Titel:
			Bürgerbegehren, Weiteres Bürgerbegehren, Bauleitplanung, Unzulässigkeit, Kein Verstoß gegen Sicherungsrecht, Irreführung
			Normenkette:
			GO Art. 18a
			Schlagworte:
			Bürgerbegehren, Weiteres Bürgerbegehren, Bauleitplanung, Unzulässigkeit, Kein Verstoß gegen Sicherungsrecht, Irreführung
			Fundstelle:
			BeckRS 2025, 25189
		 
		 
		Tenor
		
			
			I. Die Klage wird abgewiesen.
		 
		
			
			II. Die Klägerinnen haben die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldnerinnen zu tragen.
		 
		
			
			III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
		 
		
			
			Die Klägerinnen dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
		 
		Tatbestand
		
			1
			Die Klägerinnen begehren die Zulassung des Bürgerbegehrens „Grünfläche an der D. straße erhalten“ (im Folgenden: Bürgerbegehren D2).
		 
		
			2
			Die Klägerinnen sind Vertreterinnen der Bürgerbegehren „Kein allgemeines Wohngebiet am HB1 “ (im Folgenden: HB1) und „Grünlandfläche an der D. straße erhalten“ (im Folgenden: D1) in T. .
		 
		
			3
			Das Bürgerbegehren HB 1 fordert eine Begrenzung der geplanten Bebauung am HB1  (Bebauungsplan Nr. 94) auf die Senioreneinrichtungen. Das Bürgerbegehren D1 fordert die Einstellung der geplanten Bebauung (Bebauungsplan Nr. 98) und Erhaltung der Fläche in der ursprünglichen Nutzung als Grünland. Beide Bürgerbegehren jeweils mit Begründung waren im Format DIN A4 (spiegelbildlich angeordnet) auf einem (mittig gefalteten, einseitig bedruckten) Blatt im Format DIN A3 abgedruckt. Zudem war ein gemeinsames Informationsblatt (vier Seiten auf einem mittig gefalteten Blatt im Format DIN A3) zu beiden Bürgerbegehren mit der Überschrift: „Zwei Bürgerbegehren – Ein Thema: Retten Sie die Luftqualität in T. !“ zusammen mit den Unterschriftenlisten ausgereicht worden.
		 
		
			4
			Die Fragestellung des Bürgerbegehrens D1 lautet:
		 
		
			
			„Sind Sie dafür, dass die geplante Bebauung der Fläche an der D. straße zwischen W.  Weg, Postweg und dem Gehölz im Norden (Bebauungsplan Nr. 98) eingestellt wird und die Fläche somit in ihrer ursprünglichen Nutzung als Grünland erhalten bleibt?“
		 
		
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			Die Bürgerbegehren HB1 und D1 mit Unterschriftenlisten wurden am 23. April 2024 bei der Beklagten eingereicht.
		 
		
			6
			Der kurz danach erfolgte Satzungsbeschluss zu dem Bebauungsplan Nr. 98 „D. straße“ vom 23. April 2024 wurde am 24. April 2024 bekannt gemacht. Ein Eilantrag der Klägerinnen vom 7. Mai 2024 mit dem Ziel der Verhinderung der weiteren Bekanntmachung wurde mit Beschluss der Kammer vom 8. Mai 2024 (M 7 E 24.2304) abgelehnt.
		 
		
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			Die Beklagte wies die Bürgerbegehren HB1 und D1 nach entsprechenden Gemeinderatsbeschlüssen vom 16. Mai 2024 jeweils mit Bescheid vom 27. Mai 2024 als unzulässig zurück, da es sich durch den Abdruck zweier Bürgerbegehren auf einer DIN A3 Seite um eine unzulässige Koppelung mehrerer Bürgerbegehren handele. Durch die Gleichartigkeit der Gestaltung werde zudem für Bürgerinnen und Bürger eine leichte Verwechslungsgefahr der beiden Bürgerbegehren gesehen. Auf der Grundlage von Art. 18a Abs. 4 Satz 1, Abs. 14 Satz 1 GO schließe es das geltende Recht aus, Bürgerbegehren dergestalt zu koppeln, dass auf einer Unterschriftenliste zugleich für mehrere Bürgerbegehren Unterschriften gesammelt würden, dies unabhängig davon, ob zwischen den verschiedenen Bürgerbegehren ein sachlicher Zusammenhang bestehe oder nicht. Der unterzeichnenden Person werde durch den Abdruck zweier Bürgerbegehren auf einer DIN A3 Seite nicht eindeutig zu erkennen gegeben, dass sie die Möglichkeit habe, frei zu entscheiden, ob sie getrennt für die eine oder andere Liste unterschreiben könne. Durch die Verbindung auf einem Blatt und auf einer Seite habe diese sich dazu gedrängt fühlen können, für beide Bürgerbegehren zu unterzeichnen, auch wenn sie nur das eine oder das andere habe unterstützen wollen. Es erscheine aber auch möglich, dass eine unterzeichnende Person gemeint habe, dass sie mit einer Unterschrift beide Begehren unterstütze. Für beide Bürgerbegehren sei eine nahezu identische Anzahl an Unterschriften gesammelt worden. Selbst bei wohlwollender Auslegung des Bürgerbegehrens seien die Zweifel an der Rechtmäßigkeit nicht zu überwinden. Es könne daher dahingestellt bleiben, ob weitere Gründe gegen die Zulässigkeit sprächen.
		 
		
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			Diesbezügliche Klageverfahren sind anhängig (zu dem Bürgerbegehren D1 unter M 7 K 24.3773).
		 
		
			9
			Am 28. August 2024 reichten die Klägerinnen als deren Vertreterinnen zwei weitere Bürgerbegehren zu derselben Thematik bei der Gemeinde ein. Dabei handelt es sich um das hier streitgegenständliche Bürgerbegehren D2 („Grünfläche an der D. straße erhalten“) sowie das Bürgerbegehren „Das Bauleitplanverfahren am HB1  stoppen!“.
		 
		
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			Die Fragestellung des Bürgerbegehrens D2 lautet:
		 
		
			
			„Sind Sie dafür, dass der als Satzung beschlossene Bebauungsplan Nr. 98 ‚D. straße‘ der Gemeinde T.  aufgehoben wird?“
		 
		
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			Zur Begründung ist ausgeführt:
		 
		
			
			„Die Gemeinde T.  hat in dem Bereich zwischen D. straße, W.  Weg, Postweg und dem Gehölzstreifen im Norden auf einer Fläche von circa 1,6 Hektar den Bebauungsplan Nr. 98 als Satzung beschlossen; festgesetzt ist ein Allgemeines Wohngebiet. Am 23.4.24 wurde das Bürgerbegehren „Gründlandfläche an der D. straße erhalten“ eingereicht. Der Gemeinderat beschloss noch am selben Abend den Bebauungsplan Nr. 98 als Satzung, machte diesen am nächsten Tag bekannt und entzog damit dem Bürgerbegehren die Grundlage. Die Gemeinde T.  hat dadurch das verfassungsrechtlich verbürgte Sicherungsrecht auf Durchführung eines Bürgerbegehrens verletzt. Infolge des Starkregens im Juni 2024 stand auf dieser Wiese das Wasser etwa 16 cm hoch und im Entenbach war es auf etwa 48 cm angestiegen. Trotzdem hält die Gemeinde T.  an der geplanten Bebauung mit Bebauungsplan Nr. 98 fest. Daher starten wir ein neues Bürgerbegehren, um den beschlossenen Bebauungsplan in seiner jetzigen Fassung aufzuheben. Die kommunale Planungshoheit, einen Bebauungsplan aufzuheben, wird durch den Abschluss etwaiger städtebaulicher und sonstiger Verträge nicht eingeschränkt. Folgende Gründe sprechen dafür, die Fläche wie bisher als Gründlandfläche zu erhalten, vor allem wegen ihrer ‚ökologischen Funktion‘.“
		 
		
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			Im Folgenden werden drei Gründe dargestellt, die für den Erhalt der Grünlandfläche sprächen (Schutzfunktion bei Starkregen, „gut durchlüftetes Gebiet“/ansonsten Abnahme der zur Kaltluftproduktion verfügbaren Fläche, Bauvorhaben erzeugt etwa 1.002 Kfz/24 Stunden/ansonsten Überschreitung des Nachtwerts für Schallimmissionen).
		 
		
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			Mit Bescheid vom 9. Oktober 2024 wies die Beklagte auch dieses Bürgerbegehren als unzulässig zurück. Es sei wegen Verstoßes gegen materiell-rechtliche Vorgaben nicht zuzulassen. Jedes Bürgerbegehren, das auf eine abschließende Entscheidung über einen Bauleitplan mit einem bestimmten Inhalt und damit auf eine abschließende planungsrechtliche Abwägungsentscheidung ziele, sei wegen Verstoßes gegen das Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB rechtswidrig und damit unzulässig. Auch die Aufhebung eines Bebauungsplans unterliege dem Abwägungsgebot. Die hier beabsichtigte Fragestellung widerspreche § 1 Abs. 8 i.V.m. Abs. 7 BauGB, wonach auch für die Aufhebung eines Bebauungsplans die Vorschriften des Baugesetzbuchs die Aufstellung von Bauleitplänen gälten. Die Aufhebung eines Bebauungsplans müsse die dadurch berührten Belange der Grundstückseigentümer ermitteln und in die Abwägung einbeziehen und sie müsse durch entsprechende städtebauliche Gründe gerechtfertigt sein. Diesem zwingenden gesetzlichen Abwägungsgebot könne im Rahmen eines Bürgerbegehrens, das auf die Beantwortung einer Frage nur mit „Ja“ oder „Nein“ ausgelegt sei, nicht Rechnung getragen werden, sodass ein Bürgerbegehren mit diesem Inhalt ein gesetzwidriges Ziel verfolge. Die Aufhebung bedürfe zudem eines formalen Aufhebungsverfahrens nach den Vorgaben des Baugesetzbuchs.
		 
		
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			Am 16. Oktober 2024 erhoben die Klägerinnen Klage. Zur Begründung wurde vorgetragen, die Beklagte habe mit der Bekanntmachung des Bebauungsplans Nr. 98 „D. straße“ am 24. April 2024 gegen das verfassungsrechtlich aus Art. 7 Abs. 2, Art. 12 Abs. 3 BV abzuleitende Sicherungsrecht des zulässigen Bürgerbegehrens verstoßen mit der Folge, dass sich der Bebauungsplan als nichtig erweise und daher nicht geeignet sei, dem zulässigen Bürgerbegehren die Grundlage zu entziehen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts in dem Beschluss im Eilverfahren und der Beklagten sei die Bekanntmachung des Bebauungsplans Nr. 98 wegen Verstoßes gegen Art. 7 Abs. 2, Art. 12 Abs. 3 BV unwirksam und der Bebauungsplan nichtig. Eine auf Einstellung von Bauleitplanverfahren zielende Fragestellung sei rechtlich unproblematisch. Die Gemeinde dürfe grundsätzlich nicht durch beschleunigte Durchsetzung ihrer Interessen und Verzögerung des Verfahrens des Bürgerbegehrens Fakten schaffen, die eine objektive Zwangslage zu ihren Gunsten herbeiführten oder dem Bürgerbegehren die Grundlage entzögen. Sie müsse das grundsätzliche Recht ihrer Bürger auf Durchführung von Bürgerbegehren und Bürgerentscheid beachten. Die Vertreter eines Bürgerbegehrens hätten daher nach der Einreichung der Unterschriftenlisten einen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes durchsetzbaren grundsätzlichen Anspruch auf Sicherung der Durchführung des erstrebten Bürgerentscheids, also darauf, dass die betreffende Gemeinde den Bürgerentscheid nicht durch die Schaffung vollendeter Tatsachen leerlaufen lasse oder anderweitig vereitele. Hier habe die Gemeinde nach der Beschlussfassung des Gemeinderats am 23. April 2024, aber noch vor Erlass des Zurückweisungsbescheids vom 27. Mai 2024 am 24. April 2024 den Bebauungsplan Nr. 98 ortsüblich bekannt gemacht und damit gegen das verfassungsrechtlich abgeleitete Sicherungsrecht des als zulässig anzusehenden Bürgerbegehrens verstoßen. Dabei sei es den Vertretern des Bürgerbegehrens rechtlich und faktisch unmöglich gewesen, rechtzeitig den Erlass einer einstweiligen Sicherungsanordnung zu beantragen, um so die Bekanntmachung des Bebauungsplans bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens verhindern zu können. Denn es seien keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass für diese absehbar gewesen wäre, dass eine Bekanntmachung bereits vor der förmlichen Verbescheidung zu der Frage der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens erfolgen würde. Auch wenn das Sicherungsrecht als solches nicht gesetzlich geregelt sei, habe die Gemeinde auch unabhängig von der Geltendmachung des Anspruchs durch die vertretungsberechtigten Personen des Bürgerbegehrens von Amts wegen zu prüfen, ob sie mit Entscheidungen oder Vollzugsmaßnahmen im Einzelfall bestehende Sicherungsrechte des eingereichten und zulässigen Bürgerbegehrens verletze. Das Risiko, dass die Gemeinde mit einer Schaffung vollendeter Tatsachen – unter Berufung auf eine (allein) von ihr festgestellte Unzulässigkeit – das verfassungsrechtlich begründete Sicherungsrecht der Vertreter des Bürgerbegehrens verletze, sei dabei umso höher, wenn – wie hier – die Erlangung effektiven vorläufigen Rechtsschutzes durch die Vertreter des Bürgerbegehrens von Seiten der Gemeinde faktisch verhindert werde und eine gerichtliche Überprüfung erst im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens erfolgen könne. Zum Zeitpunkt der Einreichung des Bürgerbegehrens sei die Fragestellung bezüglich der Frage, den Bebauungsplan Nr. 98 aufzuheben, nach dem Empfängerhorizont wohlwollend dahingehend auszulegen, dass Gegenstand des Bürgerbegehrens die Aufhebung des am 24. April 2024 erfolgten und als unwirksam zu erachtenden Satzungsbeschlusses sein solle. Das Bürgerbegehren sei damit auf die Verhinderung des (erneuten) Erlasses dieser Satzung bzw. auf Einstellung des Bebauungsplanverfahrens und somit eine verfahrensleitende Maßnahme gerichtet gewesen. Abgesehen davon sei der Bebauungsplan Nr. 98 auch aus anderen Gründen unwirksam. Die Verwaltungsgerichte seien in jedem gerichtlichen Verfahren nach dem Rechtsstaatsprinzip berechtigt und verpflichtet, über die Gültigkeit von Ortsrecht inzident zu entscheiden. Hierzu werde auf das in Kopie beigefügte Einwendungsschreiben gegen den Bebauungsplan an die Gemeinde vom 3. März 2025 verwiesen. Jedenfalls erweise sich die Auslegungsbekanntmachung als fehlerhaft, da die Ausgleichsflächen nach § 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB nicht bezeichnet worden seien und so die Anstoßwirkung hinsichtlich des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplanes verfehlten. Die Bekanntmachung enthalte gerade nicht die Nennung der Ausgleichsfläche, FlurNr. 2184, Gem. Hofolding, was aber erforderlich gewesen wäre, was weiter ausgeführt wurde.
		 
		
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			Die Klägerinnen beantragen,
		 
		
			
			die Beklagte zu verpflichten, unter Aufhebung des Bescheids vom 9. Oktober 2024 das am 28. August 2024 eingereichte Bürgerbegehren „Grünfläche an der D. straße erhalten“ zuzulassen.
		 
		
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			Die Beklagte beantragt
		 
		
		
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			Sie führt hierzu aus, ein Bürgerbegehren sei ausgeschlossen und nicht zuzulassen, wenn es zwar einen zulässigen Gegenstand betreffe, dabei aber eine komplexe Abwägung voraussetze. Die hier beabsichtigte Fragestellung widerspreche § 1 Abs. 8 i.V.m. Abs. 7 BauGB, wonach auch für die Aufhebung eines Bebauungsplans die Vorschriften des BauGB über die Aufstellung von Bauleitplänen gälten. Um einen Bebauungsplan aufzuheben, bedürfe es u.a. einer Abwägung unter Berücksichtigung der in § 1 Abs. 4 bis 6 BauGB genannten öffentlichen und privaten Belange (§ 1 Abs. 7 BauGB). Die Aufhebung des Bebauungsplans Nr. 98 bedürfe zudem eines formalen Aufhebungsverfahrens nach den Vorgaben des Baugesetzbuchs. Der Bebauungsplan sei wirksam ortsüblich bekanntgemacht worden. Er könne nicht durch einen bloßen, einem Beschluss des Gemeinderats gleichstehenden Bürgerentscheid zurückgenommen werden. Dass – so der Vortrag der Klägerinnen – das Bürgerbegehren auf die „Verhinderung des (erneuten) Erlasses der Satzung bzw. auf Einstellung des Bebauungsplanverfahrens und somit eine verfahrensleitende Maßnahme“ gerichtet gewesen sei, widerspreche dem Wortlaut der Fragestellung des streitgegenständlichen Bürgerbegehrens sowie dem zeitlichen Ablauf der beiden Bürgerbegehren zum Bebauungsplan Nr. 98 „D. straße“. Ausdrücklich möchte das neue Bürgerbegehren die Frage zur Abstimmung stellen, ob der als Satzung beschlossene Bebauungsplan Nr. 98 aufgehoben werden solle. Die Klägerinnen hätten das neue Bürgerbegehren in Reaktion auf die gerichtliche Entscheidung im Eilverfahren sowie den Beschluss der Beklagten zur Zurückweisung des ursprünglichen Bürgerbegehrens als unzulässig initiiert. Da sie als Vertreterinnen des ursprünglichen Bürgerbegehrens ersichtlich selbst davon ausgegangen seien, dass das ursprüngliche Bürgerbegehren nicht zulässig gewesen sei, seien für das neue Bürgerbegehren Unterschriften gesammelt worden. Die Ablehnung des ursprünglichen Bürgerbegehrens mit Bescheid vom 27. Mai 2024 sei als zeitliche Zäsur anzusehen. Das neue Bürgerbegehren sei mehr als vier Monate nach Bekanntmachung des Bebauungsplans bei der Beklagten eingereicht worden. Die Klägerinnen hätten dies bereits bei dem Entwurf der Fragestellung zum neuen Bürgerbegehren beachten müssen. Es sei zum Zeitpunkt der Einreichung des neuen Bürgerbegehrens bereits allen Parteien klar gewesen, dass die Bekanntmachung bereits erfolgt gewesen sei. Eine einfache verfahrensleitende Maßnahme habe somit nicht mehr ausreichen können, um von der Bauleitplanung abzurücken. Die Beklagte habe nämlich keine eigene Normverwerfungskompetenz. Ein bekanntgemachter Bebauungsplan müsse grundsätzlich in dem für die Normsetzung geltenden Verfahren aufgehoben werden. Dies sei nur in Folge einer komplexen Abwägungsentscheidung nach § 1 Abs. 8 BauGB i.V.m § 1 Abs. 7 BauGB möglich, das keine einfache verfahrensleitende Maßnahme darstelle. Da das neue Bürgerbegehren erst nach Bekanntmachung des Bebauungsplans eingereicht worden sei, könne es auch keinen Sicherungsanspruch nach Art. 7 Abs. 2 BV i.V.m. Art. 12 Abs. 3 BV entfalten. Ob der Bebauungsplan aus anderen Gründen unwirksam sein sollte, ändere nichts an der Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens. Darüber hinaus entspreche die Begründung des Bürgerbegehrens nicht den Anforderungen des Art. 18a Abs. 4 Satz 1 GO. Sie gebe den Sachverhalt nicht vollumfänglich wieder und treffe Aussagen ins Blaue hinein, was weiter ausgeführt wurde.
		 
		
			18
			Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die vorgelegte Behördenakte, ergänzend auf die Gerichts- und Behördenakten im Klageverfahren betreffend das Bürgerbegehren D1 (M 7 K 24.3773) sowie das Protokoll über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
		 
		Entscheidungsgründe
		
			19
			Die zulässige Klage ist unbegründet.
		 
		
			20
			Die auf Zulassung des Bürgerbegehrens gerichtete Klage (vgl. Art. 18a Abs. 8 Satz 2 GO) ist als Verpflichtungsklage zulässig (vgl. BayVGH, U.v. 18.3.1998 – 4 B7.3249 – juris Rn. 13 m.w.N.). Maßgebend für die Beurteilung, ob das streitgegenständliche Bürgerbegehren die formellen wie materiellen Zulassungsvoraussetzungen erfüllt, ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.
		 
		
			21
			Die Klage ist jedoch unbegründet, da die Klägerinnen als Vertreterinnen keinen Anspruch auf Zulassung des streitgegenständlichen Bürgerbegehrens haben (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
		 
		
			22
			Das Bürgerbegehren D2 erfüllt nicht die materiellen Zulassungsvoraussetzungen, denn es ist auf die Aufhebung eines bekannt gemachten und wirksamen Bebauungsplans gerichtet und damit auf ein unzulässiges Ziel.
		 
		
			23
			Da dem (erfolgreichen) Bürgerentscheid nach Art. 18a Abs. 13 GO die Wirkung eines Beschlusses des Gemeinderats zukommt, kann sich ein Bürgerbegehren grundsätzlich auf alles beziehen, was auch durch Gemeinderatsbeschluss bestimmt werden könnte (vgl. BayVGH, U.v. 10.12.1997 – 4 B 97.89 u.a. – BayVBl 1998, 242/243 m.w.N.). Auch Grundsatzentscheidungen, die noch der Ausführung und Ausfüllung durch spätere Detailentscheidungen bedürfen, können grundsätzlich durch Bürgerentscheid getroffen werden (vgl. BayVGH, U.v. 19.2.1997 – 4 B 96.2928 – BayVBl. 1997, 276/277; U.v. 21.3.2012 – 4 B 11.221 – juris Rn. 22). Ein Bürgerbegehren kann jedoch nur zugelassen werden, wenn die mit ihm unterbreitete Fragestellung ausreichend bestimmt ist. Das bedeutet zwar nicht zwingend, dass es zum Vollzug des Bürgerentscheids nur noch der Ausführung durch den Bürgermeister im Rahmen der laufenden Angelegenheiten nach Art. 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GO bedarf, da mit einem Bürgerentscheid gerade auch Grundsatzentscheidungen getroffen werden können, die erst noch durch nachfolgende Detailregelungen des Gemeinderats ausgefüllt werden müssen, wie dies etwa bei einem Planaufstellungsbeschluss nach § 2 Abs. 1 Satz 2 BauGB der Fall ist. Die Fragestellung muss aber in jedem Fall so bestimmt sein, dass die Bürger zumindest in wesentlichen Grundzügen erkennen können, wofür oder wogegen sie ihre Stimme abgeben und wie weit die gesetzliche Bindungswirkung des Bürgerentscheids (Art. 18a Abs. 13 GO) im Falle eines Erfolgs reicht. Die auf eine Grundsatzentscheidung abzielenden Bürgerbegehren unterliegen damit strengeren Bestimmtheitsanforderungen als entsprechende Beschlussanträge im Gemeinderat, der an seine früheren Entscheidungen in keiner Weise gebunden ist und nicht vollzugsfähige Beschlüsse jederzeit präzisieren kann (vgl. BayVGH, U.v. 13.3.2019 – 4 B 18.1851 – juris Rn. 36 m.w.N.; U.v. 17.5.2017 – 4 B 16.1856 – juris Rn. 24; vgl. auch NdsOVG, B.v. 7.5.2009 – 10 ME 277/08 – juris Rn. 20; OVG NW, U.v. 23.4.2002 – 15 A 5594/00 – juris Rn. 24 und 30; Becker/Bomba, BayVBl 2002, 167/168). Es muss mit anderen Worten erkennbar sein, welchen Inhalt die spätere, durch den Bürgerentscheid herbeizuführende Entscheidung haben wird, denn nur dann ist sie hinreichend direktdemokratisch legitimiert. Eine klare und eindeutige Fragestellung ist auch im Hinblick auf die erforderliche Umsetzung notwendig (vgl. NdsOVG, B.v. 7.5.2009 – 10 ME 277/08 – juris Rn. 20; OVG NW, U.v. 23.4.2002 – 15 A 5594/00 – juris Rn. 20). Die Gemeindeorgane, die den (erfolgreichen) Bürgerentscheid später zu vollziehen oder jedenfalls zu beachten haben, müssen dem Abstimmungstext entnehmen können, inwieweit sie an das Bürgerbegehren gebunden sind (vgl. Zöllner, BayVBl 2013, 129/132). Die geforderte inhaltliche Bestimmtheit der gestellten Frage muss sich dabei bereits unmittelbar aus dem Abstimmungstext ergeben und darf sich nicht erst aufgrund einer Zusammenschau mit der auf den Unterschriftenlisten abgedruckten Begründung ermitteln lassen. Dies folgt aus dem Umstand, dass die nach Art. 18a Abs. 4 Satz 1 GO geforderte Begründung lediglich den Unterzeichnern des Bürgerbegehrens in der Phase der Unterschriftensammlung vorliegt, nicht hingegen den abstimmenden Bürgern im Rahmen des später stattfindenden Bürgerentscheids. Ab der Zulassung des Bürgerbegehrens (Art. 18a Abs. 9 GO) verliert die ursprüngliche Begründung jede rechtliche Bedeutung. Von diesem Zeitpunkt an können die vertretungsberechtigten Personen des Bürgerbegehrens etwa bei der Darstellung ihres Abstimmungsvorschlags in Veröffentlichungen der Gemeinde (Art. 18a Abs. 15 GO) auch gänzlich andere oder zusätzliche Gründe anführen, die aus ihrer (nunmehrigen) Sicht für eine Stimmabgabe zugunsten des Bürgerentscheids sprechen. Die bei der Unterschriftensammlung verwendete Begründung des Bürgerbegehrens kann daher im Falle eines erfolgreichen Bürgerentscheids grundsätzlich nicht zur Auslegung des von der Aktivbürgerschaft Gewollten herangezogen werden (vgl. BayVGH, B.v. 22.3.2022 – 4 E 21.2992 – juris Rn. 22; vgl. auch U.v. 17.5.2017 – 4 B 16.1856 – juris Rn. 44; VG München, U.v. 1.6.2022 – M 7 K 21.5264 – juris Rn. 44).
		 
		
			24
			Nach Art. 18a Abs. 4 Satz 1 GO muss ein Bürgerbegehren eine Begründung enthalten. Damit soll sichergestellt werden, dass die Gemeindebürger, wenn sie zur Unterschriftsleistung aufgefordert werden, schon in dieser ersten Phase des direktdemokratischen Verfahrens die Bedeutung und Tragweite der mit Ja oder Nein zu entscheidenden Fragestellung erkennen können (vgl. zum Volksgesetzgebungsverfahren BayVerfGH, E.v. 13.4.2000 – Vf.4-IX-00 – VGH n.F. 53, 81/105). Da bereits mit der Unterzeichnung eines Bürgerbegehrens das Recht auf Teilhabe an der Staatsgewalt in Gestalt der Abstimmungsfreiheit (Art. 7 Abs. 2, Art. 12 Abs. 3 BV) ausgeübt wird, ergeben sich aus der Bayerischen Verfassung auch Mindestanforderungen an die Richtigkeit der Begründung. Die Stimmberechtigten können sowohl bei der Frage, ob sie ein Bürgerbegehren unterstützen und diesem zur erforderlichen Mindestunterschriftenzahl verhelfen (Art. 18a Abs. 6 GO), als auch bei der nachfolgenden Abstimmung über den Bürgerentscheid nur dann sachgerecht entscheiden, wenn sie den Inhalt des Begehrens verstehen, seine Auswirkungen überblicken und die wesentlichen Vor- und Nachteile abschätzen können. Mit diesen Grundsätzen ist es nicht vereinbar, wenn in der Fragestellung oder in der Begründung eines Bürgerbegehrens in einer für die Abstimmung relevanten Weise unzutreffende Tatsachen behauptet werden oder die geltende Rechtslage unzutreffend oder unvollständig erläutert wird. Das Gleiche muss gelten, wenn die Folgen einer angestrebten Rechtsänderung so lückenhaft oder missverständlich dargestellt werden, dass die Bürger, soweit sie nicht über spezielle Vorkenntnisse verfügen, den eigentlichen Inhalt des Regelungsvorschlags nicht erfassen können (vgl. BayVGH, B.v. 20.1.2012 – 4 CE 11.2771 – juris Rn. 31 m.w.N.; U.v. 17.5.2017 – 4 B 16.1856 – juris Rn. 33 m.w.N.; U.v. 13.3.2019 – 4 B 18.1851 – juris Rn. 29; B.v. 20.12.2021 – 4 CE 21.2576 – juris Rn. 28 f.).
		 
		
			25
			Da das Rechtsinstitut Bürgerbegehren/Bürgerentscheid so angelegt ist, dass die Fragestellung von Gemeindebürgern ohne besondere verwaltungsrechtliche Kenntnisse formuliert werden können soll, kann es notwendig sein und ist zulässig – wie bei Willenserklärungen und Gesetzen auch –, den Inhalt einer Frage durch Auslegung zu ermitteln. Bei der Auslegung hält die Rechtsprechung eine „wohlwollende Tendenz“ für gerechtfertigt, weil das Rechtsinstitut für die Bürger handhabbar sein soll, solange nur das sachliche Ziel des Begehrens klar erkennbar ist. Für die Auslegung gilt, dass nicht die subjektive, im Lauf des Verfahrens erläuterte Vorstellung der Initiatoren vom Sinn und Zweck und Inhalt des Bürgerbegehrens, sondern nur der objektive Erklärungsinhalt, wie er in der Formulierung und Begründung der Frage zum Ausdruck gebracht und von den Unterzeichnern verstanden werden konnte und musste, maßgeblich ist (vgl. BayVGH, U.v. 19.2.1997 – 4 B 96.2928 – BayVBl 1997, 276/277; B.v. 25.6.2012 – 4 CE 12.1224 – juris Rn. 27).
		 
		
			26
			Das streitgegenständliche Bürgerbegehren D1 ist nach seinem Wortlaut und damit dem objektiven Erklärungsinhalt der Fragestellung bzw. der Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont (vgl. §§ 133, 157 BGB) darauf gerichtet, dass der als Satzung beschlossene Bebauungsplan Nr. 98 „D. straße“ aufgehoben wird. Die Fragestellung ist demnach unzulässig, da die Aufhebung eines Bebauungsplans nicht zulässiger Gegenstand eines Bürgerbegehrens sein kann.
		 
		
			27
			Durch Gesetz nicht ausdrücklich ausgeschlossen sind abschließende materielle Entscheidungen im Bauleitplanverfahren. Diese beinhalten jedoch eine Abwägungsentscheidung, die komplex und somit keiner Beantwortung mit „Ja“ oder „Nein“ zugänglich sind. Da ein solches Bürgerbegehren die in Art. 18a Abs. 4 GO vorgesehenen Voraussetzungen nicht erfüllen kann und ein mit entsprechendem Bürgerentscheid beschlossener Bebauungsplan abwägungsfehlerhaft und damit rechtswidrig zustande kommen würde, müsste das Bürgerbegehren aus materiellrechtlichen Gründen als unzulässig zurückgewiesen werden (vgl. Thum, Bürgerbegehren und Bürgerentscheid in Bayern, Stand 1. Januar 2024, Art. 18a Abs. 1 GO Anm. 2 e) bb) m.w.N.; vgl. auch VG München, U.v. 1.6.2022 – M 7 K 21.5264 – juris Rn. 36). Der satzungsmäßige Erlass eines Bebauungsplans kann daher in der Regel nicht Gegenstand eines Bürgerentscheids sein. Gleiches muss für die Aufhebung eines Bebauungsplans gelten. Es kann lediglich den Aufstellungsbeschluss (Beschluss zur Einleitung eines Bauleitplanaufhebungsverfahrens) zum Inhalt haben. Ein solcher erweist sich jedoch als unzulässig, wenn die geforderten Festsetzungen in keinem Fall rechtmäßig sein können und die vom Gemeinderat durchzuführende Abwägung von vornherein nicht zu dem vom Bürgerbegehren gewünschten Ergebnis führen kann (vgl. VG Augsburg, U.v. 18.6.1997 – Au K 96.1065 – VwRR BY 1997, 321; Thum, Bürgerbegehren und Bürgerentscheid in Bayern, Stand 1. Januar 2024, Art. 18a Abs. 1 GO Anm. 2 e) bb) m.w.N. sowie o.g. Urteil unter 44.10).
		 
		
			28
			Die beantragte Aufhebung des Bebauungsplans Nr. 98 „D. straße“ verstößt somit gegen das in § 1 BauGB enthaltene Abwägungsgebot (vgl. VG Augsburg, U.v. 18.6.1997 a.a.O.). Die Gemeinde kann einen Bebauungsplan nach § 1 Abs. 8 BauGB (nur) nach den Vorschriften über die Aufstellung von Bauleitplänen aufheben. Nach dieser Regelung gelten alle Vorschriften über die Aufstellung der Bauleitpläne auch für ihre Änderung, Aufhebung oder Ergänzung. Auch in diesen Fällen ist somit das förmliche, durch den Aufstellungsbeschluss, die frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung, die öffentliche Auslegung und den Satzungs- bzw. Feststellungsbeschluss geprägte Verfahren durchzuführen. Da ein Bauleitplan ein Vertrauen auf seinen Bestand begründet, müssen auch im Rahmen einer Aufhebung, Änderung oder Ergänzung die Abwägungsgrundsätze des § 1 Abs. 7 BauGB beachtet werden. Die Gemeinde muss darlegen, dass die Aufhebung oder Änderung des Plans nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB erforderlich ist. Die Interessen der Planbetroffenen sind im Rahmen der Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB zu berücksichtigen. Außerdem ist zu beachten, dass durch die Aufhebung, Änderung oder Ergänzung eines Bauleitplans Entschädigungsansprüche nach den §§ 39, 42 BauGB entstehen können. Auch diese Ansprüche sollten in der Abwägung berücksichtigt werden (vgl. Schrödter/Wahlhäuser in Schrödter, Baugesetzbuch, 9. Auflage 2019, § 1 BauGB Rn. 641). Auch der vorhandene Plan ist mit dem ihm zukommenden Gewicht in die Abwägung einzustellen. Das Erfordernis erneuter Planung muss zu rechtfertigen sein. Das Vertrauen des Bauherrn in den Fortbestand der Planung ist bei der Abwägung über die Aufhebung eines Bebauungsplans von besonderem Gewicht (vgl. VG Augsburg, U.v. 18.6.1997 – Au K 96.1065 – VwRR BY 1997, 321). Dies wäre auch hier der Fall, da die Baugenehmigung dem Bauherrn bereits erteilt wurde und im Fall eines Verlusts des Baurechts mit einer erheblichen Schadenersatzforderung zu rechnen sein dürfte. Abgesehen von der hieraus folgenden Unzulässigkeit des Gegenstands der Fragestellung könnten die Unterzeichner auch den Inhalt der Fragestellung und die Auswirkungen nicht hinreichend überblicken. Denn den Unterzeichnern des Bürgerbegehrens wurde vielmehr in der Begründung der Eindruck vermittelt, dass die Aufhebung des Bebauungsplans ohne Weiteres und problemlos möglich sei. Die kommunale Planungshoheit sei nicht eingeschränkt. Dies trifft jedoch – wie ausgeführt – nicht zu.
		 
		
			29
			Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass es vorliegend nur um eine förmliche Aufhebung eines nichtigen Bebauungsplans ginge, wie die Klägerinnen geltend machen, um den Schein der Rechtsgeltung des Bebauungsplans zu beseitigen (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 21.11.1986 – 4 C 60/84 – juris; OVG MV, B.v. 19.10.2006 – 3 M 63/06 – juris Rn. 28) mit der Folge, dass das Bürgerbegehren hier nur auf eine bereits gänzlich vorgezeichnete Abwägungsentscheidung zugunsten der Aufhebung gerichtet wäre. Denn ein Verstoß der Beklagten gegen das Sicherungsrecht der Klägerinnen als Vertreterinnen des Bürgerbegehrens D1 ist mit der Bekanntmachung des Bebauungsplans nicht erfolgt.
		 
		
			30
			Im Hinblick darauf, dass nicht nur das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden in Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 11 Abs. 2 BV, sondern auch die Rechte des Bürgerbegehrens in Art. 7 Abs. 2, Art. 12 Abs. 3 BV und Art. 18a GO garantiert sind, stehen diese Rechte nicht dergestalt selbständig nebeneinander, dass jede Seite ohne Rücksicht auf die Interessen der anderen Seite ihre Rechte ausüben darf. Die Gemeinde darf daher grundsätzlich nicht durch beschleunigte Durchsetzung ihrer Interessen und Verzögerung des Verfahrens des Bürgerbegehrens Fakten schaffen, die eine objektive Zwangslage zu ihren Gunsten herbeiführen oder dem Bürgerbegehren die Grundlage entziehen. Sie muss das grundsätzliche Recht ihrer Bürger auf Durchführung von Bürgerbegehren und Bürgerentscheid beachten, wobei das nicht ausschließt, dass im Einzelfall sachliche Gründe vorliegen, die – unabhängig vom Inhalt des Bürgerbegehrens – objektiv Maßnahmen der Gemeinde notwendig machen, die sich im Ergebnis zulasten des Bürgerentscheids auswirken (vgl. BayVGH, B.v. 7.10.1997 – 4 ZE 97.2965 – BayVBl. 1998, 85/86; vgl. nachgehend auch BayVerfGH, E.v. 15.7.1999 – Vf. 103-VI-97 – BayVBl. 1999, 624; BayVGH, B.v. 5.3.2020 – 4 CE 20.278 – juris Rn. 23). Werden Satzungen unter Missachtung des Sicherungsrechts erlassen, stehen sie zwar im Unterschied zu einem Verstoß gegen die Sperrwirkung des Art. 18a Abs. 9 GO nicht in Widerspruch zu einer (höherrangigen) Gesetzesbestimmung, sie erweisen sich aber gleichwohl als rechtswidrig und nichtig, weil sie unter Verletzung grundrechtlich abgesicherter Rechtspositionen zustande gekommen sind. Denn das Recht auf Durchführung des Bürgerentscheids ist in Art. 7 Abs. 2 und Art. 12 Abs. 3 BV als demokratisches Teilhaberecht ausdrücklich verfassungsrechtlich garantiert. Verletzt nun eine Satzung das verfassungsrechtlich abgeleitete Sicherungsrecht, steht sie nicht im Einklang mit der Bayerischen Verfassung und ist daher nichtig (vgl. VG München, U.v. 1.6.2022 – M 7 K 21.5264 – juris Rn. 42; Thum, Bürgerbegehren und Bürgerentscheid in Bayern, Stand 1. August 2025, Art. 18a Abs. 9 GO Anm. 2 c) (2) mit ergänzendem Hinweis auf VG München, U.v. 9.10.2002 – M 7 K 02.2044 – juris; vgl. auch Thum, KommunalPraxis BY 2006, 131/132 f.).
		 
		
			31
			Das Sicherungsrecht erfordert jedoch, dass das Bürgerbegehren die Anforderungen an die Zulässigkeit erfüllt. Denn anderenfalls bestünde schon kein Anspruch auf Durchführung desselben, welcher einer Sicherung bedürfte. Nur die Vertreter eines als zulässig anzusehenden Bürgerbegehrens haben nach der Einreichung der Unterschriftenlisten einen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes durchsetzbaren grundsätzlichen Anspruch auf Sicherung der Durchführung des erstrebten Bürgerentscheids (vgl. BayVGH in st. Rspr., z.B. B.v. 5.3.2020 – 4 CE 20.278 – juris Rn. 23).
		 
		
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			Das von den Klägerinnen eingereichte Bürgerbegehren D1 erfüllt jedoch nicht die Anforderungen an die Zulässigkeit. Zwar verstößt es nicht unmittelbar gegen das Koppelungsverbot, jedoch beeinträchtigt die enge Verknüpfung der beiden Bürgerbegehren im Ergebnis gleichwohl die Abstimmungsfreiheit der Bürger.
		 
		
			33
			Die in Art. 18a Abs. 4 Satz 1 GO enthaltene Vorgabe, wonach das Bürgerbegehren „eine“ Fragestellung enthalten muss, lässt zwar die Zusammenfassung mehrerer Teilfragen oder -maßnahmen zu einem einheitlichen Abstimmungsgegenstand zu, verbietet aber die Koppelung sachlich nicht zusammenhängender Materien in ein und derselben Fragestellung. Denn die aus dem demokratischen Mitwirkungsrecht des Bürgers (Art. 7 Abs. 2 BV) folgende Abstimmungsfreiheit wäre beeinträchtigt, wenn über mehrere Regelungsvorschläge, die in keinem Sachzusammenhang zueinander stehen, nur „im Paket“ abgestimmt werden könnte. Dieser ursprünglich für Volksbegehren entwickelte Grundsatz muss in gleicher Weise für Bürgerbegehren gelten. Wann verschiedene Einzelmaterien so eng aufeinander bezogen sind, dass sie in einem Bürgerbegehren gebündelt werden dürfen, bestimmt sich nach materiellen Kriterien. Die bloß formale Verbindung unter dem Dach einer Fragestellung genügt ebenso wenig wie die Verknüpfung durch ein gemeinsames allgemeines Ziel oder ein politisches Programm. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Teilfragen oder -maßnahmen nach objektiver Beurteilung innerlich eng zusammenhängen und eine einheitliche abgrenzbare Materie bilden (vgl. BayVGH, U.v. 17. Mai 2017 – 4 B 16.1856 – juris Rn. 27 f. m.w.N.).
		 
		
			34
			Nach Art. 18a Abs. 4 Satz 1 GO muss ein Bürgerbegehren eine Begründung enthalten. Damit soll sichergestellt werden, dass die Gemeindebürger, wenn sie zur Unterschriftsleistung aufgefordert werden, schon in dieser ersten Phase des direktdemokratischen Verfahrens die Bedeutung und Tragweite der mit Ja oder Nein zu entscheidenden Fragestellung erkennen können (vgl. zum Volksgesetzgebungsverfahren BayVerfGH, E.v. 13.4.2000 – Vf.4-IX-00 – VGH n.F. 53, 81/105). Da bereits mit der Unterzeichnung eines Bürgerbegehrens das Recht auf Teilhabe an der Staatsgewalt in Gestalt der Abstimmungsfreiheit (Art. 7 Abs. 2, Art. 12 Abs. 3 BV) ausgeübt wird, ergeben sich aus der Bayerischen Verfassung auch Mindestanforderungen an die Richtigkeit der Begründung. Die Stimmberechtigten können sowohl bei der Frage, ob sie ein Bürgerbegehren unterstützen und diesem zur erforderlichen Mindestunterschriftenzahl verhelfen (Art. 18a Abs. 6 GO), als auch bei der nachfolgenden Abstimmung über den Bürgerentscheid nur dann sachgerecht entscheiden, wenn sie den Inhalt des Begehrens verstehen, seine Auswirkungen überblicken und die wesentlichen Vor- und Nachteile abschätzen können. Mit diesen Grundsätzen ist es nicht vereinbar, wenn in der Fragestellung oder in der Begründung eines Bürgerbegehrens in einer für die Abstimmung relevanten Weise unzutreffende Tatsachen behauptet werden oder die geltende Rechtslage unzutreffend oder unvollständig erläutert wird. Das Gleiche muss gelten, wenn die Folgen einer angestrebten Rechtsänderung so lückenhaft oder missverständlich dargestellt werden, dass die Bürger, soweit sie nicht über spezielle Vorkenntnisse verfügen, den eigentlichen Inhalt des Regelungsvorschlags nicht erfassen können (vgl. BayVGH, B.v. 20.1.2012 – 4 CE 11.2771 – juris Rn. 31 m.w.N.; U.v. 17.5.2017 – 4 B 16.1856 – juris Rn. 33 m.w.N.; U.v. 13.3.2019 – 4 B 18.1851 – juris Rn. 29; B.v. 20.12.2021 – 4 CE 21.2576 – juris Rn. 28 f.).
		 
		
			35
			Nach diesen Maßgaben wäre die Koppelung beider Fragestellungen in einem einzelnen Bürgerbegehren nicht zulässig gewesen, da beide Fragestellungen zwar dasselbe allgemeine Ziel verfolgen (Rettung der Luftqualität in Taukirchen bzw. der großen Freifläche, vgl. Begründung im Beiblatt), jedoch inhaltlich zwei eigenständige und deutlich unterschiedliche Bauleitplanverfahren zum Gegenstand haben. Die Plangebiete sind nicht räumlich angrenzend und das Bauleitplanverfahren zum Plangebiet „HB1 “ enthält neben reiner allgemeinen Wohnnutzung eine Planung für verschiedene „Senioreneinrichtungen“, insbesondere einen Neubau als benötigten Ersatz für das aktuelle Seniorenheim. Weder hängen die Bebauungspläne daher nach objektiver Betrachtung innerlich eng zusammen noch bilden sie eine einheitliche abgrenzbare Materie.
		 
		
			36
			Zwar waren die Bebauungspläne nicht gemeinsamer Gegenstand einer Fragestellung, sondern jeweils Gegenstand eines eigenen Bürgerbegehrens, sodass die Unterzeichnenden, formal gesehen, die Entscheidungsmöglichkeit hatten, beide Bürgerbegehren, nur ein Bürgerbegehren oder keines der Bürgerbegehren mit ihrer Unterschrift zu unterstützen. Jedoch waren beide Bürgerbegehren zum einen stofflich verknüpft, weil sie zusammen auf einer DIN A3 Seite abgedruckt waren, zum anderen auch inhaltlich, weil beiden Bürgerbegehren zusätzlich auf dem Beiblatt eine weitere, gemeinsame Begründung beigegeben worden war. So wurde in dieser festgestellt und dargestellt, dass beide Bürgerbegehren dasselbe Thema betreffen, und dies mit dem einheitlichen Appell in der Überschrift verbunden („Retten Sie die Luftqualität in T. !“). Auch im Folgenden wurde gebeten, beide Bürgerbegehren zu unterschreiben, „um die große Freifläche mit den idyllischen Ecken zu retten“. Im dem vorangehenden Satz wird sogar von einem („diesem“) Bürgerbegehren gesprochen, mit dem die Bauvorhaben an der D. straße und am HB1  verhindert werden könnten. Aus alldem geht nach ihrer Konzeption eine sehr enge inhaltliche Verknüpfung der beiden Bürgerbegehren hervor. Daher konnte sich ein Unterzeichner durchaus gedrängt fühlen, beide Bürgerbegehren zu unterzeichnen, da anderenfalls das gemeinsame (eine) Ziel beider Bürgerbegehren („Rettung der Luftqualität“) nicht hinreichend erreicht werden könnte. So wird in dem Beiblatt auch ausgeführt, dass die (beiden) Freiflächen an der D. straße und am HB1  gebraucht würden. Zudem enthält das Beiblatt im Wesentlichen eine gemeinsame bzw. einheitliche Begründung zu beiden Bürgerbegehren, was die Bedeutung der Unterzeichnung beider Bürgerbegehren hervorhebt.
		 
		
			37
			Zwar befinden sich die Aussagen nicht in der auf den Unterschriftenlisten selbst enthaltenen Begründung, sondern in dem Beiblatt. Dies führt jedoch nicht zu dazu, dass diese unberücksichtigt bleiben könnten. So ist bereits zweifelhaft, ob einem Bürgerbegehren überhaupt eine weitere Begründung beigegeben werden darf. Art. 18a Abs. 4 Satz 1 GO spricht hierzu nur von „eine Begründung“. Jedenfalls muss auch eine weitere Begründung eines Bürgerbegehrens die an die Begründung des Bürgerbegehrens zu stellenden Anforderungen beachten, denn anderenfalls wäre eine Umgehung derselben problemlos möglich. Dies muss jedenfalls dann gelten, wenn die weitere Begründung – wie hier – zusammen mit den Unterschriftslisten ausgehändigt wird, da sie dann eindeutig und unmittelbar der Unterstützung der Entscheidungsfindung bei den Unterzeichnenden dienen soll.
		 
		
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			Unklar bleibt hier weiterhin auch, wie die Unterzeichnenden ihre Stimme abgegeben hätten, wenn sie wüssten bzw. gewusst hätten, dass sich eines der beiden Bürgerbegehren als unzulässig erweist. Zwar enthält jedes einzelne Bürgerbegehren die Maßgabe, wonach die Unterschrift auch weiterhin für die verbleibenden Teile gelten solle, falls Teile des Begehrens unzulässig sein oder sich erledigen sollten. Dies gilt jedoch ausdrücklich nur für jedes Bürgerbegehren allein und lässt sich angesichts des eindeutigen Wortlauts auch nicht erweiternd dahingehend auslegen, dass dies auch hinsichtlich einer Unzulässigkeit des jeweils anderen Bürgerbegehrens gelten soll. So besteht durchaus die Möglichkeit, dass jemand, der nur eines der Bürgerbegehren unterzeichnet hat, auch das andere unterzeichnet hätte, wenn er gewusst hätte, dass das unterzeichnete Bürgerbegehren unzulässig ist, oder dass jemand, der beide Bürgerbegehren unterzeichnet hat, keines unterzeichnet hätte, wenn er gewusst hätte, dass eines der Bürgerbegehren unzulässig ist.
		 
		
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			Insgesamt ist daher festzustellen, dass die aus dem demokratischen Mitwirkungsrecht des Bürgers (Art. 7 Abs. 2 BV) folgende Abstimmungsfreiheit durch die enge formale und inhaltliche Verknüpfung der Bürgerbegehren HB1 und D1 beeinträchtigt war mit der Folge, dass (auch) das Bürgerbegehren D1 die Anforderungen an die Zulässigkeit nicht erfüllt und ein Sicherungsanspruch mit der Einreichung desselben daher nicht entstehen konnte.
		 
		
			40
			Es kommt im Übrigen hier auch nicht darauf an, ob sich der Bebauungsplan aus sonstigen (baurechtlichen) Gründen als rechtswidrig bzw. unwirksam erweisen könnte, wie die Klägerinnen geltend machen. Denn ausweislich der Begründung zielt das Bürgerbegehren D2 (nur) darauf ab, dass der Bebauungsplan im Hinblick auf einen (behaupteten) Verstoß gegen das Sicherungsrecht des Bürgerbegehrens D1 aufgehoben wird. Weitergehendes war damit für die Unterzeichner schon nicht erkennbar. Weiterhin ist nicht ersichtlich, weshalb das Bürgerbegehren – wie die Klägerinnen vortragen – auf eine Verhinderung des (erneuten) Erlasses der Satzung bzw. auf Einstellung des Bauleitplanverfahrens und somit eine verfahrensleitende Maßnahme gerichtet (gewesen) sein sollte. Vielmehr war das vorangegangene Bürgerbegehren D1 auf eine Einstellung des Bauleitplanverfahrens gerichtet und dieses war bereits vor Einreichung des Bürgerbegehrens D2 mit der Bekanntgabe des Bebauungsplans abgeschlossen. Ein erneuter Erlass des Bebauungsplans stand und steht ebenfalls nicht im Raum.
		 
		
			41
			Schließlich kann das Bürgerbegehren auch bei Anlegung eines wohlwollenden Maßstabs nicht dahingehend ausgelegt werden, dass es lediglich einen (zulässigen) Aufstellungsbeschluss (Beschluss zur Einleitung eines Bauleitplanaufhebungsverfahrens) zum Ziel hätte. Ausweislich des Wortlauts der Fragestellung wie auch der Begründung war das Bürgerbegehren deutlich auf die Aufhebung des Bebauungsplans selbst gerichtet, wobei – wie ausgeführt – der Eindruck vermittelt wurde, dass dies problemlos möglich wäre. Somit hätten die Unterzeichner auch nicht erkennen können, dass im folgenden Bauleitplanaufhebungsverfahren eine Abwägung stattzufinden hätte unter besonderer Berücksichtigung der Interessen des begünstigten Bauherrn. Zudem ist auch unsicher, ob das primär verfolgte Ziel (Erhaltung der Fläche als Grünland – so die Überschriften der Bürgerbegehren D1 und D2) überhaupt noch erreicht werden kann, denn auf die Erteilung der Baugenehmigung, die hier auch bereits erfolgt ist (vgl. hierzu im Übrigen auch BayVGH, B.v. 25.6.2025 – 2 NE 25.584 – juris Rn. 16 ff.), und deren Bestand hat die Gemeinde keinen unmittelbaren Einfluss. All dies können die Stimmberechtigten der Fragestellung jedoch nicht entnehmen, sodass sie auch die Auswirkungen des Bürgerentscheids nicht überblicken könnten.
		 
		
			42
			Die Klage war daher insgesamt mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 159 Satz 2 VwGO abzuweisen.
		 
		
			43
			Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.v.m. §§ 708 ff. ZPO.