Titel:
Nachlaßverbindlichkeiten, Schuldhafte Pflichtverletzung, Tod des Mieters, Elektronisches Dokument, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Mietverträge, Beherbergungsvertrag, Vertragsgemäßer Gebrauch, Prozeßbevollmächtigter, Streitwert, Altverbindlichkeit, Elektronischer Rechtsverkehr, Nachlasspfleger, Instandsetzungskosten, Hotelzimmer, Typengemischte Verträge, Werklieferungsverträge, Mietverhältnis, Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, Verjährungsregelung
Schlagworte:
Beherbergungsvertrag, Pflichtverletzung, Nachlassverbindlichkeiten, Altverbindlichkeiten, Schadensersatz, Verwesungsschäden, Bewirtungsvertrag
Fundstelle:
BeckRS 2025, 24714
Tenor
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 10,20 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.07.2024 zu bezahlen.
2. Der Beklagte wird verurteilt, die durch die außergerichtliche Beauftragung der Prozessbevollmächtigten des Klägers entstandenen Aufwendungen i.H.v. 83,70 € nebst Zinsen i. H. v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.08.2024 zu zahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Der Streitwert wird auf 25.543,21 € festgesetzt.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über Ansprüche aus einem Beherbergungsvertrag.
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Der Kläger betreibt das Parkhotel in 9... C. Der Beklagte ist Nachlasspfleger nach dem Verstorbenen H. R.. Der Verstorbene H. R. war im Jahr 2011 nach Südafrika ausgewandert, kehrte jedoch jährlich nach Deutschland zurück. Im Jahr 2021 reiste er erneut nach Deutschland ein, konnte wegen der Corona-Pandemie aber nicht zurück und blieb daher im Hotel des Klägers, über einen Zeitraum von 8 Monaten bis zu seinem Tod am 17.03.2022. Da sein Tod eine gewisse Zeit unentdeckt blieb, wurde das Hotelzimmer in Mitleidenschaft gezogen.
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Die Klagepartei behauptet, um das Hotelzimmer wieder in einen ordnungsgemäßen Zustand zu verbringen, seien ihr folgende Aufwendungen entstanden: Tatortreinigung in Höhe von 13.048,57 €, Anschaffung für Ersatzmöbel in Höhe von 3.177,13 € und Innenausbau des Badezimmers in Höhe von 9.153,87 €. Zudem sei eine neue Minibar anzuschaffen gewesen in Wert von 153,44 EUR und es gäbe noch einen offenen Beleg für das Restaurant in Höhe von 10,20 €. Der Klagepartei sei demnach ein Gesamtschaden in Höhe von 25.543,21 € entstanden.
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Die Klagepartei ist der Ansicht, dass auf Basis der mietvertraglichen Komponenten des geschlossenen Vertragsverhältnisses ein Zahlungsanspruch gegeben sei, da die Mietsache beschädigt bzw. zerstört wurde und dies im Verantwortungsbereich des Verstorbenen liege.
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Die Klagepartei beantragt,
„I. Die Beklagten werden verurteilt, an die Klägerpartei einen Betrag i. H. v. 25.543,21 € nebst Zinsen i. H. v. 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.07.2024 zu zahlen.
II. Die Beklagten werden verurteilt, die durch die außergerichtliche Beauftragung der Prozessbevollmächtigten des Klägers entstandenen Aufwendungen i. H. v. 1.261,50 € nebst Zinsen i. H. v. 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.“
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Die Beklagtenpartei beantragt,
„Die Klage wird abgewiesen.“
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Die Beklagtenpartei ist der Ansicht, dass der Anspruch der Klagepartei nicht besteht. Denn der Verstorbene hafte nicht für seinen Tod bzw. habe diesen nicht zu vertreten. Darüber hinaus seien die geltend gemachten Kosten weder notwendig noch üblich sind. Im Übrigen werde die Einrede der Verjährung entsprechend § 548 Abs. 1 BGB erhoben. Im Übrigen sei der Vortrag zu den „Minibar-Kosten“ nicht substantiiert und schlüssig.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den gesamten schriftsätzlichen Akteninhalt, sowie sonstige Aktenbestandteile und die Protokolle der mündlichen Hauptverhandlungen vom und 02.08.2025 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
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Das Landgericht ist örtlich und sachlich zuständig. Die Regelung des § 29a ZPO ist nicht anzuwenden, weil es sich bei einem Mietvertrag über ein Hotelzimmer um kein Mietverhältnis im Sinne des § 29a ZPO handelt. Denn Voraussetzung dafür ist, dass der Raum zum dauernden Aufenthalt bestimmt ist, weswegen Hotelzimmer oder Ferienwohnungen nicht unter § 23 Nr. 2 GVG fallen (BeckOK MietR, Klageverfahren Rn. 19, beck-online).
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Der vom Kläger begehrte Anspruch ergibt sich weder aus dem Vertrag noch aus den gesetzlichen Vorschriften.
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a) Soweit es um Ansprüche wegen Beschädigung des Hotelzimmers und dessen Mobiliar sowie der Minibar geht, steht dem Kläger kein Schadensersatzanspruch aus §§ 280, 535 ff. BGB zu.
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Bei der Anmietung eines Hotelzimmers handelt es sich um einen typengemischten Vertrag. Kernpunkte des Vertragsverhältnisses sind der Mietvertrag (§§ 535 ff. BGB) etwa über die Überlassung des Zimmers, der Dienst- oder Werkvertrag für Nebenleistungen (z. B. Reinigung, Frühstück, Service) und teilweise auch Verwahrungsvertrag (§§ 688 ff. BGB), etwa für die Aufbewahrung von Gepäck. In der Rechtsprechung spricht man daher vom einem Beherbergungsvertrag. Die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien sind gesetzlich nicht explizit geregelt. Diese sind vielmehr aus dem einschlägigen Vertragselement und -typ zu entnehmen.
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Übertragen auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass Schadensersatzansprüche wegen Beschädigungen des Hotelzimmers, dessen Mobiliars sowie der Minibar grundsätzlich den Regelungen des Mietrechts unterfallen und sich daher aus §§ 535, 280 ff. BGB ergeben können Nach § 280 Abs. 1 S. 1 BGB kann der Gläubiger Ersatz des (so) entstandenen Schadens verlangen, wenn der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt hat. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat, § 280 Abs. 1 S. 2 BGB. Ein Vertretenmüssen liegt bei vorsätzlichem fahrlässigen Handeln vor, § 276 BGB.
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Auf den vorliegenden Fall angewendet bedeutet das, dass im Versterben des Mieters eine schuldhafte Pflichtverletzung zu sehen sein muss.
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Nach § 535 BGB muss der Mieter mit der Mietsache schonend und pfleglich umgehen (Grundsatz: „wohnen und schonen“) und darf diese nur zum vertragsgemäßen Gebrauch nutzen. Was zum vertragsgemäßen Gebrauchen gehört, ist dem jeweiligen Mietvertrag zu entnehmen.
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Nach einhelliger Meinung in der Rechtsprechung stellt der Tod des Mieters an sich keine Pflichtverletzung, erst recht keine, die er zu vertreten hat. Denn der Tod eines Wohnraummieters ist ein außerhalb der vertraglichen Pflichtenlage eintretendes Ereignis, dessen rechtliche Folgen und tatsächlichen Auswirkungen zwar einen Bezug zu dem Mietverhältnis haben, das selbst aber einer Bewertung nach vertraglichen Haftungsmaßstäben (insbesondere nach Kategorien des Vertretenmüssens) entzogen ist. Einige Stimmen in der Literatur und Rechtsprechung zählen das Versterben des Mieters in den Mieträumen zum vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache, sodass der Tod bereits keine Pflichtverletzung ist.
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Zusammenfassend, hat der Verstorbene durch seinen Tod keine Pflichtverletzung, und schon gar keine zu vertretende Pflichtverletzung begangen. Zur Abrundung sei lediglich festgestellt, dass die Klagepartei zu keinem Zeitpunkt behauptet hat, der Verstorbene habe seinen Tod vorsätzlich oder fahrlässig herbeigeführt.
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b) Aus den gleichen Erwägungen wie unter Punkt II. 1. a) geschildert scheiden auch gesetzliche Anspruchsgrundlagen, wie etwa § 823 BGB aus. Denn das Ableben des Verstorbenen stellt keine Handlung des Verstorbenen dar, die vorsätzlich oder fahrlässig, das Eigentum der Klagepartei widerrechtlich verletzt hat. Auch an dieser Stelle sei zur Abrundung erwähnt, dass die Klagepartei zu keinem Zeitpunkt behauptet hat, dass der Verstorbene seinen Tod vorsätzlich oder fahrlässig herbeigeführt hat.
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Aber selbst wenn man zu einem vom Verstorbenen zu vertretenden Pflichtverletzung dem Grunde nach kommt, scheidet ein Anspruch gegen den Beklagten als Erbe des Verstorbenen aus. Denn grundsätzlich haftet ein Erbe oder Rechtsnachfolger gemäß § 1967 Abs. 1 BGB nur für die Nachlassverbindlichkeiten.
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Damit gemeint sind diejenigen Verbindlichkeiten, die bis zum Tod des Erblassers entstanden sind sog. Altverbindlichkeiten.
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Für die Abgrenzung, ob eine Verbindlichkeit eine Altverbindlichkeit ist, für welche der Erbe oder Rechtsnachfolger haftet, ist in der Regel danach zu unterscheiden, ob sie im Zeitpunkt des Todes schon entstanden war. Ist dies der Fall, so zählt diese zu den Erblasserschulden, welche als Nachlassverbindlichkeiten im Sinne des § 1967 Abs. 2 BGB anzusehen sind.
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Unter Beachtung dieser Grundsätze geht das Gericht vorliegend davon aus, dass die geltend gemachten Instandsetzungskosten des Hotelzimmers und des Mobiliars sowie der Minibar keine Altverbindlichkeiten darstellen. Denn sie sind frühestens mit dem Tod des Erblassers, tatsächlich wohl aber erst durch die anschließende Verwesung seines Leichnams entstanden. Folglich haftet die Beklagtenpartei als Erbin bzw. Rechtsnachfolgerin dafür nicht.
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Anders sieht es das Gericht hinsichtlich der noch offenen Restaurantrechnung in Höhe von 10,20 EUR. Es handelt sich bei diesen um Nachlassverbindlichkeiten/ Altverbindlichkeiten des Erblassers, weil sie naturgemäß vor dem Zeitpunkt des Todes des Erblassers entstanden ist. Diese wurden seitens der Beklagtenpartei nicht substantiiert bestritten. Eine Verjährung nach § 548 BGB kommt nicht in Betracht, da diese Regelung nicht auf diesen Vertragsteil anwendbar ist. Bei der kulinarischen Verpflegung des Erblassers handelte es sich vordergründig nicht um ein Mietvertrag, sondern vielmehr um einen sogenannten Bewirtungsvertrag. Ein Bewirtungsvertrag ist ein typengemischter Vertrag, der Elemente aus verschiedenen Vertragstypen vereint, wobei der Schwerpunkt auf dem Werklieferungsvertrag liegt, der nach § 650 BGB dem Kaufrecht unterfällt. Demnach gelten die allgemeinen Verjährungsregelungen nach §§ 195, 199 BGB.
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Neben der insoweit bestehenden Hauptforderung, ist auch der Verzugsschaden ab dem 17.07.2024 gemäß §§ 280, 286 BGB zu erstatten.
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Die geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sind lediglich aus einem Streitwert von 10,20 EUR zu berechnen. Die Klage wurde am 20.08.2024 zugestellt.
Gegenstandswert: 10,20 EUR:
Geschäftsgebühr §§ 13, 14 RVG, Nr. 2300 VV RVG 1,3 63,70 EUR
Pauschale für Post und Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
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Die Kostenregelung ergibt sich aus §§ 91, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
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Die Regelung zur Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 709, 711 ZPO.