Inhalt

AG München, Endurteil v. 18.09.2025 – 419 C 23314/24
Titel:

Unbefugte Gebrauchsüberlassung, Beendigung des Mietverhältnisses, Erlaubnis des Vermieters, Häusliches Arbeitszimmer, Untermietverhältnisse, Vertragswidriges Verhalten, Fortsetzung des Mietverhältnisses, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Unerhebliche Pflichtverletzung, Kostenentscheidung, Anderweitige Erledigung, Bestehendes Mietverhältnis, Hilfsweise ordentliche Kündigung, Nicht genehmigte Untervermietung, Untervermietung eines Zimmers, Erlaubnis zur Untervermietung, Abmahnungsschreiben, Elektronischer Rechtsverkehr, Räumungsklage, Räumungsansprüche

Schlagworte:
Kündigungsschutz, Untervermietung, Pflichtverletzung, Beweislast, Unzumutbarkeit für Vermieter
Fundstelle:
BeckRS 2025, 24312

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Auf die Widerklage hin, wird die Klägerin verurteilt, dem Beklagten zu 1) die Überlassung des Gebrauchs eines Zimmers sowie des Mitgebrauchs an den Gemeinschaftsräumen (Küche und Bad) in der streitgegenständlichen Wohnung im 3. Obergeschoss des Anwesens ... an Herrn C. G. zu erlauben.
3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist in Ziffer 3 für die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 11.280,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Mit der Klage begehrt die Klägerin die Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung von den Beklagten.
2
Mit der Widerklage begehrt der Beklagte zu 1 die Erteilung der Erlaubnis zur Untervermietung eines Zimmers der Wohnung an den Beklagten zu 2.
3
Mit Mietvertrag vom 02.03.1995 mietete der Beklagte zu 1 von Herrn R1. N. gemeinsam mit einer weiteren Mieterin mit Wirkung zum 01.04.1995 die streitgegenständliche Wohnung an (Anlage K1). Eigentümer des Anwesens ...  waren seit dem ... 1995 die Eheleute R und H. N. zu je ½ (Anlage K 11). Mit Nachtrag Nr. 1 vom 28.11.2005 wurde die Klägerin neben ihrem Ehemann R N. Partei des streitgegenständlichen Mietverhältnisses.
4
Außerdem wurde mit Wirkung zum 01.01.2006 die weitere Mieterin aus dem Mietverhältnis entlassen und zugleich dem Beklagten zu 1) im Rahmen des Nachtrags die Erlaubnis erteilt, rückwirkend ab dem 01.02.2005 Herrn T. S. als Untermieter in die streitgegenständliche Wohnung aufzunehmen (Anlage K1).
5
Die Klägerin ist nach dem Tode ihres Mannes im März 2023 alleinige Eigentümerin des Anwesens ... geworden.
6
Die monatliche Gesamtmiete beträgt € 1.090,00 und setzt sich aus der Grundmiete in Höhe € 940,00 und Vorauszahlung auf die Nebenkosten in Höhe von € 150,00 zusammen.
7
Der Beklagte zu 2 ist der Untermieter des Beklagten zu 1. Dieses Untermietverhältnis wurde der Klägerin jedenfalls bis zum 26.06.2024 nicht angezeigt.
8
Mit Schreiben vom 22.03.2022 (Anlage K2) teilte die A1. H.  GmbH dem Beklagten zu 1 mit, dass eine Nutzung der Wohnung zu gewerblichen Zwecken nicht genehmigt werden kann und eine Zweckentfremdung der Mietsache darstelle. Gleichzeitig forderte sie ihn unter Bezugnahme auf Fotos, die sie von seinem Briefkasten und Klingelschild angefertigt hatte (Anlage K4), dazu auf, die gewerbliche Nutzung der Wohnung unverzüglich bis spätestens Montag, den 04.04.2022 einzustellen und teilte ihm mit, dass das Nichtnachkommen dieser Forderung einen Kündigungsgrund des Mietvertrages darstelle.
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Im weiteren Verlauf gab es von Klägerin diesbezüglich bis zum 20.06.2024 keinen weiteren Schriftverkehr oder andere Korrespondenz.
10
Mit Schreiben vom 20.06.2024 mahnte die Firma A1. H. GmbH den Beklagten zu 1 unter Bezugnahme auf das Schreiben vom 22.03.2022 „wegen gewerblicher Nutzung von Wohnraum“ ab und teilte ihm zur Begründung mit, festgestellt zu haben, dass er die Wohnung zu gewerblichen Zwecken, „zur Beratung und Verkauf von Kiteboards incl. Zubehör“ nutze. Sie forderte den Beklagten zu 1 unter Androhung der fristlosenhilfsweisen ordentlichen Kündigung auf, die „gewerbliche Nutzung der Wohnung“ unverzüglich einzustellen und schriftlich bis Donnerstag, den 04.07.24 zu bestätigen, dass er dieser Aufforderung nachgekommen ist. Dem Schreiben war eine Vollmacht aus dem Jahr 2018 beigefügt, wonach die Firma A1. H.  GmbH die Eigentümer vertritt.
11
Mit Schreiben vom 18.07.2024 sprach die Klägerin dem Beklagten zu 1 unter Bezugnahme auf ihr Schreiben vom 20.06.2024 die außerordentlich fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung des streitgegenständlichen Mietverhältnisses aus (Anlage K5). Dem Schreiben vom 18.07.2024 war eine Originalvollmacht der Klägerin beigefügt.
12
Zur Begründung führte sie zum einen an, der Beklagte habe der Aufforderung in dem Schreiben vom 20.06.2024 die „festgestellte vertragswidrige Nutzung“ der Wohnung durch Betrieb eines Ladens für Kitboards und Kitefoils einzustellen, trotzt erfolgter Abmahnung nicht entsprochen. Die trotz Abmahnung fortgesetzte Nutzung einer Wohnung für gewerbliche Zweck stelle einen wichtigen Grund gemäß § 543 Abs. 1 BGB dar, dies auch dann, wenn der Laden überwiegend als Online-Shop betrieben werde, da die Anlieferung, die Lagerung wie auch das Fertigmachen zum Versand der verkauften Waren über die vorstehende Wohnung erfolge.
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Zum anderen führte die Klägerin zur Begründung der Kündigung an, dass sie nach Versand des Schreibens vom 20.06.2024 festgestellt habe, dass neben der vertragswidrigen Nutzung im Hinblick auf den Betrieb des Kiteboardshops eine weitere Nutzung bestehe, die nicht angezeigt worden sei, ebenfalls vertragswidrig sei und zum Ausspruch bzw. zur Begründung einer Kündigung aus wichtigem Grund ohne vorherige Abmahnung berechtige. Der Beklagte betreibe „über“ seine Wohnung ein Massagestudio mit der Bezeichnung „B of T “. Auch diese Form der Nutzung der Wohnung sei durch den vereinbarten Mietzweck nichtgedeckt.
14
Der Beklagte zu 1 bietet über die Internetseite „B of T “ Massagen an und ist Geschäftsführer von „I. K. “.
15
Mit der Klage vom 12.09.2024, dem Beklagtenvertreter zugestellt am 23.10.2025, sprach der Klägervertreter dem Beklagten zu 1 gegenüber erneut die außerordentliche fristlose Kündigung des streitgegenständlichen Mietverhältnisses aus mit der Begründung, er habe über Jahre hinweg ohne Unterrichtung der Klägerin immer neue Untermietverhältnisse begründetaktuell mit dem Beklagten zu 2. Das gesamte Verhalten des Beklagten zu 1 belege, dass über Jahre hinweg und nachhaltig wie vielfältig die Rechte der Klägerin missachtet worden seien, daher sei kein Raum für eine Abmahnung.
16
Mit Email vom 4.10.024 bat der anwaltliche Vertreter des Beklagten zu 1 den Vertreter der Klägerin um Zustimmung zur Untervermietung eines Zimmers der streitgegenständlichen Wohnung an den Beklagte zu 2 und teilte dessen Personalien mit.
17
Mit Schriftsatz vom 27.01.2025 sprach der Klägervertreter Namens und im Auftrag der Klägerin sowie unter Verweis auf die als Anlage K 9 bereits zur Akte beigefügte Prozessvollmacht eine weitere außerordentlich fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung des gegenständlichen Mietverhältnisses zum nächstmöglichen Zeitpunkt aus. Zur Begründung führte er aus, der Beklagte zu 2) verstoße fortlaufend gegen die Regelungen Hausordnung, indem er sein E-Bike in die streitgegenständliche Wohnung verbringe. Der Beklagte zu 2) habe auf die Aufforderung, diese Form der Nutzung zu unterlassen, nicht reagiert. Der Beklagte zu 1) dulde diese Form der in Widerspruch zur Hausordnung stehenden Nutzung.
18
Mit Schriftsatz vom 20.03.2025 dem Beklagten zu 1 gegenüber Namens und im Auftrag der Klägerin eine weitere außerordentlich fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung des streitgegenständlichen Mietverhältnisses aus, mit der Begründung der Beklagte zu 1 verbringe nahezu täglich das in seinem Eigentum stehende E-Bike aus der streitgegenständlichen Wohnung durch das Treppenhaus, nach unten und nach Benutzung wieder zurück in die vorstehende Wohnung außerdem habe er noch Ende Juli 2023 in der streitgegenständlichen Wohnung Massageleistungen ausgeführt. Überdies begründe auch das Verhalten des Beklagten zu 2) im Rahmen seiner gerichtlichen Anhörung im hiesigen Verfahren am 20.02.205, das die Klägerin als bewusstes Handeln zu ihrem Nachteil bewerte einen Kündigungsgrund. Der Beklagte zu 2 wäre im Sinne der ihm obliegende prozessuale Wahrheitspflicht gehalten gewesen wäre, auch ohne ausdrückliche Nachfrage durch das Gericht oder die Klägerin – anzugeben, dass sein Vermieter, der Beklagte zu 1), ein E-Bike besitzt und dieses in der Wohnung lagere.
19
Die Klägerin trägt im Wesentlichen vor, Mit der vertragswidrigen Nutzung der Wohnung durch Betrieb eines Ladens für Kitboards verstoße der Beklagte zu 1) gegen den vereinbarten Mietzweck. Die trotz Abmahnung fortgesetzte Nutzung der Wohnung für gewerbliche Zwecke stelle einen wichtigen Grund gemäß § 543 Abs. 1 BGB dar und zwar auch dann, wenn der Beklagte zu 1 seinen Laden überwiegend als Online-Shop betreibe, da die Anlieferung, die Lagerung wie auch das Fertigmachen zum Versand der von ihm verkauften Waren über die vorstehende Wohnung erfolge.
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Bezüglich der Behauptung des Beklagten zu 1, bei seiner Firma „...“ handele es sich um einen reinen Online-Shop, stehe hier nicht die Klägerin in der Darlegungs- und Beweislast, sondern der Beklagte zu 1. Nachdem der Beklagte als Geschäftsanschrift für seinen Kiteshop unstreitig bislang seine Wohnanschrift benannt hatte, konnte und durfte die Klägerin davon ausgehen, dass er seine Wohnung auch entsprechend für das Vorhalten der Ware verwende.
21
Weiter sei nach Ausspruch der Abmahnung vom 20.06.2024 festgestellt worden, dass der Beklagte zu 1 die streitgegenständliche Wohnung zusammen mit einer Frau F1. M2. als Massagestudio mit der Bezeichnung „B of T “ nutze. Der Beklagte zu 1) habe in der streitgegenständlichen Wohnung einen Raum als Behandlungsraum für seine Massageanwendungen hergerichtet und empfange dort auch regelmäßig Kunden/Patienten. Rezensionen aus dem Netzwerk „G .“ (Anlage K8) in denen Kunden des Surfshops von Beratungsterminen in der streitgegenständlichen Wohnung berichten und Kunden des Massagestudios davon berichteten, dass die Massage in einem Zimmer in einer Wohnung stattgefunden habe, bewiesen die diesbezügliche gewerbliche Nutzung der streitgegenständlichen Wohnung. Die letzte verfügbare Rezension einer Kundin sei auf den 22.05.2024 datiert, auf die der Beklagte zu 1 geantwortet habe, dass er in seiner Altbauwohnung einen geräumigen separaten Raum komplett für Kunden speziell für Massagen liebevoll eingerichtet habe. Der Beklagte zu 1) habe jedenfalls noch Ende Juli 2023 in der streitgegenständlichen Wohnung Massageleistungen ausgeführt und zwar am 25.07.2023 für die Zeugin F2. G. . Damit stehe fest, dass der Beklagte zu 1) trotz der Abmahnung vom 22.03.2022, die auch im Jahr 2023 noch Bestand habe, weiterhin Massageleistungen in der von ihm ausschließlich zu Wohnzwecken angemieteten Wohnung angeboten habe und auch tatsächlich umgesetzt habe.
22
Soweit mit Schriftsatz vom 27.01.2025 die vertragswidrige Lagerung eines E-Bikes in der streitgegenständlichen Wohnung dem Beklagten zu 2) zugeordnet worden sei und hierauf aufbauend eine Kündigung ausgesprochen worden war, mit der Begründung der Beklagte zu 2 stelle sein E-Bike (Mountainbike) nicht in dem hierfür vorgesehenen Fahrradständer (EG), sondern trage es über das Treppenhaus aus der streitgegenständlichen Wohnung und wieder dorthin zurück, wobei der Zeuge Dr. G1. ihn schon etliche Male persönlich gesehen und darauf hingewiesen habe, dass dies nicht zulässig sei, zuletzt am 25.01.2025, beruhe dies auf einem Missverständnis, als dass es nicht der Beklagte zu 2 sei, der ein E-Bike in der streitgegenständlichen Wohnung lagere, sondern dies tatsächlich der Beklagte zu 1sei. Damit verletze der Beklagte zu 1 die Regelungen der Hausordnung (Abschnitt I, lit. b), 2. Abs), die Teil des als Anlage K 1 zur Akte gereichten Mietvertrags vom 02.03.1995 sei, wonach „die Mitnahme von Krafträdern, Mopeds und Fahrrädern in die Mieträume (…) unzulässig (ist).“
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Der Beklagte zu 1) verstoße fortlaufend gegen die Regelungen der hier maßgeblichen Hausordnung, wenn er sein E-Bike in die streitgegenständliche Wohnung verbringe. Die Verstöße nach dem 27.01.2025 wiegen schwer, als dem Beklagten zu 1 die Position seiner Vermieterin und deren Bedenken bekannt waren. Erschwerend komme hinzu, dass von dem Akku eines E-Bike´s, unabhängig vom konkreten Ladevorgang, stets ein potenzielles Brandrisiko ausgeht. Dies sei allgemein bekannt. Der Beklagte zu 1 zeige mit der fortgesetzten Lagerung seines E-Bikes in der streitgegenständlichen Wohnung, dass er auch weiterhin nicht bereit sei, die Rechte der Klägerin zu achten und zu wahren, d. h. sich wie ein Mieter zu verhalten, sondern dass ihm persönliche Befindlichkeiten wichtiger seien und diese persönlichen Befindlichkeiten auch über maßgebliche Sicherheitsinteressen der Bewohner des Anwesens gestellt werden.
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Der Beklagte zu 2 wäre im Termin zur mündlichen Verhandlung am 20.02.25 im Sinne der ihm obliegende prozessuale Wahrheitspflicht gehalten gewesen wäre, auch ohne ausdrückliche Nachfrage durch das Gericht oder die Klägerin – anzugeben, dass sein Vermieter, der Beklagte zu 1), ein E-Bike besitzt und dieses auch in der Wohnung lagere.
25
Die Klägerin hat zuletzt beantragt.
Die Beklagten werden samtverbindlich verurteilt, die Wohnung im Anwesen ... (3. OG), bestehend aus 3 Zimmern, 1 Küche, 1 Bad, 1 WC, 1. Kammer, 1 Balkon und 1 Kellerabteil zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.
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Die Beklagten haben zuletzt beantragt
kostenpflichtige Klageabweisung.
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Der Beklagte zu 1 hat widerklagend beantragt
die Klägerin und Widerbeklagte wird verurteilt, dem Beklagten zu 1) die Überlassung des Gebrauchs eines Zimmers sowie des Mitgebrauchs an den Gemeinschaftsräumen (Küche und Bad) in der streitgegenständlichen Wohnung im 3. Obergeschoss des Anwesens ... an Herrn C. G2. zu erlauben.
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Die Klägerin hat hinsichtlich der Widerklage beantragt kostenpflichtige Klageabweisung.
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Die Beklagten tragen im Wesentlichen vor, Es werde bestritten, dass die Firma A1. H. GmbH bevollmächtigt war, das Schreiben vom 22.03.2022, vom 20.06.2024 und das Kündigungsschreiben vom 18.07.2024 an den Beklagten zu 1 zu versenden. Die Authentizität der dem Schreiben beigefügten Vollmacht aus dem Jahr 2018 werde bestritten. Angesichts des Ablebens des Herrn R1. N. im Jahr 2023 werde bezweifelt, dass diese Vollmacht noch Bestand habe. Soweit die Firma A1. H. GmbH tatsächlich bevollmächtigt gewesen sein sollte, wird auch mit Nichtwissen bestritten, dass Herr A2. P., Frau V. K1. und Frau M3. M4. von der H. GmbH bevollmächtigt waren, die Schreiben zu unterzeichnen und an den Beklagten zu 1) zu versenden.
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Zudem ist die außerordentliche und fristlose und hilfsweise ordentliche Kündigung vom 18.07.2024 auch formell unwirksam, da sie den rechtlichen Anforderungen entsprechend nicht ausreichend bzw. richtig begründet seien.
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Entgegen den Behauptungen der Klägerin habe der Beklagte zu 1 die streitgegenständliche Wohnung nicht durch (teil) gewerbsmäßige Nutzung „vertragswidrig“ genutzt. Dies gilt insbesondere für den Zeitraum nach Ausspruch der Abmahnung vom 20.06.2024. Der Beklagte zu 1) habe zu keinem Zeitpunkt widerrechtlich einen „Kiteshop“ in dem von der Klägerin behaupteten Umfang in der streitgegenständlichen Wohnung betrieben. Vielmehr handele es sich um einen reinen Onlineshop. Weder sei ein Warenlager in der streitgegenständlichen Wohnung betrieben noch Ware verpackt und von dort versendet worden. Spätestens seit der Abmahnung vom 20.06.2024 fände keinerlei geschäftliche Aktivitäten mehr, die im rechtlichen Sinne als (teil) gewerbliche Nutzung ausgelegt werden könnten, in der streitgegenständlichen Wohnung statt. Der Beklagte zu 1 habe sämtliche Forderungen der Abmahnung vom 20.06.2024 – soweit dies überhaupt notwendig war – erfüllt. Was die Rezession eines Herrn J. K2. (Anlage K8) angeht, habe dieser das Board weder in der streitgegenständlichen Wohnung getestet noch habe der Beklagte es in der Wohnung aufbewahrt. Im Übrigen sei dieser Sachverhalt für die Kündigung ohnehin ohne Bedeutung, da er sich unstreitig vor Ausspruch der Abmahnung am 20.06.2024 zugetragen habe.
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Für die Frage, wann eine angebliche gewerbliche Nutzung stattgefunden hat und ob dies ggf. eine Pflichtverletzung darstellt, komme es auf den Zeitraum nach der Abmahnung vom 20.06.2024 und nicht etwa der Zeitraum nach dem Schreiben vom 22.03.2022 an. Denn durch die Abmahnung vom 20.06.2024 habe die Firma A1. H. GmbH – soweit sie überhaupt in Vollmacht für die Eigentümer(in) gehandelt hat – zu verstehen gegeben, dass keine Kündigung des Mietverhältnisses ausgesprochen wird, soweit bis zum 04.07.2024 eine gewerbliche Nutzung der streitgegenständlichen Wohnung beendet würde.
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Der Beklagte zu 1) habe auch zu keinem Zeitpunkt widerrechtlich einen „Massagesalon“ in dem von der Klägerin behaupteten Umfang in der streitgegenständlichen Wohnung betrieben. Der Beklagte zu 1) habe lediglich in Ausnahmefällen Massagen in der streitgegenständlichen Wohnung erbracht und im Übrigen Hausbesuche gemacht zu haben. Auch insoweit finde seit der Abmahnung vom 20.06.2024 keinerlei geschäftlichen Aktivitäten mehr in der streitgegenständlichen Wohnung statt. Die von der Klägerin mit den vorgelegten Rezensionen genannten Massagen seien vom 02.12.2021 und vom 15.01.2022 und damit sämtlich weit vor der Abmahnung vom 20.06.2024.
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Als Reaktion auf das Schreiben vom 22.03.2022 habe der Beklagte zu 1) unverzüglich vom Briefkasten und der Klingelanlage die durch das „Bildmaterial“ festgehaltene Aufschriften entfernt. Im weiteren Verlauf habe es von der A1. H. GmbH diesbezüglich bis zum 20.06.2024 auch keinen weiteren Schriftverkehr oder andere Korrespondenz gegeben, insbesondere sei keine Kündigung ausgesprochen worden.
35
Im Übrigen sei das angebliche Betreiben eines „Massagesalon“ nicht isoliert abgemahnt worden vor der Kündigung vom 18.7.2024. Dass dies erforderlich gewesen wäre, habe die Klägerin aber durch die Abmahnung vom 20.06.2024 den angeblichen Kiteshops betreffend selbst gezeigt. Durch die Abmahnung vom 20.06.2024 habe sie zu verstehen gegeben, dass auch nach ihrer Ansicht eine (teil) gewerbliche Nutzung grundsätzlich abgemahnt werden müsse und soweit eine gewerbliche Tätigkeit (in welcher Form auch immer) bis zum Ablauf der gesetzten Frist, eingestellt wird, keine Kündigung ausgesprochen wird.
36
Auch die Untervermietung an den Beklagten zu 2) stelle keinen Kündigungsgrund dar. Der Beklagte zu 1) habe einen Anspruch auf Untervermietung, der nach der Rechtsprechung des bayerischen Oberlandesgerichts im Rahmen der dolo-petit-Einwendung auch noch im Prozess geltend gemacht werden könne. Der Beklagte zu 1) habe ein berechtigtes Interesse an einer Untervermietung. Nach Auszug seiner Lebensgefährtin aus der gemeinschaftlichen Wohnung wollte der Beklagte zu 1) nicht allein in der streitgegenständlichen Wohnung leben. Daher hatte er zunächst Herrn S. ein Zimmer untervermietet und nunmehr dem Beklagten zu 2). Zudem hatte und habe der Beklagte zu 1) nach dem Auszug seiner Lebensgefährtin und danach von Herrn S. aus der streitgegenständlichen Wohnung das Interesse die allein getragenen Mietaufwendungen zu verringern. In der Person des Beklagten zu 2) liege auch kein wichtiger Grund gemäß § 553 Abs. 1 S. 2 1. Alt BGB, der die Klägerin dazu berechtigen würde, der Untervermietung nicht zuzustimmen. Der Beklagte zu 2) habe einen guten Job mit einem ordentlichen Einkommen und im Übrigen als Familienvater ein geregeltes Leben. Die Klägerin habe im Übrigen durch die vormalige Untervermietung bereits zum Ausdruck gebracht, dass einer Untervermietung im Grundsatz nichts entgegenstehe. Letztlich habe die Klägerin auch die Untervermietung nicht abgemahnt. Dies sei jedoch erforderlich gewesen.
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Durch das angebliche Aufbewahren eines E-Bikes in einer Wohnung werde kein „massives Risiko für Leib und Leben der Bewohner“ geschaffen. Die Hausordnung sei nicht Teil des Mietvertrags, denn in dem Mietvertrag sei an keiner Stelle geregelt, dass die als Anlage K1 vorgelegte Hausordnung gelte, sie sei nicht mal an irgendeiner Stelle erwähnt. Die von der Klägerin vorgelegte Hausordnung sei auf das Vertragsverhältnis des Beklagten zu 1) nicht anwendbar. Es sei dem Beklagten zu 1) auch nicht untersagt, ein Fahrrad, E-Bike oder was auch immer in seine Wohnung zu verbringen. Im Übrigen fehle es auch an einer Abmahnung, die natürlich vor dem Ausspruch einer Kündigung hätte ausgesprochen werden müssen.
38
Im Übrigen wird zum näheren Inhalt des Vorbringens und zur Ergänzung des Tatbestandes gemäß § 313 Abs. 2 ZPO auf das schriftliche Parteivorbringen und die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 20.02.2025 und vom 24.07.2025 vollumfänglich Bezug genommen.
39
Das Gericht hat im Termin zur mündlichen Verhandlung am 20.02.2025 nach entsprechender mündlicher Erörterung einen umfassenden Hinweis an die Klägerseite im Hinblick auf die Voraussetzungen an einen Zeugenbeweis erteilt und im Termin am 24.07.2025 Beweis erhoben durch die uneidliche Vernehmung der Zeugen D. M5., R. M. und O. F. zu der klägerischen Behauptung, der Beklagte zu 1 verbringe nahezu täglich das in seinem Eigentum stehende E-Bike aus der streitgegenständlichen Wohnung durch das Treppenhaus nach unten und nach Benutzung wieder zurück in die vorstehende Wohnung, die er vertragswidrig zur Lagerung eines E-Bikes verwende.

Entscheidungsgründe

40
Der Rechtsstreit ist zur Entscheidung reif. Eine weitere Beweisaufnahme war nicht erforderlich. Die nicht nachgelassene Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 13.08.2025 und des Klägervertreters vom 22.08.2025 enthalten ausschließliche rechtliche Ausführungen und wurden berücksichtigt. Ein Grund für den Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung nach § 156 ZPO bestand nicht.
A.
41
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Amtsgericht München sachlich und örtlich zuständig, weil die Streitigkeit einem Mietverhältnis über eine in M. gelegene Wohnung entspringt, §§ 29a Abs. 1 ZPO, 23 Nr. 2a GVG.
B. Begründetheit
42
I. Die Klägerin hat gegen den Beklagten zu 1 keinen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung, da die von der Klägerin ausgesprochenen Kündigungen das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis nicht beendet haben.
43
Die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung nach den § 543 I, II 1 Nr. 2 BGB sind ebenso wenig wie die für eine ordentliche Kündigung nach den § 573 I, II Nr. 1 BGB erfüllt.
44
Dabei kann es dahinstehen, ob die Kündigungen formell wirksam waren und die entsprechende Vertretungsmacht für die jeweiligen Schreiben vorlag, denn jedenfalls besteht kein materiell-rechtlicher Kündigungsgrund.
1. Die Kündigung vom 18.07.2024
45
Die Kündigung vom 18.07.2024 hat das streitgegenständliche Mietverhältnis nicht beendet, da es der insoweit eindeutig beweisbelasteten Klägerin nicht gelungen ist die von ihr behaupteten Pflichtverletzung in Form von vertragswidrigen gewerblichen Nutzungen der streitgegenständlichen Wohnung durch den Beklagten zu1 nach Ausspruch der – hier maßgeblichen Abmahnung vom 20.06.2024 nachzuweisen.
46
Gem. § 543 Abs. 1 BGB kann jede Vertragspartei das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
47
Nach § 573 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB kann der Vermieter nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat, wobei ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses insbesondere vorliegt, wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat.
48
a. Soweit die Kündigung vom 18.07.2024 damit begründet wird, der Beklagte zu 1 betreibe in der streitgegenständlichen Wohnung einen Shop für Kiteboards und Kitefoils gelingt es der insoweit beweisbelasteten Klägerin nicht, ein vertragswidriges Verhalten des Beklagten zu 1 nachzuweisen.
49
Die Ausübung eines Gewerbes in einer zu Wohnzwecken vermieteten Wohnung kann eine kündigungsrelevante Pflichtverletzung darstellen.
50
Bei einer Benutzung der Wohnung zu beruflichen, freiberuflichen oder gewerblichen Zwecken, ist jedoch zu unterscheiden, ob eine berufliche Tätigkeit mit Außenwirkung vorliegt, die auch ohne Erlaubnis des Vermieters ausgeübt werden kann, oder ob geschäftlichen Aktivitäten, die nach außen in Erscheinung treten, von der Wohnung aus nachgegangen wird.
51
Der BGH hat im Hinblick auf die Frage, in welchem Umfang der Mieter einer Wohnung in den Mieträumen auch einer geschäftlichen Tätigkeit nachgehen darf, ohne dass dies vertragswidrig ist, entschieden, dass es darauf ankommt, ob der Mieter mit einer geschäftlichen Tätigkeit nach außen in Erscheinung tritt, etwa indem er die Wohnung Kunden empfängt oder dort Mitarbeiter beschäftigt (NJW 2009, 3157, beck-online).
52
Berufliche Tätigkeiten, die der Mieter – etwa im häuslichen Arbeitszimmer – ausübt, ohne dass sie nach außen in Erscheinung treten, fallen nach der Verkehrsanschauung von vornherein unter den Begriff des „Wohnens” (NJW 2009, 3157, beck-online).
53
Bei geschäftlichen Aktivitäten freiberuflicher oder gewerblicher Art, die nach außen in Erscheinung treten, liegt hingegen eine Nutzung vor, die der Vermieter einer Wohnung ohne entsprechende Vereinbarung grundsätzlich nicht dulden muss. Der Vermieter kann jedoch im Einzelfall nach Treu und Glauben verpflichtet sein, eine Erlaubnis zur teilgewerblichen Nutzung zu erteilen. Sie wird insbesondere dann in Betracht kommen, wenn es sich nur um eine Tätigkeit ohne Mitarbeiter und ohne ins Gewicht fallenden Kundenverkehr handelt.
54
Aber auch eine selbstständige berufliche Tätigkeit kann im Einzelfall so organisiert sein oder einen so geringen Umfang haben, dass sie – wie beispielsweise bei einem Rechtsanwalt oder Makler – im Wesentlichen am Schreibtisch erledigt wird, in der Wohnung keine Mitarbeiter beschäftigt werden und keine weitergehenden Einwirkungen auf die Mietsache oder Mitmieter durch Kundenverkehr hat als bei einer üblichen Wohnnutzung (NJW 2009, 3157, beck-online). Die vom Vertragszweck gedeckte Nutzung zum Wohnen wird demnach nicht überschritten, wenn der Mieter mit einer geschäftlichen Tätigkeit nach außen nicht in Erscheinung tritt (Börstinghaus/Siegmund/Siegmund, 8. Aufl. 2025, BGB § 573 Rn. 40, beck-online).
55
Die diesbezüglich aufgestellte Behauptung der insoweit beweisbelasteten Klägerin, die Anlieferung, die Lagerung wie auch das Fertigmachen zum Versand der von dem Beklagten zu 1) verkauften Waren erfolge über die streitgegenständliche Wohnung, verblieb allerdings bei einer bloßen Behauptung ins Blaue hinein ohne konkrete Anknüpfungstatsache oder ein taugliches Beweisangebot.
56
Soweit die Zeugin in der Klage vom 12.09.2024 aufführt, ein Kunde „J. K.“ habe vor 3 Monaten in einer Rezession im Internet darüber berichtet, dass er persönlich „bei I. in M.“ gewesen sei und das „Brett vor dem Kauf sogar testen konnte“, kommt es hierauf nicht an, da es sich um einen Zeitpunkt vor der entscheidenden Abmahnung vom 20.06.2024 gehandelt hat.
57
Im Hinblick darauf, dass Beklagte zu 1 als Geschäftsanschrift für den Kiteshop ausweislich des Impressums der Firma (Anlage K2) seine Wohnanschrift benannt hatte, gilt folgendes: Die vom Vertragszweck gedeckte Nutzung zum Wohnen kann zwar überschritten sein, wenn der Mieter die Wohnanschrift als Sitz der Betriebsstätte angibt, in der Wohnung Kunden empfängt oder dort Mitarbeiter beschäftigt. Maßgeblich sind jedoch die Umstände des Einzelfalls. Berufliche Tätigkeiten, die der Mieter – etwa im häuslichen Arbeitszimmer – ausübt, ohne dass sie nach außen in Erscheinung treten, fallen nach der Verkehrsanschauung noch unter den Begriff des „Wohnens“. Die bloße Angabe der Wohnanschrift als Geschäftsadresse gegenüber Kunden, auf einer Website, trägt die Annahme einer Überschreitung der Grenze der Wohnnutzung allein nicht (Börstinghaus/Siegmund/Siegmund, 8. Aufl. 2025, BGB § 573 Rn. 40, beck-online).
58
b. Soweit die Kündigung vom 18.07.2024 damit begründet wird, die Klägerin habe nach Versand des Abmahnschreibens vom 20.06.2024 festgestellt, dass eine weitere Nutzung, die ebenfalls vertragswidrig sei vorliege, da der Beklagte zu 1 in der Wohnung zusammen mit einer Frau F1. M6. ein Massagestudio mit der Bezeichnung „B of T “ betreibe und auch diese Form der Nutzung (Betrieb eines weiteren Gewerbes) durch den vereinbarten Mietzweck nicht gedeckt sei, ist die Kündigung ebenfalls unwirksam.
59
Von entscheidender Bedeutung ist auch hierbei das Abmahnschreiben der Klägerin vom 20.06.2024.
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Die Annahme der Klagepartei, die Behauptung der Beklagte betreibe in der streitgegenständlichen Wohnung ein Massagestudio, was zur Begründung einer Kündigung aus wichtigem Grund nach § 543 Abs. I BGB ohne vorherige Abmahnung berechtige, geht insofern fehl, als dass die Klägerin sich mit dem Schreiben vom 20.06.2024 eben gerade dazu entschieden hat, die gewerbliche Nutzung der Wohnung abzumahnen.
61
Mit der Entscheidung der Klägerin dem Beklagten zu 1 gegenüber am 20.06.2024 eine „Abmahnung wegen gewerblicher Nutzung von Wohnraum“ auszusprechen, hat die Klägerin sich für eine „Sanktion“ des ihrer Meinung nach vertragswidrigen Verhaltens entschieden, nämlich den Ausspruch einer Abmahnung und vorerst keine Kündigung. Hieran muss sie sich in der Folge aber auch festhalten lassen. D.h. für die Wirksamkeit der außerordentlichen – aber konsequenterweise auch für die ordentliche Kündigung – muss die Klägerin ein vertragswidriges Verhalten des Beklagten zu1 darlegen und beweisen, welches zum einen Gegenstand der Abmahnung vom 20.06.2024 war und zum anderen nach der Abmahnung erneut oder nach wie vor vorgelegen hat. Dies gelingt ihr jedoch nicht.
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Vorab ist festzuhalten, dass die Behauptung der Klägerin im Kündigungsschreiben vom 18.07.2024 erst nach Versand des Abmahnschreibens vom 20.06.2024 festgestellt zu haben, dass der Beklagte zu 1 in der Wohnung zusammen mit einer Frau F1. M6. ein Massagestudio mit der Bezeichnung „B of T “ betreibe, im höchsten Maße unglaubhaft und offensichtlich widersprüchig ist. Denn dem eigenen Vortrag der Klagepartei nach zu urteilensiehe insofern ihren Schriftsatz vom 20.03.2025 Seite 2 – war dies bereits Gegenstand des Schreibens vom 22.03.2022 in dem die Klägerin unter Bezugnahme auf Bildmaterial von Briefkasten und Klingelanlage (Anlage K4) den Beklagten zu1 aufforderte die Wohnung zur Nutzung zu gewerblichen Zwecken unverzüglich einzustellen.
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Sämtliche von der Klägerin als Beweis für den behaupteten Betrieb eines Massagestudios in der streitgegenständlichen Wohnung angebotenen Rezessionen (Anlage K8) sind insofern unbehilflich, als dass sie alle samt vor der streitgegenständlichen Abmahnung abgegeben worden sind. Insbesondere auch die Rezession der als zum Beweis angebotenen Zeugin F2. G3., die den Angaben der Klägerin zufolge einen Termin zur Massage beim Beklagten zu1 am 25.07.2023 und damit eindeutig vor der Abmahnung vom 20.06.2024 hatte.
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Ebenso sind sämtliche von der Klägerin zum Beweis dafür, dass der Beklagte in der streitgegenständlichen Wohnung ein Massagestudio betreibt, angebotenen Zeugen unbehilflich. So bietet die Klägerin zum Beweis dafür, dass der Beklagte zu 1 in der streitgegenständlichen Wohnung einen Raum als Behandlungsraum für seine Massageanwendungen hergerichtet hat und dort auch regelmäßig Kunden empfängt die Zeugen G4. M7., J. F. und A. P. , als Zeugen an, ohne anzugeben, weshalb diese Zeugen hierzu etwas sagen könnten. Im Hinblick auf den Zeugen O2. F3., der zum Beweis dafür angeboten wurde, dass er wiederholt im Treppenhaus von Fremden angesprochen worden sei, wo es denn „zur Massage ginge“ und dafür, dass entfernte Bekannte die Massageleistung des Beklagten zu 1) in der streitgegenständlichen Wohnung in Anspruch genommen haben, wird nicht angegeben zu welchen Zeitpunkten dies gewesen sein soll, dass der Zeuge diese Feststellungen gemacht haben soll.
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Nach Erörterung dieser Problematik im Termin zur mündlichen Verhandlung am 20.02.205 und entsprechenden Hinweise des Gerichts, kam bezüglich dieser zunächst genannten Zeugen keine weitere Konkretisierung des Beweisangebots seitens der Klägerin. In ihrem Schriftsatz vom 20.03.2025 räumt sie vielmehr ein, dass es richtig sei, dass die konkreten Zeitpunkte dieser „Kontakte“ nicht mehr nachvollzogen werden könnten.
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Soweit die Klägerin mit Schriftsatz vom 20.03.2025 die Zeugin F2. G3. für den Umstand angeboten hat, dass der Beklagte zu 1) noch Ende Juli 2023 und zwar am 25.07.2023 in der streitgegenständlichen Wohnung Massageleistungen ausgeführt hat, war dies ebenfalls ein unbehilfliches Beweisangebot, da es nicht streitentscheiden ist ob dem so war oder nicht. Entscheidenden ist ob der Beklagte nach der Abmahnung vom 20.06.2024 gewerbliche Tätigkeiten in der streitgegenständlichen Wohnung erbracht hat, die zur Kündigung berechtigen.
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Soweit die Klägerin insoweit ausführt, dass es hierauf nicht ankäme, da der Zeuge M7. noch unmittelbar vor Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung festgestellt habe, dass es in der streitgegenständlichen Wohnung ein Behandlungsraum für Massageanwendungen gebe, war hierüber ebenfalls kein Beweis zu erheben. Vielmehr kann dies sogar als wahr unterstellt werden, denn der Beklagte zu 1 räumt selber ein, dass er vereinzelt vor der Abmahnung vom 20.06.2024 Massagen in Ausnahmefällen in der Wohnung durchgeführt habe. Die Existenz eines Zimmers, in der eine Massageliege aufgebaut ist, beweist vor diesem Hintergrund nicht, dass der Beklagte zu 1 nach dem 20.06.2024 noch Massagen dort durchgeführt hat.
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Auf das Abmahnschreiben vom 22.03.2022 kommt es dagegen nicht an. Denn durch die Abmahnung von 20.06.2024 hat die Klägerin dem Beklagten zu1 zu verstehen gegeben, dass sie trotz des Schreibens vom 22.03.20222 den Beklagten zu 1 zunächst wegen der gewerblichen Nutzung von Wohnraum abmahnt und eben nicht kündigt. Die Abmahnung vom 20.06.2024 überholt das Schreiben vom 22.03.2022 insofern. Dies wird auch durch den Wortlaut der Abmahnung vom 20.06.2024 verdeutlicht, indem die Klägerin schreibt „wir mussten feststellen, dass Sie trotz unserem Schreiben vom 22.03.22 bezüglich der gewerblichen Nutzung der von Ihnen Angemieteten Wohnung in o.g. Anwesen diese weiterhin gewerblich nutzen“ (Anlage K2) stellt sie dies nochmal klar.
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Nachdem die Klägerin sich also entschieden hat auf das Schreiben vom 22.03.2022 eine Abmahnung auszusprechen und keine Kündigung, ist das Schreiben vom 22.03.2022 für die hier streitentscheidende Frage, ob der Beklagte zu 1 nach der Abmahnung vom 20.06.2024 sich wiederholt vertragswidrig verhalten hat, gegenstandslos.
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Dass der Beklagte zu1 ausweislich seiner Webseite als Ort der „Anwendungen“ die Anschrift ... (Anlage K3) aufgeführt haben soll, bietet ebenfalls keinen Beweis dafür, dass der Beklagte zu1 tatsächlich nach der Abmahnung vom 20.06.2024 noch Anwendungen in der streitgegenständlichen Wohnung durchgeführt hat.
2. Die Kündigung vom 12.09.2024
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Auch die schriftsätzliche Kündigung vom 12.09.2024, gestützt auf die Untervermietung eines Teils der Wohnung an den Beklagten zu 2 hat das streitgegenständliche Mietverhältnis nicht beendet.
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Zwar ist ein Mieter gem. § 540 BGB ohne die Erlaubnis des Vermieters, die hier im Hinblick auf die vom Beklagten zu 1 vorgenommene Untervermietung eines Teils der Wohnung an den Beklagten zu 2 nicht vorliegt, nicht berechtigt, den Gebrauch der Mietsache einem Dritten zu überlassen, insbesondere sie weiter zu vermieten. Vielmehr stellt dies grundsätzlich ein vertragswidriges Verhalten dar.
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Eine außerordentliche Kündigung nach § 543 I, II 1 Nr. 2 BGB verlangt aber eine mit der Gebrauchsüberlassung einhergehende Verletzung der Rechte des Vermieters „in erheblichem Maße“. Eine verhaltensbedingte Kündigung des Mieters gem. § 573 II Nr. 1 BGB setzt eine schuldhafte Pflichtverletzung voraus, die „nicht unerheblich“ ist. An beiden Voraussetzungen fehlt es vorliegend. Denn die vom Beklagten zu 1 seitens der Klägerin nicht genehmigte Untervermietung eines Teils der Wohnung an den Beklagten zu 2 stellt eine Pflichtverletzung dar, die mangels hinreichender Erheblichkeit nicht geeignet ist eine Kündigung des Mietverhältnisses zu rechtfertigen.
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Im Falle einer unbefugten Gebrauchsüberlassung ist für die Frage, ob die schuldhafte Pflichtverletzung des Mieters hinreichend erheblich ist, sowohl für die Wirksamkeit einer darauf gestützten außerordentlichen als auch für die einer ordentlichen Kündigung – nicht anders als bei sonstigen verhaltensbedingten Kündigungen auch – im Rahmen einer umfassenden Gesamtabwägung auf sämtliche Umstände des Einzelfalls abzustellen (NJOZ 2018, 703 Rn. 6, beck-online; BGH, NJW 2011, 1065 = NZM 2011, 275 Rn. 20; Kammer, ZMR 2017, 238 = BeckRS 2016, 18983 Rn. 16 mwN; Palandt/Weidenkaff, BGB, 75. Aufl. 2016, § 543 Rn. 20).
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Für diese Abwägung sind neben der Dauer des bisherigen Mietverhältnisses und den nachteiligen Auswirkungen der Vertragspflichtverletzung auf den Vermieter auch ein möglicher Anspruch des Mieters auf Erteilung der – hier nicht eingeholten – Untermieterlaubnis erheblich (NJOZ 2018, 703 Rn. 6, beck-online; BGH, NJW 2011, 1065 = NZM 2011, 275 Rn. 22; NJW 2014, 2566 = NZM 2014, 635 Rn. 23; NJW 2015, 2417 = NZM 2015, 536 Rn. 33; Kammer, ZMR 2017, 238 = BeckRS 2016, 18983 Rn. 16 mwN).
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Gemessen an diesen Grundsätzen ist die auf der ungenehmigten und nicht angezeigten Gebrauchsüberlassung an den Beklagten zu 2 beruhende Pflichtverletzung des Beklagten zu 1 nicht hinreichend erheblich, um eine außerordentliche oder ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses zu rechtfertigen.
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Denn zugunsten des Beklagten zu 1ist nicht nur der Umstand zu berücksichtigen, dass das Mietverhältnis zum Zeitpunkt des ersten Kündigungsausspruchs bereits seit knapp 30 Jahren besteht, sondern auch, dass dem Beklagten zu 1 gem. § 553 I 1 BGB ein berechtigtes Interesse zur teilweisen Überlassung der Wohnung an den Beklagten zu 2 zusteht, so dass die Klägerin ohnehin zur Genehmigung der Gebrauchsüberlassung verpflichtet gewesen wäre. Überdies ist die in der nicht genehmigten Untervermietung eines Teils der Wohnung an den Beklagten zu 2 liegenden Pflichtverletzung des Beklagten zu 1 nicht geeignet, die Interessen der Klägerin, mehr als nur unwesentlich zu beeinträchtigen.
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Der Beklagte zu 1 hat gemäß § 553 Abs. 1 S. 1 BGB ein berechtigtes Interesse, ein Zimmer der streitgegenständlichen Wohnung unterzuvermieten.
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Inhaltlich sind an die Annahme eines berechtigten Interesses keine besonders hohen Anforderungen zu stellen. Es genügt, dass der Mieter ein nach Vertragsschluss entstandenes berechtigtes Interesse an der Untervermietung vorweisen kann und den Wohnraum nicht vollständig dem Dritten überlässt (LG München I Endurteil v. 8.12.2021 – 14 S 8944/21, BeckRS 2021, 47911, beck-online). Dabei genügt es, wenn dem Mieter vernünftige Gründe zur Seite stehen, die seinen Wunsch nach Überlassung eines Teils der Wohnung an Dritte nachvollziehbar erscheinen lassen, mithin ist jedes Interesse des Mieters von nicht ganz unerheblichem Gewicht als berechtigt anzusehen, das mit der geltenden Rechts- und Sozialordnung im Einklang steht (BGH, Urt. v. 31. Januar 2018 – VIII ZR 105/17, NZM 2018, 325, juris Tz. 53; Kammer, Urt. v. 17. März 2022 – 67 S 286/21, juris Tz. 12; Urt. v. 9. April 2015 – 67 S 28/15, WuM 2015, 421). Es kann sich um ein wirtschaftliches aber auch um ein persönliches oder familiäres Interesse handeln. Nach der Rechtsprechung des BGH kann bereits die Absicht des Mieters nach dem Auszug eines bisherigen Mitmieters nicht allein zu leben oder der nicht näher zu begründende Wunsch des Mieters, eine Wohngemeinschaft zu bilden oder fortzusetzen ein solches Interesse begründen (BGH 31.1.2018 – VIII ZR 105/17, NJW 2018, 2397; BGH ZMR 2004, 100; BGH 3.10.1984 – VIII ARZ 2/84, BGHZ 92, 213, 218f; Lützenkirchen/Selk in: Erman BGB, Kommentar, 17. Auflage 2023, § 553 BGB, Rn. 5). Ein berechtigtes wirtschaftliches Interesse ist auch zu bejahen, wenn der Mieter durch die Untervermietung seine Wohnkosten reduzieren will. (BGH 31.1.2018 – VIII ZR 105/17, NJW 2018, 2397; Schmidt-Futterer/Flatow, 16. Aufl. 2024, BGB § 553 Rn. 4, beck-online).
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Nach den vorstehenden Grundsätzen hatte und hat der Beklagte zu 1 gegen die Klägerin einen Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis zur Untervermietung.
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Zur Überzeugung des Gerichts hat der Beklagte zu 1 in ausreichendem Maße sein berechtigtes Interesse an einer Teiluntervermietung gem. § 553 Abs. 1 S. 1 BGB an den Beklagten zu 2 dargelegt. So führte der Beklagte zu1 hinreichend aus, dass er nach Auszug seiner Lebensgefährtin aus der gemeinschaftlichen Wohnung nicht allein in der streitgegenständlichen Wohnung leben wollte. Daher hatte er zunächst Herrn S. ein Zimmer unvermietet und nunmehr dem Beklagten zu 2. Außerdem habe er nach dem Auszug seiner Lebensgefährtin und danach von Herrn S. aus der streitgegenständlichen Wohnung das Interesse die allein getragenen Mietaufwendungen zu verringern. Auch legte er unter Vorlage einer Ablichtung des Personalausweises (Anlage B1) und eines Schreibens des Arbeitgebers (Anlage B2) des Beklagten zu 2 dessen Personalien und Auskünfte über seine Arbeitsstelle substantiiert dar.
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Das berechtigte Interesse der Beklagten bestand zum Zeitpunkt des Mietvertragsschlusses noch nicht, da er damals mit seiner Lebensgefährtin die Wohnung bezogen hatte und ist erst nach Abschluss des Mietvertrages mit dem Auszug und der Trennung der Mietmieterin und des vorherigen Untermieters entstanden.
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Das berechtigte Interesse des Mieters tritt nur zurück, wenn die beabsichtigte Gebrauchsüberlassung für den Vermieter unzumutbar wäre (BGH ZMR 2004, 100; BGH 3.10.1984 – VIII ARZ 2/84, NJW 1985, 130), was nach § 553 BGB Abs1 Satz 2 insbesondere bei Vorliegen eines wichtigen Grundes in der Person des Dritten oder Überbelegung anzunehmen ist. Sonstige Unzumutbarkeitsgründe müssen den Regelbeispielen vergleichbar sein, also erhebliche Belange des Vermieters berühren (OLG Hamm 17.8.1982 – 4 REMiet 1/82, NJW 1982, 2876, 2880).
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Klägerseits sind aber keine belastbaren Unzumutbarkeitsgründe vorgetragen. Die klägerische Behauptung der Beklagte zu 1 begründe ganz offensichtlich über Jahre hinweg ohne Unterrichtung der Klägerin immer neue Untermietverhältnisse verlieb im laufe des Rechtsstreits bei einer bloßen Behauptung ins Blaue hinein ohne konkrete Anknüpfungspunkte oder gar Beweisangebote.
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Es tritt durch die Aufnahme des Beklagten zu 2 als Untermieter auch keine Überbelegung i.S.d. § 553 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BGB ein, da die Wohnung seit Beginn des Mietverhältnisses von zwei Mietern bewohnt und genutzt wurde. Überdies wurde dem Beklagten mit Erlaubnis vom 28.11.2005 schon einmal das Recht eingeräumt, ein Zimmer der streitgegenständlichen Wohnung an Herrn T. S. unterzuvermieten, wodurch die Klägerin bereits zum Ausdruck gebracht hat, dass einer Untervermietung im Grundsatz nichts entgegensteht.
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Insbesondere liegt vorliegend auch kein wichtiger Grund in der Person des Beklagten zu 2 vor, weshalb der Klägerin die Überlassung gem. § 553 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht zugemutet werden könnte. Ihre zunächst aufgestellte Behauptung, der Beklagte zu 2 verstoße fortlaufend gegen die Hausordnung, indem er sein E-Bike in die streitgegenständliche Wohnung verbringe und habe auf die Aufforderung, diese Form der Nutzung zu unterlassen, nicht reagiert, währen der Beklagte zu 1 diese Form der in Widerspruch zur Hausordnung stehenden Nutzung dulde, musste die Klägerin spätestens nach der Sitzung am 20.02.2025 fallen lassen, nachdem der Neffe der Klägerin Herr Dr. G1. im Sitzungssaal einräumen musste, sich jetzt doch nicht mehr sicher zu sein, dass es der Beklagte zu 2 ist, den er mit dem Fahrrad im Treppenhaus gesehen habe und mit dem er gesprochen habe. Laut Schriftsatz vom 20.03.2025 soll es dann doch der Beklagte zu 1 gewesen sein, den Herr Dr. G1. im Treppenhaus mit dem Fahrrad gesehen haben willder in der Sitzung am 20.02.2025 im Übrigen ebenfalls anwesend war.
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Auch der Beklagte zu 2 konnte diese klägerische Behauptung im Übrigen zur Überzeugung des Gerichts im Rahmen seiner informatorischen Anhörung ausräumen, in dem er glaubhaft angab, dass er zum einen gar kein E-Bike besitze und zum anderen in M. gar kein Fahrrad besitze und erst recht kein Fahrrad das streitgegenständliche Treppenhaus hoch oder runter getragen habe.
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Die weitere klägerische Einwendung gegen den Beklagten zu 2, er wäre im Termin zur mündlichen Verhandlung am 20.02.25 im Sinne der ihm obliegende prozessuale Wahrheitspflicht gehalten gewesen, ohne Nachfrage offenzulegen, dass sein Vermieter, der Beklagte zu 1), ein E-Bike besitzt und dieses auch in der Wohnung lagere, vermag das Gericht bereits deshalb nicht zu überzeugen, da er hiernach weder durch das Gericht noch die Klagepartei gefragt worden ist. Der Beklagte zu 2 steht auch in keiner vertraglichen Verbindung mit der Klägerin.
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Im Übrigen ist auch der diesbezüglichen Argumentation des Beklagtenvertreters zuzustimmen, wonach es dem Mieter in dem Fall, in dem er ohne die Erlaubnis des Vermieters einzuholen, einen Dritten in die Wohnung aufgenommen hat, nicht verwehrt ist, sich gegenüber der Kündigung des Vermieters darauf zu berufen, dass ihm ein Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis zur Gebrauchsüberlassung zusteht. Dies ergibt sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben gem. § 242 BGB, der eine allen Rechten und Rechtspositionen innewohnende Schranke bildet, eine missbräuchliche Rechtsausübung untersagt und auch für die Kündigung des Vermieters bei unbefugter Überlassung der Mietsache an Dritte gilt (BayObLG, NJW-RR 1991, 461). BGH, NJW 1985, 2527 (2528) und WM 1968, 252 (253)). Der Beklagte zu 1 konnte deshalb gegenüber der auf die unbefugte Gebrauchsüberlassung gestützten Kündigung der Klägerin in der Klage vom 12.09.2024 auch noch im hiesigen Räumungsprozess einwenden, dass ihm die Erlaubnis hätte erteilt werden müssen, weshalb die Kündigung deshalb wegen unzulässiger Rechtsausübung unwirksam ist (MüKoBGB/Bieber, 9. Aufl. 2023, BGB § 553 Rn. 15LG Berlin GE 2018, 511; RE BayObLG NJW-RR 1991, 461; RE OLG Hamburg OLGZ 1982, 319 = NJW 1982, 1157 = RES § 553 aF Nr. 1; Sternel MietR II Rn. 261).
3. Die Kündigung vom 27.01.2025
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Auch die außerordentlich fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung vom 27.01.2025 konnte das streitgegenständliche Mietverhältnis nicht beenden. Sie wurde damit begründet, dass der Beklagte zu 2) fortlaufend gegen die Regelungen der Hausordnung verstoße, indem er sein E-Bike in die streitgegenständliche Wohnung verbringe. Der Beklagte zu 2) habe auf die Aufforderung, diese Form der Nutzung zu unterlassen, nicht reagiert.
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Der Beklagte zu 1) dulde diese Form der in Widerspruch zur Hausordnung stehenden Nutzung.
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Im Rahmen des Prozesses hat sie diese klägerische Behauptung jedoch unstreitig als unwahr herausgestellt, weshalb von der Kündigung keine Wirkung aus geht.
4. Die Kündigung vom 20.03.2022
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Auch die Kündigung im Schriftsatz vom 20.03.2025 gestützt auf die vertragswidrige Nutzung der Wohnung als Massagestudio, auf die Lagerung des E-Bikes in der Wohnung und das Verhalten des Beklagten zu 2 im Rahmen seiner gerichtlichen Anhörung am 20.02.2025, konnte das streitgegenständliche Mietverhältnis nicht beenden.
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a. Soweit die Kündigung erneut auf das Betreiben eines Massagesalons in der streitgegenständlichen Wohnung gestützt wird und diesbezüglich ein Vorfall vom 25.07.2023, als die Zeugin Frau F2. G3. einen Termin in der streitgegenständlichen Wohnung zur Massage gehabt haben soll, genannt wird, wird vollumfänglich auf die diesbezüglich bereits getätigten Ausführungen unter I 1b) Bezug genommen. Da es sich hierbei um einen Vorfall vor dem relevanten Abmahnschreiben vom 20.06.2024 handelt, hatte er keine kündigungsrelevante Auswirkung.
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b. Auch soweit die Kündigung vom 20.03.2025 darauf gestützt ist, dass der Beklagte zu 1) fortlaufend gegen die Regelungen der hier maßgeblichen Hausordnung verstoße, indem er sein E-Bike in die streitgegenständliche Wohnung verbringt, wobei die Verstöße nach dem 27.01.2025 schwer wiegten, als dem Beklagten zu 1) seitdem jedenfalls die Position seiner Vermieterin und deren Bedenken dagegen bekannt waren, liegt kein wirksamer Kündigungsgrund vor.
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Die Klägerin vermochte zwar die beklagtenseits stets bestrittene Behauptung, die Hausordnung, die unter Abschnitt I, lit. b), 2. Abs. ausdrücklich regelt, dass „die Mitnahme von Krafträdern, Mopeds und Fahrrädern in die Mieträume (…) unzulässig“ ist, sei Teil des als Anlage K 1 zur Akte gereichten Mietvertrags vom 02.03.1995 nicht beweisen.
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Jedoch weiß der Beklagte seit dem 27.01.2025 durch den Schriftsatz des Klägervertreters sowohl von der entsprechenden Regelung der Hausordnung, als auch, dass die Klägerin als seine Vermieterin starke Sicherheitsbedenken gegen das Lagern von E-Bikes in der Wohnung hat und es untersagt, dass E-Bikes in der Wohnung gelagert werden.
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Ein stetes Ignorieren solcher legitimer Verhaltensregeln, die in einem Mehrfamilienhaus nötig sind, um ein möglichst friedliches Zusammenleben gewährleisten zu können, durch einen Mieter und ein bewusstes und beharrliches darüber Hinwegsetzen, kann durchaus eine nicht unerhebliche Pflichtverletzung der gegenseitigen Rücksichtsnahmepflichten auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Vertragspartners darstellen und zur ordentlichen Kündigung nach § 573 BGB führen.
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Allerdings gelang es der Klägerin nicht diese von ihr aufgestellte Behauptung zu beweisen.
100
Denn über die Behauptung der Klägerin, der Beklagte verbringe nahezu täglich das in seinem Eigentum stehende E-Bike aus der streitgegenständlichen Wohnung durch das Treppenhaus, über drei Stockwerke, nach unten und dort auf die Straße und nach Benutzung wieder zurück in die vorstehende Wohnung, hat das Gericht im Termin zur mündlichen Verhandlung am 24.07.2025 Beweis erhoben durch die uneidliche Vernehmung der diesbezüglich genannten Zeugen D. M5., R. M. und O. F. .
101
Gemäß § 286 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen – hier durchgeführten – Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder nicht für wahr zu erachten sei. Unter Beachtung der Denk- und Naturgesetze, Erfahrungssätze und der gesetzlichen Beweisregeln hat der Richter im Verlauf des Rechtsstreits gewonnene Erkenntnisse nach seiner individuellen Einschätzung zu bewerten. Dabei darf er zum Beispiel einer Partei mehr Glauben schenken als einem beeideten Zeugen oder trotz mehrerer bestätigender Zeugenaussagen das Gegenteil einer Beweisbehauptung als bewiesen ansehen. Der Richter muss nach der Wahrheit streben, darf sie aber nicht zu der Voraussetzung seiner Entscheidung machen. Deshalb muss er sich mit einer persönlichen Gewissheit begnügen, die den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (vgl. BGH Urt. v. 17.02.1970 – BGH Aktenzeichen IIIZR13967 III ZR 139/67, in NJW 1970, NJW Jahr 1970 Seite 946 ff.; Urt. v. 28.01.2003 – BGH Aktenzeichen VIZR13902 VI ZR 139/02 Urt. v. 03.06.2008 – BGH Aktenzeichen VI ZR 235/07 jew. Zit. nach juris).
102
Nach diesen Maßstäben steht für das Gericht fest, dass keiner der Zeugen das Gericht mit der notwenigen Sicherheit davon überzeugen konnte, dass der Beklagte zu 1 nach dem 27.01.2025 sein E-Bike nahezu täglich von und wieder zurück in seine Wohnung durch das Treppenhaus verbringt.
103
Der Zeuge O2. F3. bestätigte, dass der Beklagte zu1 ein E-Bike besitzt und ihn auch gesehen zu haben, wie er das Fahrrad zwei- bis dreimal die Woche gesäubert nach oben durch das Treppenhaus verbringt. Er gab aber auch an, dass der Beklagte zu 1 inzwischen das Mountainbike nicht mehr in die Wohnung verbringt. Auf Nachfrage des Gerichts, ob der Zeuge sagen kann, ob er den Beklagten zu 1) nach dem 27.01.2025 im Treppenhaus mit dem Fahrrad angetroffen hat, überlegte der Zeuge zunächst lange und gab dann sehr klar und deutlich an, dass er das nicht mit Sicherheit sagen könne.
104
Der Zeuge R2. M8. gab an, den Beklagten zu1 schon seit Wochen nicht mehr mit dem Fahrrad im Treppenhaus gesehen zu haben. Auf Nachfrage des Gerichts gab der Zeuge an, nicht sagen zu können, dass es nach dem 27.01.25 war, als er den Beklagten zu 1das letzte Mal mit dem Fahrrad im Treppenhaus gesehen hat.
105
Einzig der Zeuge D. M5. meinte sagen zu können, dass er den Beklagten zu 1 das letzte Mal noch nach Januar 2025 im Treppenhaus mit dem Fahrrad gesehen habe. Die zeitliche Festlegung, dass es nach Januar gewesen sein muss stützt er auf Nachfrage des Gerichts darauf, dass er sich daran erinnern könnte, wenn es im Januar gewesen wäre, da er sich dann gewundert hätte, dass jemand bei der Kälte mit einem Fahrrad unterwegs ist.
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Gleichzeitig konnte er aber keine klaren Angaben machen, wann es denn das letzte Mal gewesen ist, dass er den Beklagten im Treppenhaus mit dem Fahrrad gesehen hat. Auf die diesbezügliche Nachfrage des Beklagtenvertreters gab er an „Das weiß ich nicht“. Auf Nachfrage des Beklagtenvertreters, ob es theoretisch auch vor April gewesen sein kann, sagte der Zeuge, er habe ja gesagt, dass es eine Circa-Angabe gewesen ist.
107
Was der Beklagte für Kleidung an hatte das letzte Mal, als er ihn mit dem Fahrrad im Treppenhaus gesehen hatte, wusste er auch nicht.
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Der Zeuge konnte seine Erinnerung an die letzte Begegnung mit dem Beklagten zu 1 im Treppenhaus, während dieser sein Fahrrad durchs Treppenhaus verbrachte, mithin an keinen weiteren Ereignissen oder Umständen festmachen. Einzig seine Vermutung, dass er sich gewundert hätte das jemand im Januar bei der Kälte Fahrrad fährt brachte ihn zu der Annahme, dass es nach Januar gewesen sei, dass er den Beklagten zu1 das letzte Mal gesehen habe, wie er sein Fahrrad durch das Treppenhaus verbracht habe.
109
Dies überzeugt das Gericht in keiner Weise. Zum einen kann es im Februar und auch noch im März ebenso kalt wie im Januar sein, so dass die Schlussfolgerung die der Zeuge getroffen hat aus Sicht des Gerichts nicht logisch und nachvollziehbar ist. Zum anderen gibt es und gab es auch konkret im Januar 2025 Tage an den es mild war und nichts außergewöhnliches dargestellt hätte und hat, dass jemand Fahrrad fährt.
110
Letztlich konnte das Gericht durch die Beweisaufnahme keine ausreichende Überzeugung davon gewinnen, dass der Beklagte zu 1 auch nach dem 27.01.2025 sein E-Bike noch durch das Treppenhaus verbracht hat und in seiner Wohnung gelagert hat und sich damit bewusst und beharrlich über den Wunsch seiner Vermieterin, dies zu unterlassen hinweggesetzt hat.
111
c. Soweit die Kündigung vom 20.03.2025 auch auf das Verhalten des Beklagten zu 2 im Rahmen seiner gerichtlichen Anhörung am 20.02.2025 gestützt wird, dass die Klägerin als bewusstes Handeln zu ihrem Nachteil bewertet, da dem Beklagten zu 2) klar gewesen sein müsse, dass die Kündigung vom 27.01.2025 versehentlich gegen ihn ausgesprochen worden war und eigentlich sein Vermieter, der Beklagte zu1) gemeint war wird vollumfänglich auf die Ausführungen unter I 2. Bezug genommen. Ein vertragliches Verhältnis zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu 2 besteht nicht. Der Beklagte zu 2 war unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt dazu verpflichtet gewesen vor Gericht ohne ausdrückliche Nachfrage seinen Vermieter den Beklagten zu 1 mit etwaigen kündigungsrelevantem Verhalten zu belasten.
112
II. Da keine der klägerseits ausgesprochenen Kündigungen gegen den Beklagten zu1 wirksam ist und die Klägerin daher auch kein Räumungsanspruch gegen den Beklagten zu 1 hat, besteht auch kein Anspruch der Klägerin auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung gegen den Beklagten zu 2.
C.
113
Die Widerklage ist zulässig und begründet. Wie bereits unter I. 3 ausgeführt hat der Beklagte zu 1 gegen die Klägerin einen Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis zur teilweisen Untervermietung der streitgegenständlichen Wohnung an den Beklagten zu 2.
D.
114
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO. Der Streitwert der Räumungsklage entspricht dem Jahresbetrag der Miete ohne Nebenkosten (§ 41 Abs. 2, Abs. 1 GKG), hier also 12 x 940,00 € = 11.280,00 €