Inhalt

OLG München, Beschluss v. 26.09.2025 – 19 U 2796/24 e
Titel:

Befangenheitsgesuch wegen Unmutsäußerung des Richters in der Verhandlung

Normenkette:
ZPO § 42, § 44 Abs. 2, § 139 Abs. 1 S. 2, § 141, § 294 Abs. 2
Leitsätze:
1. Eine Besorgnis der Befangenheit liegt nur dann vor, wenn aus der Sicht der ablehnenden Partei nachvollziehbar ein vernünftiger und daher einigermaßen objektiver Grund besteht, der sie von ihrem Standpunkt aus vernünftigerweise befürchten lassen kann, der Richter werde nicht unparteiisch sachlich entscheiden. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Soweit die Erklärung eines Richters inhaltlich eine gewisse Deutlichkeit und Schärfe enthält, diese sich allerdings allein auf der Sachebene bewegt und keine persönliche Missachtung einer Partei oder ihres Prozessbevollmächtigten ausdrückt, ist sie  unbedenklich. Bloße Unmutsäußerungen des Richters und erst Recht durch das Prozessgeschehen provozierte und damit verständliche Unmutsaufwallungen führen nicht ohne Weiteres die Besorgnis der Befangenheit herbei. (Rn. 20 – 22) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Befangenheit, Prozessverhalten, Verhandlungsführung, Glaubhaftmachung, dienstliche Stellungnahme
Vorinstanz:
LG München I vom -- – 30 O 10439/20
Fundstelle:
BeckRS 2025, 25378

Tenor

Das Ablehnungsgesuch der Beklagten vom 08.09.2025 gegen den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht … und die Richterin am Oberlandesgericht … wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Der Kläger nimmt die Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit auf Rückzahlung eines Darlehens in Anspruch.
2
Am 08.09.2025 fand vor dem Senat eine mündliche Verhandlung statt. Insoweit wird auf das Protokoll verwiesen (Bl. 59 ff. d. OLG-eAkte).
3
Im Anschluss daran lehnten die Beklagten mit Schriftsatz vom 08.09.2025 (Bl. 63 ff. d. OLG-eAkte) den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht … und die Berichterstatterin Richterin am Oberlandesgericht … wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Im Kern beanstanden sie, der Vorsitzende Richter zeige unbeherrschte Emotionen und spreche ihnen implizit die Glaubwürdigkeit ab. Die Berichterstatterin äußere sich abwertend und parteiisch, indem sie Antworten vorwegnehme und der Partei „Spielchen“ unterstelle.
4
Die abgelehnten Richter äußerten sich jeweils dienstlich über die geltend gemachten Ablehnungsgründe (Bl. 66 f., 68 f. d. OLG-eAkte).
5
Hierzu nahmen die Beklagten mit Schriftsatz vom 22.09.2025 (Bl. 71 ff. d. OLG-eAkte) und der Kläger mit Schriftsatz vom 24.09.2025 (Bl. 78 ff. d. OLG-eAkte) Stellung.
II.
6
Das Befangenheitsgesuch ist zwar zulässig, indes unbegründet.
7
Ein Grund, der geeignet wäre, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der beiden abgelehnten Richter zu rechtfertigen (§ 42 Abs. 2 ZPO), ist nicht gegeben.
8
1. a) aa) Unter Befangenheit ist ein Zustand zu verstehen, der eine vollkommen gerechte und von jeder falschen Rücksicht freie Entscheidung zur Sache beeinträchtigt (BAG, Beschluss v. 20.08.2019, Az. 3 AZN 530/19 [A], juris Rz. 8; Beschluss v. 07.11.2012, Az. 7 AZR 646/10 [A], juris Rz. 18; Beschluss v. 06.08.1997, Az. 4 AZR 789/95 [A], juris Rz. 14; BFH, Beschluss v. 21.07.1967, Az. III B 37/67, juris Rz. 17).
9
Entscheidend ist dabei nicht, ob der Richter wirklich befangen ist (BGH, Beschluss v. 13.01.2003, Az. XI ZR 322/01, juris Rz. 11; BAG, Beschluss v. 10.07.1996, Az. 4 AZR 759/94 [A], juris Rz. 11; OLG Brandenburg, Beschluss v. 23.03.2012, Az. 1 W 5/12, juris Rz. 2).
10
Es muss schon der äußere Anschein von Befangenheit, der „böse Schein“ von Voreingenommenheit vermieden werden; auf die tatsächliche innere Haltung des Richters kommt es nicht an (BVerfG, Beschluss v. 03.03.2025, Az. 1 BvR 750/23, Rz. 119; BGH, Beschluss v. 28.07.2020, Az. VI ZB 94/19, Rz. 7; OLG München, Beschluss v. 29.11.2018, Az. 28 W 1782/18, juris Rz. 23).
11
Zudem kommt es nicht darauf an, ob der Richter sich selbst für befangen hält (BVerfG, Beschluss v. 13.02.2018, Az. 2 BvR 651/16, Rz. 17; Beschluss v. 12.07.1986, Az. 1 BvR 713/83, juris Rz. 13; BVerwG, Beschluss v. 17.09.2024, Az. 1 WB 8/24, juris Rz. 8; BSG, Beschluss v. 02.07.2013, Az. B 9 SB 2/13 C, juris Rz. 7).
12
bb) Eine Besorgnis der Befangenheit liegt aber nur dann vor, wenn aus der Sicht der ablehnenden Partei nachvollziehbar ein vernünftiger und daher einigermaßen objektiver Grund besteht, der sie von ihrem Standpunkt aus vernünftigerweise befürchten lassen kann, der Richter werde nicht unparteiisch sachlich entscheiden (BGH, Beschluss v. 25.06.2024, Az. RiZ [R] 2/24, Rz. 4; Beschluss v. 16.05.2019, Az. NotSt [Brfg] 4/18, Rz. 8; Urteil v. 15.12.1994, Az. I ZR 121/92, juris Rz. 31; Urteil v. 18.04.1980, Az. RiZ [R] 1/80, juris Rz. 11; Senatsbeschluss v. 28.11.2024, Az. 19 U 3139/20, juris Rz. 3).
13
Rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen des Ablehnenden, der Richter werde seine Entscheidung an persönlichen Motiven orientieren, für die bei Würdigung der Tatsachen vernünftigerweise kein Grund ersichtlich ist, reichen dagegen zur Ablehnung nicht aus (BGH, Beschluss v. 15.02.2022, Az. RiZ [R] 1/19, Rz. 5; BVerwG, Beschluss v. 11.12.2012, Az. 8 B 58/12, juris Rz. 19; Senatsbeschluss v. 28.11.2024, Az. 19 U 3139/20, juris Rz. 3; OLG München, Beschluss v. 03.01.2008, Az. 34 SchH 3/07, juris Rz. 12; OLG Frankfurt a.M., Beschluss v. 19.02.2018, Az. 8 W 8/18, juris Rz. 24).
14
cc) Maßgeblich sind die besonderen Umstände des Einzelfalls, die in ihrer Gesamtheit zu würdigen sind (BGH, Beschluss v. 15.03.2022, Az. II ZR 97/21, Rz. 8; Beschluss v. 06.07.2021, Az. II ZR 97/21, Rz. 15; Beschluss v. 21.06.2018, Az. I ZB 58/17, Rz. 10).
15
b) aa) Unsachliches Verhalten eines Richters stellt einen Befangenheitsgrund dar (BFH, Beschluss v. 27.08.1993, Az. V B 189/92, juris Rz. 11), wenn es den Schluss auf die mangelnde Unvoreingenommenheit gegenüber einer Partei nahelegt (OLG Nürnberg, Beschluss v. 03.03.2015, Az. 8 W 45/15, juris Rz. 23).
16
Grobe Fehlgriffe in der Wortwahl, Unsachlichkeiten und abfällige, herabwürdigende oder gar beleidigende Äußerungen des Richters können daher die Besorgnis der Befangenheit begründen (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 25.06.1998, Az. 11 W 13/98, juris Rz. 2; Vossler in: BeckOK ZPO, 57. Ed., Stand: 01.07.2025, § 42 Rz. 26; Vollkommer in: Zöller, ZPO, 36. Aufl., § 42 Rz. 22 m.w.N.).
17
bb) Soweit es um persönliche Spannungen und scharfe, etwa auch von starken Emotionen getragene Diskurse zwischen einem Richter und den Prozessbevollmächtigten geht, gilt als Maßstab zunächst der Befund, dass Streit, mag er auch emotional oder scharf geführt werden, zum Wesenskern eines kontradiktorischen Zivilprozessverfahrens gehört (Gräbener in: beck-online.GROSSKOMMENTAR, Stand: 15.06.2025, § 42 ZPO Rz. 18, 46).
18
Der Richter darf daher lebhaft sein, auch laut und deutlich sprechen und seiner Pflicht mit Eifer und Leidenschaft nachgehen (Stackmann in: Münchener Kommentar zur ZPO, 7. Aufl., § 42 Rz. 35).
19
Je nach Verhandlungssituation sind eine pointierte Reaktion eines Richters in der mündlichen Verhandlung, eine umgangssprachliche oder selbst drastische Ausdrucksweise für sich unbedenklich (Vossler in: BeckOK ZPO, 57. Ed., Stand: 01.07.2025, Rz. 28 m.w.N.). Auch geben freimütige oder saloppe Formulierungen grundsätzlich keinen Anlass zur Besorgnis der Befangenheit (BFH, Beschluss v. 10.03.2015, Az. V B 108/14, juris Rz. 10; Beschluss v. 12.10.2012, Az. III B 66/12, juris Rz. 11; Beschluss v. 28.05.2001, Az. IV B 118/00, juris Rz. 37).
20
Vom Richter wird zu Recht mehr Disziplin erwartet als von den anderen Prozessbeteiligten; allerdings bedeutet dies nicht, dass der Richter stets und in jeder Situation „Engelsgeduld“ aufbringen muss und nicht klare Worte gebrauchen dürfte (Stackmann in: Münchener Kommentar zur ZPO, 7. Aufl., § 42 Rz. 36). Soweit die Erklärung eines Richters inhaltlich eine gewisse Deutlichkeit und Schärfe enthält, diese sich allerdings allein auf der Sachebene bewegt und keine persönliche Missachtung einer Partei oder ihres Prozessbevollmächtigten ausdrückt, ist sie folglich unbedenklich (OLG Karlsruhe, Beschluss v. 08.08.2019, Az. 9 W 34/19, juris Rz. 11).
21
Die Möglichkeit einer zurückhaltenderen Ausdrucksweise reicht zur Beanstandung nicht aus, da die Sprache, mit der eine richterliche Wertung ausgedrückt wird, mit dieser eng verbunden ist und in gewissen Grenzen weder durch die Beteiligten noch durch andere, namentlich über Befangenheitsgesuche entscheidende Richter vorgegeben werden kann (OLG Rostock, Beschluss v. 26.08.2020, Az. 4 W 30/20, juris Rz. 18; OLG Saarbrücken, Beschluss v. 07.08.2008, Az. 5 W 151/08, juris Rz. 20; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss v. 12.11.2008, Az. L 5 AR 36/08 SAB, juris Rz. 13; VG Stuttgart, Beschluss v. 17.07.2006, Az. A 11 K 1105/06, juris Rz. 8).
22
Bloße Unmutsäußerungen des Richters und erst Recht durch das Prozessgeschehen provozierte und damit verständliche Unmutsaufwallungen führen nicht ohne Weiteres die Besorgnis der Befangenheit herbei (BGH, Beschluss v. 06.03.2018, Az. 3 StR 559/17, Rz. 13 f.; Beschluss v. 21.12.2011, Az. 4 StR 404/11, Rz. 21 f.; Urteil v. 02.03.2004, Az. 1 StR 574/03, juris Rz. 19; OLG Brandenburg, Beschluss v. 02.09.2024, Az. 9 WF 149/24, juris Rz. 17).
23
Mag auch ein unwirscher oder gar unnötig scharfer Tonfall eines Richters grundsätzlich unerwünscht sein, gehört es gleichwohl zur menschlichen und auch richterlichen Ausdrucksweise, Auffassungen – wie etwa Zustimmung oder Ablehnung – durch Modulation der Stimme Gehör und Gewicht zu verschaffen; allein hieraus ist kein Rückschluss auf eine etwaige Voreingenommenheit eines Richters zu ziehen (OLG Zweibrücken, Beschluss v. 08.01.2013, Az. 3 W 146/12, juris Rz. 7; LAG Sachsen, Beschluss v. 14.06.2010, Az. 3 Sa 666/09, juris Rz. 81 f.).
24
cc) Beanstandete richterliche Äußerungen dürfen nicht isoliert betrachtet werden; vielmehr kommt es auf den Zusammenhang an, in dem sie gefallen sind (OLG Stuttgart, Beschluss v. 29.03.2012, Az. 14 W 2/12, juris Rz. 15; OLG Hamburg, Beschluss v. 23.03.1992, Az. 7 W 10/92, BeckRS 1992, 5736).
25
c) aa) Die Last der Glaubhaftmachung trägt nach der klaren und unzweideutigen Regelung des § 44 Abs. 2 ZPO der Ablehnende (BGH, Beschluss v. 21.10.2010, V ZB 210/09, Rz. 11).
26
Die persönliche Unparteilichkeit eines Richters wird bis zum Nachweis des Gegenteils vermutet (EGMR, Urteil v. 23.04.2015, Az. 29369/10, BeckRS 2016, 3898, Rz. 74; Urteil v. 23.11.2010, 21698/06, BeckRS 2011, 24043; Urteil v. 15.12.2005, Az. 73797/01 [NJW 2006, 2901]).
27
In non liquet-Konstellationen ist keine erfolgreiche Glaubhaftmachung nach § 44 Abs. 2, § 294 anzuerkennen (BGH, Beschluss v. 21.10.2010, V ZB 210/09, Rz. 10; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 30.06.2008, Az. I-11 W 15/08, juris Rz. 3).
28
bb) Gemäß § 44 Abs. 2, § 294 ZPO ist der Ablehnungsgrund, das heißt die entsprechenden Tatsachen, auf die das Gesuch gestützt werden, glaubhaft zu machen.
29
Der schlüssige Tatsachenvortrag hinsichtlich der Voraussetzungen des § 42 Abs. 2 ZPO ist also mit präsenten Beweismitteln gemäß § 294 Abs. 2 ZPO zu belegen, wobei die Versicherung an Eides Statt der Partei nicht zulässig ist, § 44 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 ZPO. Präsente Beweismittel sind beispielsweise der Akteninhalt, insbesondere Sitzungsprotokolle, ferner schriftliche Erklärungen oder eidesstattliche Versicherungen Dritter, allerdings nicht die bloße Erklärung der Partei (Bork in: Stein, ZPO, 24. Aufl., § 44 Rz. 7).
30
Das in erster Linie der Partei an die Hand gegebene Mittel der Glaubhaftmachung ist das Zeugnis des abgelehnten Richters, § 44 Abs. 2 S. 2 ZPO, und damit dessen dienstliche Äußerung zum Ablehnungsgrund, also zu den (äußeren oder inneren) Tatsachen, auf die die Ablehnung gestützt wird, § 44 Abs. 3 ZPO. Für die Glaubhaftmachung des Ablehnungsgrundes genügt es jedoch nicht, die dienstliche Erklärung des Richters zu bestreiten (OLG Köln, Beschluss v. 19.11.2008, Az. 2 W 114/08, juris Rz. 17).
31
Die bloße Benennung eines erst heranzuziehenden Zeugen ist ebenso unzureichend (BGH, Urteil v. 10.11.1967, Az. 4 StR 512/66, juris Rz. 33; OLG Köln, Beschluss v. 19.11.2008, Az. 2 W 114/08, juris Rz. 14).
32
2. Eingedenk der vorstehend geschilderten Maßstäbe gibt es am Verhalten der beiden abgelehnten Richter vom Standpunkt einer vernünftigen Partei aus nichts zu beanstanden.
33
a) Der alleine durch die dienstliche Erklärung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht … vom 09.09.2025 nach § 44 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 ZPO glaubhaft gemachte Sachverhalt rechtfertigt seine Ablehnung nicht. Ihre teilweise abweichende Darstellung des Sachverhalts haben die Beklagten nicht, wie nach § 44 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 ZPO erforderlich, glaubhaft gemacht.
34
Der in der dienstlichen Erklärung des abgelehnten Vorsitzenden Richters geschilderte Ablauf der Verhandlung vom 08.09.2025 vor dem Senat vermag aus der Sicht einer verständigen Partei die Besorgnis der Befangenheit des Vorsitzenden Richters nicht zu begründen. Dies gilt namentlich nicht für den von den Beklagten im Kern beanstandeten und vom abgelehnten Vorsitzenden Richter eingeräumten Schlag mit der flachen Hand auf den Richtertisch. Auch aus der Sicht der Beklagten kann eine solche Handlung nicht isoliert von dem Kontext betrachtet und gewürdigt werden, in der sie geschehen ist.
35
Der abgelehnte Vorsitzende Richter äußerte sich dienstlich dahingehend, dass mit Ladungsverfügung die Parteien unter anderem darauf hingewiesen worden seien, dass sich bestimmte Anlagen, auf die in den Schriftsätzen Bezug genommen werde, nicht bei der Akte befänden und diese bis 24.06.2025 dem Senat vorgelegt werden mögen. Außerdem sei das persönliche Erscheinen auch des Beklagten zu 3) angeordnet worden. Im Termin vom 08.09.2025 sei der Beklagte zu 3) nicht erschienen. Gründe für das Ausbleiben des Beklagten zu 3) habe die alleine erschienene Beklagte zu 2) – die als Prozessbevollmächtigte aller Beklagter fungiert – zunächst nicht angegeben und eine Vollmacht nach § 141 ZPO für diesen nicht vorgelegt. Die vom Senat monierten Anlagen wie auch die angeblich mit Schriftsatz vom 23.08.2025 vorgelegte Anlage B 24 habe die Beklagte zu 2) und Beklagtenvertreterin nicht dabei gehabt. Gegenstand des Rechtsstreits sei eine vom Kläger geltend gemachte Darlehensrestforderung. Im Rahmen der Befragung des Klägers habe sich ergeben, dass auf zwei Überweisungen über jeweils 5.000 € ein Aktenzeichen angegeben gewesen sei und der Senat deshalb Zweifel daran gehabt habe, dass diese Beträge nicht in Erfüllung einer sich aus dem entsprechenden Aktenzeichen ergebenden Verbindlichkeit geflossen seien. Der abgelehnte Vorsitzende Richter habe sich dann an die Beklagte zu 2) und Beklagtenvertreterin mit der Bitte gewandt zu erläutern, was es mit diesem Aktenzeichen auf sich habe. Hierauf habe diese erwidert, dass sie sich dazu nicht äußern werde, da die Klage insgesamt unschlüssig sei. Insbesondere auch vor dem Hintergrund der sich aus der Anlage K 2 ergebenden Bitte der Beklagten zu 2) an den Kläger um ein weiteres Darlehen sei diese Behauptung als mit den sich aus § 138 ZPO ergebenden Pflichten einer Partei im Zivilprozess unvereinbar erschienen. Der abgelehnte Vorsitzende Richter habe dann mit der flachen Hand auf den Richtertisch geschlagen und die Beklagte zu 2) und Beklagtenvertreterin energisch auf ihre Pflichten hingewiesen, insbesondere auf die sich aus dem anwaltlichen Standesrecht ergebenden Pflichten. Anschließend habe er die Verhandlung für einige Minuten unterbrochen, um der Beklagten zu 2) und Beklagtenvertreterin Gelegenheit zu geben, ihre Unterlagen zu ordnen und sachgerecht auf die sich aufdrängenden Fragen des Gerichts zu antworten.
36
Gegen dieses Verhalten des abgelehnten Vorsitzenden Richters ist nichts zu erinnern.
37
Im Falle der Anordnung des persönlichen Erscheinens einer Partei nach § 141 ZPO hat diese vor dem Gericht zu erscheinen oder wenigstens zur Verhandlung einen Vertreter zu entsenden, der zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage und zur Abgabe der gebotenen Erklärungen ermächtigt ist. Nach § 138 Abs. 1, 2 ZPO haben die Parteien ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben und sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären. Gemäß § 139 Abs. 1 S. 2 ZPO hat das Gericht dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen.
38
Nach Schilderung des abgelehnten Vorsitzenden Richters vermochte die auch als Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu 3) auftretende Beklagte zu 2) dessen Ausbleiben im Termin zunächst nicht plausibel zu erklären und legte keine Terminvollmacht vor. Dem Sitzungsprotokoll ist zu entnehmen, dass sie später angab, dass das Fernbleiben des Beklagten zu 3) „der Deeskalation dienen sollte“. Warum diese lapidare Angabe eine genügende Entschuldigung i.S.v. § 141 Abs. 3 S. 1, § 381 Abs. 1 S. 1 ZPO darstellen sollte, ist nicht erkennbar, sind doch im Interesse einer funktionierenden Rechtspflege schwerwiegende Gründe für das Ausbleiben einer Partei erforderlich, deren persönliches Erscheinen angeordnet ist (BFH, Beschluss v. 16.12.2005, Az. VIII B 204/05, juris Rz. 11; Beschluss v. 10.08.1987, Az. IX B 182/86, juris Rz. 9). Als derartige Entschuldigungsgründe könnten nur äußere Ereignisse anerkannt werden, die den Beklagten zu 3) ohne sein Zutun von der Wahrnehmung des Termins abgehalten hätten (vgl. BFH, Beschluss v. 10.05.2012, Az. III B 223/11, juris Rz. 9; Beschluss v. 27.06.2002, Az. III B 162/01, juris Rz. 16). Solche sind nicht ersichtlich.
39
Durch die dienstliche Stellungnahme des abgelehnten Vorsitzenden Richters glaubhaft gemacht ist, dass die Beklagte zu 2) und Beklagtenvertreterin ausstehende und vom Senat im Vorfeld der mündlichen Verhandlung angeforderte Anlagen nicht dabei hatte. Auf die Frage nach Aktenzeichen, die mutmaßlich von der Beklagten zu 1) vergeben wurden, verweigerte sie jede Angabe. Letzteres ist mit Blick darauf unverständlich, dass bereits in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 28.06.2023 von der Klageseite ein Anlagenkonvolut aus Kontoauszügen (s. Anl. z. Bl. 75 f. d. LG-Akte) übergeben wurde, aus dem sich zwei Überweisungen des Klägers an die Beklagten ergeben, die darlehensweise erfolgt sein sollen, in deren Betreff aber Aktenzeichen angeführt sind, die anwaltliche Geschäftszeichen aus dem Jahr 2016 jedenfalls darstellen könnten. Mit der Erklärungspflicht der Beklagten erscheint es kaum vereinbar, dass diese bis zur Verhandlung am 08.09.2025 überhaupt keine Angaben machen konnten, ob diese Aktenzeichen sich auf anwaltliche Mandate ihrerseits beziehen und falls ja, auf welche. Erst im Nachhinein gaben die Beklagten im Schriftsatz vom 22.09.2025 an, die Akten aus dem Jahr 2016 seien bereits vernichtet.
40
Dass der Vorsitzende Richter seinen Unmut daraufhin mittels eines Schlages mit der flachen Hand auf den Richtertisch und eines energischen Hinweises an die Beklagte zu 2) und Beklagtenvertreterin auf ihre o.g. Rechtspflichten samt Anordnung einer folgenden Verhandlungspause zwecks Ordnung ihrer Unterlagen und Gedanken kundtat, erscheint angesichts des vorangegangenen, erheblichen Verstoßes der Beklagtenseite gegen ihre prozessualen Mitwirkungspflichten veranlasst, mithin verständlich. Unsachlichkeit, Willkür oder mangelnde Offenheit seinerseits lassen sich daraus in keiner Weise erkennen. Eine Besorgnis der Befangenheit des Vorsitzenden Richters ergibt sich daraus zumindest für eine verständig würdigende Partei nicht.
41
Ihre von der Schilderung des Geschehens in der dienstlichen Erklärung abweichende Darstellung des Sachverhalts haben die Beklagten nicht glaubhaft gemacht. Sie kann der Senat seiner Entscheidung deshalb nach § 44 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 ZPO nicht zugrunde legen. Insbesondere ist die schriftliche Erklärung der Beklagten zu 2) und Beklagtenvertreterin vom 22.09.2025, in der sie angebliche Unrichtigkeiten in der dienstlichen Stellungnahme des abgelehnten Vorsitzenden Richters rügt (dort S. 6 f. = Bl. 76 f. d. OLG-eAkte), kein geeignetes Mittel der Glaubhaftmachung. Im Ablehnungsantrag lediglich bezeichnete Zeugen sind keine präsenten Beweismittel.
42
b) Auch der alleine durch die dienstliche Erklärung der Richterin am Oberlandesgericht vom 10.09.2025 nach § 44 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 ZPO glaubhaft gemachte Geschehensablauf rechtfertigt ihre Ablehnung nicht. Soweit dessen Darstellung durch die Beklagten davon abweicht, haben sie ihn wiederum entgegen § 44 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 ZPO nicht glaubhaft gemacht.
43
aa) In ihrer dienstlichen Stellungnahme bestätigte die abgelehnte Richterin, dass der von den Beklagten monierte Satz „Lassen Sie diese Spielchen.“ – jedenfalls sinngemäß – gefallen sei. Hintergrund ihrer Äußerung sei das Prozessverhalten der Beklagten zu 2) und Beklagtenvertreterin gewesen, insbesondere deren Äußerung, den Schriftsatz vom 17.07.2025 nicht erhalten zu haben. Auf dem Schriftsatz vom 17.07.2025 befinde sich ein Vermerk der Geschäftsstelle, wonach der Schriftsatz an die Beklagten übermittelt worden sei. Die Beklagte zu 2) und Beklagtenvertreterin habe wiederholt geltend gemacht, Schriftsätze nicht erhalten zu haben. Die Berufungserwiderung des Klägers vom 27.10.2024 habe den Beklagten nicht per beA zugestellt werden können. Nachdem zweimal das Empfangsbekenntnis – erfolglos – moniert worden sei, sei der Schriftsatz schließlich per PZU an den Hauptsitz der Beklagten zu 1) in Köln zugestellt worden. Ferner habe die Ladung zum Termin nicht zugestellt werden können, da Beklagtenvertreter und Beklagte „unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln“ gewesen seien. Gleichermaßen habe die landgerichtliche Papierakte auf das Akteneinsichtsgesuch der Beklagten zu 2) an die private Adresse des Beklagten zu 3) geschickt werden müssen, da eine Zustellung an der Kanzleianschrift in München nicht möglich gewesen sei. Mit ihrer Äußerung habe laut der abgelehnten Richterin lediglich Unmut über das Prozessverhalten der Beklagten zu 2) und Beklagtenvertreterin zum Ausdruck gebracht werden sollen.
44
Angesichts der aus der Akte nachvollziehbaren, mannigfaltigen Zustellprobleme auf Seiten der Beklagten, v.a. was missglückte Zustellversuche per beA betrifft, erscheint die Unmutsaufwallung der abgelehnten Richterin aus objektiver Sicht nachvollziehbar. Ein erkennbarer Verlust der notwendigen Offenheit für eine unvoreingenommene Verfahrensführung lässt sich daraus nicht ersehen.
45
bb) In ihrer dienstlichen Stellungnahme führte die abgelehnte Richterin aus, dass es nicht der Wahrheit entspreche, dass sie dem Kläger die Worte „Also gar keine.“ in den Mund gelegt habe, ohne dessen Antwort abzuwarten. Vielmehr habe der Kläger auf die Frage des Vorsitzenden, ob er Bargeldzahlungen von den Beklagten erhalten habe, mit dem Kopf geschüttelt. Daraufhin seien ihre Worte gefallen, die eher als Frage gedacht gewesen seien: „Also gar keine?“.
46
Dass dieses Geschehen einen – wie die Beklagten meinen – klaren „Verstoß gegen die Neutralitätspflicht“ darstellen und somit die Besorgnis der Befangenheit der abgelehnten Richterin begründen soll, ist abwegig.
47
Für ihre hiervon differierende Sachverhaltsschilderung lassen die Beklagten wiederum die Glaubhaftmachung vermissen.