Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 25.09.2025 – 101 VA 105/25
Titel:

Hinterlegungsanordnung, Annahmeverfügung, Gläubigerrechte, Zwangsvollstreckung, Rechtswidrigkeit, Schlüssigkeitsprüfung, Antragsbefugnis

Leitsätze:
1. Das Vorbringen, die Hinterlegungsstelle habe in Verkennung de Voraussetzungen des § 372 BGB die vom Schuldner beantragte Annahme eines Geldbetrags zur Hinterlegung angeordnet, zeigt keine Rechtsverletzung des Gläubigers auf, die ihm die Befugnis verschaffen könnte, die rechtswidrige Annahmeanordnung der Hinterlegungsstelle im Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG anzufechten, denn im Fall eine fälschlich auf § 372 BGB gestützten Hinterlegung treten die für den Gläubiger nachteiligen Rechtsfolgen der §§ 378, 379 BGB nicht ein.
2. Dies gilt auch dann, wenn der Hinterleger mit der Hinterlegung bezweckte, die Vollstreckung des Gläubigers wegen der Forderung aus der vollstreckbaren Notarurkunde abzuwenden.
3. Die Hinterlegungsstelle ist zu der Prüfung verpflichtet, ob sich aus den vom Hinterleger vorgetragenen Tatsachen, welche die Hinterlegung rechtfertigen sollen, schlüssig ein Hinterlegungsgrund ergibt.
4. Eine rechtswidrige Hinterlegungsanordnung kann die Hinterlegungsstelle in eigener Zuständigkeit nach Maßgabe von Art. 10 Abs. 5 BayHintG i. V. m. Art. 48 BayVwVfG zurücknehmen.
Schlagworte:
Hinterlegungsanordnung, Annahmeverfügung, Gläubigerrechte, Zwangsvollstreckung, Rechtswidrigkeit, Schlüssigkeitsprüfung, Antragsbefugnis
Vorinstanz:
AG Starnberg, Bescheid vom 11.07.2025 – 48 HL 12/25
Fundstellen:
RPfleger 2026, 40
BeckRS 2025, 25079

Tenor

I. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird als unzulässig verworfen.
II. Der Geschäftswert wird auf 6.000,00 € festgesetzt.
III. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
1
Mit ihrem Antrag auf gerichtliche Entscheidung wenden sich die Antragsteller gegen den Bescheid des Amtsgerichts Starnberg vom 11. Juli 2025, mit dem auf den Antrag des Hinterlegers K. F. die Annahme einer Geldsumme von monatlich 400,00 € ab 1. Juli 2025 zur Hinterlegung angeordnet worden ist, und gegen den Bescheid vom 18. Juli 2025, mit dem ihre Beschwerde gegen die Hinterlegungsanordnung als unbegründet zurückgewiesen worden ist.
2
Die Antragstellerin zu 1) veräußerte an den Hinterleger (künftig auch: Käufer) das im Wohnungsgrundbuch des Amtsgerichts St., Blatt …, eingetragene Wohnungseigentum und den im Grundbuch des Amtsgerichts St., Blatt …, eingetragenen Grundbesitz. Gemäß notarieller Urkunde vom 8. August 2019 hat der Käufer an die Antragstellerin zu 1) als Kaufpreis eine monatliche Leibrente von insgesamt 1.000,00 €, davon 800,00 € für das Wohnungseigentum und 200,00 € für den Grundbesitz, zu zahlen. Zur dinglichen Sicherung dieser Zahlungsverpflichtung bestellte er jeweils eine Reallast zugunsten der Antragstellerin zu 1) und ihres Bruders, des Antragstellers zu 2). In Ziffer IV. der Urkunde unterwarf sich der Käufer wegen der Zahlungsverpflichtung und der zur Sicherung bestellten Reallasten der sofortigen Zwangsvollstreckung aus der Urkunde in sein gesamtes Vermögen.
3
Am 5. Juni 2025 beantragte der Käufer bei dem Amtsgericht Starnberg die Hinterlegung eines Betrags in Höhe von monatlich 400,00 € ab dem 1. Juli 2025. Als mögliche Empfänger bezeichnete er die Antragsteller zu 1) und 2) sowie sich selbst. Zum Hinterlegungsgrund gab er an, die monatliche Leibrente (für die erworbene Wohnung) werde von 800,00 € auf 400,00 € gekürzt. Im Zuge seiner Bestrebungen, die Heizungsanlage umzustellen, habe sich herausgestellt, dass die Deckenhöhe nicht für eine Wohnung ausreiche. Sofern es sich bei dem Kaufobjekt aber nicht um eine (eigenständige) Wohnung handeln sollte, stünden ihm erhebliche Schadensersatzansprüche wegen arglistiger Täuschung zu, so dass die Zahlung der vollen Leibrente ein erhebliches Risiko darstelle. Die Verkäuferin bestehe auf vollständiger Zahlung und habe für den Fall einer Kürzung die Vollstreckung aus der Urkunde angedroht. Weiter gab der Hinterleger zu der seitens der Gläubiger(in) geschuldeten Gegenleistung an: „Eigentumswohnung zur Wohnnutzung in …“. Die notarielle Urkunde, die Teilungserklärung, die Eintragungsbekanntmachung des Grundbuchamts und ein Schreiben des Landratsamts St. – Kreisbauamt – fügte er in Ablichtung seinem Antrag bei.
4
Auf dieser Grundlage ordnete die Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts Starnberg mit Bescheid vom 11. Juni 2025 antragsgemäß die Hinterlegung „zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde des Notars Dr. … vom 08.08.2019, URNr. …“ an und unterrichtete hierüber die Antragsteller zu 1) und 2). Zur Begründung wurde ausgeführt, der Hinterlegungsgrund sei schlüssig dargelegt worden.
5
Der dagegen eingelegten Beschwerde der Antragsteller hat der Justizbedienstete nicht abgeholfen. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass die Richtigkeit des Tatsachenvortrags des Hinterlegers grundsätzlich nicht von der Hinterlegungsstelle zu überprüfen sei. Ob der Hinterleger durch die Hinterlegung nach § 378 BGB von seiner Verbindlichkeit gegenüber den Gläubigern befreit werde, sei im Hinterlegungsverfahren ebenfalls nicht zu prüfen.
6
Unter Bezugnahme auf diese Begründung hat der Direktor des Amtsgerichts mit Bescheid vom 18. Juli 2025 die Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen. Zu der Beanstandung, dass ein Hinterlegungsgrund weder vorliege noch vom Hinterleger schlüssig dargetan sei, ist ausgeführt worden, dass das öffentlich-rechtliche Hinterlegungsverhältnis auch dann wirksam begründet worden sei, wenn die materiell-rechtlichen Voraussetzungen einer Hinterlegung nicht vorlägen. Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen würden im Hinterlegungsverfahren nicht geprüft.
7
Dagegen richten sich die Antragsteller mit ihrem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß §§ 23 ff. EGGVG. Sie wiederholen ihr Beschwerdevorbringen. Ein Hinterlegungsgrund bestehe nicht. Die Voraussetzungen des § 372 BGB lägen nicht vor, weil weder die Gläubigerin in Annahmeverzug sei noch Ungewissheit über die Person der Gläubigerin bestehe. Eine Befugnis, die Zwangsvollstreckung durch Hinterlegung abzuwenden, ergebe sich nicht aus § 720 ZPO, weil der Anwendungsbereich dieser Vorschrift auf § 711 Satz 1, § 712 Abs. 1 Satz 1 ZPO beschränkt und deshalb in der vorliegenden Konstellation nicht eröffnet sei. Entgegen dem Beschwerdebescheid habe die Hinterlegungsstelle das Vorliegen eines materiell-rechtlichen Hinterlegungsgrunds zu prüfen. Die Annahmeanordnung sei rechtswidrig.
8
Die Antragsteller beantragen,
1.
Der Bescheid des Amtsgerichts Starnberg – Hinterlegungsstelle – vom 18. Juli 2025, 48 HL 12/25, wird aufgehoben.
2.
Der Bescheid des Amtsgerichts Starnberg – Hinterlegungsstelle – vom 11. Juni 2025, 48 HL 12/25, wird aufgehoben.
3.
Der Antrag des Hinterlegers vom 5. Juni 2025 auf Annahme einer Geldsumme von monatlich 400,00 € ab dem 1. Juli 2025 zur Hinterlegung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus der Urkunde des Notars Dr. … vom 8. August 2015 (gemeint: 2019), UR.Nr. …, wird abgewiesen.
9
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag als unzulässig zu verwerfen.
10
Zwar sei auf der Grundlage des Sachvortrags des Hinterlegers tatsächlich kein Hinterlegungsgrund gegeben. Er habe kein in der Person des Gläubigers liegendes Erfüllungshindernis aufgezeigt. Eine Hinterlegung zur Sicherheitsleistung komme nicht in Betracht, weil in § 795 ZPO für vollstreckbare Notarurkunden keine Verweisung auf §§ 711, 712 ZPO erfolge. Die Antragsteller würden durch die dennoch erfolgte Hinterlegung jedoch nicht in ihren Rechten verletzt. Die Hinterlegung zeitige keine materiell- oder vollstreckungsrechtlichen Rechtsfolgen, weil sie ohne Hinterlegungsgrund erfolgt sei. Die Antragstellerin zu 1) könne ihren deshalb noch offenen Zahlungsanspruch gegen den Hinterleger mit der ihr in der Urkunde eingeräumten Vollstreckungsmöglichkeit durchsetzen. Der Antragsteller zu 2), dem der Anspruch auf Leibrentenzahlung nicht zustehe, werde durch die Hinterlegung ohnehin in keinerlei Rechtsposition berührt.
II.
11
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist unzulässig, weil nach dem Vorbringen der Antragsteller eine Verletzung ihrer subjektiven Rechte durch die Annahmeanordnung des Amtsgerichts und die sie bestätigende Beschwerdeentscheidung nicht ersichtlich ist. Den Antragstellern fehlt daher die Antragsbefugnis. Allerdings bleibt es der Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts unbenommen, die Annahmeanordnung in eigener Zuständigkeit aufzuheben.
12
1. Gemäß Art. 8 Abs. 3 BayHintG i. V. m. § 23 Abs. 1 EGGVG ist gegen die Entscheidung über die Beschwerde (Art. 8 Abs. 1 BayHintG) der Antrag auf gerichtliche Entscheidung statthaft. Die im Gebiet des Freistaats Bayern den Amtsgerichten als Hinterlegungsstelle übertragenen (Art. 2 Abs. 2 BayHintG) Hinterlegungsgeschäfte sind Angelegenheiten der Justizverwaltung (Art. 3 Satz 1 BayHintG; Mayer in Kissel/Mayer, GVG, 11. Aufl. 2025, EGGVG § 23 Rn. 132; Ulrici in BeckOGK, Stand: 1. April 2022, BGB § 372 Rn. 120).
13
Die Zuständigkeit für die Entscheidung über den Antrag liegt bei dem Bayerischen Obersten Landesgericht (§ 25 Abs. 2 EGGVG i. V. m. Art. 12 Nr. 3 AGGVG in der Fassung vom 12. Juli 2018).
14
Gegenstand des Rechtsbehelfs ist die Ausgangsentscheidung der Hinterlegungsstelle in der Gestalt, die sie durch die Beschwerdeentscheidung gefunden hat (Mayer in Kissel/Mayer, GVG, EGGVG § 23 Rn. 49; Wiedemann/Armbruster, Bayerisches Hinterlegungsgesetz, 2012, Art. 8 Rn. 40).
15
2. Der Anfechtungsantrag erweist sich jedoch mangels Antragsbefugnis als unzulässig, weil die Antragsbegründung nur eine tatsächliche oder wirtschaftliche Betroffenheit, jedoch keine Rechtsverletzung der Antragsteller aufzeigt und eine Rechtsverletzung durch die beanstandete Hinterlegungsanordnung auch nicht möglich ist.
16
Nach § 24 Abs. 1 EGGVG ist ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, durch die Maßnahme oder – was hier nicht in Betracht kommt – ihre Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein. Die behauptete Verletzung muss sich unmittelbar aus der angegriffenen Maßnahme ergeben (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2018, IV AR [VZ] 1/18, juris Rn. 11; BayObLG, Beschluss vom 29. Oktober 2020, 101 VA 107/20, juris Rn. 22; Lückemann in Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2025, § 24 EGGVG Rn. 1).
17
Die Antragsteller haben eine Verletzung eigener Rechte nicht aufgezeigt. Sie rügen, die Annahmeanordnung und die hierzu ergangene Beschwerdeentscheidung seien rechtswidrig, weil ein Hinterlegungsgrund gemäß § 372 BGB nicht dargelegt worden und eine Abwendung der Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde durch Hinterlegung nach den zivilprozessualen Regelungen nicht möglich sei.
18
Liegt aber ein Hinterlegungsgrund gemäß § 372 BGB nicht vor und ist eine Abwendung der Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde durch Hinterlegung nicht möglich, so hätte die Hinterlegungsstelle mit dem Erlass einer – rechtswidrigen – Annahmeanordnung nicht in subjektive Rechte der Antragsteller eingegriffen. Aus demselben Grund waren die Antragsteller auch bereits nicht beschwerdebefugt (vgl. BayObLG, Beschluss vom 10. Juni 2020, 1 VA 29/20, NJW-RR 2020, 1209 [juris Rn. 27 ff.]).
19
Beide Antragsteller sind zwar als mögliche Empfänger der hinterlegten Geldsumme bezeichnet worden und als solche Beteiligte am Hinterlegungsverfahren, Art. 5 Abs. 1 Nr. 2 BayHintG. Sie sind jedoch nicht Adressaten des angegriffenen Justizverwaltungsakts. Adressat der Annahmeanordnung ist vielmehr der Hinterleger, der die Hinterlegung als Justizdienstleistung in Anspruch nimmt. Indem die Justizbehörde gemäß Art. 10 Abs. 3 BayHintG die möglichen Empfänger über die Annahmeanordnung in Kenntnis setzt, erteilt sie lediglich die gesetzlich vorgeschriebene Information. Diese Dienstleistung führt aber nicht dazu, dass die Antragsteller als Adressaten des justiziellen Verwaltungshandelns anzusehen und ihre Rechtssphären deshalb von der Maßnahme betroffen wären. Sie stehen vielmehr als sogenannte Dritte außerhalb des öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses zwischen Hinterleger und Hinterlegungsstelle, denen zugleich mit der Begründung dieses Rechtsverhältnisses ein bedingter Herausgabeanspruch gegen die Hinterlegungsstelle zugewandt wird (vgl. Ulrici in BeckOGK, BGB § 372 Rn. 136 f.).
20
Als Dritte sind sie selbst dann nicht durch die Annahmeanordnung in eigenen Rechten betroffen, wenn – wie sie geltend machen – die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine Hinterlegung nach § 372 BGB nicht vorgelegen haben und mit dem Hinterlegungsantrag unter Verstoß gegen Art. 11 Abs. 3 Satz 1 BayHintG keine Tatsachen dargelegt worden sind, welche die Hinterlegung rechtfertigten. Denn Art. 11 Abs. 3 Satz 1 BayHintG ist im Fall einer auf §§ 372 ff. BGB gestützten Hinterlegung keine drittschützende Norm, auf die sich die Antragsteller als mögliche Empfänger berufen könnten (BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2018, IV AR [VZ] 1/18, juris Rn. 12 ff. – zum Hessischen Hinterlegungsgesetz; BayObLG NJW-RR 2020, 1209 [juris Rn. 31] – zum Bayerischen Hinterlegungsgesetz; OLG Hamm, Beschluss vom 18. November 2014, 15 VA 7/14, NJW-RR 2015, 759 Rn. 12 – zum Hinterlegungsgesetz Nordrhein-Westfalens). Ein Verstoß gegen Art. 11 Abs. 3 Satz 2 BayHintG kommt im Streitfall schon deshalb nicht in Betracht, weil der Hinterleger nach dem eigenen Vorbringen der Antragsteller weder durch eine Behörde noch durch ein Gericht zur Hinterlegung für berechtigt oder verpflichtet erklärt worden ist.
21
Auch auf die materielle Rechtsposition des Gläubigers hat eine Hinterlegung, die vorgenommen wird, obwohl tatsächlich kein Hinterlegungsgrund im Sinn des § 372 BGB gegeben ist, keine Auswirkungen. Das Fehlen eines materiellen Hinterlegungsgrunds beeinflusst zwar nicht die formelle Wirksamkeit der Hinterlegung (vgl. Wiedemann/Armbruster, Bayerisches Hinterlegungsgesetz, Art. 10 Rn. 15 mit Rn. 26). Denn das öffentlich-rechtliche Hinterlegungsverhältnis entsteht bereits durch eine rechtlich wirksam gewordene Annahme der Hinterlegung durch die Hinterlegungsstelle und die tatsächliche Einlieferung (Einzahlung) des zur Hinterlegung angenommenen Gegenstands, Art. 10 Abs. 1 BayHintG (Ulrici in BeckOGK, BGB § 372 Rn. 126). Trotz formell wirksamer Hinterlegung treten jedoch im Fall eines fehlenden Hinterlegungsgrunds die für den Gläubiger nachteiligen Rechtsfolgen der §§ 378, 379 BGB (Befreiung von der Verbindlichkeit bei ausgeschlossener Rücknahme der hinterlegten Sache bzw. Hinterlegungseinrede des Schuldners, Übergang der Gegenleistungsgefahr und Befreiung von der Verpflichtung, Zinsen und Ersatz für nicht gezogene Nutzungen zu leisten, bei nicht ausgeschlossener Rücknahme) nicht ein (BGH, Urt. v. 1. Februar 2012, VIII ZR 307/10, NJW 2012, 1718 Rn. 43 m. w. N.; Ulrici in BeckOGK, BGB § 372 Rn. 99; Wiedemann/Armbruster, Bayerisches Hinterlegungsgesetz, Art. 10 Rn. 28 f. m. w. N.). Denn die schuldtilgende Wirkung nach § 378 BGB und die schuldnerschützenden Wirkungen nach § 379 BGB setzen eine rechtmäßige Hinterlegung voraus (Kern in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2022, § 378 Rn. 3, § 379 Rn. 2). Eine nicht rechtmäßig erfolgte Hinterlegung enthält allenfalls das Angebot an den Gläubiger, die Erfüllung abweichend von der geschuldeten Weise anzunehmen. Nimmt der Gläubiger das Angebot nicht an, bleibt die ursprüngliche Schuld unverändert.
22
Der Anspruch der Antragstellerin zu 1) auf Zahlung der monatlichen Leibrente einschließlich aller daran anknüpfenden Nebenforderungen besteht mithin unverändert, wenn – worauf sie ihren Antrag stützt – ein Hinterlegungsgrund nach § 372 BGB nicht besteht. Aus demselben Grund kann die Hinterlegung auch keine rechtlichen Wirkungen auf die dingliche Sicherung der Leibrente, die zugunsten beider Antragsteller in Form von Reallasten gewährt worden ist, haben.
23
Die Rechtsposition der Antragsteller wird auch nicht deshalb durch die – unterstellt – rechtswidrige Annahmeanordnung berührt, weil die Anordnung nach ihrem Wortlaut „zur Abwendung der Zwangsvollstreckung“ erfolgt ist. Nur wenn und solange dem Schuldner eine Befugnis zur Abwendung der Vollstreckung durch Hinterlegung zusteht, kann eine Hinterlegung die Rechtswirkungen haben, die das Gesetz an das Gebrauchmachen von einer Abwendungsbefugnis knüpft. Gemäß § 775 Nr. 3 ZPO ist eine bereits begonnene Vollstreckung einzustellen oder zu beschränken, wenn eine öffentliche Urkunde vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass die zur Abwendung der Vollstreckung erforderliche Sicherheitsleistung oder Hinterlegung erfolgt ist; zugleich sind gemäß § 776 ZPO die bereits getroffenen Vollstreckungsmaßregeln aufzuheben. Diese für den Gläubiger nachteiligen Wirkungen kann eine Hinterlegung jedoch dann nicht haben, wenn der Schuldner nicht befugt ist, die Vollstreckung durch (Sicherheitsleistung oder) Hinterlegung abzuwenden. Die Hinterlegungsanordnung ist demgemäß für sich genommen auch nicht geeignet, die Voraussetzungen für eine Einstellung oder Beschränkung der Zwangsvollstreckung nach § 775 Nr. 3 ZPO und eine Aufhebung bereits ergangener Vollstreckungsanordnungen nach § 776 ZPO nachzuweisen. Denn ob der Schuldner eine Abwendungsbefugnis hat, ergibt sich nicht aus der Annahmeanordnung; diese belegt lediglich die Annahme zur Hinterlegung. In ihrem Recht, die Zwangsvollstreckung aus der notariell beurkundeten Unterwerfungserkläung des Schuldners oder die Zwangsversteigerung aus der Reallast zu betreiben, würden die Antragsteller mithin nur betroffen, wenn auf den bloßen Nachweis der Hinterlegung gestützt der Erlass von Vollstreckungsmaßnahmen abgelehnt oder bereits ergangene Vollstreckungsmaßnahmen aufgehoben würden. Hiergegen stünden ihnen die gesetzlichen Rechtsbehelfe zu. Unmittelbar aus der angegriffenen Maßnahme der Justizverwaltung ergibt sich hingegen keine Rechtsverletzung der Antragsteller.
24
3. Unbeschadet dieser Ausführungen besteht für die Hinterlegungsstelle die Möglichkeit, in eigener Zuständigkeit eine rechtswidrige Annahmeanordnung nach Maßgabe des Art. 10 Abs. 5 BayHintG i. V. m. Art. 48 BayVwVfG nach Anhörung des Hinterlegers aufzuheben.
25
Eine rechtswidrige Hinterlegungsanordnung kann, auch nachdem sie unanfechtbar geworden ist, gemäß Art. 10 Abs. 5 BayHintG i. V. m. Art. 48 BayVwVfG zurückgenommen werden (vgl. auch Wiedemann/Armbruster, Bayerisches Hinterlegungsgesetz, Art. 10 Rn. 16 ff.).
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a) Entgegen den Ausführungen im Beschwerdebescheid ist die Hinterlegungsstelle zu der Prüfung verpflichtet, ob sich aus den vom Hinterleger vorgetragenen Tatsachen, welche die Hinterlegung rechtfertigen sollen, schlüssig ein Hinterlegungsgrund ergibt.
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Die Entscheidung des Oberlandesgerichts München vom 12. Dezember 2007, 34 Wx 118/07 (Rpfleger 2008, 253), auf die sich das Amtsgericht für seine gegenteilige Ansicht im Beschwerdebescheid bezieht, besagt nichts anderes. Diese Entscheidung ist in einem Verfahren wegen Grundbuchberichtigung ergangen. Nach dem mitgeteilten Sachverhalt hatte die dortige Beteiligte zu 1) als nachrangig dinglich gesicherte Gläubigerin zum Zweck der Ablösung der bestrangig gesicherten Grundschuld des dortigen Beteiligten zu 2) einen Geldbetrag zu dessen Gunsten hinterlegt. Hierauf gestützt hatte sie beantragt, das Grundbuch in Abteilung III in der Weise zu berichtigen, dass sie die (neue) Gläubigerin der erstrangigen Grundschuld sei. Hierzu hätte sie, da der bisherige Inhaber des dinglichen Rechts die Umschreibung nicht bewilligt hatte, die Unrichtigkeit des Grundbuchs, die nach ihrer Ansicht durch Rechtsnachfolge entstanden war, mit öffentlichen oder öffentlich beglaubigten Urkunden nachweisen müssen (§ 29 GBO). Zutreffend hat das Beschwerdegericht ausgeführt, dass der Nachweis nicht mit dem Hinterlegungsschein geführt werde. Das in der Form des § 29 Abs. 1 Satz 2 GBO belegte Hinterlegungsverhältnis beweise den Rechtsübergang nicht, weil nur eine rechtmäßige Hinterlegung schuldbefreiende Wirkung habe. Das Hinterlegungsverhältnis, das auch dann wirksam sei, wenn die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Hinterlegung nicht vorlägen, beweise mithin nicht, dass die Voraussetzungen für die Ablösung der erstrangigen Grundschuld erfüllt seien. Darüber hinaus hat das Beschwerdegericht zu der damals noch maßgeblichen Regelung in § 6 Nr. 1 HinterlO, die Art. 11 Abs. 3 BayHintG entspricht, ausgeführt:
„Nach § 6 Nr. 1 HinterlO ergeht zwar eine Annahmeverfügung der Hinterlegungsstelle nur, wenn der Antragsteller die Tatsachen angibt, die die Hinterlegung rechtfertigen. Hierzu muss der Antragsteller Behauptungen anführen, die eine Ungewissheit im Sinne des § 372 BGB denkbar erscheinen lassen, deren Wahrheitsgehalt aber von der Hinterlegungsstelle nicht überprüft wird. Deshalb hat die Hinterlegungsstelle lediglich zu entscheiden, ob die Angaben des Hinterlegers, ihre Richtigkeit unterstellt, die Annahme eines Hinterlegungsgrunds rechtfertigen.“
28
Daran ist im Anwendungsbereich des Bayerischen Hinterlegungsgesetzes festzuhalten. Andernfalls ergäbe die dem Antragsteller gemäß Art. 11 Abs. 3 Satz 1 BayHintG aufgegebene Verpflichtung, die die Hinterlegung rechtfertigenden Tatsachen darzulegen, auch keinen Sinn. Der Hinterleger ist danach lediglich nicht verpflichtet, den in Anspruch genommenen Hinterlegungsgrund auch zu beweisen. Es findet keine Sachverhaltsermittlung durch die Hinterlegungsstelle statt. Die Hinterlegungsstelle hat vielmehr lediglich nachzuprüfen, ob die Darlegungen – ihre Richtigkeit unterstellt – einen Hinterlegungsgrund ergeben. Gerade wegen dieser Beschränkung auf eine Schlüssigkeitsprüfung sind strenge Maßstäbe an den Sachvortrag der die Hinterlegung beantragenden Person anzulegen (vgl. BayObLG, Beschluss vom 12. Mai 2021, 101 VA 44/21, juris Rn. 50; Beschluss vom 28. Oktober 2020, 1 VA 81/20, juris Rn. 47 f.; NJW-RR 2020, 1209 [juris Rn. 31]; Wiedemann/Armbruster, Bayerisches Hinterlegungsgesetz, Art. 11 Rn. 20 ff.).
29
b) Aus den im Hinterlegungsantrag geschilderten Umständen dürfte nichts für das Vorliegen eines die Hinterlegung rechtfertigenden Sachverhalts sprechen. Weder die Voraussetzungen eines gesetzlichen oder vertraglichen Erfüllungssurrogats noch diejenigen einer Sicherungshinterlegung dürften dargetan sein.
30
aa) Der Schuldner kann sich der Hinterlegung nach § 372 BGB zum Zweck der Erfüllung einer Verbindlichkeit (§ 378 BGB) bedienen, wenn sich der Gläubiger im Verzug der Annahme mit der angebotenen Leistung befindet (§ 372 Satz 1 BGB) oder der Schuldner aus einem anderen in der Person des Gläubigers liegenden Grund oder infolge einer nicht auf Fahrlässigkeit beruhenden Ungewissheit über die Person des Gläubigers seine Verbindlichkeit nicht oder nicht mit Sicherheit zu erfüllen vermag (§ 372 Satz 2 BGB).
31
(1) Den Hinterlegungsgrund des Annahmeverzugs, § 372 Satz 1, § 293 BGB hat der Hinterleger bereits nicht geltend gemacht.
32
Nach seinem Vorbringen war die Antragstellerin zu 1) mit der Annahme des Kürzungsbetrags in Höhe von monatlich 400,00 € nicht in Verzug. Denn der Hinterleger, der dem Anspruch auf Zahlung der Leibrente streitige Schadensersatz- oder Minderungsansprüche entgegenhält, hatte ihr die Zahlung des Kürzungsbetrags nach eigenem Vorbringen schon nicht wie geschuldet, nämlich durch Begleichung im Weg der Überweisung oder Barzahlung, angeboten.
33
(2) Der Hinterleger ist zwar der Meinung, es bestehe ein Hinterlegungsgrund nach § 372 Satz 2 BGB. Einen diese Ansicht stützenden Sachverhalt hat er jedoch nicht dargetan. Denn ein in der Person der Gläubiger(in) liegendes sonstiges Erfüllungshindernis dürfte sich aus dem geschilderten Sachverhalt ebenso wenig ergeben wie eine subjektive Ungewissheit über die Person der Gläubiger(in).
34
Anhaltspunkte für in der Person der Gläubiger(in) liegende Erfüllungshindernisse tatsächlicher oder rechtlicher Art fehlen, § 372 Satz 2 Alt. 1 BGB. Die vereinbarte Leibrente könnte ohne Weiteres an die Gläubigerin entrichtet werden.
35
Eine zur Hinterlegung berechtigende Unkenntnis oder ein zur Hinterlegung berechtigender Zweifel über die Person des Gläubigers, § 372 Satz 2 Alt. 2 BGB, ist nicht ersichtlich. Die Unkenntnis oder der Zweifel müssen sich auf die Person des Gläubigers beziehen (vgl. auch Grüneberg in Grüneberg, BGB, 84. Aufl. 2025, § 372 Rn. 6). Nach dem Vorbringen des Hinterlegers und den hierzu vorgelegten Unterlagen soll jedoch keine Gläubigerungewissheit, sondern eine unklare Rechtslage bestehen, weil die Verkäuferin möglicherweise ihre Verpflichtung aus dem Kaufvertrag nicht ordnungsgemäß erfüllt habe und ihm als Schuldner der Leibrente Schadensersatzansprüche zustehen könnten.
36
Die Ungewissheit des Schuldners über das Bestehen von Gegenansprüchen eröffnet nicht die Möglichkeit einer Hinterlegung nach § 372 BGB. Gleiches gilt, wenn zwischen Gläubiger und Schuldner Meinungsverschiedenheiten über das Bestehen eines Zurückbehaltungsrechts und über die Berechtigung zur Leistungskürzung bestehen. Der Risiken, die mit einer nicht einvernehmlichen Leistungsverweigerung oder -kürzung oder mit einer Zahlung lediglich unter Vorbehalt verbunden sind, kann sich der Schuldner nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes nicht durch Hinterlegung nach § 372 BGB entledigen. § 372 BGB räumt dem Schuldner – anders als etwa das Verwertungsgesellschaftengesetz mit § 37 Nr. 2 VGG – nicht die Möglichkeit ein, hinsichtlich des streitigen Differenzbetrags statt einer Zahlung unter Vorbehalt die Hinterlegung zu wählen.
37
bb) Der Verweis auf die Zug um Zug geschuldete Gegenleistung (Verschaffung einer „Eigentumswohnung zur Wohnnutzung in …“) dient bereits nicht der Darlegung eines Hinterlegungsgrunds. Unabhängig davon dürfte sich aus der zum Ausdruck gebrachten Ansicht, diese Gegenleistung könnte nicht ordnungsgemäß erbracht sein, kein Hinterlegungsgrund ergeben.
38
§ 373 BGB statuiert keinen Hinterlegungsgrund. Nach dieser Vorschrift kann der Schuldner, der nur gegen eine Leistung des Gläubigers zu leisten verpflichtet ist, das Recht des Gläubigers zum Empfang der hinterlegten Sache von der Bewirkung der Gegenleistung abhängig machen. Danach bleibt lediglich die Befugnis des Schuldners, die von ihm zu erbringende Leistung bis zur Bewirkung einer geschuldeten Gegenleistung zu verweigern, auch für den Fall der Hinterlegung gewahrt. Der Schuldner soll also nicht deswegen, weil er von der gesetzlichen Möglichkeit zur Hinterlegung Gebrauch macht, schlechter gestellt werden als bei Erfüllung (vgl. Kern in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2022, § 373 Rn. 1). Ob der Schuldner aufgrund gesetzlicher Regelungen die Möglichkeit zur Hinterlegung hat, ergibt sich dagegen nicht aus dieser Vorschrift. Ihre Anwendung setzt vielmehr voraus, dass der Schuldner zur Hinterlegung berechtigt ist, weil er sich auf das Vorliegen eines Hinterlegungsgrunds berufen kann.
39
cc) Andere gesetzliche Tatbestände, nach denen sich der Schuldner durch Hinterlegung von seiner Leistungspflicht befreien kann (etwa § 1224 BGB, § 373 Abs. 1 HGB; vgl. auch die Übersicht bei Ulrici in BeckOGK, BGB § 372 Rn. 38), kommen nach dem Vorbringen des Hinterlegers nicht in Betracht.
40
dd) Aus dem vom Hinterleger vorgelegten Vertrag ergibt sich nicht, dass dem Käufer vertraglich eine Befugnis zur Hinterlegung zum Zweck der Erfüllung eingeräumt worden wäre (zur Möglichkeit einer vertraglichen Erweiterung der gesetzlichen Hinterlegungsgründe: BGH, Urt. v. 29. September 1992, XI ZR 9/92, NJW 1993, 55 [juris Rn. 12]; Urt. v. 11. November 1981, VIII ZR 269/80, BGHZ 82, 283 [juris Rn. 16]; Ulrici in BeckOGK, BGB § 372 Rn. 43).
41
ee) Eine Sicherheitshinterlegung gemäß § 232 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass der Schuldner kraft Gesetzes, aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung oder einer privatautonomen Vereinbarung Sicherheit zu leisten hat.
42
§ 232 BGB schafft keinen Hinterlegungsgrund, sondern regelt nur, in welcher Art und Weise eine anderweitig angeordnete, aber nicht näher bestimmte Sicherheit zu leisten ist (vgl. Bach in BeckOGK, Stand: 1. März 2025, BGB § 232 Rn. 1 f.).
43
Eine Obliegenheit zur Sicherheitsleistung kraft gesetzlicher Bestimmung (vgl. die Übersicht bei Bach in BeckOGK, BGB § 232 Rn. 7.1) kommt ersichtlich nicht in Betracht.
44
Auf eine gerichtliche Anordnung, Sicherheit zu leisten, hat sich der Hinterleger nicht berufen.
45
Eine Vereinbarung, nach der der Hinterleger verpflichtet wäre, Sicherheit zu erbringen, ist ebenfalls nicht vorgetragen.
46
ff) Die Möglichkeit, zur Abwendung der Zwangsvollstreckung Sicherheit (durch Hinterlegung) zu leisten, ist nach dem Vorbringen des Hinterlegers und den vorgelegten Urkunden nicht eröffnet.
47
(1) Eine Abwendungsbefugnis auf der Grundlage zivilprozessualer Regelungen besteht nicht.
48
Gemäß §§ 711, 712 Abs. 1 Satz 1, § 719 Abs. 1 Satz 2 ZPO hat das Gericht in bestimmten Fällen auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung der gerichtlichen Entscheidung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf. Auf die Vollstreckung aus Notarurkunden gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO finden diese Vorschriften keine Anwendung, § 795 ZPO. § 720 ZPO trifft eine Regelung lediglich darüber, wie in den Fällen des § 711 Satz 1, § 712 Abs. 2 ZPO mit gepfändetem Geld und dem Erlös gepfändeter Gegenstände zu verfahren ist, solange die Sicherheitsleistung oder Hinterlegung seitens des Schuldners noch aussteht (Heinze in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2024, § 720 Rn. 1). Darum geht es im Streitfall nicht.
49
Die in § 720a Abs. 3 ZPO geregelte Abwendungsbefugnis des Schuldners bezieht sich auf vorläufig vollstreckbare Urteile und findet auf die Vollstreckung aus notariellen Urkunden keine Anwendung, § 795 ZPO.
50
§ 108 ZPO räumt keine Befugnis zur Sicherheitsleistung ein, sondern trifft lediglich Regelungen über Art und Höhe einer prozessualen Sicherheitsleistung. Eine Hinterlegungsbefugnis kraft prozessrechtlicher Bestimmung (dazu: Muthorst in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2016, Vorbemerkungen vor § 108 Rn. 1) lässt das Vorbringen des Hinterlegers nicht erkennen.
51
(2) Eine privatautonom eingeräumte Befugnis, die Zwangsvollstreckung aus der Urkunde durch Hinterlegung abzuwenden, ist nicht dargetan.
52
Die notariell beurkundete Erklärung des Schuldners, sich wegen der vereinbarten Zahlungsverpflichtung und der zur Sicherung bestellten Reallasten der sofortigen Zwangsvollstreckung aus der Urkunde zu unterwerfen, ist auf die Schaffung eines Vollstreckungstitels gerichtet, § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO.
53
Die Vollstreckbarkeit steht – jedenfalls soweit keine Schutzvorschriften zugunsten der schwächeren Partei entgegenstehen – zur Disposition der Parteien. Sie können die Vollstreckbarkeit ausschließen, beschränken oder erweitern (vgl. Wolfsteiner/K. Volmer in Münchener Kommentar zur ZPO, 7. Aufl. 2025, § 794 Rn. 213). Nach dem Inhalt des am 8. August 2019 beurkundeten Vertrags ist aber dem Schuldner der Leibrente keine Abwendungsbefugnis eingeräumt worden. Die abgegebene Erklärung mag für ihn Risiken bergen. Zum Schutz seiner Interessen stehen ihm aber die gesetzlichen Rechtsbehelfe einschließlich des einstweiligen Rechtsschutzes offen.
III.
54
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil die Antragsteller die gerichtlichen Kosten des Verfahrens bereits nach dem Gesetz zu tragen haben, § 1 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 19, § 22 Abs. 1 GNotKG, und eine Erstattung außergerichtlicher Kosten nicht in Betracht kommt, § 30 Satz 1 EGGVG.
55
Die nach § 3 Abs. 2 GNotKG i. V. m. Nr. 15301 GNotKG-KV erforderliche Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 36 Abs. 1 GNotKG. Das wirtschaftliche Interesse der Antragsteller schätzt der Senat auf einen Bruchteil (ein Viertel) des in Anlehnung an § 52 Abs. 3, 4, 6, 7 GNotKG berechneten Werts der Leibrente (Wert der ersten fünf Jahre: 24.000,00 €).
56
Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde, § 29 Abs. 2 EGGVG, liegen nicht vor.