Titel:
Wildtierauffangstation, Wildschweinkeiler, fehlende Erlaubnis, bestandskräftige Abgabeanordnung, bestandkräftige Zwangsgeldandrohung, Fälligstellung eines Zwangsgeldes, Umgehung der Bestandskraft, Erlaubnisantrag, Auslegung des Antrags
Normenketten:
VwGO § 123 Abs. 1
VwGO § 123 Abs. 5
VwGO § 80 Abs. 5
TierSchG § 11 Abs. 5 S. 6
TierSchG § 11 Abs. 1 Nr. 3
VwZVG Art. 21a
VwZVG Art. 38 Abs. 3
Schlagworte:
Wildtierauffangstation, Wildschweinkeiler, fehlende Erlaubnis, bestandskräftige Abgabeanordnung, bestandkräftige Zwangsgeldandrohung, Fälligstellung eines Zwangsgeldes, Umgehung der Bestandskraft, Erlaubnisantrag, Auslegung des Antrags
Fundstelle:
BeckRS 2025, 24355
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Die Antragstellerin begehrt einstweiligen Rechtsschutz im Zusammenhang mit der Haltung eines Wildschweins.
2
Mit Bescheid vom 9. Mai 2025 untersagte das Landratsamt Würzburg (im Folgenden: Landratsamt) der Antragstellerin den „Betrieb einer Wildtierauffangstation, Wildtierrettung o.ä. (im Sinne einer regelmäßigen Aufnahme, Pflege und Wiederauswilderung aufgefundener Wildtiere)“ ab dem 28. Mai 2025 (Ziffer 1 des Bescheids). Die Antragstellerin habe den derzeit bei sich aufgenommenen dreijährigen, kastrierten Wildschweinkeiler bis spätestens zum Ablauf des 27. Mai 2025 entweder nach vorheriger Absprache mit dem örtlich zuständigen Veterinäramt einer geeigneten Wildtierauffangstation, die im Besitz einer gültigen Erlaubnis nach § 11 TierSchG sei, zu übergeben oder aber das Tier der Lebensmittelgewinnung zuzuführen (Ziffer 2). Zur Begründung führte das Landratsamt im Wesentlichen aus, der Antragstellerin fehle die nach § 11 Abs. 1 Nr. 3 TierSchG erforderliche Erlaubnis für die von ihr betriebene Wildtierauffangstation („… …“), wie sie bei Vor-Ort-Kontrollen festgestellt worden sei. Bei der Kontrolle am 6. Mai 2025 sei insbesondere ein ausgewachsener, kastrierter, etwa dreijähriger Wildschweinkeiler vorgefunden worden. Bereits im Oktober und November 2023 sei der Antragstellerin mündlich vom Veterinäramt der Betrieb einer Wildtierauffangstation untersagt worden. Die Untersagungsverfügung erfolge daher ebenso wie die Abgabeanordnung als Annex nach § 11 Abs. 5 Satz 6 TierSchG. Hinsichtlich des weiteren Tenors des Bescheids (Ziffern 3 bis 8) sowie dessen nähere Begründung wird auf den Bescheid Bezug genommen, der der Klägerin ausweislich der betreffenden Postzustellungsurkunde am 14. Mai 2025 zugestellt wurde.
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Mit weiterem Bescheid vom 27. Juni 2025 drohte das Landratsamt der Antragstellerin – unter anderem – für den Fall, dass diese weiterhin der Ziffer 2 des Bescheids vom 9. Mai 2025 zuwiderhandele und der Anordnung zur Übergabe des Wildschweins oder dessen Zuführung zur Lebensmittelgewinnung nicht bis spätestens zum Ablauf des 11. Juli 2025 nachkomme, ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,00 EUR an (Ziffer 1 des Bescheids). Sollte die Vollziehung ausgesetzt oder die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs wiederhergestellt werden, würde die genannte Frist bis zum Ablauf von zwei Wochen nach Eintritt der Bestandskraft des Bescheides verlängert (Ziffer 3). Hinsichtlich der übrigen Anordnungen des Bescheids und dessen Begründung wird auf diesen Bezug genommen; ausweislich der betreffenden Postzustellungsurkunde wurde der Bescheid der Klägerin am 2. Juli 2025 zugestellt.
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Mit Schreiben vom 29. Juli 2025 teilte das Landratsamt dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin mit, dass der Tierpark S* … bereit sei, den Wildschweinkeiler aufzunehmen. Die Antragstellerin verweigere dies indes. Es werde letztmals bis spätestens zum Ablauf des 31. Juli 2025 die Möglichkeit eingeräumt, der Abholung des Wildschweins durch den Tierpark S* … an einem der vorgenannten Abholtermine freiwillig zuzustimmen. Andernfalls würden ohne weitere Erinnerung das Zwangsgeld aus dem Bescheid vom 27. Juni 2025 fällig gestellt und weitergehende Vollstreckungsmaßnahmen zur Vollstreckung des Bescheids vom 9. Mai 2025 eingeleitet.
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Unter dem 1. August 2025 beantragte die Antragstellerin beim Landratsamt mit anwaltlichem Schreiben die Erteilung einer tierschutzrechtlichen Erlaubnis gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 TierSchG zur Haltung von Wildtieren in einer Einrichtung, die funktional einem Tierheim vergleichbar sei.
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Mit am 1. August 2025 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom selben Tag hat die Antragstellerin einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt.
7
Zur Begründung wird vorgetragen, die Antragstellerin betreibe auf ihrem privaten Grundstück eine tiergerechte Anlage zur Versorgung eines Wildschweins, das sie im August 2022 nach einem schweren Unwetter mutterlos und geschwächt aufgefunden habe. Seitdem werde das Tier durchgehend gepflegt und betreut. Das Wildschwein lebe in einem Gehege mit einer Fläche von ca. 85 m². Es stünden ein Schutzhaus, das regelmäßig mit frischem Stroh ausgelegt werde, sowie eine Suhle zur artgerechten Beschäftigung und Abkühlung zur Verfügung. Die Fütterung erfolge täglich mit einer Mischung aus Getreide, Mineralfutter, Obst und Gemüse, die im eigens eingerichteten Futterlager vorgehalten werde. Mit Bescheid vom 9. Mai 2025 sei die Antragstellerin verpflichtet worden, das Wildschwein an eine geeignete Stelle abzugeben. Am 27. Juni 2025 sei zur Durchsetzung ein Zwangsgeld festgesetzt worden. Mit Schreiben vom 29. Juli 2025 sei eine letzte Erinnerung vor Fälligstellung des Zwangsgeldes und „Anordnung der Ersatzvornahme“ erfolgt. Am 1. August 2025 habe die Antragstellerin einen Antrag auf Erteilung einer tierschutzrechtlichen Erlaubnis zum Betrieb einer privaten Auffang- und Pflegestelle für Wildtiere gestellt. Besonders hervorzuheben sei, dass im Falle einer zwangsweisen Abholung des Wildschweins nicht ausgeschlossen werden könne, dass das Tier der Lebensmittelgewinnung zugeführt werde. Dies wäre für die Antragstellerin ethisch wie emotional untragbar und auch tierschutzrechtlich äußerst bedenklich.
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Der Antrag sei gemäß § 123 Abs. 1 VwGO statthaft, da es sich um eine Regelungsanordnung zur vorläufigen Sicherung eines status quo handele. Die Antragstellerin begehre den Schutz vor sofort vollziehbaren Maßnahmen einer Behörde, um den Eintritt irreparabler Folgen zu verhindern. Eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache trete dabei nicht ein. Der Antrag sei auch begründet. Ein Anordnungsgrund liege vor. Das Landratsamt habe unmissverständlich angekündigt, das Tier durch Ersatzvornahme entfernen zu lassen. Ein solcher Vollzug wäre mit der konkreten Gefahr verbunden, dass das Wildschwein – mangels anderer geeigneter Unterbringung – der Lebensmittelgewinnung zugeführt werde. Die Folge wäre der irreversible Verlust des Tieres. Eine spätere Wiederherstellung des status quo sei faktisch ausgeschlossen. Ein Anordnungsanspruch liege ebenfalls vor. Es bestünden erhebliche Zweifel an der sofortigen Durchsetzbarkeit der Abgabeverfügung. Die Antragstellerin habe einen Genehmigungsantrag nach § 11 Abs. 1 Nr. 3 TierSchG gestellt. Ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Behörde bestehe. Zudem sei das Tier seit fast drei Jahren ununterbrochen in der Obhut der Antragstellerin. Die Haltung erfolge sachgerecht, artgemäß und ohne erkennbare Gefährdung für Dritte. Die Antragstellerin sei bereit, die tierschutzrechtlich erforderlichen Nachweise nachzureichen und sich behördlichen Auflagen zu unterwerfen. Die Interessenabwägung falle zugunsten der Antragstellerin aus. Eine sofortige Vollstreckung wäre unverhältnismäßig und rechtlich nicht geboten, solange über einen fristgerecht gestellten Genehmigungsantrag noch nicht entschieden worden sei.
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Die Antragstellerin beantragt,
dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu untersagen, die mit Bescheid vom 9. Mai 2025 angeordnete Abgabe des von der Antragstellerin gehaltenen Wildschweins bis zur rechtskräftigen Entscheidung über ihren tierschutzrechtlichen Erlaubnisantrag vom 1. August 2025 gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 3 TierSchG sowie über ein etwaiges Hauptsacheverfahren durch Vollstreckungsmaßnahmen – insbesondere Zwangsgeld oder Ersatzvornahme – durchzusetzen.
10
Das Landratsamt ist dem mit Schriftsatz vom 5. August 2025 für den Antragsgegner entgegengetreten und beantragt,
11
Zur Antragserwiderung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die Anlage zur Versorgung des Wildschweins in tierschutzsowie tierseuchenrechtlicher Hinsicht nicht rechtmäßig betrieben werde. Es fehle an einer Erlaubnis nach § 11 TierSchG und einer Erlaubnis nach § 4 Schweinehaltungshygieneverordnung. Noch dazu seien im Betrieb der Antragstellerin mehrere Haltungsverstöße festgestellt worden, die den Behördenakten entnommen werden könnten.
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Der Antrag sei bereits unzulässig, da er nicht statthaft sei. Im Kern gehe es der Antragstellerin darum, dass sie das Wildschwein behalten und nicht abgeben wolle. Da sie somit eigentlich die Aufhebung des bereits bestandskräftigen Grundverwaltungsakts vom 9. Mai 2025 begehre, wäre in der Hauptsache die Anfechtungsklage der statthafte Rechtsbehelf gewesen, sodass im Eilverfahren allenfalls ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung denkbar gewesen wäre. Es sei jedoch nie die sofortige Vollziehung angeordnet worden. Eine Umdeutung des Antrags nach § 123 Abs. 1 VwGO in einen solchen nach § 80 Abs. 5 VwGO verbiete sich im vorliegenden Fall, da die Antragstellerin durch einen Rechtsanwalt vertreten werde. Ferner fehle es auch am Rechtsschutzbedürfnis. Ein Hauptsacherechtsbehelf gegen den Grundverwaltungsakt vom 9. Mai 2025 wäre offensichtlich wegen Verfristung unzulässig. Auch die Rechtsbehelfsfrist für eine etwaige Klage gegen den ebenfalls angesprochenen Bescheid vom 27. Juni 2025 sei mittlerweile abgelaufen. Selbst wenn der Antrag so verstanden werden sollte, dass die Antragstellerin vorläufigen Rechtsschutz nach § 123 Abs. 1 VwGO vor dem Erlass neuer Zwangsmittelandrohungen begehre, sei festzustellen, dass auch hier ein allgemeines Rechtsschutzbedürfnis fehle. Denn die Antragstellerin hätte mit einer bereits fristgerecht eingereichten Anfechtungsklage gegen den Grundverwaltungsakt vom 9. Mai 2025 sowie gegen die erste Zwangsgeldandrohung im Bescheid vom 27. Juni 2025 (gegebenenfalls ergänzt um einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO) ihr Ziel erreichen können, sodass der begehrte gerichtliche Rechtsschutz nicht nur ineffektiv sei, sondern das Ziel des Rechtsfriedens, der durch Rechtsmittelfristen geschaffen werden solle, unterwandere, zumal Art. 21a VwZVG für Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung den Wegfall der aufschiebenden Wirkung von Rechtsbehelfen bereits kraft Gesetzes vorsehe. Schon rein aus systematischen Gründen könne der Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO daher hier nicht zulässig sein.
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Der Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO wäre überdies auch unbegründet. Ein Anordnungsanspruch könne nicht glaubhaft gemacht werden, da die Antragstellerin der Ziffer 2 des Bescheides vom 9. Mai 2025 nach Ablauf der gesetzten Frist nicht nachgekommen sei, keine Vollstreckungshindernisse vorlägen und ferner die allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen gegeben seien. Die Antragstellerin vermische zwei verschiedene Streitgegenstände, wenn sie versuche, ihren Anordnungsanspruch glaubhaft zu machen. Vorliegend begehre sie wie oben bereits ausgeführt, dass sie ihr Wildschwein behalten dürfe, und wende sich somit gegen eine Untersagungsanordnung nach § 11 Abs. 5 Satz 6 TierSchG. Es gebe keine Rechtsnorm, die einen Anspruch auf Unterlassung der Vollstreckung von bestandskräftigen Untersagungsverfügungen zu vermitteln vermöge. Beim Betrieb einer tierheimähnlichen Einrichtung handele es sich um ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Die Erteilung einer Erlaubnis würde somit eine Rechtskreiserweiterung ermöglichen und eine grundsätzlich verbotene Handlung legalisieren – das sei eben gerade keine bloße Sicherung des status quo. Auch ein Anordnungsgrund sei nicht gegeben. Es sei nie die Rede davon gewesen, dass die Behörde das Wildschwein bei Abholung unmittelbar der Lebensmittelgewinnung zuführen werde, sodass gerade keine unumkehrbaren Zustände geschaffen würden.
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Ungeachtet dessen habe der Gesetzgeber für Fälle wie diesen, in denen die allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen vorlägen, mit Art. 21 a VwZVG eindeutig geregelt, dass bereits kraft Gesetzes für Maßnahmen im Rahmen der Verwaltungsvollstreckung die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen entfallen solle. Es sei nicht ersichtlich, weshalb das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin ausnahmsweise das behördliche Vollzugsinteresse überwiegen sollte. Zudem entspreche die derzeitige Wildschweinhaltung gerade nicht den tierschutzrechtlichen Anforderungen. Ihm stehe keine hinreichend große Fläche zur Verfügung und es sei keine geeignete Vergesellschaftungsart für Wildschweine gegeben.
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Mit Schreiben und gleichzeitig Bescheid vom 1. August 2025 teilte das Landratsamt der Antragstellerin mit, dass das Zwangsgeld aus dem Bescheid vom 27. Juni 2025 in Höhe von 1.000,00 EUR fällig geworden sei. Zudem drohte es der Antragstellerin für den Fall, dass diese der Anordnung aus Ziffer 2 des Bescheids vom 9. Mai 2025 nicht bis zum 18. August 2025 nachkomme, ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 2.500,00 EUR an (Ziffer 1 des Bescheids). Hinsichtlich des übrigen Inhalts wird auf diesen Bescheid, der dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin am 4. August 2025 zugestellt wurde, Bezug genommen.
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Unter dem 26. August 2025 hat die Antragstellerin auf die Antragserwiderung repliziert und dabei insbesondere auf ein Protokoll des behandelnden Tierarztes über eine Besichtigung am 15. August 2025 verwiesen. Die tatsächlichen und fachlich bewerteten Gegebenheiten widersprächen der pauschalen Behauptung einer tierschutzwidrigen Haltung. Die Voraussetzungen für eine „vorläufige Duldung im Wege einstweiliger Anordnung blieben – insbesondere unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes – bestehen“.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
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Der Antrag hat keinen Erfolg.
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1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO ist bereits unzulässig (a) und wäre überdies auch unbegründet (b).
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a) Der Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO ist unzulässig.
21
aa) Er ist schon nicht statthaft.
22
Die – anwaltlich vertretene – Antragstellerin begehrt mit ihrem konkret formulierten Antrag und auch in der Sache die Suspendierung der Anordnung in Ziffer 2 des Bescheids des Landratsamts vom 9. Mai 2025 zur Abgabe des Wildschweinkeilers. Sie befürchtet den Vollzug der Abgabeanordnung durch Vollstreckungsmaßnahmen, vor allem in Gestalt einer Ersatzvornahme mit anschließender Zuführung des Wildschweins zur Lebensmittelgewinnung. Deshalb sucht sie um „Schutz vor sofort vollziehbaren Maßnahmen“ nach und macht geltend, es bestünden „erhebliche Zweifel an der sofortigen Durchsetzbarkeit der Abgabeverfügung“. Auch in der Replik vom 26. August 2025 wird das Antragsbegehren zusammenfassend mit einer „vorläufigen Duldung“ der Haltung des Wildschweins umschrieben.
23
Für dieses Begehren wäre jedoch – im Grundsatz – ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO statthaft und gemäß § 123 Abs. 5 VwGO einem Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO vorrangig gewesen. Mangels sofortiger Vollziehbarkeit der in Rede stehenden Abgabeanordnung hätte die Antragstellerin hier aber sogar lediglich Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1, § 80 Abs. 1 VwGO erheben müssen, um den Eintritt der Vollziehbarkeit der Anordnung zu verhindern und damit auch – zumindest vorübergehend – Vollstreckungsmaßnahmen durch das Landratsamt, insbesondere in Form des Zwangsgeldes oder einer – hier im Übrigen noch gar nicht angedrohten – Ersatzvornahme, zu verhindern. Die Antragstellerin indes hat den Bescheid vom 9. Mai 2025, der ihr am 14. Mai 2025 mit ordnungsgemäßer Rechtsbehelfsbelehrungversehen zugestellt worden ist, bestandskräftig werden lassen und sich somit dieses Rechtsschutzes begeben. Sie hat auch nicht etwa – auch nicht sinngemäß – Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 VwGO beantragt; für eine solche Wiedereinsetzung wären auch keine Gründe ersichtlich, zumal die Antragstellerin weiterhin keine Klage gegen den Bescheid vom 9. Mai 2025 erhoben hat. Dessen Bestandskraft und die Regelungssystematik der §§ 80, 123 VwGO würden umgangen, könnte die Antragstellerin nunmehr dem Landratsamt im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO durch das Gericht vorläufig untersagen lassen, die Anordnung in Ziffer 2 des Bescheids des Landratsamts vom 9. Mai 2025 zur Abgabe des Wildschweinkeilers mit Zwangsmaßnahmen durchzusetzen, und damit diese Anordnung faktisch gleichwohl zu suspendieren (vgl. auch in ähnlichen Konstellationen: BayVGH, B.v. 2.7.2025 – 11 CE 25.519 – juris Rn. 15; OVG NRW, B.v. 27.5.2020 – 4 B 1208/19 – juris Rn. 5).
24
Der von der Antragstellerin jüngst gestellte Erlaubnisantrag, an deren Bescheidung sie den vorliegenden Eilantrag knüpft, ist – wie das Landratsamt zutreffend ausführt – insofern unerheblich und ändert nichts an der Bestandskraft und daher Vollziehbarkeit der Anordnung zur Abgabe des Wildschweinkeilers. Die Antragstellerin versucht insoweit, einen nicht existenten Konnex zu suggerieren. Dies zeigt sich auch daran, dass sie vorgibt, einen status quo sichern zu wollen. Der Erlaubnisantrag ist hingegen auf die Erweiterung ihrer Rechtsposition, nämlich den Erhalt einer bisher nicht bestehenden Erlaubnis gerichtet. Sie kann mit diesem Erlaubnisantrag – im Falle der Stattgabe – lediglich die Haltung des Wildschweinkeilers ab Antragstellung legalisieren, nicht aber nachträglich die Rechtswirkungen einer bereits bestandskräftigen Anordnung beseitigen. Dies wäre allenfalls im Verfahren nach Art. 51 BayVwVfG möglich. Die Antragstellerin hat den regulären Abschluss des Erlaubnisverfahrens abzuwarten (vgl. in ähnlicher Konstellation: OVG NRW, B.v. 27.5.2020 – 4 B 1208/19 – juris Rn. 5).
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bb) Vor diesem Hintergrund fehlt es zudem an einem streitigen Rechtsverhältnis, das durch die von der Antragstellerin begehrte einstweilige Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO geregelt werden könnte, und infolgedessen auch am Rechtsschutzbedürfnis. Mit dem Eintritt der Bestandskraft der Anordnung in Ziffer 2 des Bescheids des Landratsamts vom 9. Mai 2025 ist zwischen den Beteiligten abschließend geklärt, dass die Antragstellerin das betreffende Wildschwein gemäß der Anordnung abzugeben hat und diese Anordnung auch vollziehbar ist. Eine hierauf bezogene Maßnahme vorläufigen Rechtsschutzes – wie sie die Antragstellerin vorliegend begehrt – kommt daher nicht mehr in Betracht (vgl. BVerwG, B.v. 25.3.2021 – 1 WDS-VR 14.20 – juris Rn. 3; HessVGH, B.v. 6.7.1990 – 9 TG 3533/89 – juris Ls. 1), auch nicht im Hinblick auf den Erlaubnisantrag (vgl. auch erneut OVG NRW, B.v. 27.5.2020 – 4 B 1208/19 – juris Rn. 5).
26
b) Der Antrag wäre unabhängig davon auch unbegründet. Der Antragstellerin steht jedenfalls kein Anordnungsanspruch zu. Das Landratsamt hat insofern zutreffend ausgeführt, dass die Antragstellerin der Abgabeanordnung in Ziffer 2 des Bescheides vom 9. Mai 2025 nach Ablauf der gesetzten Frist nicht nachgekommen ist (vgl. Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG, Art. 31 Abs. 1 und 3 Satz 3 VwZVG), keine Vollstreckungshindernisse nach Art. 22 VwZVG vorliegen und ferner die allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen gegeben sind. Insbesondere ist – wie vorstehend unter a) bereits ausgeführt – die Abgabeanordnung aufgrund ihrer Bestandskraft vollstreckbar (vgl. Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 VwZVG) und der Erlaubnisantrag der Antragstellerin insoweit unerheblich. Soweit die Antragstellerin geltend macht, dass die Haltung des Wildschweins tierschutzrechtskonform sei, geht dies fehl. Sie hätte solche Einwände im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen die Abgabeanordnung selbst geltend machen können und müssen (vgl. auch Art. 38 Abs. 3 VwZVG und hierzu etwa BayVGH, B.v. 26.1.2023 – 19 C 22.2470 – juris Rn. 15). Nur der Vollständigkeit halber weist die Kammer erneut – wie auch zuvor das Landratsamt – darauf hin, dass bislang nur die Vollstreckung durch Zwangsgelder im Raum steht. Namentlich hat das Landratsamt keine Ersatzvornahme angedroht und erst recht nicht zum Ausdruck gebracht, das Wildschwein unmittelbar der Lebensmittelgewinnung zuführen zu wollen. Das wiederholte Vorbringen der Antragstellerin dazu, dass eine Ersatzvornahme des Landratsamts drohe und es nicht ausgeschlossen werden könnte, dass das Wildschwein der Lebensmittelgewinnung zugeführt werde, was unverhältnismäßig sowie tierschutzrechtlich äußerst bedenklich sei, liegt insoweit neben der Sache.
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2. Angesichts des klar und eindeutig formulierten Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO lässt sich der Eilantrag, zumal von einem Rechtsanwalt stammend, auch nicht dahingehend auslegen (§ 122 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 88 VwGO), dass er weitere Begehren beinhaltet. Ungeachtet dessen bliebe der Antrag auch hinsichtlich der denkbaren weiteren Gegenstände erfolglos.
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a) Die anwaltlich vertretene Antragstellerin begehrt nicht die vorläufige Erteilung der beantragten Erlaubnis nach § 11 Abs. 1 Nr. 3 TierSchG. Ein solches Begehren könnte auch keinen Erfolg haben, da es in unzulässiger Weise auf vorbeugenden Rechtsschutz (vgl. hierzu etwa BVerwG, B.v. 22.11.2021 – 6 VR 4.21 – juris Rn. 10 m.w.N.) und zugleich in nicht gerechtfertigter Weise auf eine Vorwegnahme der Hauptsache (vgl. hierzu etwa BayVGH, B.v. 9.7.2025 – 11 CE 25.1036 – juris Rn. 13 m.w.N.) gerichtet wäre.
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b) Der vorliegende Antrag wendet sich ferner nicht gegen die konkrete Zwangsgeldandrohung im Bescheid vom 27. Juni 2025, die lediglich in der Sachverhaltsdarstellung der Antragsschrift Erwähnung findet. Im Übrigen würde insofern nichts anderes als hinsichtlich der Anordnung vom 9. Mai 2025 selbst gelten, da auch der Bescheid vom 27. Juni 2025 zwischenzeitlich, mit Ablauf des 4. August 2025, bestandskräftig geworden ist. Hinzu kommt, dass die Zwangsgeldandrohung schon kraft Gesetzes nach Art. 21a VwZVG sofort vollziehbar ist, wogegen die Antragstellerin einen Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO hätten stellen müssen, was durch die hier begehrte einstweilige Anordnung wiederum umgangen würde (vgl. erneut auch § 123 Abs. 5 VwGO). Überdies begegnet die Zwangsgeldandrohung auch materiell keinen Bedenken. Auf die vorstehenden Ausführungen unter 1. wird Bezug genommen.
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c) Ebenso wenig lässt sich der Antrag dahingehend verstehen, dass die Antragstellerin (hilfsweise) die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO einer noch beabsichtigten Klage gegen den Bescheid vom 9. Mai 2025 und/oder den Bescheid vom 27. Juni 2025 begehrt. Ungeachtet dessen wären auch solche Anträge schon wegen der Bestandskraft der Bescheide nicht statthaft. Im Falle des Bescheids vom 9. Mai 2025 fehlte es zudem am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis, da das Landratsamt die Anordnung in Ziffer 2 gar nicht für sofort vollziehbar erklärt hat (vgl. auch bereits oben unter 1.).
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d) Schließlich kommt auch keine Erstreckung des Antrags auf das Schreiben und den Bescheid des Landratsamts vom 1. August 2025 hinsichtlich der darin enthaltenen Fälligkeitsmitteilung betreffend das Zwangsgeld aus dem Bescheid vom 27. Juni 2025 und der weiteren Zwangsgeldandrohung in Betracht. Dieses Schreiben bzw. dieser Bescheid ist dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin erst am 4. August 2025 und damit nach Stellung des vorliegenden Eilantrags zugestellt worden. Auch im Nachhinein ist hierauf antragstellerseits nicht reagiert worden.
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Überdies wäre auch insoweit bezüglich der weiteren Zwangsgeldandrohung nur ein Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO auf Anordnung der nach Art. 21a VwZVG fehlenden aufschiebenden Wirkung einer noch zu erhebenden Anfechtungsklage möglich.
33
Gegen die Fälligkeitsmitteilung wäre zwar in einer etwaigen Hauptsache eine negative Feststellungsklage statthaft (vgl. VG Würzburg, U.v. 17.7.2024 – W 9 K 23.1119 – juris Rn. 19 m.w.N.), sodass ein Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nach § 123 Abs. 1 VwGO zur Außervollzugsetzung der Beitreibung des fällig gestellten Zwangsgeldes dem Grunde nach statthaft wäre (vgl. BayVGH, B.v. 8.11.2001 – 2 CE 01.2339 – juris Rn. 9; VG München, B.v. 23.32022 – M 8 S 21.5585 – juris Rn. 21 ff.; VG Würzburg, B.v. 27.11.2023 – W 8 S 23.1605 – juris Rn. 35). Jedoch fehlte es für einen derartigen Eilantrag jedenfalls bereits an einem Anordnungsgrund, da weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist, dass die Beitreibung des Zwangsgelds in Höhe von 1.000,00 EUR bei der Antragstellerin zumindest zu einer ernsthaften wirtschaftlichen Beeinträchtigung führen würde und ihr deshalb nicht zumutbar wäre, die Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzuwarten (vgl. BayVGH, B.v. 8.11.2001 – 2 CE 01.2339 – juris Rn. 9; VG München, B.v. 23.32022 – M 8 S 21.5585 – juris Rn. 23 f.; VG Würzburg, B.v. 27.11.2023 – W 8 S 23.1605 – juris Rn. 62). Außerdem bestünde auch kein Anordnungsanspruch. Das im Bescheid vom 27. Juni 2025 angedrohte Zwangsgeld war mangels fristgerechter Befolgung der Abgabeanordnung aus Ziffer 2 des bestandskräftigen Bescheids vom 9. Mai 2025 durch die Antragstellerin bis zum 11. Juli 2025 zum maßgeblichen Zeitpunkt der Fälligkeitsmitteilung gemäß Art. 31 Abs. 3 Satz 3, Art. 23 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG fällig. Die allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen lagen vor. Einwände, die die materielle Rechtmäßigkeit des zu vollstreckenden – hier zudem unanfechtbaren – Grundverwaltungsakts betreffen, sind im Rahmen eines auf Überprüfung der Fälligkeitsmitteilung gerichteten Verfahrens von vornherein ausgeschlossen (vgl. Art. 38 Abs. 3 VwZVG und hierzu etwa BayVGH, B.v. 15.1.2024 – 20 CS 23.1910 – juris Rn. 11).
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3. Nach alledem war der Antrag insgesamt mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
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4. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 52 Abs. 1, Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 1, 63 Abs. 2 Satz 1 GKG und orientiert sich an den Ziffern 1.5 und 35.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2025. Danach ist für eine Anordnung gegen einen Tierhalter, sofern diese – wie hier – nicht einer Gewerbeuntersagung gleichkommt, der Auffangwert von 5.000,00 EUR anzusetzen, welcher im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu halbieren ist.