfreiheit kann so gravierend sein, dass er einem der in Art. 15 Abs. 2 EMRK genannten Fällen gleichgesetzt werden kann, auf die Art.9 Abs. 1 lit. a) der RL 2004/83/EG – dies gilt unverändert auch für die Neufassung in Art. 9 Abs. 1 lit. a) der RL 2011/95/EU – als Anhaltspunkt für die Feststellung verweist, welche Handlungen insbesondere als Verfolgung gelten (EuGH, U.v. 5.9.2012 – C-71/11 u.a. – Rn. 57). Allerdings stellt nicht jeder Eingriff in das durch Art. 10 Abs. 1 GRCh garantierte Recht auf Religionsfreiheit eine Verfolgungshandlung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 der RL 2011/95/EU dar (EuGH, U.v. 5.9.2012 – C-71/11 u.a. – Rn. 58). Zunächst muss es sich um eine Verletzung dieser Freiheit handeln, die nicht durch gesetzlich vorgesehene Einschränkungen der Grundrechtsausübung im Sinne von Art. 52 Abs. 1 GRCh gedeckt sind. Weiterhin muss eine schwerwiegende Rechtsverletzung vorliegen, die den Betroffenen erheblich beeinträchtigt (EuGH, U.v. 5.9.2011 – C-71/11 u.a. – Rn. 59). Das setzt nach Art. 9 Abs. 1 lit. a) der RL 2011/95/EU voraus, dass die Eingriffshandlungen einer Verletzung der grundlegenden Menschenrechte gleichkommen, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 EMRK in keinem Fall abgewichen werden darf (EuGH, U.v. 5.9.2012 – C-71/11 u.a. – Rn. 61). Zu den Handlungen, die nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs eine schwerwiegende Verletzung der Religionsfreiheit im Sinne von Art. 9 Abs. 1 lit. a) der RL 2011/95/EU darstellen können, gehören nicht nur gravierende Eingriffe in die Freiheit des Antragstellers, seinen Glauben im privaten Rahmen zu praktizieren, sondern auch solche, in seine Freiheit, diesen Glauben öffentlich zu leben (EuGH, U.v. 5.9.2012 – C-71/11 u.a. – Rn. 63).
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Ein hinreichend schwerer Eingriff in die Religionsfreiheit gemäß § 3a AsylG (Art. 9 Abs. 1 der RL 2011/95/EU) setzt nicht voraus, dass der Ausländer seinen Glauben nach Rückkehr in sein Herkunftsland tatsächlich in einer Weise ausübt, die ihn der Gefahr der Verfolgung aussetzt. Vielmehr kann bereits der unter dem Druck der Verfolgungsgefahr erzwungene Verzicht auf die Glaubensbetätigung die Qualität einer Verfolgung erreichen.
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Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs hängt die Beurteilung, wann eine Verletzung der Religionsfreiheit die erforderliche Schwere aufweist, um die Voraussetzungen einer Verfolgungshandlung im Sinne von § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG (Art. 9 Abs. 1 lit. a) der RL 2011/95/EU) zu erfüllen, von objektiven wie auch subjektiven Gesichtspunkten ab (EuGH, U.v. 5.9.2012 – C-71/11 u.a. – Rn. 70). Objektive Gesichtspunkte sind insbesondere die Schwere der dem Ausländer bei Ausübung seiner Religion drohenden Verletzung anderer Rechtsgüter, wie z.B. Leib und Leben. Die erforderliche Schwere kann insbesondere dann erreicht sein, wenn dem Ausländer durch die Teilnahme an religiösen Riten in der Öffentlichkeit die Gefahr droht, an Leib, Leben oder Freiheit verletzt, strafrechtlich verfolgt oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Bei strafrechtsbewehrten Verboten kommt es insoweit maßgeblich auf die tatsächliche Strafverfolgungspraxis im Herkunftsland des Ausländers an, denn ein Verbot, das erkennbar nicht durchgesetzt wird, begründet keine erhebliche Verfolgungsgefahr. Als relevanten subjektiven Gesichtspunkt für die Schwere der drohenden Verletzung der Religionsfreiheit sieht der Gerichtshof den Umstand an, dass für den Betroffenen die Verfolgung einer bestimmten gefahrträchtigen religiösen Praxis in der Öffentlichkeit zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig ist. Denn der Schutzbereich des mit der Religion verknüpften Verfolgungsgrundes umfasst sowohl die von der Glaubenslehre vorgeschriebenen Verhaltensweisen als auch diejenigen, die der einzelne Gläubige für sich selbst als unverzichtbar empfindet (EuGH, U.v. 5.9.2012 – C-71/11 u.a. – Rn. 71).
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Die Tatsache, dass er die unterdrückte religiöse Betätigung seines Glaubens für sich selbst als verpflichtend empfindet, um seine religiöse Identität zu wahren, muss der Asylbewerber zur vollen Überzeugung des Gerichts nachweisen (BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23.12 – juris Rn. 30).
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Die religiöse Identität als innere Tatsache lässt sich nur aus dem Vorbringen des Asylbewerbers sowie im Wege des Rückschlusses von äußeren Anhaltspunkten auf die innere Einstellung des Betroffenen feststellen. Dafür ist das religiöse Selbstverständnis eines Asylbewerbers grundsätzlich sowohl vor als auch nach der Ausreise aus dem Herkunftsland von Bedeutung.
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Der Asylbewerber muss in diesem Zusammenhang die inneren Beweggründe glaubhaft machen, die ihn zur Konversion veranlasst haben. Es muss festgestellt werden können, dass die Hinwendung zum christlichen Glauben auf einem ernst gemeinten religiösen Einstellungswandel mit einer identitätsprägenden festen Überzeugung beruht.
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Wann eine solche Prägung anzuerkennen ist, lässt sich nicht allgemein bestimmen. Nach dem aus der Gesamtheit des Verwaltungs- und gegebenenfalls gerichtlichen Verfahrens gewonnenen Eindruck muss sich der Schutzsuchende aus voller innerer Überzeugung von seinem bisherigen Bekenntnis gelöst und dem anderen Glauben zugewandt haben. Hat er eine christliche Religion angenommen, genügt es im Regelfall nicht, dass der Schutzsuchende lediglich formal zum Christentum übergetreten ist, indem er getauft wurde. Andererseits kann nicht verlangt werden, dass der Konvertierte so fest im Glauben verankert ist, dass er bereit ist, in seinem Herkunftsland für den Glauben selbst schwere Menschenrechtsverletzungen hinzunehmen.
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Von einem Erwachsenen, der sich zum Bekenntniswechsel entschlossen hat, darf im Regelfall erwartet werden, dass er mit den wesentlichen Grundzügen seiner neuen Religion vertraut ist. Welche Anforderungen im Einzelnen zu stellen sind, richtet sich vorwiegend nach seiner Persönlichkeit und seiner intellektuellen Disposition.
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Konkret für den Iran ist in der Rechtsprechung geklärt (vgl. hierzu: BayVGH, U.v. 25.2.2019 – 14 B 17.31462 – juris Rn. 24 m.w.N.), dass es für die Frage einer Verfolgungsgefahr wegen Konversion maßgeblich darauf ankommt, ob im Fall einer Rückkehr einer konvertierten Person in den Iran davon auszugehen ist, dass diese ihren neu aufgenommenen Glauben – und die damit verbundene Abkehr vom Islam – aktiv im Iran ausüben oder nur erzwungenermaßen unter dem Druck drohender Verfolgung auf eine Glaubensbetätigung verzichten wird. Denn es gibt keine Erkenntnisse dahingehend, dass allein wegen einer bisherigen religiösen Betätigung im Ausland oder in Deutschland oder gar schon wegen eines bloß formalen Glaubenswechsels zum christlichen Glauben einem Übergetretenen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bei einer Rückkehr in den Iran – selbst unter dem Recht der Scharia – eine asylrechtlich relevante Verfolgung drohen könnte (BayVGH, U.v. 25.2.2019 – 14 B 17.31462 – juris Rn. 25 m.w.N.).
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Da danach die Verfolgung wegen Konversion im Iran nicht ausschließlich an die Kirchenzugehörigkeit anknüpft, ist bei der Beurteilung der Schwere einer drohenden Verletzung der Religionsfreiheit des Betroffenen zu prüfen, ob die Verfolgung einer bestimmten gefahrträchtigen religiösen Praxis für diesen zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig ist. Da bereits der unter dem Druck drohender Verfolgung erzwungene Verzicht auf eine Glaubensbetätigung die Qualität einer Verfolgung im Sinne des § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG erreichen kann, ist für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft auf Grund drohender religiöser Verfolgung in diesem Fall maßgeblich, wie der Einzelne seinen Glauben lebt und ob die verfolgungsträchtige Glaubensbetätigung für ihn persönlich nach seinem Glaubensverständnis ein zentrales Element seiner religiösen Identität bildet und in diesem Sinne für ihn unverzichtbar ist (BVerfG, B.v. 3.4.2002 – 2 BvR 1838/15 – juris Rn. 27; BVerwG, B.v. 25.8.2015 – 1 B 40.15 – juris Rn. 11; BayVGH, U.v. 25.2.2019 – 14 B 17.31462 – juris Rn. 26).
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Voraussetzung ist mithin, dass die Hinwendung des Asylsuchenden zu der angenommenen Religion auf einer inneren Glaubensüberzeugung beruht, mithin eine ernsthafte, dauerhafte und nicht lediglich auf Opportunitätserwägungen oder asyltaktischen Gründen beruhende Hinwendung zum neuen Glauben vorliegt.
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Dies trifft nach Überzeugung des Gerichts nicht zu. Aus den von den Beteiligten angegebenen Tatsachen und Beweismitteln und aus dem gerichtsbekannten oder offenkundigen Umständen ergeben sich für das Gericht keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Einschätzung der Antragsgegnerin, dass dem formalen Glaubensübertritt des Antragstellers kein ernsthafter religiöser Einstellungswandel zugrunde liegt.
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Zu Recht führt die Antragsgegnerin im angefochtenen Bescheid aus, dass schon die Konversionsumstände, die der Antragsteller geschildert hat, nicht glaubhaft sind. Auch die Darlegungen des Antragstellers zu Glaubensinhalten des Christentums im Rahmen seiner Anhörung vor dem Bundesamt überzeugen nicht von einer tiefe innere Glaubensüberzeugung des Antragstellers. Der Antragsteller vermochte nicht mehr als bloße oberflächliche Schlagworte, wie Ruhe und Liebe, zu nennen. Auch ist eine Befassung mit wesentlichen Grundzügen des Christentums nicht ersichtlich Obwohl der Antragsteller behauptet hat, sich in den letzten eineinhalb Jahren mit dem Christentum beschäftigt zu haben, räumte er zugleich ein, selbst wesentliche Inhalte des Alten Testaments nicht zu kennen. Konkret nach christlichen Inhalten gefragt, vermochte der Antragsteller lediglich die Schlagworte „Liebe, Vergebung und Hingabe“ zu nennen, ohne in der Lage zu sein, diesen Schlagworten einen konkreten Gehalt beizumessen. Auch soweit der Antragsteller die Ruhe und Liebe im Christentum, die er erlebt habe, mit einem guten Restaurant verglichen hat, trägt dies nicht dazu bei, von einer ernsthaften, dauerhaften und identitätsprägenden festen inneren Glaubensüberzeugung vom Christentum zu überzeugen. Die damit angesprochenen behaupteten Missionsbemühungen des Antragstellers führen ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis, da sich diese zum einen nur auf das Bundesgebiet beziehen und der Antragsteller zum anderen ausdrücklich die Absicht etwaiger Aktivitäten im Iran nur für den Fall, dass es keine Islamische Republik gäbe, erklärt hat.
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Auch unter Berücksichtigung der im Verwaltungsverfahren vorgelegten Bestätigung der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde … vom 4. Juni 2023 ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Einschätzung der Antragsgegnerin, dass der Antragsteller nicht aufgrund eines ernstgemeinten religiösen Einstellungswandels zum Christentum konvertiert ist. Bestätigt wird zwar die Teilnahme an einem ca. 14-tätgig stattfindenden Taufkurs und eine Vorbereitungszeit von fünf Monaten vor der Taufe sowie die Teilnahme des Antragstellers am Gemeindegottesdienst an fast jedem Sonntag sowie an einem ca. 14-tägig stattfindenden Sprachcafé, das gerade zwei Monate vor Erstellung der Bescheinigung begonnen habe. Daraus ergeben sich keine belastbaren Anknüpfungspunkte, die auf eine feste innere Glaubensüberzeugung des Antragstellers schließen ließen. Diese ergeben sich auch nicht aus den bescheinigten Unterstützungsaktivitäten des Antragstellers, die sich zudem nur teilweise mit dessen eigenen Angaben in der Anhörung decken.
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Ernstliche Zweifel an der Einschätzung der Antragsgegnerin des Konversionsvorbringens des Antragstellers als unglaubhaft ergeben sich zudem auch nicht aus dem formalen Akt der Taufe am … 2023 in der … in … Die formale Taufe bestätigt zwar die Mitgliedschaft in einer Kirchengemeinschaft, hier der evangelisch-lutherischen Kirche, nicht aber die Intensität der religiösen Identität (vgl. BVerfG, B.v. 3.4.2020 – 2 BvR 1838/15 – juris Rn. 29ff.; BVerwG, B.v. 25.8.2015 – 1 B 40.15 – juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 16.11.2015 – 14 ZB 13.30207 – juris Rn. 15).
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Somit ergeben sich auch zum nach § 77 Abs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung keine belastbaren Indizien, die ernstliche Zweifel an der Einschätzung der Antragsgegnerin, der diesbezügliche Vortrag des Antragstellers sei ebenfalls nicht glaubhaft, auslösen würden.
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Dem Antragsteller stehen unter diesen Umständen auch kein Anspruch auf die Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a Abs. 1 GG, auf die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 AsylG bzw. auf die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzung des § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG zu.
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Im Übrigen wird auf die auch zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid, dem sich das Gericht anschließt, Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen (§ 77 Abs. 3 AsylG).
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Ebenfalls bestehen keine ernstlichen Zweifel an dem auf § 30 Abs. 1 Nr. 4 AsylG gestützten Offensichtlichkeitsanspruch der Antragsgegnerin.
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Nach § 30 Abs. 1 Nr. 4 AsylG ist ein unbegründeter Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn der Ausländer ein Identitäts- oder Reisedokument, das die Feststellung seiner Identität oder Staatsangehörigkeit ermöglicht hätte, mutwillig vernichtet oder beseitigt hat oder die Umstände offensichtlich diese Annahme rechtfertigen. Entgegen der Ansicht der Bevollmächtigten des Antragstellers ist nach dieser Norm keine gesteigerte Gewissheit der inhaltlichen Ablehnung des Asylantrags erforderlich, sondern das Vorleigen der – formalen – Tatbestandsmerkmale, die an ein Verhalten des Antragstellers im Asylverfahren anknüpfen (vgl. auch BT-Drs. 20/9463, S. 56 mit der Differenzierung zwischen materiellen Gründen für eine Entscheidung als offensichtlich unbegründet und Gründen für eine Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unbegründet, ohne dass dieser materiell offensichtlich unbegründet sein muss).
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Vorliegend rechtfertigen jedenfalls die Umstände offensichtlich die Annahme, dass der Antragsteller zurechenbar seinen Reisepass beseitigt hat.
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Der Antragsteller hat nach seinen Angaben in der Anhörung vor dem Bundesamt seinen Reisepass, mit dem er zuvor mit einem italienischen Visum in den Schengen-Raum und schließlich in das Bundesgebiet eingereist ist, bei seinem angeheirateten Onkel zurückgelassen, der dem Antragsteller zuvor wiederholt die Vernichtung des Reisepasses dringend nahegelegt hatte. Vor diesem Hintergrund musste der Antragsteller – das diesbezügliche Vorbringen als wahr unterstellt – jedenfalls damit rechnen, dass der Onkel den Pass in der Abwesenheit des Antragstellers vernichten würde. Dadurch, dass der Antragsteller seinen Pass in diesem Wissen dort zurückgelassen hat, obwohl er damit rechnen musste, dass er seinen Pass vorlegen müssen würde, um sich auszuweisen, hat er die – nach der Darstellung des Antragstellers – Vernichtung des Reisepasses durch den Onkel jedenfalls billigend in Kauf genommen.
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Dem steht zunächst nicht entgegen, dass der Antragsteller seine iranische ID-Karte nicht vernichtet und diese auch vorgewiesen hat, womit sich letztlich auch seine Identität belegen ließ. Denn § 30 Abs. 1 Nr. 4 AsylG erfordert keine konkrete Kausalität zwischen der Vernichtung des Identitäts- oder Reisedokuments und einer etwaigen Verhinderung der Feststellung der Identität oder Staatsangehörigkeit (VG Ansbach, B.v. 19.9.2024 – AN 1 S 24.31781 – juris Rn. 58; ebenso VG Düsseldorf, B.v. 27.5.2024 – 22 L 1091/24.A – juris Rn. 23 ff.; andere Ansicht VG Aachen, B.v. 26.4.2024 – 10 L 265/24.A – juris Rn. 14 mit der Erwägung, nur so stehe fest, dass gerade das vernichtete Dokument die Identifizierung ermöglicht hätte). Ausgehend vom Wortlaut der Norm besteht kein Anhaltspunkt für die Annahme eines Erfordernisses einer konkreten Kausalität zwischen der Vernichtung des Dokuments und einer etwaigen Verhinderung der Identitäts- oder Staatsangehörigkeitsfeststellung. Vielmehr geht die Norm von der abstrakten Eignung des Identitäts- oder Reisedokuments zur Feststellung der Identität oder Staatsangehörigkeit aus.
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Dies wird auch unterstrichen durch den systematischen Vergleich mit der sachlich vergleichbaren Regelung in § 30 Abs. 1 Nr. 3 AsylG, in der vorausgesetzt wird, dass der Ausländer die Behörden durch falsche Angaben oder Dokumente oder durch Verschweigen wichtiger Informationen oder durch Zurückhalten von Dokumenten über seine Identität oder Staatsangehörigkeit offensichtlich getäuscht hat, womit ein tatsächlich erfolgtes Handeln verlangt wird. Auch aus der zugrundeliegenden Richtlinienbestimmung in Art. 31 Abs. 1 lit. d der RL 2013/32/EU lässt sich kein derartiges konkretes Kausalitätserfordernis entnehmen. Im Gegenteil weisen andere Sprachfassungen, die ebenso verbindlich sind, noch deutlicher als die deutsche Fassung auf die bloße Eignung zur Identitätsfeststellung (VG Ansbach, B.v. 19.9.2024 – AN 1 S 24.31781 – juris Rn. 59). So spricht insbesondere die englische Sprachfassung davon, dass das in Bezuggenommene Dokument „would have helped“, so dass lediglich von einem hypothetischen Beitrag zur Feststellung auszugehen ist. In diesem Sinne sind auch etwa die französische und spanische Fassung zu verstehen, die voraussetzen, dass das Dokument „aurait aidé“ beziehungsweise „habría contriduido“.
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Dies ist bei der Vernichtung eines Reisepasses regelmäßig anzunehmen, da allein der Reisepass zur Identifizierung des Passinhabers im internationalen Verkehr bestimmt ist (VG Ansbach, B.v. 19.9.2024 – AN 1 S 24.31781 – juris Rn. 60; vgl. auch Anl. 1 der Allgemeinen Verfügung über die Anerkennung ausländischer Pässe und Passersatzpapiere vom 13.10.2022, BAnz AT 25.10.2022 B4 mit einer Auflistung anerkannter Pässe und Passersatzpapiere). Im vorliegenden Falle des Antragstellers aus dem Iran kommt erschwerend hinzu, dass die nationale ID-Karte ausschließlich in arabischer Schrift geschrieben ist und deutlich weniger fälschungssichere Sicherheitsmerkmale aufweist, während allein der Reisepass zusätzlich die für die Identifizierung des Antragstellers im internationalen Verkehr erforderlichen zusätzlichen Angaben in lateinischer Schrift enthält.
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Die Zerstörung des Reisepasses erfolgte vorliegend auch mutwillig im Sinne der Norm. Mutwilligkeit in diesem Sinn erfordert ein vorsätzliches Handeln mit dem Zweck, die Durchführung des Asylverfahrens und/oder einer sich wohlmöglich daran anschließenden Rückführung zu erschweren oder zu verzögern (VG Ansbach, B.v. 19.9.2024 – AN 1 S 24.31781 – juris Rn. 61; VG Düsseldorf, B.v. 26.4.2024 – 26 L 912/24.A – juris Rn. 14). Dies hat der Antragsteller vorliegend letztlich selbst in seiner Anhörung vor dem Bundesamt eingeräumt, indem er ausgeführt hat, den Reisepass in Kenntnis der wiederholten und dringlichen Empfehlungen seines Onkels, den Reisepass zu zerstören, bei diesem zugelassen und – aus Angst, sofort in den Iran zurückgeschickt zu werden – nicht zur Asylantragstellung nach Z. mitgenommen zu haben. Damit hat der Antragsteller, wie bereits ausgeführt, jedenfalls billigend in Kauf genommen, damit eigenen Vorsatz gehabt, dass der Reisepass letztlich durch den Onkel vernichtet wurde, und den Reisepass absichtlich nicht zur Stellung Asylantragstellung mitgebracht. Damit hat der Antragsteller selbst seinen Pass vorsätzlich jedenfalls beseitigt, indem er ihn aus dem Rechtsverkehr herausgehalten und der Vernichtung anheimgegeben hat. Jedenfalls, was nach dem ausdrücklichen Gesetztes- und Richtlinienwortlaut ausreicht, rechtfertigen die Umstände offensichtlich diese Annahme. Nicht erforderlich ist dagegen, dass dem vorsätzlichen Handeln eine konkrete Täuschungsabsicht zugrunde liegt (VG Ansbach, B.v. 19.9.2024 – AN 1 S 24.31781 – juris Rn. 61). Entsprechend den obigen Ausführungen zur konkreten Kausalität lässt sich weder der nationalen Norm noch der zugrundeliegenden Richtliniennorm eine derartige Verknüpfung des Vernichtungs- oder Beseitigungsvorsatzes mit einer etwaigen konkreten Täuschung über die Identität oder Staatsangehörigkeit entnehmen. Der Vergleich mit anderen Sprachfassungen unterstreicht vielmehr, dass die vorauszusetzende Mutwilligkeit eine allgemeine „böse Absicht“ ist, die auch bereits dann erfüllt ist, wenn der Antragsteller es darauf anlegt, dass Gesamtverfahren, d.h. einschließlich einer etwaigen Rückführung in den Herkunftsstaat, zu erschweren oder zu verzögern (VG Ansbach, B.v. 19.9.2024 – AN S. 1 24.31781 – juris Rn. 61; ebenso VG Düsseldorf, B.v. 26.4.2024 – 26 L 912/24.A – juris Rn. 14). So setzt die Richtlinie in ihrer englischen Fassung ausdrücklich ein Handeln „in bad faith“ voraus, ebenso die französische „de mauvaise foi“ sowie auch die spanische „de mala fe“. Der Antragsteller hat hier selbst eingeräumt, seien Pass aus Angst vor einer (sofortigen) Zurückführung in den Iran zurückgelassen zu haben, so dass die Verhinderung oder jedenfalls Verzögerung einer etwaigen Rückführung handlungsleitendes Motiv war.
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Folglich war der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung im streitgegenständlichen Bescheid anzuordnen, mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
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Auch der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung für das Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes war abzulehnen.
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Nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
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Vorliegend hat der Antragsteller schon nicht durch Einreichung entsprechender Formblätter und Unterlagen nachgewiesen, dass er die Kosten der Prozessführung nicht oder nur in Raten aufbringen kann, zudem bietet die beabsichtigte Rechtsverfolgung, wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
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Das Verfahren ist nach § 83b AsylG gerichtskostenfrei.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).